tag:blogger.com,1999:blog-70171233339789780502024-03-21T20:08:35.416+01:00Rüdiger PlantikoRüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.comBlogger127125tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-3077022160927975382023-12-03T22:15:00.012+01:002024-02-24T17:57:51.473+01:00Den Sinn ändernpeccavimus et facti sumus tamquam immundus nos<br/>
et cecidimus quasi folium universi<br/>
et iniquitates nostrae quasi ventus abstulerunt nos
<p/><p/>
Wir haben gesündigt und sind Unreine geworden,<br/>
Wie ein Blatt sind wir alle gefallen,<br/>
Und unsere Missetaten haben uns fortgetragen wie der Wind
<p/>
<p style="text-align:right">Aus dem Adventsgesang <a href="https://www.youtube.com/watch?v=-EjHCYLukRY">Rorate Caeli</a>, nach <a href="https://k-bibel.de/ARN/Jes64,6">Jesaja 64,6</a> </p>
<p/><p/>
Die poetischen Bilder dieses Klagegesanges, die vom Propheten Jesaja stammen, laden zu einer näheren Betrachtung ein, denn sie umschreiben unsere irdische Verfaßtheit.
<p/>
Zentraler Gedanke ist die Feststellung, daß wir gewissermaßen “nicht in der Ordnung leben” - und damit nicht "in Ordnung sind". Das kann der Anfang einer tiefgreifenden Sinnesänderung werden.
<p/>
<i>Wir sind gefallen wie ein Blatt.</i> - Ein Blatt fällt langsam immer tiefer, wobei es in einer ziellos schwingenden Bewegung mal in diese, mal in jene Richtung wandert. Der leiseste Wind kann es ergreifen und mit sich nehmen, bevor er das Interesse an ihm verliert und es wieder in seinen eigenen Fall entläßt. Die horizontalen Bewegungen erregen zwar die Aufmerksamkeit - bei allem aber bleibt eines sicher: der stete Fall, die Abwärtsbewegung.
<p/>
So ist es auch mit uns. Wir lassen uns forttragen, wähnen uns vielleicht sogar in zielgerichteter Eigenbewegung, aber wir haben in Wahrheit keinen festen Halt. Und ohne den ist nur eines sicher: daß es immer weiter bergab geht mit uns. Womit ich nicht den unausweichlichen Verfall des Leibes meine, sondern vor allem und in erster Linie den Verfall der Seele.
<p/>
Dabei haben wir, anders als das Blatt, tief in uns die Sehnsucht, in der Ordnung zu sein. Der Fall ist nur die Folge einer aktiven Verdrängung dieser Sehnsucht. Das ist der Grund, daß die Strophe aus dem Rorate-Gesang mit dem Wort <i>peccavimus</i> beginnt - wir haben gesündigt. Aktiv Perfekt - Ursache des Falls ist eine aktive innere Abwendung, eine Verdrängung dessen, was das Gute und Richtige gewesen wäre, die zu unserer Vorgeschichte gehört. Das zieht die Krankheit des Aussatzes nach sich - das Seelenkleid wird fleckig und häßlich, denn die eigene Kraft ist nicht stark genug, um es rein zu erhalten. Schließlich erlischt das innere, übernatürliche Leben der Seele vollständig.
<p/>
Eine typische, von der Gesellschaft einprogrammierte Reaktion auf solche Gedanken ist: “Hört auf mit diesem Gerede von Schuld und Sünde - laßt uns doch positive Gedanken pflegen, laß es uns einfach gut miteinander haben!” Denn das Thema Schuld und Sünde gehört zu den unbeliebten Teilen der Religion. Religion wird geduldet, wenn sie das sogenannte “selbstbestimmte Leben” nicht besonders stört, wenn sie der spirituellen Erbauung dient und dem einzelnen einen Sinn gibt - aber nicht wenn sie mahnt und warnt, zu Buße und Gebet aufruft.
<p/>
Das Bewußtsein von der Sündhaftigkeit - und damit eng verknüpft: die Sehnsucht, wieder in der Ordnung zu sein - ist kein Sondergut der christlichen Religion, sondern etwas allgemein Menschliches, das in unsere Seelen gelegt ist. Viele Kulturen legen davon Zeugnis ab. Die alten Ägypter strebten beispielsweise besonders danach, in der <a href="https://www.selket.de/aegyptische-goetter/maat/">Ma’at</a> zu leben - im Frieden und in der Ordnung mit den Göttern und den Menschen; das zugrundeliegende Verb ma’a heißt soviel wie “richten” oder “lenken”. Auf einer USA-Reise erfuhr ich einmal, daß das Wichtigste im Leben eines Navajo-Indianers etwas war, das er <a href="https://dlib.indiana.edu/omeka/mathers/exhibits/show/navajo_weavings/balance-beauty">Hózhó</a> nannte - was soviel wie Schönheit, Harmonie oder Ordnung heißt. Eine Sehnsucht nach diesem Zustand kann aber nur entstehen, wenn man bemerkt, daß man noch nicht (oder: nicht mehr) in ihm ist.
<p/>
Aber die Ursache für das Leben außerhalb der Ordnung liegt allein in unserem Willen. Wir selbst sind dafür verantwortlich. Zum Begriff der Sünde (die mit "Absonderung" wortverwandt ist) gehört das Selbstverschuldete, der selbstgewählte Akt des Sich-Verschließens. Wir verschließen Augen und Ohren für die Quelle, von der her alles wieder gerichtet werden könnte.
<p/>
Nebenbei: es ist nicht nur für den einzelnen, sondern auch für die Gemeinschaft als Ganzes das Beste, in dieser Ordnung zu sein. Die Sehnsucht des einzelnen, sich selbst auf diese Ordnung hin auszurichten, geht in Harmonie mit dem richtigen Leben unter den Mitmenschen. Letzteres - der richtige Umgang mit den Mitmenschen - fließt aus der Quelle, ohne selbst die Quelle zu sein, als bloße Wirkung. Dies könnte zu anderer Gelegenheit näher betrachtet werden.
<p/>
An den Umkehrpunkten der Hin- und Herbewegungen des Blattes merken wir selbst, daß die Richtung nicht stimmt. Wir geraten in eine Lebenskrise und suchen nach neuen Wegen. Beispielsweise bemerken wir eine zunehmende Trockenheit oder Leere, wenn wir in der bisherigen Richtung weitergehen würden, oder wir spüren, daß dieser Weg nicht die erhoffte Erfüllung bringen wird. Eine Verheißung, die am Anfang stand, erweist sich als trügerisch. Oder wir sind so tief verstrickt in einen falschen Weg, die Konsequenzen treffen uns so deutlich und schmerzhaft, daß es uns nicht mehr möglich ist, die Augen davor zu verschließen. Dann greifen wir schnell nach einem neuen Ziel, meist ohne uns zu fragen, ob dies nun ein höherwertiges ist, oder wieder nur ein Windhauch, nur diesmal aus einer anderen Richtung, der sein Spiel mit uns treibt. Oft ist uns sogar mehr oder weniger bewußt, daß wir uns mit all dem nur zerstreuen, uns ablenken von schmerzhaften, aber wahren Einsichten.
<p/>
Ein bekanntes, leicht melancholisches Herbstgedicht von Rainer Maria Rilke nimmt auch von der Beobachtung fallender Blätter seinen Ausgang:
<p/>
Die Blätter fallen, fallen wie von weit,<br/>
als welkten in den Himmeln ferne Gärten; <br/>
sie fallen mit verneinender Gebärde.
<p/>
Und in den Nächten fällt die schwere Erde <br/>
aus allen Sternen in die Einsamkeit. <br/>
<p/>
Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. <br/>
Und sieh dir andre an: es ist in allen.
<p/>
Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen <br/>
unendlich sanft in seinen Händen hält.
<p/>
In diesem schicksalhaften Fallen ist Erlösung möglich durch Hinwendung zu dem, der uns auch in unserem Fallen in seinen Händen hält: Johannes der Täufer, der Wegbereiter des Herrn, predigte: “Ändert euren Sinn!” Darin liegt die Rettung: sich aus dem Hin und Her dieser Welt herauszuziehen, sich für die höheren, himmlischen Dinge zu öffnen, und sich bereit zu machen, von Christus berührt und von Grund auf verwandelt zu werden.
Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-30943291606606663792021-06-03T20:55:00.011+01:002021-06-04T16:12:15.242+01:00Iterationen beim Entwickeln<h2>Programmierkunst</h2> <p>Das Entwickeln von Software ist ein schöpferischer Vorgang: es gibt kein Rezept, kein "Schema F", das man einfach nur lernen und anwenden müßte, um eine gegebene Anwendungslogik zu implementieren, also in ein System zusammenarbeitender Objekte und Datenstrukturen umzusetzen . </p>
<p>Was wir nur haben, ist eine Sammlung von Empfehlungen, von <i>Best Practices</i>, von Erfahrungsregeln, auch von kolossalen Fehlschlägen in der Vergangenheit. So wächst die Kunst des Entwickelns – sowohl des einzelnen Entwicklers als auch des ganzen Berufsstands – mit jedem Erfolg und mit jedem Fehlschlag.</p><p></p>
<h2>Reflexion</h2><p>Dieses Wachstum beruht vor allem auf der <i>Reflexion</i>. Der Zugewinn durch eine konkrete Aufgabe entsteht nicht darin, sie einfach nur gelöst zu haben, so daß ich etwas Funktionierendes abliefere. Der Zugewinn entsteht allein dadurch, daß ich mich frage: </p>
<ul>
<li>Was kann ich von dieser Arbeit mitnehmen?</li>
<li>Welche allgemeinen Features, die gar nicht spezifisch für diese Aufgabe sind, kann ich in späteren Aufgaben wiederverwenden?</li>
<li>Wie war die Arbeit?</li>
<li>Auf welche Probleme bin ich beim Implementieren gestoßen?</li>
<li>Was hat mich unverhältnismäßig lange aufgehalten?</li>
<li>Wie habe ich die einzelnen Teilaufgaben konkret gelöst?</li>
<li>Wie paßt das Produkt in den Gesamtkontext der Entwicklungen im System?</li>
<li>Was hätte ich besser machen können?</li>
<li>Was kann ich vielleicht auch jetzt, wo die Sache schon gerade auf "Testbereit" gesetzt wurde, aber noch frisch und in meinem Kopf noch maximal präsent ist, an der Lösung verbessern, am internen Zusammenspiel der Klassen, am Datenmodell, an der Effizienz?</li>
</ul>
<h2>Loops</h2>
<p>Es hat sich gezeigt, daß <i>Loops</i> wie solche Reflexionsschritte – die Schwungräder des produktiven Arbeitens sind. Eine Loop besteht – allgemein gesprochen – darin, daß zu einem bestimmten Punkt die Arbeit nicht einfach nur linear fortgesetzt wird, sondern das bislang Produzierte aus einem Distanzverhältnis heraus angeschaut und bewertet wird. </p>
<p>Was bedeutet das? Zur Loop gehören:</p>
<ul>
<li>eine Kontrollinstanz, die ich <i>Agent</i> nennen möchte</li>
<li>eine konkrete reflektierende Tätigkeit,</li>
<li>und ein Ergebnis, das Einfluß auf den Hauptstrom der Tätigkeit hat.</li>
</ul>
<h2>Agenten</h2>
<p>Wer ist der Agent? Er steht, wie gesagt, in einem distanzierten Verhältnis zum aktuellen Produktionsprozeß. Dieser Agent kann sein:</p>
<ul>
<li>der Produzent selbst, indem er seine eigene Arbeit aus der Distanz betrachtet</li>
<li>eine andere Person, </li>
<li>oder eine Maschine.</li>
</ul>
<h2>Die reflektierenden Tätigkeiten</h2>
<p>Was für reflektierende Tätigkeiten führt der Agent aus?</p>
<ul>
<li>Er kann die Einhaltung <i>formaler Standards</i> im Produkt überwachen<br> (gut geeignet für maschinelle Agenten).</li>
<li>Er kann das Produkt auf die beabsichtigte Funktion hin <i>testen</i>.</li>
<li>Er kann die konkrete Ausgestaltung des Produkts auf seine Güte hin <i>bewerten</i> <br>(etwa nach Kriterien wie Ergonomie, Zugänglichkeit, Performance).</li>
</ul>
Diese Tätigkeiten sind hier aufsteigend nach Schwierigkeit aufgeführt. Die Bewertung auf Güte ist das Schwierigste, da sie kaum <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Operationalisierung">operationalisierbar</a> ist, nur von einem Menschen ausgeführt werden kann und die Kriterien der Bewertung vom Erfahrungswissen des Menschen abhängen, oft nur als <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Implizites_Wissen">implizites Wissen</a> im einzelnen Menschen vorliegen.</p>
<h2>Wirkung</h2>
<p>Welchen Einfluß auf den Produktionsprozess hat die Loop?</p>
<p/>
<ol>
<li>Die <i>Justierung</i> des Arbeitsschrittes auf das Gesamtziel hin:
<ul>
<li>die <i>Vergewisserung</i>, daß man noch "auf Kurs" ist, oder</li>
<li>die <i>Verbesserung</i> des gerade reflektierten Arbeitsabschnitts. Man geht gewissermaßen in der Zeitachse zurück zum Beginn dieses Abschnitts und korrigiert oder verbessert</li>
</ul>
</li>
<li>Man hat etwas <i>gewonnen</i> (Erfahrung, Wissen, wiederverwendbare Teile der Arbeit) und kann es mitnehmen für spätere Aufgaben</li>
</ol>
<h2>Die Arbeit des Entwickelns</h2>
<p>Wenn man genauer hinschaut, besteht die Arbeit des Entwickelns bis in die kleinsten Schritte immer aus solchen Loops. Wenn ich in die Entwicklungsarbeit zu irgendeinem Zeitpunkt <i>t</i> hineinzoome, sehe ich beispielsweise folgendes:</p>
<ul>
<li>Ich produziere eine oder mehrere Codezeilen.</li>
<li>Ich bekomme beim Aktivieren Syntaxfehler der Methode</li>
<li>Ich korrigiere diese.</li>
<li>Dasselbe eine Ebene höher: eine syntaktisch korrekte Methode kann immer noch zu Syntaxfehlern auf Ebene der Klasse führen.</li>
<li>Auch diese korrigiere ich.</li>
<li>Wenn ich das Gefühl habe, die Änderung könnte Risiken für Subklassen haben, wähle ich "<i>Klasse</i> ⟶ <i>Prüfen</i> ⟶ <i>Syntax (Subklassen)</i>". Das muß ich allerdings aktiv tun, dem ging also die Reflexion über mögliche Seiteneffekte meines gerade produzierten Codes voraus.</li>
<li>Wenn ich auf diese Weise einige Zeit gearbeitet habe, ist die Klasse als Ganzes in einem Zustand für weitere Prüfungen (den Zeitpunkt ermittele ich durch Reflexion).</li>
<li>Dann füge ich den Reflexionsschritt "Erweiterte Syntaxprüfung" und/oder "Code Inspector" und/oder "Unittests" ein. Dies sind bereits Loops, die einen größeren Teil meiner in vielen kleineren Iterationsschritten geleisteten Arbeit zusammenfassen.</li>
<li>Ich bewerte die Ergebnisse dieser Reflexionsschritte: sind die Prüfungen der Erweiterten Syntaxprüfung oder des CodeInspectors wirklich relevant? Oft sind es nur Warnungen, die auf potentielle Probleme hinweisen.</li>
<li>Ich bewerte die Ergebnisse der bestehenden Unit Tests auf die <i>Abdeckung des Codes</i> hin: wie gut ist die Methoden- und Zweigabdeckung? Für völlig neue Methoden sollte ich spätestens jetzt erwägen, das beabsichtigte Programmverhalten durch einen Unit Test abzudecken – wenn auch nicht starr: es ist völlig in Ordnung, wenn mich eine Aufwand/Nutzen-Überlegung dazu führt, keinen Unit Test zu schreiben, weil der Aufwand, die gerade entwickelte Codeeinheit mit (weiteren) Unit Tests abzusichern, zu hoch ist im Verhältnis zum Nutzen.</li>
<li>Wenn ich auf diese Weise einige Codeeinheiten erstellt habe, will ich ihr Zusammenwirken testen. Dazu führe ich einen <i>Entwicklertest</i> aus. Üblicherweise machen wir das heute noch manuell: </li>
<li>wir rufen beispielsweise eine Transaktion auf und schauen, ob das neue Feld korrekt versorgt und fortgeschrieben wird, oder ob die neue Prüfung korrekt in das Transaktionsverhalten integriert ist.</li>
<li>oder wir rufen Methoden, Funktionsbausteine oder Sequenzen von Funktionsbausteinen im Einzeltest auf</li>
<li>oder wir schreiben sogar kleine Testreports, die ein bestimmtes Feature überprüfen.<br /> Diesen Testreports messen wir oft keine große Bedeutung zu, betrachten sie als "Wegwerf-Code". Zu Unrecht. Wenn wir uns die kleine Mühe machen würden, diesen Testcode statt in einem Programm in der Methode einer Testklasse zu implementieren, wäre für die Zukunft schon einiges gewonnen. Es zeigt sich nämlich immer wieder, daß jeder, der später auf dieses Thema zurückkommt, genau nach solchen einfachen Run Tests sucht, um das Laufzeitverhalten anzuschauen. Findet er nichts, muß er den "Wegwerfcode" noch einmal neu schreiben.</li>
<li>Schlägt der Entwicklertest fehl, analysiere ich das Programmverhalten und gehe dabei geistig zurück zum Punkt <i>t-∆t</i>, als ich den neuen Code eingefügt hatte. Wird er überhaupt aufgerufen? Wird seine Schnittstelle beim Aufruf korrekt versorgt? Werden die übergebenen Daten gemäß der von mir beabsichtigen Logik verarbeitet? Klappt die Ergebnisübergabe an die UI-Objekte?</li>
<li>Funktioniert der Entwicklertest, so mache ich mich an die Entwicklung des nächsten Features und verfahre wieder wie eben beschrieben.</li>
<li>Habe ich einen gewissen Stand erreicht, so beurteile ich (eigener Reflexionsschritt), ob die Anzahl der entwickelten Features bereits ausreicht, um die Weiterentwicklungen ins Q-System zu transportieren und dort integrativ testen zu lassen.</li>
<li>Der Berater testet das neue Feature-Set im Q-System mit seinen Daten, nach seinen Regeln, mit seiner Sicht auf die Prozesse, mit seinen eigenen Akzeptanzkriterien.</li>
<li>Der Berater meldet mir seine Ergebnisse zurück, positive wie negative. </li>
<li>Negative Ergebnisse versuche ich mit einem Entwicklertest zu reproduzieren.</li>
<li>Gelingt mir dies nicht, muß ich das Problem im Q-System analysieren und den Grund herausfinden, warum im D-System das Symptom nicht zu reproduzieren war.</li>
<li>Gelingt es mir, muß ich die gerade entwickelten Codeeinheiten auf dieses Symptom hin analysieren (das wäre der Fehlerfall), oder – der häufigere Fall – bislang nicht beschriebene, aber eigentlich gewünschte Features in mein Backlog für die weitere Arbeit aufnehmen. (Aufgrund der Komplexität des Systems ist es meist nicht möglich, alle benötigten Features in allen möglichen Szenarien bereits im Vorfeld zu beschreiben.)</li>
</ul>
<p/><p/>
Wie man sieht, besteht die Arbeit letztlich aus lauter kleinen Mikro-Iterationen, die von etwas größeren Iterationen umfaßt werden usw.</li>
<br />
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgV07u9_YFRXcj4AK6NwnjHK0Rl7F7CM0dOwrneCJ0IZEgTYID8jLS_ISFDIq7WAyhzvKpwejhIBFGiu1d2iqng-H9RtCRojM-UF1iCN97f8uVgulJKE5ECL-wwDebqYaCUfkiQUEJSI1ti/s1080/loops-v2.png" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="600" data-original-height="192" data-original-width="1080" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgV07u9_YFRXcj4AK6NwnjHK0Rl7F7CM0dOwrneCJ0IZEgTYID8jLS_ISFDIq7WAyhzvKpwejhIBFGiu1d2iqng-H9RtCRojM-UF1iCN97f8uVgulJKE5ECL-wwDebqYaCUfkiQUEJSI1ti/s600/loops-v2.png"/></a></div>
<br>
<p>In das quantitative Schema eines "<a href="https://thesystemsthinker.com/fine-tuning-your-causal-loop-diagrams-part-i/">Kausalschleifendiagramms</a>" gefaßt (mit Pfeilen vom Typ "je mehr …, desto mehr/weniger…"), ist jede einzelne Iteration, selbst die kleinste, von folgendem Typ:</p>
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi3pkRcySR74Ys7uf71dAFAO4zG1ays5cd92JACYyX4-0yeUF2AWmEGNNroxHws6ProxZoP4g297Cc6NAqnphDBZe1jdCNm2in5IXssYi0CzcXgNJcEF95zv0fHJbOpYDu_cIId3UxP8wWY/s537/qualitative-kausalschleife.png" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="400" data-original-height="278" data-original-width="537" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi3pkRcySR74Ys7uf71dAFAO4zG1ays5cd92JACYyX4-0yeUF2AWmEGNNroxHws6ProxZoP4g297Cc6NAqnphDBZe1jdCNm2in5IXssYi0CzcXgNJcEF95zv0fHJbOpYDu_cIId3UxP8wWY/s400/qualitative-kausalschleife.png"/></a></div>
<br />
<p>Man sieht, daß im Reflexionsschritt stets ein Standard von außen dazukommt ("Desired Product Quality"). Ist man selbst der Agent des Reflexionsschritts, setzt man sich gewissermaßen "einen anderen Hut auf", um diese Anforderungen an das Produkt heranzubringen. Das funktioniert, ist aber nicht unbedingt die beste Wahl. Denn ein Außenstehender findet mögliche Schwachstellen eines Produkts oft besser als sein Hersteller.</p>
<p>Das, was hier mit "Desired Product Quality" beschriftet ist, können Syntaxregeln oder Entwicklungsrichtlinien sein, auch weniger formale Anforderungen wie Wiederverwendbarkeit, Wartbarkeit, Intentionalität des Codes, und natürlich die Produktanforderungen, wie sie z.B. in den Use Cases beschrieben wurden. Eigentlich alle Anforderungen an das Produkt neben der einen, die ich gerade implementiert habe (und auch diese eine noch hinsichtlich der Seitenaspekte wie Korrektheit usw., die ich beim Entwickeln nicht im Auge hatte.)</p>
Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-9048343080303180772021-01-04T16:41:00.037+01:002022-06-14T08:17:13.623+01:00Vergiß den Letzten nicht!<h1 style="text-align: left; text-transform: none;">Eine Gruppenschleifenfunktion in JavaScript</h1>
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEho7IdsKcJDPoqkDdTZdkDDDCU3vbIVjR41C71EVbd6aKMaJhVb1v6YgX7n9s3A3sNYT9AOZY9rpSKrqWBj7e70JqmbfYI5QKoT1FqRMOHI-9DWpJiSM1qdA7vdTD-JncsqYpTuQFmHgOUN/s940/Selection_332.png" style="display: block; padding: 1em 0px; text-align: center;"><img alt="" border="0" data-original-height="537" data-original-width="940" height="366" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEho7IdsKcJDPoqkDdTZdkDDDCU3vbIVjR41C71EVbd6aKMaJhVb1v6YgX7n9s3A3sNYT9AOZY9rpSKrqWBj7e70JqmbfYI5QKoT1FqRMOHI-9DWpJiSM1qdA7vdTD-JncsqYpTuQFmHgOUN/w640-h366/Selection_332.png" width="640" /></a></div>
<br />
<h2>Eine bekannte Konstruktion</h2>
<div><br />Bei der Abarbeitung von Listen in einer Schleife will man häufig die Elemente der Liste zu Gruppen zusammenfassen und dann für jede Gruppe eine Aktion ausführen. Es kann beispielsweise eine Liste von Positionen mehrerer Aufträge gegeben sein, und man will pro Auftrag eine Funktion aufrufen, um dessen Positionen zu verbuchen:</div>
<div><br />
<table border="" cellpadding="2" id="order-items" style="border-collapse: collapse; whitespace: normal;">
<tbody><tr><th>Auftrag</th><th>Pos.</th><th>Aktion</th></tr>
<tr><td>4711</td><td>10</td><td></td></tr>
<tr><td>4711</td><td>20</td><td></td></tr>
<tr><td>4711</td><td>30</td><td><i>Auftrag 4711 verbuchen</i></td></tr>
<tr><td>4712</td><td>10</td><td></td></tr>
<tr><td>4712</td><td>20</td><td><i>Auftrag 4712 verbuchen</i></td></tr>
<tr><td>4713</td><td>10</td><td></td></tr>
<tr><td>...</td><td>...</td><td>...</td></tr>
<tr><td>4899</td><td>10</td><td></td></tr>
<tr><td>4899</td><td>20</td><td><b><i>Auftrag 4899 verbuchen</i></b></td></tr>
</tbody></table>
</div>
<div><br />Neben der vollständigen Liste <code>allItems</code> aller Auftragspositionen ist also noch ein <i>"Gruppenwechselkriterium"</i> gegeben, um zu erkennen, ob mit der aktuellen Position ein neuer Auftrag begonnen wurde. Ist dieses erfüllt, führt man die Aktion aus. Wenn nicht, sammelt man die Position weiter im <i>"Gruppenarray"</i>.</div>
<div><br />Und hier muß man nun <i>Vergiß den Letzten nicht!</i> beachten: nachdem die Schleife beendet wurde, befinden sich die Positionen des letzten Auftrags im Gruppenarray, wurden aber noch nicht verbucht. Man muß daher den Verbucher nicht nur beim Gruppenwechsel aufrufen, sondern ausdrücklich noch ein letztes Mal nach Beendigung der Schleife.</div>
<div><br />Von der Idee her müßte der Code also etwa so aussehen:
<pre class="sh_javascript">let orderItems = [], previousItem;
for (let item of allItems) {
if ( previousItem !== undefined &&
item.orderNumber != previousItem.orderNumber ) {
saveOrder(orderItems);
orderItems = [];
}
orderItems.push(item);
previousItem = item;
}
<b>// Don't forget the last!
if (orderItems.length > 0) saveOrder(orderItems);</b>
</pre>
</div>
<div><br />
Dieser an die Schleife hinten angehängte Extra-Aufruf von <code>saveOrder()</code> ist häßlich, aber leider nötig. Es gibt keinen vernünftigen Weg, ihn zu vermeiden.[1] Der Grund ist, daß man bei der Prüfung auf Gruppenwechsel gewissermaßen zurückschaut: von der neuen Position wird auf die zurückliegenden Positionen geschaut, und durch den Vergleich mit der zuletzt durchlaufenen Position wird erkannt, daß wieder ein Auftrag verbucht werden muß. Die Positionen dieses Auftrags werden also zu einem Zeitpunkt verbucht, zu dem sie "gar nicht mehr aktuell" sind, weil man bereits bei der ersten Position des nachfolgenden Auftrags angekommen ist. Für die Positionen des letzten Auftrags gibt es aber keine nachfolgende Position mehr, von der aus man zurückschauen kann.</div>
<br />
<h2>Idee: eine Gruppenschleifenfunktion</h2>
<div><br />
Man könnte sich aber ein Konstrukt "Gruppenschleife" ausdenken, in der diese Art der Gruppenbildung - inclusive des häßlichen letzten expliziten Aufrufs - hinter den Kulissen abgearbeitet wird. Tatsächlich gibt es in der Programmiersprache ABAP genau ein solches Konstrukt - die sehr mächtige Anweisung <a href="https://help.sap.com/doc/abapdocu_751_index_htm/7.51/de-DE/abaploop_at_itab_group_by.htm"><code>LOOP AT ... GROUP BY ...</code></a> (die neben dieser Aufgabe noch eine Menge anderer Aufgaben rund um das Thema "Gruppierung von Einträgen interner Tabellen" löst). Dann müßte man genau noch einmal das häßliche <i>Don't forget the last</i> programmieren, aber eben hinter den Kulissen, in der Implementierung des Konstrukts "Gruppenschleife", das dann im Anwendungscode nur noch aufgerufen wird.
</div>
<div><br />
In JavaScript würde man nicht die originale Liste abarbeiten, sondern einen <i>Gruppeniterator</i>, der in jedem Iterationsschritt die Gruppe der zu dieser Auftragsnummer gesammelten Position liefert (Voraussetzung ist natürlich, daß die Liste nach der Auftragsnummer sortiert ist, also Positionen zum gleichen Auftrag in der Liste aufeinander folgen).
</div>
<div><br />Mit einer (noch zu schreibenden) Funktion <code>groupsByKey()</code> könnte der obige Code dann wie folgt vereinfacht werden, wobei die Absicht des Programms klarer ausgedrückt wird und die technischen Details der Gruppenbildung in diese Funktion ausgelagert werden:
<pre class="sh_javascript">for (let orderItems of groupsByKey(allItems,it=>it.orderNumber)) {
saveOrder(orderItems);
}
</pre>
</div>
<br />
<h2>Wie sie zu schreiben wäre</h2>
<div><br />Damit eine solche Funktion <code>groupsByKey()</code> ihre Arbeit tun kann, braucht sie zweierlei:<ul>
<li>Eine Liste (ein iterierbares Objekt) <code>baseIterable</code> - im Beispiel die Grundliste <code>allItems</code> vieler Auftragspositionen
</li><li>Eine Funktion <code>getKey()</code>, die einem Element der Liste seinen Gruppenschlüsselwert zuordnet. Durch Vergleich der Gruppenschlüsselwerte kann die Gruppenschleifen-Implementierung erkennen, daß ein Gruppenwechsel vorliegt.
</li></ul></div>
<div><br />
Man könnte sich nun eine Implementierung vorstellen, die einen <i>Array von Arrays (AoA)</i> zurückliefert: der äußere Array zählt die einzelnen Gruppen auf, und jede einzelne Gruppe ist ihrerseits ein Array, bestehend aus den Elementen dieser Gruppe. Diese Lösung würde aber keinen effizienten Gebrauch vom Speicher machen, was für große Arrays ein Problem darstellen kann.
</div>
<div><br />
Eine bessere Lösung ist es, die Funktion <code>groupsByKey()</code> nur einen Iterator zurückgeben zu lassen und die einzelnen Gruppen nur pro Iterationsschritt zurückzugeben. Während also der Aufrufer über die Gruppen iteriert:
<pre class="sh_javascript">for (let orderItems of groupsByKey(allItems,it=>it.orderNumber)) { ... }</pre>
wird in der Implementierung von <code>groupsByKey</code> über die Elemente von <code>allItems</code> selbst iteriert.
</div>
<br />
<h2>Generatorfunktionen in JavaScript</h2>
<div><br />Das für eine solche Implementierung perfekt passende Konstrukt sind in JavaScript die sogenannten <a href="https://developer.mozilla.org/de/docs/Web/JavaScript/Reference/Global_Objects/GeneratorFunction">Generatorfunktionen</a>, die mit dem Schlüsselwort <code>function*</code> definiert werden. Bei einem Iterationsschritt werden sie ausgeführt, bis sie zur nächsten <code>yield</code>-Anweisung stoßen. Den dort angegebenen Ausdruck geben sie zurück. Beim nächsten Iterationsschritt werden sie genau nach dem letzten <code>yield</code> fortgesetzt, wobei der gesamte Ausführungskontext der Funktion erhalten bleibt. Wird die Funktion schließlich beendet, so wird auch die Iteration beendet.
</div>
<div><br />Die Gruppenschleife kann daher als <code>function*</code> wie folgt definiert werden:
<pre class="sh_javascript">function* groupsByKey(baseIterable,getKey) {
let currentGroup = [];
for (let entry of baseIterable) {
let key = getKey( entry );
if (currentGroup.key !== key) {
yield currentGroup; // Gruppen-Array an Aufrufer zurückgeben
currentGroup = []; // Gruppen-Array für neuen Key initialisieren
currentGroup.key = key;
}
}
currentGroup.push(entry);
}
<b>// "DON'T FORGET THE LAST" (falls baseIterable nicht leer war):
if (currentGroup.length > 0) {
yield currentGroup;
}</b>
}
</pre>
</div>
<div><br />
Wie man sieht, gibt es immer noch den Teil <b>DON'T FORGET THE LAST</b>, bei Verwendung dieser Funktion aber eben nur noch einmal - und zwar hinter den Kulissen, nicht mehr im Anwendungscode selbst.
</div>
<div><br />
In dieser Implementierung sind die bei der Iteration gelieferten Gruppenobjekte einfach Arrays, die die einzelnen Elemente der Gruppe bis zum Gruppenwechsel enthalten, "verziert" mit einem zusätzlichen Attribut <code>key</code>, das den Schlüssel dieser Gruppe enthält.
</div>
<div><br />Die Funktion <code>groupsByKey()</code> wäre ein Kandidat für eine Bibliothek übergreifender (applikationsunabhängiger) Funktionen, die dann für die verschiedensten konkreten Gruppenschleifen genutzt werden kann.
</div>
<br />
<h2>Noch ein Beispiel</h2>
<div><br />
Nehmen wir beispielsweise an, <code>testArray</code> sei ein sortierter Array natürlicher Zahlen. Dann können wir ihn mit dem folgenden Code in Tausendern gruppieren:
<pre class="sh_javascript">for (let g of groupsByKey(testArray,x=>Math.floor(x/1000))) {
console.log(g.key,[...g])
}</pre>
Die Konsole gibt dann beispielsweise aus:
<pre class="sh_sourceCode"> 0 [ 364 ]
2 [ 2628 ]
3 [ 3208, 3550 ]
4 [ 4110, 4602, 4851 ]
5 [ 5480, 5532, 5533 ]
7 [ 7032, 7385, 7485, 7632 ]
9 [ 9271 ]</pre>
</div>
<br />
<h2>Beliebige <code>groupChange()</code>-Funktionen</h2>
<div><br />Die Funktion <code>groupsByKey()</code> ist noch leicht verallgemeinerbar. Die Annahme war ja, daß die Einträge über eine Schlüsselfunktion <code>getKey()</code> zu gruppieren sind, wobei vorausgesetzt wird, daß Einträge gleichen Schlüssels in der Grundliste aufeinanderfolgen. Das ist aber schon eine Spezialisierung. Eigentlich benötigt man nur eine Funktion <code>groupChange(currentEntry,lastEntry)</code>, die für aufeinanderfolgende Einträge des Arrays aufgerufen wird (wie im allerersten Beispiel dieses Blogposts) und <code>true</code> zurückliefert, falls ein Gruppenwechsel vorliegt. Wie ein Gruppenwechsel definiert wird, liegt dann voll in der Freiheit des Aufrufers.</div>
<div><br />
Nun ist natürlich die Ermittlung des Gruppenwechsels über eine Schlüsselfunktion schon der häufigste Anwendungsfall. Daher sollte man aus der obigen Funktion <code>groupsByKey()</code> eine allgemeinere Iteratorfunktion <code>groups()</code> extrahieren, die mit einer beliebigen <code>groupChange</code>-Funktion arbeitet. So ergeben sich schließlich zwei Funktionen:
<pre class="sh_javascript">// Implementation of the function "groups()"
// using a generator function
function* groups(baseIterable,groupChange) {
let currentGroup = [], previousEntry;
for (let entry of baseIterable) {
if (previousEntry !== undefined) {
if (groupChange(entry,previousEntry)) {
yield currentGroup;
currentGroup = [];
}
}
currentGroup.push(entry);
previousEntry = entry;
}
<b>// "DON'T FORGET THE LAST"
// (if there were iterations at all)
if (currentGroup.length > 0) {
yield currentGroup;
}</b>
}
// The most typical use case: entries grouped by key
function* groupsByKey(baseIterable,getKey) {
let key,lastKey; // Buffer current key and last key
let groupChange = (a,b)=>{
lastKey = key ?? getKey(b);
key = getKey(a);
return key!=lastKey;
};
for (let g of groups(baseIterable,groupChange)){
g.key = lastKey;
yield g;
lastKey = key;
}
}
</pre>
Die etwas umständliche Pufferung von <code>key</code> und <code>lastKey</code> in dieser Implementierung von <code>groupsByKey()</code> (die identisch wie die obige funktioniert, nur daß eben der eigentliche Gruppenschleifenmechanismus in eine allgemeinere Funktion <code>groups()</code> ausgelagert wurde) dient erstens dazu, daß die Funktion <code>getKey()</code> pro Eintrag wirklich nur einmal aufgerufen werden muß; zum anderen wird der <code>lastKey</code> verwendet, um das Attribut <code>key</code> des Gruppen-Arrays zu setzen (ebenfalls ohne <code>getKey()</code> noch einmal aufrufen zu müssen).
</div>
<br />
<h2>Online Testen</h2>
<div><br /><a href="https://repl.it/@rplantiko/GroupLoop#index.js">Hier</a> kann man den Code <i>in action</i> betrachten - auf der JavaScript-Online-Plattform <a href="https://repl.it/@rplantiko/GroupLoop#index.js"><code>repl.it</code></a>.
</div><div><br /></div><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgMMARIN117bDsLqK5PpvRqJhADu5Y36luCFCZ_xqnbPhO_hbU3XTBtv9Iuk3VYQRePELTifQ5x8gngjBQ-rttntr_irwm40s88ZeDGDdFXfH5XtTmyG-roZ-WEqZjW_nRX46TNVy7g2Ctd/s1518/Screenshot+from+2021-01-05+15-28-41.png" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="788" data-original-width="1518" height="332" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgMMARIN117bDsLqK5PpvRqJhADu5Y36luCFCZ_xqnbPhO_hbU3XTBtv9Iuk3VYQRePELTifQ5x8gngjBQ-rttntr_irwm40s88ZeDGDdFXfH5XtTmyG-roZ-WEqZjW_nRX46TNVy7g2Ctd/w640-h332/Screenshot+from+2021-01-05+15-28-41.png" width="640" /></a></div><br /><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><br /></div><br /><div><br /></div>
<span><a name='more'></a></span><div><br /></div><div>[1] Zumindest wenn man "Liste" im allgemeinen Sinn versteht - als ein Ding, über das man iterieren kann. Wenn man weitere strukturelle Annahmen macht, kann man auch herausfinden, ob man im letzten Schleifendurchgang ist (bei einem Array zum Beispiel weiß man, welches der höchste Index ist, oder bei einer verketteten Liste liefert die Nachfolgerfunktion des letzten Elements den Wert <span style="font-family: courier;">null</span>) und dies könnte man bereits innerhalb der Schleife zur Gruppenwechselbedingung hinzunehmen: "wenn Gruppenwechsel vorliegt <i>oder </i>wenn wir gerade das letzte Item verarbeitet haben." Aber auch dann hat man das "<i>Vergiß die letzte Gruppe nicht</i>" - man hat es nur in die Gruppenwechselbedingung in der Schleife hineingezogen.</div>Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com6tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-66827252900575998862019-12-15T22:55:00.007+01:002024-02-23T07:52:17.925+01:00Ostertermin und Osterparádoxa<a href="#kirchenjahr">Bewegliche Feiertage im Kirchenjahr</a><br />
<a href="#computus">Die zyklische Osterrechnung (computus)</a><br />
<a href="#2019">Das Osterparádoxon 2019</a><br />
<a href="#reform">Über eine Reform der Osterrechnung</a><br />
<a href="#tabelle">Paradoxien von 1950 bis 2050</a>
<p></p><p>
Warum haben wir eigentlich die sogenannten "beweglichen Festtage"? Warum kann man sie nicht - wie die übrigen Feiertage - auf ein festes Kalenderdatum mit Tag und Monat legen?
</p><p></p><p>
Der Grund ist, daß unser Kalender am Sonnenjahr orientiert ist – die Kalendermonate fallen immer in die gleichen Jahreszeiten des Sonnenjahres – während die beweglichen Feste eine Mondkomponente haben: sie sind alle am <a href="http://www.kathpedia.com/index.php/Ostern">Osterfest</a> ausgerichtet, und dieses ist durch den Zusammenhang mit dem jüdischen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pessach">Passahfest</a> mit dem Mondkalender verknüpft – konkret: mit den Vollmondterminen.
</p><h2 id="kirchenjahr">Bewegliche Feiertage im Kirchenjahr</h2>
<p></p><p>
Der Termin für das Osterfest schwankt von Jahr zu Jahr, wobei er frühestens am 22. März und spätestens am 25. April liegen kann.
</p><p></p><p>
Mit dem von Jahr zu Jahr variierenden Ostertermin bewegt sich ein großer Teil des ganzen Kirchenjahres im Kalenderjahr: vom Sonntag <i>Dominica in Septuagesima</i> der Vorfastenzeit bis zum <a href="http://www.kathpedia.com/index.php/Fronleichnam">Fronleichnamsfest</a> 60 Tage nach Ostern sind es 124 Tage, und auch das nachfolgende, bis zum November reichende <i>tempus per annum post Pentecosten</i> (die "nachpfingstliche Zeit im Jahr"), mit dem das Kirchenjahr ausklingt, hängt vom Ostertermin ab.
</p><ul>
<li>Am 9. Sonntag vor Ostern beginnt mit dem <i>Tempus Septuagesimae</i> die Vorfastenzeit (mit den Sonntagen <i>Septuagesima</i>, <i>Sexagesima</i> und <i>Quinquagesima</i>)
</li><li>Mit dem <a href="http://www.kathpedia.com/index.php?title=Aschermittwoch">Aschermittwoch</a>, dem Mittwoch nach Quinquagesima, beginnt das <i>Tempus Quadragesimae</i>, die eigentliche Fastenzeit. Die Fastenzeit dauert vom Aschermittwoch bis zum <a href="http://www.kathpedia.com/index.php?title=Karsamstag">Karsamstag</a> und besteht somit genau aus 40 Werktagen und sechs Sonntagen (letztere sind im Gedenken an die Auferstehung Jesu vom Fasten ausgenommen). Der erste Sonntag der Fastenzeit heißt auch <i>Quadragesima</i> oder <i>Invocabit</i> (nach seinem <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Introitus_(Gesang)">Introitusvers</a>).
</li><li>Das sogenannte <a href="http://www.kathpedia.com/index.php/Triduum_Sacrum">Triduum Paschale</a> bezeichnet die mit dem <a href="http://www.kathpedia.com/index.php?title=Gr%C3%BCndonnerstag">Gründonnerstag</a>abend beginnende, über <a href="http://www.kathpedia.com/index.php?title=Karfreitag">Karfreitag</a> und <a href="http://www.kathpedia.com/index.php?title=Karsamstag">Karsamstag</a> bis zum <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ostersonntag">Ostersonntag</a> reichende Zeit. Sie ist die bedeutendste, heiligste Zeit des ganzen Kirchenjahres
und gilt, obwohl sie sich über drei Tage erstreckt, als ein einziges Hochfest.
</li><li>Über die fünf Sonntage nach Ostern erstreckt sich das <i>Tempus Paschatis</i>, die eigentliche Osterzeit. Der fünfte Sonntag heißt auch <i>Rogate</i>, weil er die sogenannten “Kleinen Bittage” einläutet, die besonders dem Gebet gewidmet sein sollen und die dem Fest <i>Christi Himmelfahrt</i> vorausgehen.
</li><li>In das mit <a href="http://www.kathpedia.com/index.php/Christi_Himmelfahrt">Christi Himmelfahrt</a> beginnende <i>Tempus Ascensionis</i> fällt genau ein Sonntag, Exaudi, der von der Sehnsucht nach dem Antlitz Gottes geprägt ist (<a href="https://www.youtube.com/watch?v=yyPndFOXxIo">quaesivi vultum tuum</a> heißt es im Introitus - ich suche Dein Angesicht).
</li><li>Mit dem 50. Tag nach Ostern, dem <a href="http://www.kathpedia.com/index.php?title=Pfingsten">Pfingstsonntag</a>, beginnt die Pfingstoktav (<i>Octava Pentecostes</i>), zugleich die achte und letzte Woche der österlichen Zeit, die mit dem nachfolgenden <i>Dreifaltigkeitssonntag</i> zu ihrem End- und Schlußpunkt kommt.
</li><li>Im Dreifaltigkeitssonntag (<i>Trinitatis</i>) gipfeln die großen christlichen Feste Weihnachten, Ostern und Pfingsten zu ihrer unüberbietbaren Vollendung auf, münden sie doch in die geheimnisvolle Tiefe des unendlichen, dreifaltigen Gottes.
</li><li>Die nun folgenden 23 bis 28 Wochen bis zum Beginn des nächsten Kirchenjahres, also bis zum nächsten 1. Advent, werden als <i>Tempus per annum post Pentecosten</i> bezeichnet. Es sind Wochen der Aussendung und des Glaubenszeugnisses. Im Evangelium des Dreifaltigkeitstags (Mt 28:18-20) sagt Jesus, daß ihm <i>alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden</i>, und er beauftragt seine Jünger, also jeden Christen, zu allen Völkern der Erde zu gehen und sie in das Mysterium der Dreifaltigkeit einzutauchen. Schließlich verheißt er denen, die ihm nachfolgen, daß er bei ihnen bleiben wird bis zum Ende der Welt.
</li><li>Am Donnerstag 60 Tage nach Ostern, schon im <i>Tempus per annum post Pentecosten</i> gelegen, wird das <a href="http://www.kathpedia.com/index.php/Fronleichnam">Fronleichnamsfest</a> gefeiert. Auf eine Vision der heiligen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Juliana_von_L%C3%BCttich">Juliane von Lüttich</a> zurückgehend (1209), spiegelt es das, was am Gründonnerstag eher innerlich gefeiert wurde – die Einsetzung des Allerheiligsten Altarsakraments durch Jesus Christus – um dieses Sakrament in einer feierlichen Prozession nach draußen zu tragen.
</li><li>Am dritten Freitag nach Pfingsten, also 68 Tage nach Ostern, feiert die Kirche das <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Heiligstes_Herz_Jesu">Hochfest vom Heiligsten Herzen Jesu</a>, aus dem die Liebe Gottes zu den Menschen entströmt - durch Seine Opfertat zu Golgotha ebenso wie durch die Sakramente Seiner Kirche. Dieser Festtag ragt schon weit in das <i>tempus per annum post Pentecosten</i> hinein.
</li></ul>
<p></p><p>
Um diesen Zeitraum in das restliche, im Kalenderjahr fest bleibende Kirchenjahr einzufügen, läßt man einige der Sonntage nach <a href="http://www.kathpedia.com/index.php?title=Epiphanias">Epiphanias</a> (6. Januar) und vor dem Beginn der (beweglichen) Vorfastenzeit aus - und fügt sie dafür nach dem 22. Sonntag nach Pfingsten in die liturgische Ordnung ein.
</p><h2 id="computus">Die zyklische Osterrechnung (computus)</h2>
Das zentrale bewegliche Fest, auf das die anderen beweglichen Festtage bezogen sind, ist Ostern, das Fest der Auferstehung Christi. Die Kreuzigung Christi fiel (so geht aus den Evangelien hervor) auf einen Freitag vor dem Beginn der jüdischen Passahfestwoche. Es muß sich also um einen Freitag gehandelt haben, der zugleich im jüdischen Kalender auf den 14. Tag des Frühlingsmonats Nisan fiel (denn am 15. Nisan beginnt bei den Juden das einwöchige Passahfest), vgl. <a href="http://adsabs.harvard.edu/full/1930AN....240..137G">O. Gerhardt (1930)</a> für die Fragen der genauen Datierung der Kreuzigung Christi.
<p></p><p>
Angelehnt an diese Datierung hat man den Ostertermin folgendermaßen definiert:
</p><blockquote>Ostersonntag ist der erste Sonntag nach dem Tag des ersten "Vollmonds" ab "Frühlingsanfang".</blockquote>
<p></p><p>
Die Definition ist aber nicht naturalistisch: die Begriffe "Vollmond" und "Frühlingsanfang" sind nicht rein astronomisch, sondern kalenderarithmetisch bestimmt. Die rein astronomischen Ereignisse des Frühlingsanfangs und Vollmonds sind nur mit den Methoden der astronomischen Störungs- oder Mehrkörpertheorie exakt zu bestimmen, da die wechselseitigen Anziehungskräfte aller Himmelskörper unseres Sonnensystems zu berücksichtigen sind.
</p><p></p><p>
Kalender haben eine für den bürgerlichen Gebrauch vereinfachte, praktisch brauchbare tagesgenaue Systematik zu bieten, die an diesen natürlichen Ereignissen orientiert ist, ohne sie exakt reproduzieren zu müssen. Speziell für die Berechnung des Osterfestes gibt es eine eigene Spezialdisziplin in der traditionellen Chronologie, den sogenannten <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Computus_(Osterrechnung)">Computus</a>.
</p><p></p><p>
Für die Osterberechnung arbeitet der Computus mit folgenden Vereinfachungen:
</p><ul>
<li>Die Regeln des von <a href="http://www.newadvent.org/cathen/07001b.htm">Papst Gregor XIII. (1572-1585)</a> angeordneten gregorianischen Kalenders reproduzieren mit großer Genauigkeit die Länge des Sonnenjahrs, so daß man für die Zwecke der Osterrechnung als "Frühlingsanfang" den 21. März definiert.
</li><li>Der erste "Vollmond" ab Frühlingsanfang wird von den Computisten <i>Luna XIV</i> genannt und ist ein Tag, den man zyklisch durch den Kalender wandern läßt. Die Zyklusregel ist, daß er in den 30 Tagen zwischen dem 21. März und dem 19. April von Jahr zu Jahr um 11 Tage zurückwandert (diese 11 Tage entsprechen dem Überschuß des Sonnenjahrs über das Mondjahr aus zwölf Mondmonaten), alle 19 Jahre aber sogar um 12 Tage (der sogenannte <i>saltus lunae</i>, Mondsprung). <p></p><p>In der Sprache der Arithmetik ist diese Operation im Restklassenring modulo 30 (ℤ<sub>30</sub>) die Addition "+19". Nach 19 Jahren haben wir einen Verschub von 19·19=361=1 modulo 30, also einem Tag, der durch den Mondsprung auf 0 korrigiert wird. Der Termin Luna XIV wandert also nur durch genau 19 der 30 möglichen Kalenderdaten, solange nicht weitere Modifikationen dieser Regel dazukommen (und natürlich kommen welche dazu!). Wir sind mitten in einem 300 Jahre dauernden Zeitraum, in dem die <i>reguläre</i> Luna XIV nur auf einen der folgenden 19 Termine fällt: den 22., 23., 25., 27., 28., 30., 31. März sowie den 2., 3., 5., 7., 8., 10., 11., 13., 14., 16., 18. oder 19. April (wobei der 19. und 18. April aufgrund von Ausnahmeregeln je um einen Tag zurückdatiert werden).
</p><p></p></li></ul>
<p></p><p>
In einem letzten Schritt nach Ermittlung von Luna XIV ist dann nur noch der auf sie folgende Sonntag zu ermitteln.
</p><p></p><p>
In der beigefügten Tabelle kann man die Wanderung von Luna XIV verfolgen (auf das Vorschaubild klicken, um in das Tabellenblatt zu navigieren):
</p><div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://docs.google.com/spreadsheets/d/1w5HBHGdbR5Lkncz_7dX-ZmR5OZcVhJqGTAk06upCKmc/edit?usp=sharing" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="461" data-original-width="1511" height="122" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhw8-IZjByalL8akPwGgLtptkrVtVtKe8E0OFVb7PAfRr6C9fQYItH3yutoLMTPWBCsSAv33I5-LTmWhtPEAcBCd5XdeNNklyl82bT0emLy7ptL2dtOUlwErwlUi0BOkOshRtiIPMA6xIQl/s400/osterzyklus.png" width="400" /></a></div>
<ul>
<li>Gelb markiert sind die Sonntage.
</li><li>Mit einem "O" sind die aus dem Computus ermittelten Ostersonntage markiert.
</li><li>Mit einem "L" und blauem Hintergrund ist der Luna XIV-Termin des betreffenden Jahres markiert
</li><li>Hellblau sind Tage markiert, meist der 18. oder 19. April, auf die Luna XIV zwar nach rein zyklischer Rechnung fallen würde, die aber unter eine Ausnahmeregelung fallen, um einen zu späten Ostertermin verhindern: ein Ostersonntag am 26. April ist im Kirchenjahr nicht erwünscht, er liegt zu spät – und der 18. wird zurückdatiert, wenn er neben dem 19. als regulärer Termin von Luna XIV vorkommt, damit es im 19jährigen Zyklus immer 19 verschiedene Termine für Luna XIV gibt.
</li><li>Mit einer anderen Farbe sind die Luna XIV-Termine vom 14. April markiert (1957, 1976 usw.), denn dies sind die Jahre, in denen der Mondsprung angewendet wurde und der 19jährige Zyklus wieder beginnt.
</li><li>Mit einem gestrichelten orange Rand sind die Tage des astronomischen Frühlingsvollmonds markiert (Vollmonddatum in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ephemeridenzeit">Ephemeridenzeit</a>, der Datumswechsel ist also auf den Meridian von Greenwich bezogen).
</li></ul>
<p></p><p>
Wer sich genauer für die lange und spannende Geschichte der Osterrechnung, des Computus, des gregorianischen Kalenders usw. interessiert, dem sei die Webpräsenz von <a href="https://web.archive.org/web/20230421074011/http://nabkal.de/">Nikolaus A. Bär</a> empfohlen. Man findet dort - neben sehr genauen Diskussionen vieler historischer Fragestellungen der Kalenderrechnung - auch Statistiken über die Verteilung der Ostertermine sowie Rechner, mit denen man zwischen dem gregorianischen, julianischen, jüdischen und islamischen Kalender umrechnen, Ostertermine berechnen oder suchen kann (also Fragen wie "in welchen Jahren fiel Ostern auf den 11. April?" beantworten kann).
</p><p></p><p>
</p><h2 id="2019">Das Osterparádoxon 2019</h2>
Im Jahr 2019 fiel der Ostersonntag auf den 21. April. Der astronomische Frühlingsbeginn war am 20. März um etwa 22 Uhr Weltzeit. In der Frühe des 21. März, etwa um 1:43, wurde der Mond voll. Dies war astronomisch gesehen der Frühlingsvollmond. Würde man für die Ostertermine nur diesen natürlichen Ereignissen folgen, wäre der nächstfolgende Sonntag der Ostersonntag geworden, das war der 25. März.
<p></p><p>
Luna XIV war aber erst einen Monat später, am 19. bzw. 18. April (nach der erwähnten Ausnahmeregel auf den 18. April zurückdatiert). Der "Ostervollmond" im wahren Sinne des Wortes, der Vollmond vor Ostern, war also nicht der erste, sondern der zweite Frühlingsvollmond (der astronomisch am 19. April um 13 Uhr 20 eintrat). Der nächstfolgende Sonntag war Ostern: der 21. April.
</p><p></p><p>
Eine Abweichung des Ostertermins von dem Termin, den man nach einer "rein natürlichen" Berechnung mit dem astronomischen Frühlingsanfang und astronomischen Vollmond erwarten würde, nennt man ein <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Osterparadoxon">Osterparádoxon</a>. Die Osterparádoxa sind gut erforscht und klassifiziert. Die Abweichung des Jahres 2019 fällt demnach in die Kategorie <b>A+</b> der sogenannten <i>positiven Äquinoktialparádoxa</i>, die aufgrund eines Unterschieds des astronomischen Frühlingsanfangs entstehen.
</p><p></p><p>
Neben diesen Äquinoktialparádoxa gibt es auch noch die sogenannten <i>positiven (<b>H+</b>) und negativen (<b>H-</b>) Hebdomadalparádoxa</i>, bei denen allein die Abweichung des astronomischen vom zyklischen Vollmond den Unterschied ergibt: Bei <b>H-</b> fällt Luna XIV auf einen Samstag, während der astronomische Vollmond am Sonntag folgt, bei <b>H+</b> ist es umgekehrt.
</p><p></p><p>
Weitere Jahre mit solchen Abweichungen sind:
<style>
table#paradoxa tr td:nth-child(1) {
font-weight:bold;
vertical-align:top;
width:2em;
}
</style>
</p><table border="" cellpadding="2" id="paradoxa" style="border-collapse: collapse; whitespace: normal;">
<tbody><tr><td>A+</td><td>1590, 1666, 1685, 1924, 1943, 1962, 2019, 2038, 2057, 2076, 2095, 2114, 2133, 2152, 2171, 2190</td></tr>
<tr><td>H+</td><td>1629, 1700, 1724, 1744, 1778, 1798, 1876, 1974, 2045, 2069, 2089, 2096</td></tr>
<tr><td>H-</td><td>1598, 1609, 1622, 1693, 1802, 1805, 1818, 1825, 1829, 1845, 1900, 1903, 1923, 1927, 1954, 1967, 1981, 2049, 2076, 2106, 2119, 2133, 2147, 2150, 2170, 2174</td></tr>
</tbody></table>
<p></p><p>
Bei den Parádoxa vom Typ <b>H+</b> und <b>H-</b> liegt der Fehler bei einer Woche: kirchliches Ostern ist eine Woche später oder früher als ein "rein astronomisch definiertes" Ostern wäre. Dagegen liegen bei den Osterparádoxa vom Typ <b>A+</b> die Abweichungen bei etwa einem Monat.
</p><p></p><p>
Man sieht, daß sich das letzte Osterparádoxon im Jahre 1981 ereignete (vom Typ <b>H-</b>), und das nächste auf das Jahr 2038 fallen wird (wieder vom Typ <b>A+</b>).
</p><p></p><p>
</p><h2 id="reform">Über eine Reform der Osterrechnung</h2>
Ein einheitliches Datum für das Osterfest, dieses zentralen Fest im ganzen Kirchenjahr, wäre wertvoll als ein äußeres Zeichen für die Bemühung der Christen um <i>Einheit</i>, die eines der Wesensmerkmale der Kirche ist. Dies hielt Papst Franziskus auf dem Rückflug vom Heiligen Land in einer <a href="http://www.vatican.va/content/francesco/de/speeches/2014/may/documents/papa-francesco_20140526_terra-santa-conferenza-stampa.html">Pressekonferenz fest (am 26.5.2014)</a>:
<blockquote>Ein anderes Thema, über das wir gesprochen haben, damit vielleicht im panorthodoxen Rat etwas getan werden kann, ist das Osterdatum, denn es ist ein bisschen lächerlich: – Sag mir, wann wird dein Christus auferstehen? – Nächste Woche – Meiner ist schon letzte Woche… – Ja, das Osterdatum ist ein Zeichen der Einheit.</blockquote>
<p></p><p>
Eine Reform der Osterrechnung müßte aber behutsam und mit großer Sensibilität gegenüber dem bisher Bestehenden erfolgen. Unser Zeitgeist neigt leider dazu, die Dinge allzu radikal umzukrempeln: oft wird in hemdsärmeliger Manier viel Sinnvolles, in Jahrhunderten Gewordenes und Gewachsenes um einer einzigen Idee willen zerstört, die man höher als alles andere wertet. Ein Vorbild für eine wirklich gute Reform stellt die Kalenderreform von Papst Gregor XIII. dar, die von Weitsicht, Umsicht und Traditionsbewußtsein zugleich getragen war.
</p><p></p><p>
Eine rein an den Naturvorgängen orientierte Definition (ein Vorschlag lautet zum Beispiel: "Ostern ist der erste Sonntag gemäß Jerusalemer Lokalzeit, der auf den ersten astronomischen Vollmond ab astronomischem Frühlingsanfang folgt") erscheint logisch und klar, wichtet aber gerade das Natürliche zu hoch. Es ist auch ein Fest des Gedächtnisses an jenen Ur-Karfreitag und aller Karfreitage, die seitdem auf diesen folgten.
Die oben beschriebene Osterparadoxie des Jahres 2019 ergibt zwar einen aus "natürlicher" Sicht um einen Monat verspäteten Ostertermin. Andererseits fiel der Karfreitag 2019 bei dieser "unnatürlichen" Osterterminierung im jüdischen Kalender auf den 14. Nisan 5779, was wieder ein schöner Zusammenklang ist (auch ist es nicht selbstverständlich, daß der 14. Nisan auf einen Freitag fällt).
</p><p></p><p>
</p><h2 id="tabelle">Paradoxien von 1950 bis 2050</h2>
Die folgende Tabelle zeigt die astronomischen Termine des Frühlingsanfangs sowie dreier in Frage kommender Vollmonde (die ab Mitte März gefundenen), dann den daraus ermittelten "astronomischen Ostertermin" und in der letzten Spalte den kirchlichen Ostertermin, falls dieser vom astronomischen abweicht. Alle Zeitangaben sind in <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Ephemeridenzeit">Ephemeridenzeit</a>, die von der Weltzeit UTC gegenwärtig um ca. eine Minute abweicht. Die Berechnungen erfolgten mit einem <a href="https://pastebin.com/J5Rj24uY">C-Programm</a>, wobei für die kirchlichen Ostertermine die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gau%C3%9Fsche_Osterformel">Gaußsche Osterformel</a> verwendet wurde.
<p></p><p>
<style>
table#easter tr td:nth-child(6) {
font-weight:bold;
}
</style>
</p><table border="" cellpadding="2" id="easter" style="border-collapse: collapse;">
<thead>
<tr><th>Frühling</th><th>🌕</th><th>🌕</th><th>🌕</th><th>Astr. O.</th><th>Kirchl. O.</th></tr>
</thead>
<tbody>
<tr><td>21.3.1950 4h35m</td><td>2.4.1950 20h49m</td><td>2.5.1950 5h19m</td><td>31.5.1950 12h43m</td><td>9.4.1950</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1951 10h26m</td><td>23.3.1951 10h50m</td><td>21.4.1951 21h30m</td><td>21.5.1951 5h45m</td><td>25.3.1951</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1952 16h14m</td><td>10.4.1952 8h53m</td><td>9.5.1952 20h16m</td><td>8.6.1952 5h07m</td><td>13.4.1952</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1953 22h00m</td><td>30.3.1953 12h55m</td><td>29.4.1953 4h20m</td><td>28.5.1953 17h03m</td><td>5.4.1953</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1954 3h53m</td><td>19.3.1954 12h42m</td><td>18.4.1954 5h48m</td><td>17.5.1954 21h47m</td><td>25.4.1954</td><td>18.4.1954</td></tr>
<tr><td>21.3.1955 9h35m</td><td>7.4.1955 6h35m</td><td>6.5.1955 22h14m</td><td>5.6.1955 14h08m</td><td>10.4.1955</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1956 15h20m</td><td>26.3.1956 13h11m</td><td>25.4.1956 1h41m</td><td>24.5.1956 15h26m</td><td>1.4.1956</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1957 21h16m</td><td>16.3.1957 2h22m</td><td>14.4.1957 12h09m</td><td>13.5.1957 22h34m</td><td>21.4.1957</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1958 3h06m</td><td>4.4.1958 3h45m</td><td>3.5.1958 12h23m</td><td>1.6.1958 20h55m</td><td>6.4.1958</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1959 8h55m</td><td>24.3.1959 20h02m</td><td>23.4.1959 5h13m</td><td>22.5.1959 12h56m</td><td>29.3.1959</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1960 14h43m</td><td>11.4.1960 20h27m</td><td>11.5.1960 5h42m</td><td>9.6.1960 13h02m</td><td>17.4.1960</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1961 20h32m</td><td>1.4.1961 5h47m</td><td>30.4.1961 18h41m</td><td>30.5.1961 4h37m</td><td>2.4.1961</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1962 2h30m</td><td>21.3.1962 7h55m</td><td>20.4.1962 0h33m</td><td>19.5.1962 14h32m</td><td>25.3.1962</td><td>22.4.1962</td></tr>
<tr><td>21.3.1963 8h20m</td><td>9.4.1963 0h57m</td><td>8.5.1963 17h23m</td><td>7.6.1963 8h31m</td><td>14.4.1963</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1964 14h10m</td><td>28.3.1964 2h48m</td><td>26.4.1964 17h50m</td><td>26.5.1964 9h29m</td><td>29.3.1964</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1965 20h05m</td><td>17.3.1965 11h24m</td><td>15.4.1965 23h02m</td><td>15.5.1965 11h52m</td><td>18.4.1965</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1966 1h53m</td><td>5.4.1966 11h13m</td><td>4.5.1966 21h01m</td><td>3.6.1966 7h40m</td><td>10.4.1966</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1967 7h37m</td><td>26.3.1967 3h21m</td><td>24.4.1967 12h04m</td><td>23.5.1967 20h22m</td><td>2.4.1967</td><td>26.3.1967</td></tr>
<tr><td>20.3.1968 13h22m</td><td>13.4.1968 4h52m</td><td>12.5.1968 13h05m</td><td>10.6.1968 20h13m</td><td>14.4.1968</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1969 19h08m</td><td>2.4.1969 18h45m</td><td>2.5.1969 5h14m</td><td>31.5.1969 13h18m</td><td>6.4.1969</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1970 0h56m</td><td>23.3.1970 1h53m</td><td>21.4.1970 16h21m</td><td>21.5.1970 3h38m</td><td>29.3.1970</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1971 6h38m</td><td>10.4.1971 20h10m</td><td>10.5.1971 11h24m</td><td>9.6.1971 0h04m</td><td>11.4.1971</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1972 12h22m</td><td>29.3.1972 20h06m</td><td>28.4.1972 12h45m</td><td>28.5.1972 4h28m</td><td>2.4.1972</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1973 18h13m</td><td>18.3.1973 23h34m</td><td>17.4.1973 13h51m</td><td>17.5.1973 4h58m</td><td>22.4.1973</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1974 0h07m</td><td>6.4.1974 21h01m</td><td>6.5.1974 8h55m</td><td>4.6.1974 22h10m</td><td>7.4.1974</td><td>14.4.1974</td></tr>
<tr><td>21.3.1975 5h57m</td><td>27.3.1975 10h36m</td><td>25.4.1975 19h55m</td><td>25.5.1975 5h51m</td><td>30.3.1975</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1976 11h50m</td><td>14.4.1976 11h49m</td><td>13.5.1976 20h04m</td><td>12.6.1976 4h15m</td><td>18.4.1976</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1977 17h43m</td><td>4.4.1977 4h09m</td><td>3.5.1977 13h04m</td><td>1.6.1977 20h31m</td><td>10.4.1977</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1978 23h34m</td><td>24.3.1978 16h20m</td><td>23.4.1978 4h11m</td><td>22.5.1978 13h17m</td><td>26.3.1978</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1979 5h22m</td><td>12.4.1979 13h15m</td><td>12.5.1979 2h01m</td><td>10.6.1979 11h56m</td><td>15.4.1979</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1980 11h10m</td><td>31.3.1980 15h14m</td><td>30.4.1980 7h36m</td><td>29.5.1980 21h28m</td><td>6.4.1980</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1981 17h03m</td><td>20.3.1981 15h23m</td><td>19.4.1981 7h59m</td><td>19.5.1981 0h04m</td><td>26.4.1981</td><td>19.4.1981</td></tr>
<tr><td>20.3.1982 22h56m</td><td>8.4.1982 10h19m</td><td>8.5.1982 0h45m</td><td>6.6.1982 16h00m</td><td>11.4.1982</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1983 4h39m</td><td>28.3.1983 19h27m</td><td>27.4.1983 6h31m</td><td>26.5.1983 18h48m</td><td>3.4.1983</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1984 10h25m</td><td>17.3.1984 10h10m</td><td>15.4.1984 19h11m</td><td>15.5.1984 4h29m</td><td>22.4.1984</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1985 16h14m</td><td>5.4.1985 11h33m</td><td>4.5.1985 19h53m</td><td>3.6.1985 3h51m</td><td>7.4.1985</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1986 22h03m</td><td>26.3.1986 3h02m</td><td>24.4.1986 12h47m</td><td>23.5.1986 20h45m</td><td>30.3.1986</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1987 3h52m</td><td>14.4.1987 2h31m</td><td>13.5.1987 12h51m</td><td>11.6.1987 20h49m</td><td>19.4.1987</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1988 9h39m</td><td>2.4.1988 9h22m</td><td>1.5.1988 23h41m</td><td>31.5.1988 10h54m</td><td>3.4.1988</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1989 15h29m</td><td>22.3.1989 9h58m</td><td>21.4.1989 3h14m</td><td>20.5.1989 18h17m</td><td>26.3.1989</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1990 21h20m</td><td>10.4.1990 3h19m</td><td>9.5.1990 19h31m</td><td>8.6.1990 11h02m</td><td>15.4.1990</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1991 3h02m</td><td>30.3.1991 7h18m</td><td>28.4.1991 20h59m</td><td>28.5.1991 11h37m</td><td>31.3.1991</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1992 8h49m</td><td>18.3.1992 18h18m</td><td>17.4.1992 4h43m</td><td>16.5.1992 16h03m</td><td>19.4.1992</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1993 14h41m</td><td>6.4.1993 18h44m</td><td>6.5.1993 3h34m</td><td>4.6.1993 13h03m</td><td>11.4.1993</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1994 20h29m</td><td>27.3.1994 11h10m</td><td>25.4.1994 19h45m</td><td>25.5.1994 3h40m</td><td>3.4.1994</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1995 2h15m</td><td>17.3.1995 1h26m</td><td>15.4.1995 12h09m</td><td>14.5.1995 20h49m</td><td>16.4.1995</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1996 8h04m</td><td>4.4.1996 0h07m</td><td>3.5.1996 11h49m</td><td>1.6.1996 20h47m</td><td>7.4.1996</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1997 13h55m</td><td>24.3.1997 4h46m</td><td>22.4.1997 20h34m</td><td>22.5.1997 9h14m</td><td>30.3.1997</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.1998 19h55m</td><td>11.4.1998 22h24m</td><td>11.5.1998 14h30m</td><td>10.6.1998 4h19m</td><td>12.4.1998</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.1999 1h46m</td><td>31.3.1999 22h49m</td><td>30.4.1999 14h55m</td><td>30.5.1999 6h40m</td><td>4.4.1999</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2000 7h36m</td><td>20.3.2000 4h45m</td><td>18.4.2000 17h42m</td><td>18.5.2000 7h35m</td><td>23.4.2000</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2001 13h31m</td><td>8.4.2001 3h22m</td><td>7.5.2001 13h53m</td><td>6.6.2001 1h40m</td><td>15.4.2001</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2002 19h17m</td><td>28.3.2002 18h25m</td><td>27.4.2002 3h00m</td><td>26.5.2002 11h52m</td><td>31.3.2002</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.2003 1h00m</td><td>18.3.2003 10h35m</td><td>16.4.2003 19h36m</td><td>16.5.2003 3h37m</td><td>20.4.2003</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2004 6h49m</td><td>5.4.2004 11h03m</td><td>4.5.2004 20h34m</td><td>3.6.2004 4h20m</td><td>11.4.2004</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2005 12h34m</td><td>25.3.2005 20h59m</td><td>24.4.2005 10h07m</td><td>23.5.2005 20h19m</td><td>27.3.2005</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2006 18h26m</td><td>13.4.2006 16h41m</td><td>13.5.2006 6h52m</td><td>11.6.2006 18h04m</td><td>16.4.2006</td><td></td></tr>
<tr><td>21.3.2007 0h08m</td><td>2.4.2007 17h16m</td><td>2.5.2007 10h10m</td><td>1.6.2007 1h04m</td><td>8.4.2007</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2008 5h49m</td><td>21.3.2008 18h41m</td><td>20.4.2008 10h26m</td><td>20.5.2008 2h12m</td><td>23.3.2008</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2009 11h44m</td><td>9.4.2009 14h56m</td><td>9.5.2009 4h02m</td><td>7.6.2009 18h12m</td><td>12.4.2009</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2010 17h33m</td><td>30.3.2010 2h26m</td><td>28.4.2010 12h19m</td><td>27.5.2010 23h08m</td><td>4.4.2010</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2011 23h21m</td><td>19.3.2011 18h11m</td><td>18.4.2011 2h45m</td><td>17.5.2011 11h09m</td><td>24.4.2011</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2012 5h15m</td><td>6.4.2012 19h19m</td><td>6.5.2012 3h36m</td><td>4.6.2012 11h12m</td><td>8.4.2012</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2013 11h03m</td><td>27.3.2013 9h28m</td><td>25.4.2013 19h58m</td><td>25.5.2013 4h26m</td><td>31.3.2013</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2014 16h58m</td><td>16.3.2014 17h09m</td><td>15.4.2014 7h43m</td><td>14.5.2014 19h17m</td><td>20.4.2014</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2015 22h46m</td><td>4.4.2015 12h06m</td><td>4.5.2015 3h43m</td><td>2.6.2015 16h20m</td><td>5.4.2015</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2016 4h31m</td><td>23.3.2016 12h01m</td><td>22.4.2016 5h24m</td><td>21.5.2016 21h15m</td><td>27.3.2016</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2017 10h29m</td><td>11.4.2017 6h09m</td><td>10.5.2017 21h43m</td><td>9.6.2017 13h10m</td><td>16.4.2017</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2018 16h16m</td><td>31.3.2018 12h37m</td><td>30.4.2018 0h59m</td><td>29.5.2018 14h20m</td><td>1.4.2018</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2019 21h59m</td><td>21.3.2019 1h44m</td><td>19.4.2019 11h13m</td><td>18.5.2019 21h12m</td><td>24.3.2019</td><td>21.4.2019</td></tr>
<tr><td>20.3.2020 3h50m</td><td>8.4.2020 2h36m</td><td>7.5.2020 10h46m</td><td>5.6.2020 19h13m</td><td>12.4.2020</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2021 9h38m</td><td>28.3.2021 18h49m</td><td>27.4.2021 3h32m</td><td>26.5.2021 11h15m</td><td>4.4.2021</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2022 15h34m</td><td>18.3.2022 7h18m</td><td>16.4.2022 18h56m</td><td>16.5.2022 4h15m</td><td>17.4.2022</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2023 21h25m</td><td>6.4.2023 4h35m</td><td>5.5.2023 17h35m</td><td>4.6.2023 3h42m</td><td>9.4.2023</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2024 3h07m</td><td>25.3.2024 7h01m</td><td>23.4.2024 23h50m</td><td>23.5.2024 13h54m</td><td>31.3.2024</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2025 9h02m</td><td>13.4.2025 0h23m</td><td>12.5.2025 16h57m</td><td>11.6.2025 7h44m</td><td>20.4.2025</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2026 14h47m</td><td>2.4.2026 2h13m</td><td>1.5.2026 17h24m</td><td>31.5.2026 8h46m</td><td>5.4.2026</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2027 20h25m</td><td>22.3.2027 10h44m</td><td>20.4.2027 22h28m</td><td>20.5.2027 11h00m</td><td>28.3.2027</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2028 2h18m</td><td>9.4.2028 10h27m</td><td>8.5.2028 19h50m</td><td>7.6.2028 6h09m</td><td>16.4.2028</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2029 8h03m</td><td>30.3.2029 2h27m</td><td>28.4.2029 10h37m</td><td>27.5.2029 18h38m</td><td>1.4.2029</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2030 13h53m</td><td>19.3.2030 17h57m</td><td>18.4.2030 3h21m</td><td>17.5.2030 11h20m</td><td>21.4.2030</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2031 19h42m</td><td>7.4.2031 17h22m</td><td>7.5.2031 3h41m</td><td>5.6.2031 11h59m</td><td>13.4.2031</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2032 1h23m</td><td>27.3.2032 0h47m</td><td>25.4.2032 15h10m</td><td>25.5.2032 2h38m</td><td>28.3.2032</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2033 7h23m</td><td>16.3.2033 1h38m</td><td>14.4.2033 19h18m</td><td>14.5.2033 10h43m</td><td>17.4.2033</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2034 13h18m</td><td>3.4.2034 19h20m</td><td>3.5.2034 12h16m</td><td>2.6.2034 3h55m</td><td>9.4.2034</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2035 19h03m</td><td>23.3.2035 22h43m</td><td>22.4.2035 13h21m</td><td>22.5.2035 4h26m</td><td>25.3.2035</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2036 1h04m</td><td>10.4.2036 20h23m</td><td>10.5.2036 8h10m</td><td>8.6.2036 21h03m</td><td>13.4.2036</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2037 6h51m</td><td>31.3.2037 9h54m</td><td>29.4.2037 18h55m</td><td>29.5.2037 4h25m</td><td>5.4.2037</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2038 12h41m</td><td>21.3.2038 2h10m</td><td>19.4.2038 10h37m</td><td>18.5.2038 18h24m</td><td>28.3.2038</td><td>25.4.2038</td></tr>
<tr><td>20.3.2039 18h33m</td><td>9.4.2039 2h53m</td><td>8.5.2039 11h21m</td><td>6.6.2039 18h48m</td><td>10.4.2039</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2040 0h12m</td><td>28.3.2040 15h12m</td><td>27.4.2040 2h39m</td><td>26.5.2040 11h48m</td><td>1.4.2040</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2041 6h08m</td><td>17.3.2041 20h20m</td><td>16.4.2041 12h01m</td><td>16.5.2041 0h53m</td><td>21.4.2041</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2042 11h54m</td><td>5.4.2042 14h17m</td><td>5.5.2042 6h49m</td><td>3.6.2042 20h49m</td><td>6.4.2042</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2043 17h29m</td><td>25.3.2043 14h27m</td><td>24.4.2043 7h24m</td><td>23.5.2043 23h38m</td><td>29.3.2043</td><td></td></tr>
<tr><td>19.3.2044 23h21m</td><td>12.4.2044 9h40m</td><td>12.5.2044 0h17m</td><td>10.6.2044 15h17m</td><td>17.4.2044</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2045 5h08m</td><td>1.4.2045 18h44m</td><td>1.5.2045 5h53m</td><td>30.5.2045 17h53m</td><td>2.4.2045</td><td>9.4.2045</td></tr>
<tr><td>20.3.2046 10h59m</td><td>22.3.2046 9h28m</td><td>20.4.2046 18h22m</td><td>20.5.2046 3h16m</td><td>25.3.2046</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2047 16h53m</td><td>10.4.2047 10h36m</td><td>9.5.2047 18h25m</td><td>8.6.2047 2h06m</td><td>14.4.2047</td><td></td></tr>
<tr><td>19.3.2048 22h35m</td><td>30.3.2048 2h05m</td><td>28.4.2048 11h14m</td><td>27.5.2048 18h58m</td><td>5.4.2048</td><td></td></tr>
<tr><td>20.3.2049 4h29m</td><td>19.3.2049 12h24m</td><td>18.4.2049 1h05m</td><td>17.5.2049 11h15m</td><td>25.4.2049</td><td>18.4.2049</td></tr>
<tr><td>20.3.2050 10h20m</td><td>7.4.2050 8h13m</td><td>6.5.2050 22h27m</td><td>5.6.2050 9h52m</td><td>10.4.2050</td><td></td></tr>
</tbody>
</table>
<p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p>Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-13999779732233109662019-12-02T22:30:00.006+01:002021-01-04T22:21:16.574+01:00Ideen haben Konsequenzen<a href="#ideen">Erkennen zielt auf die Wirklichkeit</a><br>
<a href="#technik">Der Geist der Technik</a><br>
<a href="#nietzsche">Gegen-Inspiration bei Nietzsche</a><br>
<a href="#darwin1">Konsequenter Darwinismus</a><br>
<a href="#darwin2">Auswirkungen auf das Seelenleben</a><br>
<a href="#antichrist">Was auf dem Spiel steht</a><br>
<h2 id="ideen">Erkennen zielt auf die Wirklichkeit</h2>
<a href="https://en.wikipedia.org/wiki/Ideas_Have_Consequences">Ideas have Consequences</a>, lautete der Titel eines 1948 erschienenen Buches von Richard M. Weaver, in der er die geistesgeschichtlichen Wurzeln unserer modernen Begriffsstutzigkeit herausarbeitet. Ich will darauf hier nicht inhaltlich eingehen, sondern nur festhalten, daß schon der Titel Programm ist: Es ist nicht belanglos, wie wir über die Welt denken, keine ins Belieben gestellte Geschmackssache. Die Welt ist vorgefunden, nicht eigenmächtig konstruierbar, wie es narzißtischer Übermut glaubt. Die Vorstellung von der vom Menschen selbst entworfenen Welt karikierte Goethe im "Faust", indem er den Baccalaureus in jugendlicher Selbstüberschätzung <a href="http://www.zeno.org/Literatur/M/Goethe,+Johann+Wolfgang/Dramen/Faust.+Eine+Trag%C3%B6die/Faust.+Der+Trag%C3%B6die+zweiter+Teil/2.+Akt/Hochgew%C3%B6lbtes+enges+gotisches+Zimmer">sprechen ließ</a>:
<blockquote>Dies ist der Jugend edelster Beruf:<br>
Die Welt, sie war nicht, eh ich sie erschuf!<br>
Die Sonne führt ich aus dem Meer herauf;<br>
mit mir begann der Mond des Wechsels Lauf.<br>
Da schmückte sich der Tag auf meinen Wegen,<br>
die Erde grünte, blühte mir entgegen.<br>
Auf meinen Wink, in jener ersten Nacht,<br>
entfaltete sich aller Sterne Pracht.</blockquote>
Erkenntnis ist Wahrnehmung objektiver Realität, nicht Konstruktion. Wir haben unser Erkenntnisvermögen, unseren Verstand, um uns ein möglichst gutes Bild von der Welt zu machen, und die Wirklichkeit korrigiert ungerührt falsche Vorstellungen, die wir von ihr haben, indem sie die Zwecke vereitelt, die wir, auf falschen Vorstellungen gründend, unserem Handeln geben wollen. Wie wir die Welt <i>wahr</i>nehmen, hat unmittelbare Konsequenzen für unser Leben, bis hin zur Gefährdung unserer ganzen Existenz. Das deckt sich mit der unmittelbaren Alltagserfahrung: wenn ich der festen Überzeugung bin, bei einem Sprung vom Hausdach würde ich wie ein Blatt sachte gleitend hinabsegeln, kann mich diese Überzeugung das Leben kosten.
<p/><p/>
Was für einzelne gilt, gilt auch für den <i>Zeitgeist</i>, also das in einer Gesellschaft in einer Epoche vorherrschende Bündel von Anschauungen. Es können Anschauungen vorherrschen, die die ganze Gesellschaft kollektiv dem Untergang zuführen – und es gibt Anschauungen, die die Gesellschaft zum Blühen bringen, die jeden einzelnen ein sinn- und freudvolles, erfülltes Leben in ihr ermöglichen (in den Grenzen natürlich, in denen das in dieser Welt überhaupt möglich ist).
<p/><p/>
<h2 id="technik">Der Geist der Technik</h2>
Etwa um die Mitte des 19. Jahrhunderts gewannen Vorstellungen in der Gesellschaft an Gewicht, die in dieser Wucht und Breite zuvor nie vorhanden waren. Dazu gehörte die Idee einer vollständigen Berechenbarkeit der Welt, die man als ein sich entfaltendes Spiel von Atomen ansah. Laplace hatte schon 1814 die Ansicht formuliert, daß eine Intelligenz, die die Orte und Impulse aller Teilchen der Welt zu einem bestimmten Zeitpunkt kennen würde, in der Lage wäre, die sich entwickelnde Welt in all ihren Einzelheiten zu berechnen, jeden Willensentschluß und Gedanken jedes einzelnen Menschen, der je lebte oder leben wird, jedes Ereignis der Zukunft vorhersagen und auch die gesamte Vergangenheit des Universums rechnerisch rekonstruieren könnte (der berühmte <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Laplacescher_D%C3%A4mon">Laplacesche Dämon</a>).
<p/><p/>
Diese deterministische Weltsicht war nicht nur die einzelne Bemerkung eines Gelehrten, sondern fand in der ganzen Gesellschaft stärkste Resonanz. Hand in Hand mit dem Determinismus gingen der Naturalismus und Szientismus, aber auch die naiven Ansichten von Denkschulen wie dem Positivismus, indem man alle Menschen in diesem Sinne "aufklärte", würde man einem glanzvollen, friedlichen terminalen Zustand der Geschichte entgegengehen, in der sich alle Menschen freundlich die Hände reichten und sich gemeinsam das Räderwerk der großen Weltmaschine nutzbar machen würden. Auch die Erfindungen und Entdeckungen jener Zeit brachten einen ungeheuren Schub: der menschliche Geist grub sich gewissermaßen immer tiefer in das rein Irdische hinein.
<p/><p/>
Von dieser Zeit sprach Pfarrer Hans Milch (1924-1987) in seiner bekannten Predigt vom 7.10.1979 <a href="https://www.youtube.com/watch?v=ZZ6eKeVfm3g">über den drohenden Untergang Europas</a>.
<blockquote>Was sich da [in der Mitte des 19. Jahrhunderts] ereignet hat, kann gar nicht hoch genug bewertet werden in seiner dämonischen, zerstörerischen Bedeutung, aber auch in seiner Chance... In der Mitte des vorigen Jahrhunderts [des 19.] brach die moderne Technik in die Erdmenschheit ein, zuvorderst in Europa. Die moderne Technik ist ohne jede Parallele in der bekannten Menschheitsgeschichte, nicht etwa das Ergebnis einer jahrtausendelangen Entwicklung. Jahrtausendelang, über alle bekannten Zeiten der Geschichte hinweg, hat sich gar kein technischer Fortschritt ereignet — in einzelnen Kulturkreisen relative technische Errungenschaften, aber im Großen und Ganzen kein mit dem heutigen Fortschritt der Technik auch nur entfernt vergleichbarer Vorgang. Das ist von gar nicht abzusehender Bedeutung.
<p><p>
Was heißt überhaupt technischer Fortschritt? Es heißt, die Instrumente, welcher sich der Mensch bedienen kann, wachsen, vervielfältigen sich – und wir wissen, daß diese Vervielfältigung der Mittel in geometrischer Reihe, in geometrischer Beschleunigung sich vollzogen hat: rasant, atemberaubend, schauererregend, geradezu gespenstisch. Die Mittel und die Eindrücke die auf den Menschen einstürmen. Je mehr Mittel aber den Menschen zur Verfügung stehen, umso mehr muß der Mensch wissen, wer er ist - denn diese Mittel sollen ja <i>ihm</i> dienen, seinem <i>Wesen</i>, nicht seinem <i>Wunsch</i>. Es ist eine Folge des Sündenfalls, daß bei uns Wunsch und Wohl oft kollidieren und im Widerspruch zueinander stehen.
<p><p>
Wir gebrauchen die technischen Mittel zur Befriedigung unserer Wünsche - auf Kosten unseres Wohls. Was ist Wohl? Das, was dem Wesen gemäß ist. Je mehr ich also bedrängt werde von Angeboten, um so wacher muß ich wissen, wer ich bin, was mein Wesen ist. Und in der Mitte des vorigen Jahrhunderts [des 19.] hat der Mensch in Europa weniger gewußt als zuvor, vor allem wenn man das hohe Mittelalter zum Vergleich nimmt - weniger als zuvor, viel weniger, wer er wesenhaft ist. Er war also unvorbereitet diesem Ansturm gegenüber. Es fehlten in diesen Zeiten die Eliten – diejenigen, die das geistige Gebaren der Menschheit prägen. Führungslos wankte die europäische Menschheit dahin. Und in diese flatternde Ungewißheit brach gerade das ein, von dem es heißt: ehe du einen Schritt voraus tust in der Entfaltung der äußeren Welt, mußt du zuvor zwei Schritte tun in der Entfaltung der inneren Welt, in der Erweckung des geistigen Bewußtseins.
<p><p>
Geist darf man nicht verwechseln mit Verstand. Geistiges Bewußtsein heißt Wesensbewußtsein. Darum war es sehr, sehr schlecht bestellt, und das ist selbstverständlich immer weiter abgesunken – im selben Maße abgesunken, obwohl es hätte wachsen müssen, wie die moderne Technik anschwoll. Der Menschengeist ist dazu, da die sich ihm darbietende Vielheit im Zeichen der Einheit zu bewältigen und zu bannen. Diese Bannkraft des Geistes ist schwächer geworden, die Vielheit dessen, was auf uns einströmt und uns bedrängt, größer – daher zappelt der Mensch in seiner Seele, ist krank – die Couchs der Psychiater, die Sprechzimmer der Psychotherapeuten füllen sich:
<p><p>
Der kranke Mensch Europas! [hier spielt Hans Milch auf die Phrase "der kranke Mann am Bosporus" an, mit der man im 19. Jahrhundert den Verfall des Osmanischen Reichs bezeichnete].
<p/><p/>
Aus dieser Krankheit folgt das völlig gestörte bis zerstörte Verhältnis zu dem was wir Moral nennen. Moral ist die Lehre vom sittlich Guten. Das sittlich Gute ist das, was dem Wesen, der Würde der menschlichen Person entspricht. Da der Mensch nichts mehr von dem weiß, was eigentlich die Würde des Menschen erst ausmacht, weiß er auch nicht mehr, was gut ist – und darum verfällt das moralische Bewußtsein. Das ist verheerend und eine Katastrophe heraufbeschwörend. Die Zusammenhänge gehen der Sicht des Menschen verloren – <a href="http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/goethe_faust01_1808?p=125">lauter Teile hat er in der Hand, um mit Goethe zu sprechen, aber es fehlt ihm das geistige Band</a>. Er weiß nicht mehr wie die Dinge zueinander geordnet sind, daß sie aufeinander hinweisen, über sich hinausweisen! Daher kann er die Dinge nicht mehr deuten und nicht mehr entziffern.
</blockquote>
Man könnte hier einwenden, daß ja auch die Erfindungen und technischen Neuerungen, die Industrialisierung, das gigantische Wachstum der Welt der Waren und des Handels, daß dies alles seine Vorgeschichte habe. So wurde etwa schon im 15. Jahrhundert der Buchdruck eingeführt. Das ist zweifellos richtig - aber das war eine Innovation, die zunächst nur eine hauchdünne Schicht der Gelehrten betraf. Der Einbruch, der sich im 19. Jahrhundert ereignete, erfaßte die gesamte Lebenswelt der Menschen, pflügte das gesellschaftliche Leben in seiner ganzen Breite um.
<p/><p/>
Wer nur am Materiellen klebt, wie es etwa die Marxisten tun, überschätzt diese Vorgeschichte und verkennt den Einbruch von etwas qualitativ völlig Neuem, vorher nie Dagewesenen. Man muß sehen, daß zu jener Zeit ein geistiger Impuls in die Menschheit eintrat, der wie eine höhere Kraftwirkung diesen materiellen Umgestaltungen vorausging (wie ja auch Erfindungen und Technik nur daraus verstanden werden können, daß vom Verstand, von der Ideenwelt her sich etwas in die Materie hineinsenkt). Der Marxismus ist selbst ein Kind dieses geistigen Einbruchs. Er hängt einem historischen Determinismus an (der gesellschaftliche Fortschritt, die Entfaltung der Gesellschaft, könne mit der marxistischen Geschichts"wissenschaft" erkannt und vorhergesagt werden) und ist schon nach eigenem Eingeständnis materialistisch (in der Geschichtsbetrachtung als historischer, und philosophisch als dialektischer Materialismus).
<p/><p/>
Das <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Manifest_der_Kommunistischen_Partei">Kommunistische Manifest</a>, in dem Karl Marx und Friedrich Engels Grundlagen und Programm ihrer Bewegung formulierten, erschien übrigens 1848, also ziemlich genau zu dem Zeitpunkt, dem Hans Milch eine <i>zerstörerische, dämonische Bedeutung</i> zuweist. Ebenfalls in diese Zeit fällt auf der anderen Seite übrigens die Heraufkunft des sogenannten Spiritismus (wie etwa des <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Tischr%C3%BCcken">Tischrücken</a>s, das sich ab 1848 wie eine Epidemie in Europa verbreitete). Der Spiritismus will noch die Welt der Toten, des Jenseits, ins Irdische, Räumlich-Zeitliche hineinziehen und bannen: er ist von seiner Wesensart her selbst materialistisch. Das ist bis in die Terminologie hinein spürbar, wenn die Spiritisten etwa von der Seele als dem "feinstofflichen Leib" sprachen. Der ironische Anfangssatz des Kommunistischen Manifests "Ein Gespenst geht um in Europa" ist viel tiefsinniger als es die Autoren beabsichtigten: obwohl eigentlich spöttisch gemeint, charakterisiert er in einem umfassenden Sinne genau den Zeitgeist, der seitdem unser Leben und Denken verhext.
<p/><p/>
Die Gefahr, die Hans Milch in diesem Vorgang als Pfarrer sieht – man könnte ihn auch noch umfassender anschauen – ist die Zerstörung der Moral: Moralbegriffe müssen im Wesensverständnis des Menschen gründen. Um aber zu wissen, was gut für mich ist, muß ich über mich selbst, über mein Wesen etwas wissen – und genau davon - von der Frage nach dem Wesen - führt die Technik weg, da sie die Erfüllung von Wünschen in den Vordergrund stellt. Die Frage nach dem Wesen ist der unter modernen Philosophen geächtete <i>Essentialismus</i>: man soll sie gar nicht mehr stellen, weil es angeblich müßig sei und keine Antworten zu erwarten seien. Nicht auf das Wesen, auf die Erscheinungen sollte man sich konzentrieren, das Miteinander, die Wechselwirkungen der Dinge, und was die Wünsche angeht, so gebe es ja einen gemeinsamen Nenner, über den sich alle Menschen einigen könnten: die materiellen Bedürfnisse, das tägliche Brot. <i>Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum braucht er was zu essen, bitte sehr!</i>, wie es im Brechtschen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Einheitsfrontlied">Lied von der Einheitsfront</a> heißt. Das gesamte Programm des Materialismus ist der Aufbau der Welt <i>von unten</i>, vom Materiellen her, und ganz in das Materielle eingeschlossen, die Verwandlung der Steine in Brot.
<p/><p/>
<h2 id="nietzsche">Gegen-Inspiration bei Nietzsche</h2>
Man kann bei der Untersuchung dieses geistigen Impulses das Eingreifen von übersinnlichen Mächten in das Erdengeschehen geradezu mit Händen greifen. Einzelne Menschen müssen von diesem Geist in einer unheimlichen Weise besetzt gewesen sein.
<p/><p/>Ein Beispiel ist Friedrich Nietzsche. Er spann den Laplaceschen Gedanken von der vollständig berechenbaren Weltmaschine bekanntlich weiter: daß nämlich nach ungeheuer langen Zeiträumen alle möglichen Kombinationen und relativen Positionen, die die Teilchen zueinander einnehmen können, aufgebraucht seien und ein Zustand sich wiederholen müsse, der schon einmal dagewesen ist. Ab dann aber entwickele sich alles wieder nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten, alles wiederhole sich bis aufs kleinste i-Tüpfelchen, so daß genau derselbe jetzige Moment nicht nur dieser jetzige ist, sondern auch der Moment, der sich vor Abermilliarden von Jahren schon einmal ereignet hat und sich in einer fernen Zukunft wieder ereignen wird. Die Unendlichkeit eingeschlossen in das rein Irdische – der Ouroboros beißt sich in seinen eigenen Schwanz, es gibt keinen Ausweg mehr aus der totalen Immanenz. Nietzsche ist sich des Beklemmenden oder Gespenstischen dieser Eingebung sehr wohl bewußt, dennoch ist sie ihm wie eine Offenbarung [1]:
<blockquote>„Dieses Leben, wie du es jetzt lebst und gelebt hast, wirst du noch einmal und noch unzählige Male leben müssen; und es wird nichts Neues daran sein, sondern jeder Schmerz und jede Lust und jeder Gedanke und Seufzer und alles unsäglich Kleine und Grosse deines Lebens muss dir wiederkommen, und Alles in der selben Reihe und Folge – und ebenso diese Spinne und dieses Mondlicht zwischen den Bäumen, und ebenso dieser Augenblick und ich selber. Die ewige Sanduhr des Daseins wird immer wieder umgedreht – und du mit ihr, Stäubchen vom Staube!“ – Würdest du dich nicht niederwerfen und mit den Zähnen knirschen und den Dämon verfluchen, der so redete? Oder hast du einmal einen ungeheuren Augenblick erlebt, wo du ihm antworten würdest: „du bist ein Gott und nie hörte ich Göttlicheres!“ Wenn jener Gedanke über dich Gewalt bekäme, er würde dich, wie du bist, verwandeln und vielleicht zermalmen; die Frage bei Allem und Jedem „willst du diess noch einmal und noch unzählige Male?“ würde als das grösste Schwergewicht auf deinem Handeln liegen! Oder wie müsstest du dir selber und dem Leben gut werden, um nach Nichts mehr zu verlangen, als nach dieser letzten ewigen Bestätigung und Besiegelung?</blockquote>
Das trotzige Nein zu aller Transzendenz, zu allem höheren Sinn ist es also, weshalb er sich diesem Gedanken hingibt und ihn für wertvoll und tief hält, obwohl er das Gemüt, wie er selbst schreibt, aufwühlen kann. Der Mensch als "Stäubchen vom Staube". Wer denkt nicht an den verächtlichen Fluch des Mephistopheles in Goethes Faust: "Staub soll er fressen, und mit Lust! Wie meine Muhme, die berühmte Schlange."
<p/><p/>
Das alles klingt nach einer Inspiration durch jene "Widersachermächte im Luftkreis", von denen im 6. Kapitel des Epheserbriefs die Rede ist (Eph. 6,11-12):
<blockquote>Ziehet an den Harnisch Gottes, daß ihr bestehen könnt gegen die Listen des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit den Erzmächten und Gewalten, mit den Herren der
Welt, die in dieser Finsternis herrschen: mit den bösen Geistern in den himmlischen Regionen.</blockquote>
Diese Wesen, die hier als reale unkörperliche Wesen beschrieben werden, versuchen Zugang zum menschlichen Geist zu bekommen – und bekommen ihn dort, wo der Boden durch Trotz, Eigensinn, Stolz, Narzißmus und Verhärtung vorbereitet wird. Das luziferische <i>non serviam!</i> wirkt wie eine Beschwörungsformel, wenn ein menschlicher Geist es ausspricht. So wirken die "Erzmächte und Gewalten" inspirierend auf Menschengeister, die sich ihnen bereitwillig öffnen. Wir können uns vorstellen, daß gerade von besonderen Menschen, die eine hohe Mission innerhalb der Welt zu erfüllen hatten, eine besondere Zerstörungskraft ausging, wenn sie sich dieser Geistesart hingaben.
<p/><p/>
Die folgenden Zeilen fanden die Herausgeber der Nietzsche-Werkausgabe in seinem Nachlaß – wie sie notierten, von Nietzsche "<i>zweifellos in sehr großer Erregung</i>" geschrieben:
<blockquote>Was ich fürchte, ist nicht die schreckliche Gestalt hinter meinem Stuhle, sondern ihre Stimme, auch nicht ihre Worte, sondern der schauderhaft unartikulierte und unmenschliche Ton jener Gestalt. Ja, wenn sie noch redete, wie Menschen reden...</blockquote>
Der Pfarrer und Kirchenhistoriker Walter Nigg, der sich mit Nietzsches Leben und Wesensart befaßt hat, hält dies nicht für eine Pathologie, sondern für einen Hinweis auf eine unheilvolle Inspiration, unter deren Schatten Nietzsches Denken stand [2]:
<blockquote>Die Gestalt, die am lichten Tag hinter seinem Stuhl auftaucht und ihm schauderhaft unartikulierte Laute ins Ohr flüstert, so daß Nietzsche in grenzenloser Furcht zusammenfährt, ist mit jenem Finger zu vergleichen, der auf die getünchte Wand die geheimnisvolle Schrift schrieb, die den König Belsazar zum Erbleichen brachte. Hier wie dort hat man es mit einem Zeichen aus der unsichtbaren Welt zu tun, das nach einer metaphysischen Deutung verlangt.</blockquote>
Hier hat man einen hautnahen Eindruck von den "dämonischen, zerstörerischen Kräften", von denen Hans Milch in seiner Predigt sprach.
<p/><p/>
<h2 id="darwin1">Konsequenter Darwinismus</h2>
Die vom Naturforscher <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Darwin">Charles Darwin</a> (1809-1882) formulierte <i>Evolutionstheorie</i> möchte ich hier nicht inhaltlich betrachten – es wäre vermessen, das im Rahmen eines Blogposts zu tun. Erwähnt sei nur, daß sie von ihrer Wesensart genau dieses Motiv der "Hinaufentwicklung aus der Materie" anspricht, das für diesen neuen Geistesimpuls charakteristisch ist (und paßt auch zeitlich sehr genau: <a href="http://www.biolib.de/darwin/origin/origin.html">On the Origin of Species</a> erschien 1859, in der Zeit nach seiner Forschungsreise auf der <i>Beagle</i> (1831-1836) hatte sich der Gedanke von der Entstehung der Arten durch Zuchtwahl und Auslese allmählich inkarniert).
<p/><p/>
Man hat politische Konsequenzen aus der Evolutionstheorie gezogen, die der Devise Nietzsches <a href="http://www.deutschestextarchiv.de/book/view/nietzsche_zarathustra03_1884?p=93">Was fällt, soll man noch stoßen!</a> gleichen. Wenn der Mensch ein Produkt des "survival of the fittest" ist, wenn er durch einen Jahrmilliarden währenden, mitleidlosen Kampf der Lebensformen an die Spitze der Schöpfung gelangt ist, dann liegt es nahe, diesen Kampf nun auch unter Menschen weiter fortzusetzen, auf daß der Stärkere gewinne.
<p/><p/>
Daß dies keineswegs eine Verfälschung der Gedanken Darwins, sondern in diesen bereits angelegt ist, kann man in seinem Werk <a href="https://books.google.ch/books?id=LYEQAAAAYAAJ&hl=de&pg=PA163#v=onepage&q&f=false">The Descent of Man, and Selection in Relation to Sex</a> nachlesen. Dort macht er sich auf den Seiten 162f. Gedanken über die Bedeutung seiner Theorie für die menschliche Gesellschaft (wobei er die Ideen dreier anderer zeitgenössischer Naturforscher verwendete, die er zuvor als Quelle benannt hatte):
<blockquote>With savages, the weak in body or mind are soon eliminated; and those that survive commonly exhibit a vigorous state of health. <p/><p/>We civilized men, on the other hand, do our utmost to check the process of elimination; we build asylums for the imbecile, the maimed and the sick; we institute poor-laws; and our medical men exert their utmost skill to save life of every one to the last moment. There is reason to believe that vaccination has preserved thousands, who from a weak constitution would formerly have succumbed to small-pox.
<p/><p/>
Thus the weak members of civilized societies propagate their kind. No one who has attended the breeding of domestic animals will doubt that must be highly injurious to the race of man.
<p/><p/>It is surprising how soon a want of care or care wrongly directed leads to the degeneration of a domestic race but excepting in the case of man himself hardly any one is so ignorant as to allow his worst animals to breed.
<p/><p/>
The aid which we feel impelled to give to the helpless is mainly an incidental result of the instinct of sympathy, which was originally acquired as part of the social instincts but subsequently rendered, in the manner previously indicated more tender and more widely diffused.
<p/><p/>
Nor could we check our sympathy, if so urged by reason, without deterioration in the noblest part of our nature.
<p/><p/>
The surgeon may harden himself while performing an operation, for he knows that he is acting for good of his patient; but if we were intentionally to neglect the weak and helpless it could only be for a contingent benefit with a certain and great present evil.
<p/><p/>
Hence we must bear without complaining the bad effects of the weak surviving and propagating their kind; but there appears to be at least one check in steady action, namely the weaker and inferior members of society not marrying so freely as the sound; and this check might be indefinitely increased, though this is more to be hoped for than expected, by the weak in body or mind refraining from marriage.</blockquote>
Schauen wir uns diese Stelle genau an: zunächst bemerkt er, daß Schwache und Kranke in den archaischen Gesellschaften "eliminiert wurden" – also getötet, ausgesetzt oder anderweitig aus dem Stamm entfernt. Den archaischen stellt er sodann die zivilisierten Gesellschaften gegenüber, in denen genau dies <i>nicht</i> gemacht werde: entgegen den Gesetzen der Evolution würde man es sich erlauben, diejenigen, die krank, behindert, irgendwie lebensunfähig sind, in Heimen zu pflegen; man würde Arme speisen, und die Ärzte würden mit allen Mitteln ihrer Kunst das Leben bis zum alleräußerst möglichen Moment verlängern. Durch Impfungen hätte man Tausende gerettet, die ohne Impfung aufgrund ihrer schwächlichen Konstitution den Pocken zum Opfer gefallen wären. Nun stellt er fest: kein Züchter würde bestreiten, daß ein solches Verhalten – die Schwachen überleben zu lassen – für die betreffende Art sehr schädlich sei. Es wäre nach seiner Einschätzung <i>gut</i> für die Menschheit, die Prinzipien der Züchtung, die man für jedes andere Tier anwendet, auch beim Menschen anzuwenden. Mit anderen Worten sei es höchst schädlich für die Menschheit (<i>highly injurious</i>), daß man die Schwachen und Kranken, die eigentlich nicht überlebensfähig seien, mit großem Aufwand am Leben halte.
<p/><p/>
Um Gutes zu tun, muß man das Schädliche fernhalten, Dinge mit "schlechter Wirkung" vermeiden. Es wäre also nach obiger Diagnose nur konsequent, den Schwachen zugrundegehen zu lassen, denn sein Überleben ist ja für die Menschheit, wie Darwin hier urteilt, "highly injurious". Man hat diese Dinge an dieser Stelle später auch konsequent zu Ende gedacht und mit der Ausführung begonnen. Im vermeintlichen Dienste einer "Veredelung des Erbguts" hat man zum Beispiel Behinderte sterilisiert oder sie vor oder gar nach der Geburt ermordet.
<p/><p/>
Darwin fand es überraschend, daß man diesen Grundsatz (die Schwachen auszusondern und zu töten) bei jeder anderen Art anwende, aber ausgerechnet bei der eigenen Art, beim Menschen selbst, vernachlässige. Er führt dies auf Sympathiekräfte zurück, die er als irgendwie erweiterte oder aufgeweichte Version des <i>sozialen Instinkts</i> bezeichnet (den er zuvor als für das Überleben der Menschen evolutionär positiv beschrieben hatte). Wir könnten auch diese Humanität nicht zurücknehmen, selbst wenn es die Vernunft uns sagen würde, "ohne daß die edelsten Teile unserer Natur verkümmern würden". Wir müßten daher die schlechten Folgen unserer Humanität ertragen (gleichsam zähneknirschend!). Einziger Trost sei, daß bei der Wahl des Ehepartners die Starken eine größere Wahlfreiheit hätten als die Schwachen, und daß die Schwachen sich öfter des Heiratens enthielten, worauf man allerdings eher hoffen könne als daß dies wirklich zu erwarten sei.
<p/><p/>
Die Humanität sei ein edler Zug des Menschen, den man aus irgendwelchen nicht genannten Gründen zu respektieren habe und um dessentwillen man die "schlechte Wirkung des Lebenbleibens und der Vermehrung der Schwachen" ertragen müsse.
<p/><p/>
Der <i>Edelmut</i>, um dessentwillen man dieses objektive Übel für die Menschheit hinnimmt, steht hier seltsam unbegründet im Raum. Man merkt, daß Darwin hier mit seinem Unternehmen, <i>alles Verhalten</i> aus der Selektion zu erklären, bei der menschlichen Humanität an seine Grenzen kommt. Daß die Ausbildung des sozialen Instinkts einer Gruppe einen Überlebensvorteil verschafft, ist ja noch einsehbar. Daß aber dieser soziale Instinkt so zu einer allgemeinen Humanität aufgeweicht ist ("more tender and more widely diffused" geworden ist) und man dies auch noch als einen der edelsten Züge im Menschen anzuerkennen habe, bleibt in Darwins eigenem Denken unverständlich. Bei seinem Versuch, das, was gut und was schädlich für die Menschheit sei, rein evolutionär zu begründen, ist überhaupt nicht einzusehen, wieso man dieser allgemeinen Humanität einen so hohen Platz einräumen sollte, zumal die Folgen des humanitären Handelns nach seiner eigenen Beobachtung ja dem entgegenlaufen, was gut für die Menschheit sei.
<p/><p/>
<h2 id="darwin2">Auswirkungen auf das Seelenleben</h2>
Diese eigenartigen Mattheit oder Müdigkeit in Bezug auf die höheren Seelenkräfte des Menschen war Darwin sich auch in Bezug auf sein eigenes seelisches Leben bewußt. In den erst 1958 veröffentlichten autobiographischen Aufzeichnungen, die er als 67jähriger notierte, stellt er in nüchterner Selbstbeobachtung eine Verkümmerung seiner eigenen höheren Seelenanlagen fest [3, Hervorhebungen von mir]:
<blockquote>I have said that in one respect my mind has changed during the last twenty or thirty years. Up to the age of thirty, or beyond it, poetry of many kinds, such as the works of Milton, Gray, Byron, Wordsworth, Coleridge, and Shelley, gave me great pleasure, and even as a schoolboy I took intense delight in Shakespeare, especially in the historical plays. I have also said that formerly pictures gave me considerable, and music very great delight. But now for many years I cannot endure to read a line of poetry: I have tried lately to read Shakespeare, and found it so intolerably dull that it nauseated me. I have also almost lost my taste for pictures or music. Music generally sets me thinking too energetically on what I have been at work on, instead of giving me pleasure. I retain some taste for fine scenery, but it does not cause me the exquisite delight which it formerly did. On the other hand, novels which are works of the imagination, though not of a very high order, have been for years a wonderful relief and pleasure to me, and I often bless all novelists. A surprising number have been read aloud to me, and I like all if moderately good, and if they do not end unhappily–against which a law ought to be passed. A novel, according to my taste, does not come into the first class unless it contains some person whom one can thoroughly love, and if a pretty woman all the better.
<p/><p/>
This curious and lamentable <b>loss of the higher aesthetic tastes</b> is all the odder, as books on history, biographies, and travels (independently of any scientific facts which they may contain), and essays on all sorts of subjects interest me as much as ever they did. <b>My mind seems to have become a kind of machine</b> for grinding general laws out of large collections of facts, but why this should have caused the atrophy of that part of the brain alone, on which the higher tastes depend, I cannot conceive. A man with a mind more highly organised or better constituted than mine, would not, I suppose, have thus suffered; and if I had to live my life again, I would have made a rule to read some poetry and listen to some music at least once every week; for perhaps the parts of my brain now atrophied would thus have been kept active through use. <b>The loss of these tastes is a loss of happiness</b>, and may possibly be <b>injurious to the intellect, and more probably to the moral character,</b> by enfeebling the emotional part of our nature.”
</blockquote>
Sein Geist wirkte also <i>wie eine Maschine</i>, wie ein Mühlstein, der eine Menge Fakten zermahlt, um daraus allgemeinere Prinzipien herzuleiten. Er findet es selbst beklagenswert, daß die <i>höheren ästhetischen Empfindungen</i>, die ihn in der Jugend noch beseelt und belebt hätten, ihm nach und nach abhanden gekommen seien und diagnostiziert, daß ihm damit nicht nur ein großer Teil seines Lebensglücks genommen sei, sondern wohl auch <i>der Intellekt Schaden genommen habe, und, noch wahrscheinlicher, der moralische Charakter.</i> Er ist Opfer einer Einkapselung ins Irdische, einer Materialisierung des Denkens geworden – und bemerkt es auch selbst.
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<h2 id="antichrist">Was auf dem Spiel steht</h2>
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Erinnern wir uns an Hans Milchs Definition des sittlich Guten – es sei das, was dem Wesen des Menschen gemäß ist. Was aber der Mensch in seiner Wesenstiefe eigentlich ist, was sein Geheimnis, seine Würde, seine Bestimmung ist – davon haben wir uns durch diesen Einschlag des Materialismus im 19. Jahrhundert weiter entfernt denn je. Es waren im Geistigen gewaltige Zentrifugalkräfte wirksam, wir haben uns in die äußere Welt hineingearbeitet, ja hineingefressen bis zur Selbstaufgabe. Diese Gebärde der Einkapselung, des Sich-Selbst-Genügens, der Beschränkung auf das Sinnliche, der Verneinung alles Geistigen, ist heute nahezu allgegenwärtig.
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Die Stoßrichtung dieser Entwicklung ist letztlich, uns von Jesus Christus zu entfremden: die Erlösungstat des Gottmenschen soll aus unserem Bewußtsein verdrängt, getilgt, letztlich ungeschehen gemacht werden. Diese Tat bestand darin, daß Er das Urbild der Gottesebenbildlichkeit in uns wiederherstellte, uns den Ausweg schuf, indem er die rettende Entscheidung in uns ermöglichte. Durch den Einbruch Gottes in die Erdenmenschheit ist es überhaupt wieder möglich, in den Himmel zu blicken. Sonst wäre das Gesetz der Schwere das einzig wirksame geblieben, die dumpfe, blind alles zermahlende Gesetzmäßigkeit, die sich - besonders deutlich in Nietzsches Gedanken von der Ewigen Wiederkehr - wie ein Fluch auf das Leben legt. Raum und Zeit wären zum Gefängnis geworden, das den Geist für immer versklavt, es hätte keinen Ausweg gegeben, keinen Lichtstrahl, der in diese Finsternis hineinleuchtete.
<p></p>
Aber das Licht <i>leuchtete</i> in der Finsternis: Christus hat sich hineinverkörpert mitten in diese fluchbeladene Welt, er ist mit seinem Menschenleben hineingegangen in die Gottferne, in die äußerste Entfernung zu sich selbst und hat den bösen Fluch damit von innen her entkräftet.
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<hr/>
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[1] <i>Friedrich Nietzsche</i>, Die fröhliche Wissenschaft. La gaya scienza. Nietzsches Werke, Klassiker-Ausgabe, Kröner 1923, Band V, S. 265<br>
[2] <i>Walter Nigg</i>, Friedrich Nietzsche, Zürich 1994, S.7<br>
[3] The Autobiography of Charles Darwin 1809-1882, Edited by his grand-daughter Nora Barlow, London and Glasgow 1958, S. 138f.<br>Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-76298547588344984422018-03-10T21:44:00.009+01:002022-10-01T20:44:12.329+01:00Pathologischer Narzißmus - Karikatur menschlicher GrößeIn meinen Betrachtungen <a href="http://ruediger-plantiko.blogspot.ch/2017/12/uber-menschliche-groe.html">über menschliche Größe</a> habe ich auch die scheiternde und vermeintliche Größe behandelt. Das Thema verlangt jedoch wegen seiner Wichtigkeit eine gesonderte Behandlung. Besonders eine Form dieses Scheiterns, der krankhafte Narzißmus gefährdet einzelne ebenso wie unsere ganze Gesellschaft, die sich sowieso großflächig dem Narzißmus verschrieben hat.
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<a href="#wood">Der Fall David Wood</a><br/>
<a href="#gefuehle">Symptome der narzißtischen Persönlichkeitsstörung</a><br>
<a href="#politik">Die politische Bedeutung</a><br>
<a href="#theologie">Die theologische Bedeutung</a><br>
<a href="#autoritaet">Vertrauen und Autorität</a><br>
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<h2 id="wood">Der Fall David Wood</h2>
Ich will die Beschreibung dieses Phänomens mit der bewegenden Geschichte des heute 42jährigen Amerikaners <a href="https://www.youtube.com/watch?v=BdLIX3vZGK8">David Wood</a> einleiten, weil sie besonders eindrücklich einige typische Züge des krankhaften Narzißmus aufzeigt.
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David Wood hatte von Kind auf bemerkt, daß er anders war als seine Mitschüler: Schwierigkeiten oder Leiden von anderen ließen ihn vollständig unbeeindruckt – es fehlte also das, was die Psychologen heute "Empathie" nennen. Diese gesunde Einfühlungsgabe, die die meisten Menschen von Natur aus ins Leben mitbringen, ist eine Voraussetzung für ein nicht nur gedanklich-abstrakt, sondern unmittelbar gefühlsmäßig von der Reziprozität geleitetes menschliches Handeln im Sinne der Goldenen Regel ("Behandle andere so, wie du es von ihnen erwartest, daß sie dich behandeln").
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David Wood bemerkte also schon als Schüler, daß ihm diese Gabe der Empathie fehlte. Sie war in seiner seelischen Ausstattung einfach nicht vorhanden. Wo andere beispielsweise Mitgefühl empfanden, war bei ihm ein leerer Fleck.[1] Er sah sich aber nicht als defizitär - und das ist ebenfalls typisch für pathologischen Narzißmus - sondern sah diesen Mangel als Beweis seiner eigenen Überlegenheit. Er gehörte gewissermaßen einem höheren Menschentypus an, er fühlte sich als Übermensch, der nicht durch irgendwelche Sentimentalitäten in seinem Handeln gebremst wird, sondern der endlich - ungehindert von allen "falschen" Rücksichten - frei und souverän handeln kann. Wie er berichtet, festigte sich diese Ansicht bei ihm zur Gewißheit, als im Schulunterricht die Evolutionstheorie besprochen wurde: er sah sich als eine der wenigen Mutationen der Art <i>homo sapiens</i>, dessen Verhalten nicht mehr - wie das der Tiere und seiner Mitmenschen - durch irgendwelche emotionalen Kopplungen behindert wird, sondern der eine neue Stufe wirklicher, echter Freiheit erklommen hat. So fühlte er sich als eine evolutionäre Morgengabe einer neuen, zukünftigen Form des Menschseins. Wie er schreibt, haßte er die Gesellschaft, weil sie ihm lächerliche, seines höheren Menschseins unwürdige Regeln aufzwingen wollte. Gut und Böse waren für ihn nur gesellschaftliche Konstrukte, Konventionen von und für Sklavenmenschen.[2]
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Sie werden das als Leser möglicherweise - und zu Recht - absurd finden. Er selbst sah sich in seinem <i>Bewußtsein</i> so, aber es muß offenbar auch in seiner Seele das Korrektiv rumort haben, das ihn aus dieser krankhaften Selbsteinschätzung zurückholen wollte. Solche Stimmen störten sein Selbstbild, er dürfte sie als atavistische Anfechtungen betrachtet haben, die ihn wieder zurück auf die normalmenschliche, für ihn also die quasi-tierische Ebene ziehen wollten.
<p/><p/>Um diese zweifelnden Stimmen in seiner Seele endgültig zum Schweigen zu bringen, plante der damals Achtzehnjährige eine Handlung, die möglichst barbarisch sein sollte und gegen die alle menschlichen Affekte sich instinktiv auflehnen: er wollte seinen eigenen Vater umbringen, und dies auf eine möglichst brutale Weise - mit einem Hammer.
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Das führte er dann entsetzlicherweise auch aus. Sein Vater - der ihm später sogar verziehen hat - überlebte die grausame Tat wie durch ein Wunder, und David Wood kam zuerst in ein Spital, wurde dann aber zu einer zehnjährigen Haftstrafe verurteilt. Im Gefängnis bekehrte er sich nach vielen langen Diskussionen mit einem Mithäftling zum Christentum. Sein christlicher Glaube ermöglicht es ihm heute, ein anständiges Leben zu führen - er ist glücklicher Familienvater und hat vier Kinder.
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Wie ich seinen Lebensbericht verstehe, betrachtet er sich heute aber keineswegs als geheilt. Der blinde Fleck ist weiterhin vorhanden, aber er sieht ein, daß es sich um ein psychologisches Defizit, eine Krankheit handelt, und er hat gelernt, damit zu leben, und das, was ihm auf emotionaler Ebene fehlt, durch bewußte, rationale Überlegung auszugleichen und unter Kontrolle zu halten.
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<h2 id="gefuehle">Symptome der narzißtischen Persönlichkeitsstörung</h2>
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Die Lebensgeschichte von David Wood zeigt einige typische Züge der narzißtischen Persönlichkeitsstörung, zu deren Kernzügen immer ein ausgeprägtes Überlegenheitsgefühl gehört. Im Unterschied zu einem wirklich großen Menschen, der sich selbst allenfalls als Werkzeug für seine Sendung wichtig nimmt, verfällt der krankhafte Narzißt einem Kult um die eigene Größe und die eigene Person. Er ahmt also das äußere Erscheinungsbild des wirklich großen Menschen nach, ohne jedoch eine Golddeckung aufzuweisen, ohne Substanz, die dieses Gebaren rechtfertigen oder zumindest entschuldigen würde. Dennoch gelingt es ihm zu blenden und zu beeindrucken.
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<i>Stolz</i>, <i>Hochmut</i> und <i>Überlegenheitsgefühl</i> sind die Hauptgefühle in seiner Palette der Emotionen – Empathie, Mitgefühl, Liebe dagegen fehlen vollständig. Andere Menschen werden nur als Werkzeug gesehen. Laut <a href="http://samvak.tripod.com/narcissistrecluse.html">Sam Vaknin</a>, einem israelischen Autor, dem die narzißtische Persönlichkeitsstörung (NPS) diagnostiziert wurde und der ihre Symptomatik daher von sich selbst gut kennt, kann ein Narzißt niemals echte Freunde haben, denn das Konzept der Freundschaft ist ihm fremd. Er wird den "Freund" immer nur als Werkzeug, als Mittel für die Durchsetzung der eigenen Zwecke sehen, letztlich dient er wie alle anderen Menschen nur seinem eigenen Amüsement. Er umschmeichelt und idealisiert ihn in der Anwerbungsphase, um ihn dann auszubeuten und, wenn er ihn nicht mehr braucht, genüßlich zu demontieren, zu desavouieren und zu vernichten.
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Von Sam Vaknin kommt auch folgendes kurzes Porträt: der maligne Narzißt
<blockquote>verhält sich arrogant und hochmütig. Fühlt sich überlegen, allwissend, allmächtig, unbesiegbar, über dem Gesetz stehend und allgegenwärtig (magisches Denken). Zornausbrüche bei Frustration, Widerspruch oder bei Konfrontation mit Menschen, die er als ihm unterlegen oder minderwertig betrachtet.
</blockquote>
Die narzißtische Persönlichkeitsstörung ist in der Psychologie wohlbekannt, und das Standardwerk <i>The Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders</i> der American Psychiatric Association nennt folgende acht Merkmale der narzißtischen Persönlichkeitsstörung:
<blockquote>
301.81 Narzißtische Persönlichkeitsstörung (englisch <i>narcissistic personality disorder</i>, Abk. NPD): ein verbreitetes Syndrom, zu dem die eigene Größe (in der eigenen Vorstellung und im Verhalten), das Verlangen nach Bewunderung und ein Mangel an Empathie gehören. Die NPD beginnt im frühen Erwachsenenalter und ist durch mindestens fünf der folgenden Kriterien nachweisbar. Der Narzißt
<ol>
<li>hat ein übersteigertes Bewußtsein von der eigenen Wichtigkeit (übertreibt seine Leistungen und Begabungen oder erwartet, daß er auch ohne angemessene eigene Leistungen als überlegen anerkannt wird);
<li>phantasiert von grenzenlosem Erfolg, Macht, Brillianz, Schönheit oder idealer Liebe;
<li>glaubt, daß er etwas ganz Besonderes und Einzigartiges ist, und daß er darin nur von ausgewählten Menschen oder Institutionen gewürdigt werden kann;
<li>erwartet grenzenlose Bewunderung,
<li>hält sich für privilegiert und nimmt Sonderrechte für seine Person in Anspruch, erwartet eine ihn begünstigende Sonderbehandlung und besondere Berücksichtigung seiner Bedürfnisse;
<li>gebraucht andere Menschen zu seinen eigenen Zwecken (“interpersonally exploitative”, beutet andere Menschen aus);
<li>hat keine Empathie: er ist nicht bereit, Bedürfnisse und Gefühle anderer Menschen anzuerkennen, zu respektieren oder sich in sie hineinzuversetzen
<li>verhält sich arrogant und hochmütig.
</ol>
</blockquote>
Der Theologe Douglas McManaman bringt das Wesen dieser Krankheit auf den Kernpunkt [3]:
<blockquote>Was den Narzißten charakterisiert, ist die Unfähigkeit, jemanden zu lieben.</blockquote>
So wie es eine gesunde und eine pathologische Selbstliebe gibt, so unterscheidet der Psychoanalytiker Erich Fromm auch gutartigen und bösartigen Narzißmus. Zusammen mit der Liebe zum Toten (Nekrophilie, im Gegensatz zur Liebe zum Leben) und der “symbiotischen Fixierung auf die Mutter” bildet der bösartige Narzißmus laut Fromm ein Syndrom, das er Verfallssyndrom nennt und als “Quintessenz des Bösen” bezeichnet: “es ist gleichzeitig der schwerste pathologische Befund und die Wurzel der bösartigsten Destruktivität und Unmenschlichkeit.” [4]
<h2 id="politik">Die politische Bedeutung</h2>
Nun könnte man sich fragen: es gibt eine Menge Persönlichkeitsstörungen - auch solche mit schädlichen Wirkungen auf andere Menschen - was ist ausgerechnet am pathologischen Narzißmus so bedeutsam?
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Eine Antwort liegt darin, daß pathologische Narzißten, wenn sie im Ausleben ihrer Krankheit eine gewisse Schläue und Zielstrebigkeit haben, einen enormen gesellschaftlichen Schaden anrichten können, denn ihre Krankheit begünstigt sie beim Vorwärtskommen in Hierarchien. Die Konsequenz daraus - und die Begründung - wird als <i>Oberthsches Gesetz</i> bezeichnet (nach dem deutschen Physiker und Raumfahrtforscher <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Hermann_Oberth">Hermann Oberth</a>) [5]:
<blockquote>Im Leben stehen einem anständigen Charakter so und so viele Wege offen, um vorwärtszukommen.
Einem Schuft stehen bei gleicher Intelligenz und Tatkraft auf dem gleichen Platz diese Wege auch alle
offen, daneben aber auch noch andere, die ein anständiger Kerl nicht geht. Er (der Unanständige) hat daher
mehr Chancen, vorwärtszukommen, und infolge dieser negativen charakterlichen Auslese findet eine Anreicherung der höheren Gesellschaftsschichten mit Schurken statt. Das ethische Durchschnittsniveau einer
Gesellschaftsschicht wird umso schlechter, je besser und einflußreicher sie gestellt ist. <p><p>Nur dieser Umstand
vermag die Tatsache zu erklären, warum die Welt nicht schon seit mindestens fünftausend Jahren ein Paradies ist.</blockquote>
Die Beobachtung selbst ist von bestechender Logik: es <i>kann</i> gar nicht anders sein, pathologische Narzißten haben gerade wegen ihrer mangelnden Empathie einen Vorteil beim Aufstieg in der sozialen Hierarchie.
<p/><p/>
Oberths abschließendes Fazit (daß "nur deshalb die Welt kein Paradies sei") muß man deswegen nicht teilen, es ist viel zu utopisch vom Menschen gedacht. Die Welt wäre auch dann kein Paradies, wenn es gar keine pathologischen Narzißten gäbe. Sie sind aber auf jeden Fall ein breites Einfallstor für Unheil, sagen wir es klarer, für das Böse in die Gesellschaft. Auf dieser Beobachtung gründet der polnische Psychologe Andrzej Lobaczewski seine <a href="http://www.ponerology.com/">Politische Ponerologie</a>, die "Wissenschaft vom makrosozialen Bösen".
<p/><p/>
Daß, wie es das Oberthsche Gesetz nahelegt, der pathologische Narzißmus in den Führungsschichten der Gesellschaft stärker repräsentiert ist, mag man bedauern, es ist aber unvermeidlich. Die Konsequenz des Oberthschen Gesetzes ist unausweichlich, jedenfalls solange man überhaupt zugesteht, daß eine Gesellschaft einer politischen Elite bedarf, um zu bestehen. Umso wichtiger wird es, in der Gesellschaftsordnung Mechanismen zu haben, um sich schädlicher Führungspersonen rasch zu entledigen und überhaupt ihren Einfluß auf irgendeine Art zu regulieren oder zu kontrollieren. In einer säkularen, demokratisch organisierten Gesellschaft wären solche Mechanismen etwa die Gewaltentrennung, kurze Amtszeiten für Abgeordnete, Personenwahl vor Parteienwahl, überhaupt Mechanismen zur Begrenzung des Parteieneinflusses, plebiszitäre Elemente wie Volksentscheide, sowie Subsidiarität; dies alles hatte ich in meinem Blog über <a href="/2017/02/uber-direkte-demokratie.html">direkte Demokratie</a> näher ausgeführt.
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Leider gewinnen selbst bei bester Anlage im demokratischen Staat die Kräfte langfristig die Oberhand, die sich hinter den Fassaden einnisten, dort ihre Seilschaften bilden und durch die personellen Verflechtungen Kontrollmechanismen wie Gewaltentrennung schließlich unwirksam machen. In Deutschland ist dies schon lange der Fall, vor allem wegen der übermäßigen Macht, die die Bundesrepublik den politischen Parteien zugesteht. Einer, der dies seit Jahren unerbittlich beobachtet und anprangert, ist der deutsche Verfassungsrechtler <a href="https://antaios.de/buecher-anderer-verlage/aus-dem-aktuellen-prospekt/39789/die-hebel-der-macht-und-wer-sie-bedient-parteienherrschaft-statt-volkssouveraenitaet">Hans Herbert von Arnim</a>. Es scheint, daß die Demokratie nicht die Mittel hat, um diese Art von Kontrollmechanismen aus sich heraus dauerhaft zu erhalten, sie erodieren jedenfalls zusehends.
<p/><p/>
Außerdem ist zu bedenken, daß eine Demokratie auf die Dauer den Narzißmus in der ganzen Breite der Gesellschaft begünstigt. Zum Wesen des demokratischen Prinzips gehört – aufgrund der gleichen Machtverteilung durch die Wahlstimme auf alle Bürger – ein Gleichheitsgedanke, der Dinge wie Unterordnung, Gehorsam, Opfer, Verantwortung immer mehr zu einer Zumutung, einer Anmaßung, zu etwas Unerträglichem macht. Das fördert insgesamt den Narzißmus in gewaltigem Ausmaß, denn die Haltung, sich selbst ganz großartig zu finden, den individuellen Lebensgenuß als den Sinn des Lebens an sich zu definieren ("ein selbstbestimmtes Leben zu führen") und jede Art von Opfern oder Beiträgen an die Gemeinschaft als Zumutung von sich zu weisen, entspricht am besten dem Geist der Demokratie, wird am wenigsten ausgebremst und setzt sich daher auf lange Sicht durch. Nun ist nicht jeder Narzißmus ein pathologischer, aber wenn der Narzißmus insgesamt zu einem Breitenphänomen wird, steigt natürlich auch die Zahl der pathologischen Narzißten. Man kann also die politische Problematik des Narzißmus nicht auf die Eliten begrenzen. Der pathologische Narzißmus nimmt nicht nur in den Eliten, sondern in der Gesamtheit des Volkes zu, auch wenn natürlich zugestanden werden muß, daß Narzißten in gesellschaftlichen Führungspositionen ein viel höheres Schadenspotential haben.
<h2 id="theologie">Die theologische Bedeutung</h2>
Wenn selbst ein Marxist wie Erich Fromm den pathologischen Narzißmus als "Quintessenz des Bösen" bezeichnet und Lobaczewski auf ihm die Wissenschaft vom "makrosozialen Bösen" begründet (eben seine <i>politische Ponerologie</i>), so liegt es nahe, dieses Phänomen in einen theologischen und moralischen Kontext zu stellen. Das hilft einerseits, das Phänomen in seiner Tiefe zu verstehen, andererseits kann es auch Auswege weisen.
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Genau dies tut der schon erwähnte Theologe Douglas McManaman in seinem Essay <a href="https://www.catholiceducation.org/en/culture/catholic-contributions/narcissism-and-the-dynamics-of-evil.html">Narcissism and the Dynamics of Evil</a>.
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McManaman leitet in das Thema mit einer grundsätzlichen Betrachtung über Gut und Böse ein. Er stellt klar, daß das sittlich Gute etwas mit dem vollkommenen Sein zu tun hat. Der moralische Begriff von "gut" (mit dem Gegenbegriff "böse") ist im Kern ähnlich dem funktionalen Begriff von "gut" (der den Gegenbegriff "schlecht" hat). Ein Ding ist im funktionalen Sinne gut, wenn es den in ihm liegenden Zweck verwirklicht. So ist ein Stuhl gut, wenn man auf ihm stabil sitzen kann, oder ein Nahrungsmittel ist gut, wenn es den Organismus mit den Nährstoffen versorgt, die er braucht. Daher beginnt Aristoteles seine <a href="https://www.projekt-gutenberg.org/aristote/nikomach/niko0101.html">Nikomachische Ethik</a> mit der Definition: "Gut ist dasjenige, wonach alles strebt." Das Gute bedeutet also für jedes einzelne Ding, wesenhaft es selbst zu sein - Vollkommenheit des Seins. Böse hingegen ist ein Mangel an Gutem, eine Unvollkommenheit, ein fehlendes Gut-Sein, ein Defekt, eine <code>privatio boni</code>. Das sittlich Gute und Böse setzt aber die Erkenntnisfähigkeit voraus - die Möglichkeit, ein Ziel zu erkennen und es mit seinem Willen anzustreben. Ein Tier kann nicht böse sein: denn im Begriff des Bösen liegt eine wissentliche und willentliche Abkehr vom Guten, eine Abkehr vom eigentlichen Hingeordnetsein der Dinge. Man kann das Böse daher einen <i>ungeordneten Willen</i> nennen. Das Böse ist auch eine bewußt gewollte, keine bloß erlittene Unvollkommenheit – anders als eine Krankheit oder ein Defekt.
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Der gute Wille, als Wille zum Guten, ist Wohlwollen (<code>benevolentia</code>) – eigentlich Liebe. Der von <code>benevolentia</code> erfüllte Mensch will das Gute des anderen, aber auch das eigene Gute, er will daß alle Dinge das in ihnen liegende Ziel vollkommen erfüllen. So kann er einen anderen Menschen nur als Ziel in sich selbst sehen, nicht als Mittel zur Erfüllung eigener Zwecke. Nach einer Definition des römischen Rechtsgelehrten Ulpian († ~223 n. Chr.) ist Gerechtigkeit <i>das stete Bemühen, jedem sein Recht zukommen zu lassen</i> (<code>iustitia est constans et perpetua voluntas ius suum cuique tribuendi</code>).[6] Eine unrechte Handlung dagegen verweigert dem anderen sein Recht auf irgendein Gut, sei es auf Wahrheit, auf sein Eigentum, sein Leben – letztlich auf sich selbst.
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Wenn man es noch etwas genauer betrachtet, schmarotzt das Böse - wie in diesen Fällen - grundsätzlich von einem anderen Guten:
<blockquote>Jegliches Wesen, auch ein fehlerhaftes, ist demnach gut, insoweit es ein Wesen ist, böse aber nur, insoweit es fehlerhaft ist. Während es aber nun kein Mensch bezweifelt, daß gut und böse Gegensätze sind, so können sie doch nicht bloß zugleich miteinander bestehen, nein, noch mehr: das Böse kann überhaupt nicht ohne das Gute und nur am Guten bestehen, während umgekehrt das Gute seinerseits recht wohl ohne das Böse bestehen kann. Es kann z. B. ein Mensch oder ein Engel nicht (wesentlich) ungerecht sein; ungerecht aber kann er anderseits doch (per accidens) wieder nur als Mensch oder als Engel sein: und zwar ist es etwas Gutes, daß er ein Mensch und daß er ein Engel ist, etwas Böses aber, daß er ungerecht ist. Und diese beiden Gegensätze bestehen bis zu dem Grade gleichzeitig, daß überhaupt nichts Böses möglich wäre, wenn nicht etwas Gutes vorhanden wäre, an dem das Böse sein kann. Denn die Verderbnis könnte sich nicht geltend machen und hätte auch keinen Ausgangspunkt, wenn es nicht etwas gäbe, was von der Verderbnis ergriffen werden könnte; denn nur wo etwas Gutes ist, kann auch etwas verdorben werden; das Wesen der Verderbnis besteht nämlich in nichts anderem, als in der Beseitigung des Guten. Von dem Guten also hat das Böse seinen Ausgang genommen und nur am Guten ist das Böse möglich. Es gab auch sonst keine Quelle, aus der irgendein böses Wesen hätte hervorgehen können; denn gäbe es eine solche, so wäre sie ja in ihrer Eigenschaft als Wesen gut: und zwar wäre sie entweder ein unverderbliches Wesen und als solches ein großes Gut oder sie wäre ein verderbliches Wesen; aber auch als solches müßte sie gut sein, denn nur durch das Verderbnis eben dieses Guten könnte ihm das Verderben schaden.(Augustinus, [6a])</blockquote>
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Der Mensch erschafft sich zwar nicht selbst, wie modische Denkströmungen und zeitgeistige Philosophien es uns einflüstern, sondern ist ein Geschöpf Gottes. Dank seiner Willensfreiheit und seiner Fähigkeit der Erkenntnis des Guten und Bösen erbaut er aber durch seine Willensentschlüsse seine moralischen Persona, wie ich es nennen würde (McManaman spricht von “Charakter”). Diese Persona ist seinem eigentlichen Wesen, seinem Sein, nachgeordnet - die Persona ist ein Gewordenes, ein Produkt vergangener guter wie böser Willensentschlüsse - kein Werdendes mehr. Sie ist wie eine Maske, durch die wir in dieser Welt wirken und in dieser Welt definiert und wahrgenommen werden. Nun unterscheiden sich gute und böse Willensentschlüsse darin, daß die einen dem Sein zugewandt, die anderen ihm abgewandt sind. Genauer gesagt, zehrt der böse Willensentschluß, die böse Handlung, von der Seins-Substanz, indem man z.B. andere Menschen nicht wie sich selbst behandelt, sondern als Mittel für eigene Zwecke verwendet. Mit dem Mißachten des Seins im allgemeinen schwindet aber auch die Achtung des eigenen Wesens – es kommt zum Selbsthaß.
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Es scheint paradox: der Selbsthaß geht mit dem Egoismus einher, einer verzerrten Form der Selbstliebe, gekennzeichnet durch den Bruch der Goldenen Regel. Der Egoist sieht sich vor anderen Menschen als bevorrechtet an. Er hat also nicht etwa durch Verdienst oder eine besondere schicksalsgegebene Aufgabe ein Vorrecht, sondern weil er selbst so ein großartiger, überlegener Mensch ist (falls er sich überhaupt die Mühe macht, diesen eigenen Anspruch auf Sonderbehandlung und Sonderrechte zu begründen). Er selbst steht im Mittelpunkt, andere Menschen an der Peripherie und sind allein dadurch von Interesse, als sie seinen eigenen Interessen dienen können.
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Der Egoist, der notwendigerweise ein Stück seiner <i>eigenen</i> Wesens-Substanz dafür preisgeben muß, daß er anderen die aus <i>ihrer</i> Substanz fließenden Rechte verweigert, wird dumpf dieses Stück Nichts, dieses Loch in seiner eigenen Seele bemerken. Um diese Wahrnehmung zu verdrängen, sucht er Bestätigung, Verehrung, Gehorsam - und genießt es, wenn andere ihn fürchten. Er weiß es auch zu verbergen, daß andere Menschen für ihn nur Mittel zum Zweck sind. Je intelligenter er ist, umso mehr kann er dem Mitmenschen den Eindruck vermitteln, er liebe ihn um seiner selbst willen.
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Beim Lesen der Ausführungen McManamans muß ich unweigerlich an Oscar Wildes “Bildnis des Dorian Gray” denken. Dort wird in poetischer Weise genau das Verhaltensmuster des Narzißten beschrieben - gut auf dem Dachboden versteckt, steht das wahre Bild seiner häßlichen Seele, die mit jeder seiner Taten häßlicher wird, während Dorian Gray selbst sich vor den anderen seine blühende jugendliche Schönheit bewahrt. Das ist vielleicht nicht nur als erbauliche Geschichte über das Verhältnis von äußerer Schönheit und innerer Wahrhaftigkeit gemeint, sondern enthüllt die Tragik einer narzißtisch-soziopathischen Persönlichkeit.
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In gewisser Weise repräsentiert diese Sorte Menschen das genaue Gegenteil des großen Menschen, den ich in meinem letzten Blog zu charakterisieren versuchte: sie versuchen gerade nicht, die ideale Form auszufüllen, auf die hin sie geschaffen sind, sondern sie weisen diese Form von sich und erbauen eine hohle Gegenform. Der große Mensch wird nur äußerlich imitiert, bloß karikaturhaft.
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Um es noch mehr auf den Punkt zu bringen, könnte man sagen: der Narzißt pervertiert das christliche <i>Hauptgebot der Liebe</i> (Lk 10,27)
<blockquote>Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben, aus deinem ganzem Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus deiner ganzen Kraft und aus deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst.</blockquote>
in das größtmögliche Gegenteil: an die Stelle der Gottesliebe tritt die Ich-Vergottung, und alle Mit- und Nebenmenschen werden im Lichte der eigenen glanzvollen Persönlichkeit zu minderwertigen Menschen. Eine stärkere Antithese zum christlichen Hauptgebot der Liebe ist nicht vorstellbar.
<p/><p/>
Natürlich stellt der pathologische Narzißt für die Gesellschaft ein ungeheures Schadenspotential dar – man stelle sich nur vor: in einer Führungsposition kann er einen Angriffskrieg befehlen oder gewaltige staatliche Verbrechen anzetteln, ohne auch nur einen Funken Schuldgefühl oder schlechtes Gewissen zu empfinden. Er kann die Führungsposition der Form nach ausfüllen und – mit Hilfe der ihm übertragenen Macht – hinter dieser Fassade perversen Gelüsten nachgehen und sich hemmungslos auf Kosten anderer Menschen amüsieren.
<p/><p/>
Dennoch sollte man nicht vorschnell den pathologischen Narzißmus in ein simplifizierendes Schema einordnen, das ich bei anderer Gelegenheit <a href="http://ruediger-plantiko.net/microblog/das-linke-fundamentalnarrativ">das linke Fundamentalnarrativ</a> genannt habe (das zwar ganz besonders bei Linken gepflegt wird, aber nicht weniger verlockend auf Rechte und Libertäre wirkt):
<blockquote>"Die herrschende Klasse lebt von der Arbeit, dem Leid, Blut, Tod und den Konflikten der Menschen und zieht daraus eigenen Profit."</blockquote>
Für "herrschende Klasse" setzen verschiedene Ideologien hier verschiedene Gruppen von Menschen ein. Man könnte auch die Gruppe der pathologischen Narzißten einsetzen. Der Grundfehler dieses Narrativs ist der Irrglaube, man müßte nur diese jeweils benannte Menschengruppe (die Kapitalisten, die Juden, die Hochfinanz, alle Staatsbeamten, oder eben die pathologischen Narzißten) irgendwie loswerden, unschädlich machen oder die Gesellschaft ohne sie organisieren, und schon würde alles gut, würde die Welt zum Paradies, wie Oberth ja wörtlich sagt.
<p/><p/>
Das ist eine vereinfachende Immanentisierung eines viel tiefer liegenden Sachverhalts. Leid, Schmerz und Tod gäbe es auch, wenn es auf der Welt keinen einzigen pathologischen Narzißten gäbe. Leid, Schmerz und Tod gehören zur <code>conditio humana</code>, sie sind, theologisch gesprochen, Folgen der Erbsünde, die dieser Welt bis zum Jüngsten Tag anhaften werden.
<p/><p/>Um im theologischen Rahmen zu bleiben: das <i>linke Fundamentalnarrativ</i> ist dennoch nicht grundsätzlich falsch, es liegt ihm eine wahre Beobachtung zugrunde: daß nämlich die Welt im Griff einer Widersachermacht ist. Es ist keine konkrete Menschengruppe, die sich von Leid, Haß und Konflikten unter den Menschen nährt, sondern eine übernatürliche Macht, die in der Sprache der Religion "der Fürst dieser Welt" genannt wird, und er würde <i>immer</i> versuchen, sich Geltung zu verschaffen, egal wie wir unsere Gesellschaften organisieren und strukturieren, und egal welche Menschengruppen wir in Führungspositionen haben.
<p/><p/>
Aus diesem Grunde spricht übrigens die amerikanische Katholikin Ann Barnhardt in einem instruktiven, gründlichen, dreistündigen <a href="https://youtu.be/geZ_StEuT0E">Vortrag</a> vom <i>diabolischem Narzißmus</i> – mit dem Beiwort <i>diabolisch</i> will sie betonen, daß in dieses Phänomen eine übernatürliche Komponente hineinspielt, ohne die es nicht umfassend verstanden werden kann.
<p/><p/>
<h2 id="autoritaet">Vertrauen und Autorität</h2>
<p/><p/>
Zu echter Autorität gehört nicht nur Härte, sondern auch Milde und Demut. Wer in einer Führungsposition steht, hat eine ungeheuer schwere Verantwortung vor denen, die er führt. Das Mißbrauchspotential ist gewaltig. Ein guter Herrscher muß in beständiger Sorge darum leben, das Richtige für die ihm anvertrauten Menschen zu tun. Seine Persönlichkeit sollte harmonisch ausgebildet und möglichst frei von irgendwelchen Schieflagen, Einseitigkeiten oder Einbildungen sein. Er sollte umfassendes Verständnis für und Einfühlung in die Probleme der ihm Unterstellten aufbringen. Den Gehorsam der ihm anvertrauten Menschen kann er umso mehr erwarten, je mehr er selbst sich mit seiner Aufgabe als Diener ansieht - im Dienste des Wahren, des Guten, der Gerechtigkeit, im Dienste Gottes und im Dienste seines Volkes.
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Fluch über die Menschen, die nur um des Wohllebens, des sozialen Prestiges oder des Machtgenusses willen nach Führungspositionen streben! Sie schaden nicht nur sich selbst und anderen durch ihr konkretes Tun, sondern sie verderben auch allgemein das Vertrauen in die Führung, dessen eine Gesellschaft bedarf, um fortzubestehen.
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So sah es noch der Preußenkönig <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_II._(Preu%C3%9Fen)">Friedrich der Große</a>:
<blockquote>Also, Wahrung des Rechtes [...] ist demnach eines Herrschers erste Obliegenheit. Über alles soll ihm seiner Völker Wohlfahrt gehen. Ihres Gedeihens oder Behagens Mehrer oder auch Begründer hätte er demnach zu sein. Aber was sollen dann all diese Begriffe Eigennutz, Hoheit, Ehrgeiz, Despotismus? So läuft es darauf hinaus, daß der Herrscher, weit entfernt, der unumschränkte Gebieter über seine Untertanen zu sein, nur ihr erster Diener ist, das Werkzeug ihres Glückes, wie jene das Werkzeug seines Ruhmes. [7]</blockquote>
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Wenn man aufhört, Herrschaft in diesem Sinne zu verstehen, wird sie nicht mehr in der ihrer Natur gemäßen Weise ausgeübt.
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Ob als Herrschender oder Beherrschter: der Narzißt hat ein grundsätzliches Problem mit Herrschaft. Gehorchen zu müssen, ist eine Beleidigung seiner vermeintlich göttlich-übermenschlichen Identität: da ballt er die Faust und schleudert den Herrschenden sein <i>non serviam!</i> entgegen. Ist er aber selbst in einer Herrschaftsposition (wozu es ihn natürlich drängt), verwendet er die ihm übertragene Macht in einer Art, die den Begriff und Sinn von Herrschaft karikiert und nachhaltig zersetzt.
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Zusammenfassend läßt sich sagen: um sich gegen sie zu wappnen, ist es nützlich, die Tricks und Spielchen der pathologischen Narzißten – beispielsweise <a href="https://www.linkedin.com/pulse/narcissists-projection-projective-identification-victims-sam-vaknin/">Projektion</a> und <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Gaslighting">Gaslighting</a> – sicher zu erkennen. In einer großflächig dem Narzißmus verfallenen Gesellschaft kann ihr destruktives Potential gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Leider wird das Phänomen nicht aus der Welt verschwinden, wir werden mit diesen Menschen weiterhin leben müssen. Aber das Wissen um ihre Störung kann helfen, sie zu entschärfen.
<hr>
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[1] Eine interessante Frage, auf die er aber nicht eingeht, wäre, ob das <i>immer</i> so war, seit er sich erinnern konnte, oder ob er sich irgendwann im Jugendalter in diese Seelenverfassung hineinmanövriert hatte. Die American Psychiatric Association konstatiert jedenfalls, daß die narzißtische Persönlichkeitsstörung "im frühen Erwachsenenalter" beginnt.<br>
[2] <a href="https://www.premierchristianity.com/Past-Issues/2016/May-2016/David-Wood-From-Nihilism-To-New-Life">https://www.premierchristianity.com/Past-Issues/2016/May-2016/David-Wood-From-Nihilism-To-New-Life</a><br>
[3] Douglas McManaman, <i>Narcissism and the Dynamics of Evil</i>. <a href="https://www.catholiceducation.org/en/culture/catholic-contributions/narcissism-and-the-dynamics-of-evil.html">https://www.catholiceducation.org/en/culture/catholic-contributions/narcissism-and-the-dynamics-of-evil.html</a>, zuerst in <i>Life Magazine</i> 2005.<br>
[4] Erich Fromm, <i>Die Seele des Menschen und ihre Fähigkeit zum Guten und zum Bösen</i>, Open Publishing Rights GmbH, 2014, S. 33<br>
[5] Hermann Oberth: <i>Wählerfibel für ein Weltparlament</i>, Feucht 1983, S. 52<br>
[6] Zitiert im <a href="https://droitromain.univ-grenoble-alpes.fr/Corpus/d-01.htm#1.1.10">Codex Iuris Civilis, 1.1.10</a>, dem römischen Bürgerrecht, auf dessen Grundsätzen und Regeln unsere Rechtsprechung bis heute basiert. Hier wird das Ulpian-Zitat zur Definition der Rechtsprechung verwendet.<br>
[6a] Augustinus, <a href="https://docplayer.org/177699854-Augustinus-enchiridion-oder-buch-vom-glauben-von-der-hoffnung-und-von-der-liebe-de-fide-spe-et-caritate.html">Enchiridion oder: Buch vom Glauben, von der Hoffnung und von der Liebe</a>, Nr. 13<br>
[7] Friedrich II. von Preußen: Der Antimachiavell - Kapitel 3, online bei <a href="http://gutenberg.spiegel.de/buch/der-antimachiavell-5318/3">Projekt Gutenberg</a><br>Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-21184623706382205772017-12-17T21:14:00.002+01:002021-09-14T20:59:40.128+01:00Über menschliche GrößeZu allen Zeiten und in allen Völkern hat es große Menschen gegeben: Menschen, die durch Wort und Tat hervortraten und durch ihre besondere Ausstrahlung vielen zum Vorbild wurden. Was ist ihr Geheimnis? Was macht einen großen Menschen aus?
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<a href="#vertikal">Die vertikale Dimension</a><br>
<a href="#definition">Versuch einer Begriffsbestimmung</a><br>
<a href="#fail">Scheiternde und scheinbare Größe</a><br>
<a href="#christus">Der größte Mensch</a><br>
<a href="#sendung">Die Sendung und die Person</a><br>
<a href="#qualitas">Quantität und Qualität</a><br>
<a href="#schein">Schein-Größe im Massenzeitalter</a><br>
<a href="#klein">Vom Kult des Kleinen</a><br>
<a href="#klima">Ein Klima für Größe</a><br>
<a href="#erziehung-und-bildung">Erziehung und Bildung</a><br>
<a href="#familie">Ehe und Familie </a><br>
<a href="#disziplin">Disziplin und Autorität</a><br>
<a href="#tyrannis">Umschlag der totalen Demokratie in die Tyrannis</a><br>
<a href="#volkserziehung">Liberalismus und <i>gute</i> Volkserziehung</a><br>
<a href="#advent">Den Weg bereiten</a><br>
<h2 id="vertikal">Die vertikale Dimension</h2>
Um sich dem Geheimnis des großen Menschen zu nähern, muß man sich zuerst von gewissen falschen, heute sehr verbreiteten Vorstellungen über Welt und Mensch lösen. Der große Mensch kann nur verstanden werden, wenn klar ist, daß alle Dinge eine <i>Form</i> haben, die sie, wie unvollkommen auch immer, ausfüllen, ebenso wie sie ein Ziel haben, auf das sie hin gerichtet sind. Das gilt insbesondere für den Menschen: jeder Mensch ist eine <a href="http://www.tabvlarasa.de/28/Bleecken1.php">ἐντελέχεια (Entelechie)</a>, ein Wesen mit einem eingeschriebenen Ziel, auf das hin er gerichtet ist. Diese Formen oder eingeschriebenen Ziele gehören zu einer vollständigen Beschreibung der Dinge genauso dazu wie ihre Materialität und ihr Bewirktsein durch andere Dinge.
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Die Welt hat nicht nur eine horizontale Dimension, sie schreitet nicht voran zu immer vollkommeneren Zuständen, wie es uns ein heute allgegenwärtiger naiver Geschichtsoptimismus weismachen will. Sondern die Vollkommenheit eröffnet sich dem Menschen zu jeder Zeit und in jeder Gesellschaftsform durch eine andere als diese horizontale, zeitliche Dimension. Unser Leben ist nicht nur als Übergangsform von Wert, und nicht etwa nur insofern, als es einer zukünftigen besseren Gesellschaft gedient haben wird. Das Leben bekommt seine Würde durch eine andere, zu allem Fortschritt oder auch nur vermeintlichen Fortschritt vertikale Dimension.
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Wer das Hohe, das Ideale nur in einem utopischen Zielpunkt der Entwicklung des Menschengeschlechts sieht, zwingt den Menschen in die Horizontale. Seine Mitmenschen an die Hand zu nehmen und entlang der Zeitachse einem imaginierten Menschheitsziel entgegenzuschreiten, ist die Fortbewegungsart des Kriechtiers. Dabei übersieht man, daß die volle Würde und Entfaltung des einzelnen Menschen wie auch der Völker in ihrer <i>idealen Wirklichkeit</i> liegt, die ihnen aus ihrem reinen Sein gegeben ist, gewissermaßen jenseits der Zeitachse. Nur wer diese Vertikale anerkennt, der kann auch die Würde des Menschen begreifen, die in seiner kostbaren Einzigartigkeit begründet ist.
<p/><p/>
All diese in der Vertikalen angelegten Ideale sind bereits hier und jetzt erkennbare Wirklichkeiten und werden nicht erst in der Zukunft manifest. Sie geben dem einzelnen Sinn und Ziel und lassen Gesellschaften aufblühen, die gemäß dieser vertikalen Dimension organisiert sind.
<p/><p/>Zivilisierte Gesellschaften sind nicht möglich ohne Herrschaft - wozu als notwendiger Gegenpart auch Unterordnung gehört. Herrschaft aber impliziert Autorität, Eliten und eine hierarchische Ordnung. Gesellschaften erblühen umso mehr, je mehr sie die Prinzipien von echter Hierarchie, von echter Autorität, von echten Eliten in ihrer ganzen Tiefe zu verkörpern suchen. Unter diesen Umständen sind große Menschen gesellschaftliche Vorbilder; sie ragen als Leuchtfeuer heraus und regen viele dazu an, selbst Großes zu leisten und ihrerseits das, was in
ihnen angelegt ist, zur Entfaltung zu bringen.
<h2 id="definition">Versuch einer Begriffsbestimmung</h2>
Ein Rückblick in die Geschichte lehrt, daß kulturelle Blütezeiten wie beispielsweise die Renaissance, oft mit einer winzigen Zahl von Menschen verknüpft sind, die aber ihrer Zeit gewaltige Kulturimpulse einpflanzten. Diese besonderen Menschen flammten wie aus dem Nichts plötzlich auf, ihre Wege kreuzten sich oft auf wunderbare Weise mit anderen Großen, um in schicksalhaften Synthesen noch Größeres zu vollbringen, und was sie in die Welt setzten, brachte nicht nur ihre eigene Zeit zum Erblühen, sondern lebte oft noch über Jahrhunderte nach. Was ist das Geheimnis dieser Menschen? Was macht ihre Größe aus? Was ist überhaupt ein großer Mensch?
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Das Phänomen menschlicher Größe ist ein Studienbeispiel für das <i>Wirken der Idee</i>. Ich will eine Definition versuchen, die diesen Punkt zur Geltung bringt:
<blockquote>
Große Menschen bringen eine Sendung, die sie in sich spüren, und der sie ihr Leben vollständig unterordnen, die sie also zum herrschenden Gedanken ihres Lebens machen, in der Welt zur Wirksamkeit.
</blockquote>
Der konkrete Inhalt dieser Sendung ist dabei individuell verschieden und für die Definition nicht entscheidend. Maßgeblich ist nur, <i>daß</i> eine solche Sendung gespürt und mit aller Entschlossenheit gelebt wird. Was ich hier Sendung nenne, ist gleichsam die Form oder Artung des einzelnen Menschen, die in ihm liegt wie der ausgewachsene Baum im Samenkorn - nur daß es anders als beim Samenkorn der Mensch selbst ist, der durch eigene Aktivität und seinen Willen diese in ihm liegende Form zu erkennen und zu verwirklichen sucht. <i>Schiller</i> formulierte es <a href="https://www.aphorismen.de/gedicht/1219">dichterisch</a>:
<blockquote>
Suchst du das Höchste, das Größte, die Pflanze kann es dich lehren:<br>
Was sie willenlos ist, sei du es wollend - das ist’s!
</blockquote>
<h2 id="fail">Scheiternde und scheinbare Größe</h2>
Definitionen gewinnen <i>ex negativo</i> an Klarheit: was ist nicht groß, sondern allenfalls scheinbar groß? Woran kann Größe scheitern?
<p/><p/>
Größe kann auf dreierlei Weisen ihren Begriff verfehlen:
<p/><p/>
<i>Erstens</i> kann man die eigene Sendung falsch wahrnehmen. Man kann sich tragischerweise <i>einbilden</i>, eine bestimmte Sendung zu haben, die man de facto nicht hat, und diese eingebildete Sendung sehr entschieden und durchaus mit der erforderlichen Energie verfolgen. Die Mathematischen Institute der Welt kennen die sogenannten <i>Winkeldreiteiler</i>: das sind Menschen, die ihr ganzes Leben dem Beweis einer mathematischen oder geometrischen Aussage verschrieben haben, die aus wissenschaftlicher Sicht längst entschieden ist. So wurde durch eine von <i>Evariste Galois</i> (1811-1832) entwickelte Theorie endgültig bewiesen, daß es nicht möglich ist, einen beliebig vorgegebenen Winkel mit Zirkel und Lineal zu dritteln, oder die Kreiszahl π mit Zirkel und Lineal zu konstruieren (ein klassisches Problem, das die <i>Quadratur des Kreises</i> genannt wird). Dennoch probieren dies Forscher bis heute unablässig und senden die umfangreichen Studienhefte, die bei ihren Nachforschungen entstehen, zur Begutachtung an Mathematikprofessoren. Wenn sich diese mit Verweis auf Galois’ Ergebnisse und auf die knappe menschliche Lebenszeit weigern, die in den Beweisversuchen notwendig enthaltenen Fehler im Detail nachzuweisen und zu erklären, fühlen sich die Winkeldreiteiler als verkannte Genies, als Opfer akademischer Arroganz. <i>Thomas Mann</i> hat solche zutiefst tragischen Gestalten im “Zauberberg” porträtiert:
<blockquote>
Der entgleiste Beamte hatte sich im Lauf seiner Studien mit der Überzeugung durchdrungen, daß die Beweise, mit denen die Wissenschaft die Unmöglichkeit der Konstruktion erhärtet haben wollte, unstichhaltig seien, und daß die planende Vorsehung ihn, Paravant, darum aus der unteren Welt der Lebendigen entfernt und hierher versetzt habe, weil sie ihn dazu ausersehen, das transzendente Ziel in den Bereich irdisch genauer Erfüllung zu reißen. So stand es mit ihm. Er zirkelte und rechnete, wo er ging und stand, bedeckte Unmassen von Papier mit Figuren, Buchstaben, Zahlen, algebraischen Symbolen, und sein gebräuntes Gesicht, das Gesicht eines scheinbar urgesunden Mannes, trug den visionären und verbissenen Ausdruck der Manie. Sein Gespräch betraf ausschließlich und mit furchtbarer Eintönigkeit die Verhältniszahl pi, diesen verzweifelten Bruch, den das niedrige Genie eines Kopfrechners namens Zacharias Dase eines Tages bis auf zweihundert Dezimalstellen berechnet hatte –, und zwar rein luxuriöserweise, da auch mit zweitausend Stellen die Annäherungsmöglichkeiten an das Unerreichbar-Genaue so wenig erschöpft gewesen wären, daß man sie für unvermindert hätte erklären können. Alles floh den gequälten Denker, denn wen immer ihm an der Brust zu ergreifen gelang, der mußte glühende Redeströme über sich ergehen lassen, bestimmt, seine humane Empfindlichkeit zu wecken für die Schande der Verunreinigung des Menschengeistes durch die heillose Irrationalität dieses mystischen Verhältnisses.
</blockquote>
<i>Zweitens</i> kann auch eine “Sendung zum Bösen” gelebt werden, und auch darin kann man eine gewisse relative Größe erlangen. Im politischen sind die Früchte einer Sendung zum Bösen: Zerstörung, Terror und kultureller Verfall. Die Größe, die durch eine Sendung zum Bösen entsteht, ist allerdings nur eine Abschattung, eine Karikatur wahrer Größe. Der gerissenste Meisterdieb, der größte Halunke, der zu Ruhm gekommene Quacksalber oder Hochstapler - ihre Bilder verblassen nach kurzer Zeit, und ihre Größe ist eine Art von Mimikry, eine Nachahmung der äußeren Gebärden des wahren großen Menschen. Es fehlt die Substanz. Zur wahren Größe gehört eine <i>gute</i> Sendung.
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<i>Drittens</i> kann eine Sendung zwar objektiv richtig sein und auch gut, aber man kann an ihr scheitern - sei es, daß man Heranbildung der eigenen Kräfte zum Ziele hin falsch einschätzt, sei es durch Schicksalshärten wie Krankheit, Armut, Hunger, Gefangenschaft, Krieg usw., sei es durch andere, intervenierende Lebensaufgaben oder Pflichten. So hat ein Samenkorn zwar den Baum als Form in sich, wenn es aber in einem schlechten Boden wachsen soll, kann es die Form gar nicht oder nur unzulänglich ausfüllen. Das gilt nicht nur für die Voraussetzungen, sondern auch für die äußeren Umstände: ebenso wie der Boden kann auch das Klima - etwa eine Reihe dürrer Jahre - dem Baum einen Strich durch die Rechnung machen.
<h2 id="christus">Der größte Mensch</h2>
Das Beispiel Jesu zeigt übrigens, daß dieser dritte Punkt, die objektive Einschätzung des Erfolgs einer Mission, schwierig ist. Nach menschlichem Ermessen war mit der Kreuzigung Christi alles verloren. Es bleibt nach menschlichen Maßstäben unverständlich, daß ein einzelner Mensch, der darüberhinaus noch als Verbrecher starb und von seinem eigenen Volk verflucht und in den Tod geschickt worden war, zur Gründungsperson einer Kirche werden konnte, die wo immer sie Einfluß erlangte, <a href="http://www.resch-verlag.com/product/wie-das-christentum-die-welt-veraenderte-menschen-gesellschaft-politik-kunst-182.html?bLoc=1">eine bedeutende zivilisierende und kultivierende Größe wurde</a>.
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Ich will kurz ins Religiöse ausgreifen: denn die Vorstellung, daß Dinge eine Form haben, nach der oder auf die hin sie geschaffen sind, ist älter als alle Philosophie, älter als Plato, und urständet in der Religion. Sie wird etwa auch von den Verfassern des Schöpfungsberichts geteilt. Denn dort lesen wir, daß Tier und Mensch “ein jegliches nach seiner Art” geschaffen wurden. Das ist mit Sicherheit nicht bloß eine Redensart, sondern enthält die Auffassung, daß allem ein Typus, eine Idee zugrundeliegt, die ein Teil seiner Wirklichkeit darstellt. Was aber ist die Form, die Art, das Urbild des Menschen? Das Urbild des Menschen ist der als Gottes Ebenbild erstrahlende <i>Adam Kadmon</i>, der selbst Anteil am göttlichen Wesen hat. Denn gemäß Schöpfungsbericht ist der Mensch “nach Gottes Ebenbild und Gleichnis geschaffen”. Jeder Mensch trägt dieses Urbild in sich, ist “zu Gott hin geschaffen”, wie der <a href="http://www.kathpedia.com/index.php?title=Augustinus_von_Hippo">Hl. Augustinus von Hippo</a> es ausdrückte. Demnach ist der größte Mensch unter allen Menschen, die je gelebt haben - Jesus Christus. Denn als Sohn Gottes hat er diesen Urtyp auf die vollkommenst mögliche Weise gelebt, als "letzter Adam" hat er dieses Urbild verwirklicht. Seine Sendung war identisch mit seiner Person, und sein Leben zeigt die vollständige Unterordnung unter diese Sendung, bis hin zum Opfertod am Kreuz.
<h2 id="sendung">Die Sendung und die Person</h2>
Nun ist Jesus Christus nicht nur aufgrund Seiner göttlichen Natur, sondern allein schon dadurch ein absoluter Ausnahmemensch, daß Er, der sich der <i>Menschensohn</i> nannte, das Urbild des Menschen in seiner völligen Unmittelbarkeit verkörperte. Für uns andere gilt, daß wir nicht nur dieses allgemeinen Urbild, sondern auch ein konkretes Ziel, eine konkrete Bestimmung in unserem Leben haben, die auf einen bestimmten Lebens- und Wirkensbereich, auf besondere Umstände und Begabungen abgestimmt ist. So differenziert sich menschliche Größe in verschiedenen Formen aus. Wir kennen große Könige und Herrscher, große Krieger und Helden, große Künstler, große Heilige, große Forscher. Je größer sie waren, umso weniger ging es ihnen um sich selbst - umso mehr war ihnen bewußt, daß ihre Größe im Dienst einer Sendung stand, die letztlich im Willen Gottes mündete. So rühmte sich ein Künstler wie <i>Johann Sebastian Bach</i>, der mit seiner Musik ein Stück Himmel auf die Erde herabholte, nie seiner Begabung, sondern unterschrieb jedes seiner Werke mit dem Kürzel S.D.G. - <i>Soli Deo Gloria</i> (Gott allein sei die Ehre). Größe bedeutet also nicht Selbstverwirklichung im heute modischen Sinne, sondern ist im Gegenteil mit größtem Opfermut verbunden: der Bereitschaft, das eigene Selbst einem höheren Impuls, einer Mission oder Aufgabe unterzuordnen. Die Römer wußten das, wenn sie den <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Marcus_Curtius">Marcus Curtius</a> als eines ihrer großen Vorbilder verehrten. Dieser Soldat hatte sich in eine Felsspalte geworfen, die sich mitten in Rom aufgetan hatte, um - wie es ein Orakelspruch verlangt hatte - den Göttern das zu opfern, wovon die Macht und das Wohl Roms am meisten abhänge.
<p/><p/>
So ist es kein Wunder, daß gerade das Schlachtfeld noch immer einen besonderen Bewährungsort für menschliche Größe darstellte. Soldaten, die bereit sein müssen, ihr ganzes Leben in die Waagschale zu werfen, um des größeren Wohles ihres Landes willen, werden allein durch diese ihre Aufgabe zur Größe erzogen - zur Größe des Heldenmutes, der Tapferkeit, der Kameradschaft - und auch der unbedingten Opferbereitschaft. Das ist der Stoff, aus dem große Menschen geschmiedet wurden. Ein gesundes Volk ehrt immer seine Krieger, denn auch in Phasen von trügerischer Ruhe und Frieden ist es sich - wie Marcus Curtius und die alten Römer - stets bewußt, daß seine Macht und sein Wohl von ihnen abhängen.
<h2 id="qualitas">Quantität und Qualität</h2>
Einzelne große Menschen können Gewaltiges bewirken. Das relativiert die zahlenmäßigen Vergleiche im Politischen - “wieviel Prozent” eine bestimmte politische Kraft aufbringt, ist nicht entscheidend für ihre Durchschlagskraft. Im heute allgegenwärtigen demokratischen Denken hat jeder Mensch genau eine Stimme und daher das gleiche Gewicht, es ebnet die Unterschiede zwischen großen und kleinen Menschen ein. Die Wirklichkeit sieht anders aus, wie es schon <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84sop">Aesop</a> lehrte:
<blockquote>
Eine Füchsin, die auf ihre Fruchtbarkeit stolz war, schalt eine Löwin, daß sie nur ein einziges Junges zur Welt brächte. Die Löwin antwortete ihr darauf: »Fürwahr, ich bringe nur eines zur Welt, aber dieses einzige ist ein Löwe.«
</blockquote>
Ein einziger großer Mensch kann für den Erfolg einer Schlacht entscheidender sein als ein Heer von Parteigängern. Auch im Kriege spielt zwar die zahlenmäßige Überlegenheit eine Rolle, aber ein unfähiger Führer kann die Truppen trotz zahlenmäßiger Überlegenheit ins Verderben führen, so wie ein kluger Stratege eine zahlenmäßige Unterlegenheit wettmachen kann.
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Die Größe ist daher in gewisser Weise ein natürliches Gegenstück zur <i>Menge</i>, zu den Vielen. Sie hebt die Menge nicht auf, aber gibt dem ganzen Haufen Ziel und Richtung - oder macht ihm das eigene Ziel wenigstens sichtbar, hilft ihm, sich zu focussieren. Sich selbst überlassen, ohne Vorbilder, Anleitung und Führung zu haben, geraten die Menschen in einer taumelnden Abwärtsbewegung hin zum berühmten <a href="http://www.vns.somee.com/vns_themen_beschreibung.cshtml?id=30">letzten Menschen</a> Nietzsches, der all seine Spannkraft und Formkraft verloren hat, der seine Tage auf Watte gebettet in einem belanglosen, widernatürlichen Einerlei dahinbringt:
<blockquote>
»Wir haben das Glück erfunden« – sagen die letzten Menschen und blinzeln.<p>
Sie haben die Gegenden verlassen, wo es hart war zu leben: denn man braucht Wärme. Man liebt noch den Nachbar und reibt sich an ihm: denn man braucht Wärme.<p>
Krankwerden und Misstrauen-haben gilt ihnen sündhaft: man geht achtsam einher. Ein Thor, der noch über Steine oder Menschen stolpert!<p>
Ein wenig Gift ab und zu: das macht angenehme Träume. Und viel Gift zuletzt, zu einem angenehmen Sterben.<p>
Man arbeitet noch, denn Arbeit ist eine Unterhaltung. Aber man sorgt dass die Unterhaltung nicht angreife.<p>
Man wird nicht mehr arm und reich: Beides ist zu beschwerlich. Wer will noch regieren? Wer noch gehorchen? Beides ist zu beschwerlich.<p>
Kein Hirt und Eine Heerde! Jeder will das Gleiche, Jeder ist gleich: wer anders fühlt, geht freiwillig in's Irrenhaus.
»Ehemals war alle Welt irre« – sagen die Feinsten und blinzeln.<p>
Man ist klug und weiss Alles, was geschehn ist: so hat man kein Ende zu spotten. Man zankt sich noch, aber man versöhnt sich bald – sonst verdirbt es den Magen.<p>
Man hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht: aber man ehrt die Gesundheit.<p>
»Wir haben das Glück erfunden« – sagen die letzten Menschen und blinzeln –
</blockquote>
<h2 id="schein">Schein-Größe im Massenzeitalter</h2>
Und obwohl er das Glück erfunden zu haben meint, ist der Massenmensch zutiefst unglücklich. Er fühlt sich - zu Recht - um seine Würde betrogen, um das, was sein Menschsein ausmacht. Wenn aber der Zeitgeist jede Form von Idealismus in den Boden gestampft hat, kann er sich nicht auf das Wesen echter Größe besinnen. Er versucht, die äußeren Formen der großen Menschen nachzuahmen: daß jemand in einer bestimmten Sache vor allen anderen hervorsticht, daß er etwas Besonderes ist, daß Menschen ihn bewundern, daß er reich ist und erfolgreich und so seinem langweiligen Dasein als Massenmensch entrinnen kann. So entstehen der heutige Star-Kult (dem keine aufrichtende Kraft innewohnt, da er allein nach dem Erfolg bei der Masse strebt, also in der Horizontalen verbleibt), <a href="https://nathansfamous.com/promos-and-fanfare/hot-dog-eating-contest/">Hot Dog Eating Contests</a>, das <a href="http://www.guinnessworldrecords.de/">Guinness Buch der Rekorde</a> - der Rekord um des Rekordes willen, eine traurige Karikatur echter Größe. Und doch zeigen diese Aktivitäten - bei aller verkommenen Reduktion auf das bloße Erheischen von Aufmerksamkeit - daß die Sehnsucht nach Größe im Menschen angelegt ist. Es ist nichts Verwerfliches darin, nach Exzellenz zu streben!
<p/><p/>
Größe setzt oft eine hohe Begabung voraus, aber diese Tatsache an sich macht nicht das Wesen der Größe aus, sie ist nur eine Begleiterscheinung. Größe ist nicht bloß die Zelebrierung einer Besonderheit. Sie ist nicht Sache eines Kuriositätenkabinetts, nicht irgendeine ins Extrem ausgeprägte Spezialität, die in der gaffenden Menge ein “Ah” und “Oh” hervorruft, sondern Größe ist im Gegenteil eine besonders vollkommen instanziierte <i>Gesamtform</i> des Menschseins. Man sollte bei menschlicher Größe nicht an eine besondere Spezialbegabung denken, als vielmehr an das volle Ergreifen des Menschseins an sich, etwa im Sinne des von <i>Goethe</i> formulierten <a href="http://www.textlog.de/41505.html">Ideals</a>:
<blockquote>
Wenn die gesunde Natur des Menschen als ein Ganzes wirkt, wenn er sich in der Welt als einem großen, schönen, würdigen und werten Ganzen fühlt, wenn das harmonische Behagen ihm ein reines, freies Entzücken gewährt, dann würde das Weltall, wenn es sich selbst empfinden könnte, als an sein Ziel gelangt aufjauchzen und den Gipfel des eigenen Werdens und Wesens bewundern.
</blockquote>
Daß diese Art von Größe nichts mit dem Haschen nach Rekorden und Superlativen zu tun hat, <a href="https://www.facebook.com/KonservativeRevolution/photos/a.596156477245670.1073741828.145082932353029/703297003198283/?type=3&theater">bestätigt</a> auch “der letzte Samurai” <a href="https://sezession.de/21534/seppuku-vor-40-jahren-yukio-mishima">Yukio Mishima</a> (1925-1970):
<blockquote>
Heute sind die Baseballspieler und die Fernsehstars die großen gefeierten Leute. Wenn einer über spezielle Fähigkeiten verfügt, mit denen er die Öffentlichkeit fasziniert, mag er immer seine komplexe Persönlichkeit darangeben und zu einer Marionette dieser Technik werden, er entspricht damit dem Ideal unserer Zeit. Insofern besteht zwischen dem (darbietenden) Künstler oder Unterhaltungskünstler und dem Techniker kein Unterschied.
<div style='text-align:right'>
</div>
</blockquote>
Das Agens der Größe, ihre treibende Kraft, ist die tief gespürte innere Sendung - und niemals ist es bloß der Wunsch, dem Dasein als einer von vielen, als sterblicher, einmal im Nichts des Vergessens verschwindender Mensch zu entkommen. Wer sich nur aus dem Wunsch nach Aufmerksamkeit ans Licht der Öffentlichkeit kämpft, gibt nur ein trauriges Zerrbild wahrer Größe ab, eine Parodie, da er sich von den wahrhaft Großen nur dieses eine abgeschaut hat: daß sie eben <i>auch</i> die Aufmerksamkeit der Vielen haben (worauf es ihnen aber nie primär ankam). Wieviel wird zerstört in Menschenseelen, die zu solchen falschen Helden aufblicken!
<h2 id="klein">Vom Kult des Kleinen</h2>
Noch schädlicher aber als alles Streben nach Rekorden und Aufmerksamkeit - sind es doch pervertierte Formen eines im Kern immerhin guten Antriebs zur Größe - ist der grassierende <i>Kult des Kleinen</i>, politisch gefördert durch die Gleichheitsideologie und unser demokratisches Zeitalter. Bedeutet Größe, wie oben definiert, das Streben nach Ausfüllen der Form, so setzt die Kleinheit dem die <i>Vergessenheit der Form</i> entgegen. Das paßt weltanschaulich sehr gut zum Materialismus, der alle Zielursachen in der Welt zum bloßen Anschein erklären will, der “in Wahrheit” (hier also doch “in Wahrheit”!) durch Säfte und Kräfte rein mechanisch zustandekomme. Immer in der Pose moralischer Empörung über alle Ungleichheiten wird schließlich alles Höherstehende, alles Edle, alles Bedeutende abgeschliffen, was dem einzelnen Menschen Würde und Tiefe geben könnte. So spricht der übellaunige Zwerg zum Riesen: “Ich bin klein, und du bist groß, das ist ungerecht. Wenn du das nicht einsiehst, wenn du dich nicht freiwillig kleinmachst und mit einem Buckel herumläufst, wenn du deine Lektion in Bescheidenheit nicht lernst, bist du böse. Auf jeden Fall muß deine Größe kleingeredet und dem Spott preisgegeben werden, da ich sie nicht ertrage.” Getarnt durch die Rede von Humanität und Mitmenschlichkeit, befördert dieser Kult der Bedeutungslosigkeit eine mächtige kulturelle Abwärtsbewegung: denn dem einzelnen wird ja jede Motivation genommen, seine Anlagen zu entwickeln.
<h2 id="klima">Ein Klima für Größe</h2>
Eine Gesellschaft wird dann am besten gedeihen, wenn sie der Größe Raum gibt - man muß sich ermuntert fühlen, in allem Tun nach Exzellenz zu streben. Aber nicht nach der Exzellenz des Rekordes, die keine wahre Größe ist. Es ist keine Größe, durch schlaue Geschäftigkeit ein Millionenvermögen anzusammeln, auch wenn das heute vielfach als Größe angesehen wird. Es ist keine Größe, mit künstlerischen oder gastronomischen Produktionen den heutigen Massengeschmack zu treffen. Menschen, die darin gut sind, mögen zwar für kurze Zeit Popularität genießen, aber von Dauer ist ihr Werk nicht.
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Wahre Größe hat auch immer eine Rückbindung an die Gemeinschaft, in der und für die sie erblüht. Die oben aufgezählten Beispiele der Größe zeigen das: große Könige, große Kämpfer, große Forscher, große Heilige - sie alle hatten nicht ihr eigenes Wohl im Auge, sie waren keine "net wealth optimizer", sondern was sie schufen und für was sie lebten, war immer auch ein Dienst an ihrer Gemeinschaft, diente dem <i>summum bonum</i> und nicht nur ihrem eigenen <i>net wealth</i>.
<h2 id="erziehung-und-bildung">Erziehung und Bildung</h2>
Einen wichtigen Anteil daran, ein positives Verhältnis zur Größe zu vermitteln, tragen die Erziehung und die Bildung - durch die Eltern wie durch staatliche Lehranstalten. Wenn hier gute Gärtnerarbeit geleistet wird, profitiert die ganze Gesellschaft von den Früchten.
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Auch das Gedenken an große Menschen vergangener Zeiten muß einen angemessenen Platz in der Gegenwart haben.
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Um das positive Gemeinschaftsgefühl in der Seele zu verankern, in den sich das Handeln einfügen sollte, gibt es nach wie vor kein besseres Lern- und Übungsfeld als die Familie. Die Versuche, die Familie abzuschaffen und an ihre Stelle ein "kollektives Bewußtsein" der Weltgemeinschaft herbeireden zu wollen, sind vor allem eines: leeres Gerede. Die Familie ist der Ort, in dem geboren wird, also Leben weitergegeben wird von den Früheren an die Zukünftigen. Die Eltern stehen da als "priesterliche Mittler zwischen dem, was vorher war und dem was sein wird" (Pfr. Hans Milch). Dieser Ort, an dem neues Leben entsteht, ist die Keimzelle der Gesellschaft, der Nation, deren Wortherkunft von <i>nasci</i>, geboren werden, schon deutlich sagt, daß sie durch eine gemeinsame Herkunft begründet ist, durch gemeinsame kulturelle wie auch biologische Traditionslinien, die es in die Zukunft hinein zu erhalten und zu pflegen gilt.
<p/><p/>
Was wir heute vorfinden, ist in alledem das gerade Gegenteil. Es ist, als legten es herausfordernde Gegenmächte geradezu darauf an, alles Große und Erhabene zu verhöhnen, zu verspotten, in den Dreck zu ziehen und alles Streben nach Größe zu verhindern.
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Der Eindruck, daß hier im Verborgenen feindliche Kräfte oder Gruppen wirken, ist sicher kein Hirngespinst - ich bin überzeugt von der Existenz solcher Gegenmächte, aber sie können sich nur entfalten aufgrund der Zustimmung der Vielen, die ohne äußere Anleitung in eine freie Abwärtsbewegung geraten, weil ihnen die Selbstdisziplin und moralische Spannkraft dafür fehlen, ein Leben oberhalb der nackten Bedürfnisbefriedigung zu leben. Die Dinge, sich selbst überlassen, fallen den Gesetzen des Abbaus und Verfalls anheim, sie werden zum Opfer von Rost und Motten, verlieren ihren Glanz, verderben, verrotten und verfaulen, wenn nicht beständige pflegende oder veredelnde Arbeit an ihnen geleistet wird. Das gilt wie für jedes Ding so auch für den Menschen.
<h2 id="familie">Ehe und Familie </h2>
Einige starke Verfallskräfte sind geistig im Kulturmarxismus der Frankfurter Schule zu verorten. Eine ihrer Früchte, die Emanzipationsbewegung klagte über einen gesellschaftlichen Zwang, der Frauen angeblich zu Heim, Herd und zum Kinderkriegen drängen würde - und etablierte dafür einen gesellschaftlichen Zwang für Frauen, Heim, Herd und Kinder wie die Pest zu meiden, weil es sich um unwürdige Sklavenarbeit handele, die eine gewaltige mythische, in Urzeiten zurückreichende Verschwörung der Männer, das sogenannte Patriarchat, ihnen aufgebürdet habe. Eine heutige Partnerschaft hat demnach auch nichts mehr mit einer traditionellen Ehe und Familie zu tun, die immer vor allem als ein schicksalhaft gegebenes Spannungs- und Übungsfeld der Sozialität, der Liebe, der Treue, der Moralität angesehen wurde, als eine Lebensgemeinschaft, die durch ein bindendes Versprechen über die Launen der einzelnen erhoben ist und sich in der genannten priesterlichen Mittlerstellung zwischen Vergangenheit und Zukunft befindet.
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Im Unterschied hierzu ist eine heutige Partnerschaft eine zum gegenseitigen sexuellen Nießbrauch eingegangene Wohngemeinschaft zweier oder mehrerer Menschen beliebigen Geschlechts, die auch jederzeit beendet werden kann, wenn es sich für einen der Beteiligten “nicht mehr richtig anfühlt” oder er sich durch die Beziehung in seinem Drang nach Freiheit und Selbstbestimmung eingeengt fühlt. <i>Dink</i> (double income no kids) ist das Ideal heutiger Lebensabschnittsbeziehungen. Wer sich doch Kinder erlaubt, zur Abwechslung, weil sonst die Monotonie und Sinnlosigkeit der Lebensführung allzu offenkundig würde, hat zu wenig Zeit für sie und sucht sie so bald wie möglich an staatliche Einrichtungen abzuschieben, weil sie ihn stressen. Dann geht es zwar für ihn wieder, aber die nach Aufmerksamkeit hungernden Kinder, denen die eigenen Eltern ihr Recht auf eine familiäre Hülle genommen haben, werden zu einer schweren Last für chronisch überforderte Erzieher, Tagesmütter, Betreuerinnen und Lehrer. Lehrer sehen sich plötzlich in der Aufgabe, Erziehungsleistungen zu vollbringen, die früher selbstverständlich von den Familien erwartet wurden. Insbesondere wurde es versäumt, Disziplin und Gehorsam einzuüben. Das macht es Lehrern, selbst wenn sie es wollten, kaum noch möglich, die Kinder zu Leistungen anzuspornen, bei denen sie an ihre Grenzen kommen.
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Viele Lehrer <i>wollen</i> das aber auch gar nicht, denn die marxistischen Dozenten an ihrer Pädagogischen Hochschule haben ihnen beigebracht, daß ein guter Unterricht vor allem egalitär und inklusiv sein muß, daß der Lehrer sich am besten auf die Stufe des Kindes begibt (“es da abholt, wo es steht”) und ihm so wenig Vorgaben wie möglich macht. Das begabte Kind sollte, um möglichst nicht anzuecken, sein Licht unter den Scheffel stellen und sich mit dem allgemeinen Durchschnittsniveau zufriedengeben. Nur so könne endlich die neue Gesellschaft gleicher Menschen entstehen, in der es kein soziales Oben und Unten mehr gebe, sondern alle Menschen den gleichen Rang haben und sich brüderlich die Hände reichen.
<h2 id="disziplin">Disziplin und Autorität</h2>
Bernhard Bueb, langjähriger Leiter des Internats Schloß Salem, schrieb in seiner Studie <a href="http://internatinternate.beepworld.de/files/bueb-debatte.pdf">Lob der Disziplin</a> (2006), wie der in der Menschennatur verankerten, auf Autorität und Gehorsam gegründeten traditionellen Pädagogik ab 1968 andere, oft experimentelle Erziehungsparadigmen folgten und die Ansicht schließlich allgemein wurde,
<blockquote>
Erziehung bis in die letzten Winkel der Kinderzimmer zu demokratisieren. Das Gespräch, die Verabredung, die Vereinbarung und die Diskussion bilden seither das Fundament der Erziehung. Eltern und Lehrer geben sich als Partner von Kindern und Jugendlichen, das natürliche Machtgefälle wird zugunsten eines vernünftigen Diskurses unter Gleichen aufgehoben. Eltern ließen sich - vor allem in den siebziger und achtziger Jahren - nicht mehr als Vater und Mutter ansprechen, sondern mit Vornamen, in der einen oder anderen Schule duzten Schüler die Lehrer. Hierarchien wurden auf ein Minimum reduziert. Dieser demokratische Geist in der Erziehung ist inzwischen Gemeingut geworden, ein Stück deutscher pädagogischer Kultur, deren Kinder wir mehr oder minder alle sind. Gemeinsam ist allen die zu lobende Bemühung, Kinder und Jugendliche zu achten, sie nicht zu unterdrücken oder zu demütigen, sondern ihnen ein Umfeld zu schaffen, das ihr Aufwachsen fördert. Ebenso gemeinsam ist aber allen, ihren Anspruch auf Erziehung im täglichen Leben bis zu den kleinen Regelungen des Umgangs und Zusammenlebens zu rechtfertigen. Sekundärtugenden wie Ordnung, Pünktlichkeit, Fleiß oder höfliche Umgangsformen gelten nicht mehr selbstverständlich. Die Forderung nach Disziplin und Gehorsam gilt als undemokratisch und daher inhuman.
</blockquote>
All dies ist offensichtlich Gift für eine Kultur, die um Pflege von Größe bemüht sein will. Der Passus macht zudem deutlich, daß diese der menschlichen Natur zuwiderlaufende Entwicklung einer <i>Totalisierung des demokratischen Gedankens</i> entspringt. Demokratie, die als Mehrheitsprinzip in sich wertneutral lediglich eine Methode der gemeinschaftlichen Entscheidungsfindung darstellt, wird zur höchsten, allgültigen moralischen Norm erhoben. Das ist einer der Punkte, an dem Moral zu Hypermoral umschlägt.
<h2 id="tyrannis">Umschlag der totalen Demokratie in die Tyrannis</h2>
Mit dieser Tendenz der Demokratie zur maßlosen Übertreibung ihres eigenen Prinzips spreche sich die Demokratie schließlich ihr eigenes Todesurteil aus und schlage in die Tyrannis um, beschrieb schon Platon in seiner Politeia: der Drang nach Freiheit von aller Unterordnung finde keine natürliche Gegenkraft oder Grenze mehr, breite sich also immer weiter aus und dringe in jeden Winkel der Gesellschaft ein, sogar bis in das Familienleben,
<blockquote>
(...) wenn etwa ein Vater sich gewöhnt, einem Knaben ähnlich zu werden, und sich vor seinen Söhnen fürchtet, wenn dagegen ein Sohn den Vater spielt und weder Scham noch Furcht vor seinen Eltern hat, damit er nämlich frei sei, wenn der Abhängige sich dem gleichstellt, von dem er abhängig ist, und der Bürger sich seinen Abhängigen gleichstellt, und ebenso zum Ausländer auf gleiche Weise.
<p/><p/>
Und es bleibt dabei nicht allein, sondern es ereignen sich auch noch andere Kleinigkeiten folgender Art: Der Lehrer fürchtet seine Schüler und schmeichelt ihnen, die Schüler haben keine Achtung vor den Lehrern und so auch vor ihren Erziehern. Und überhaupt spielen die jungen Leute die Rolle der Alten und wetteifern mit ihnen in Wort und Tat, während die Alten sich in die Gesellschaft der jungen Burschen herbeilassen, dabei von Witzeleien und Späßen überfließen, ähnlich den Jungen, damit sie nur ja nicht als griesgrämig, nicht als herrisch erscheinen.
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Darauf sagte ich weiter, aber das Äußerste was an Freiheit in einem solchen Staate zum Vorschein kommen kann, tritt ein, wenn bekanntlich die Abhängigen ebenso frei sind wie die, von denen sie abhängig sind. Wie weit aber auch in dem Verhalten der Weiber zu Männern und der Männer zu den Weibern, wie weit da die Gleichheit und Freiheit geht, das hätte ich beinahe vergessen zu erwähnen. (...)
<p/><p/>
Wenn du alle diese Erscheinungen zusammen nimmst, fuhr ich fort, siehst du nun ein, was das Allerschlimmste hierbei ist? Daß sie die Seele der Bürger so empfindlich machen, dass sie,wenn ihnen jemand auch nur den mindesten Zwang antun will, sich alsbald verletzt fühlen und es nicht ertragen, ja endlich, wie du wohl weißt, verachten sie gar alle Gesetze, die geschriebenen wie die ungeschriebenen, um nur keinen Gebieter in irgend einer Beziehung über sich zu haben.
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Das also, sagte ich, ist denn der Anfang, woraus die Staatsform der Tyrannis erwächst, wie ich glaube.
</blockquote>
<h2 id="volkserziehung">Liberalismus und <i>gute</i> Volkserziehung</h2>
In liberalen Kreisen klagt man oft über die “Erziehungsmedien” und die unerwünschte Volkserziehung (zur Dramatisierung gern mit einem kleinen Nazi-, “Stürmer”- oder Goebbels-Vergleich aufgehübscht) und strebt an, den Einfluß des Staates auf ein Minimum zu reduzieren, indem man behauptet, Staat an sich sei schlecht, und je weniger Staat, umso besser. Es stimmt zwar, daß unsere heutigen Staaten mit ihrer Macht und den zur Verfügung gestellten Steuergeldern großteils Unsinn, Verschwendung und Verbrechen produzieren. Daß dies aber immer so sein müsse, daß Unsinn, Verschwendung und Verbrechen also quasi zu den Merkmalen von Staatlichkeit <i>an sich</i> gehöre, heißt es mit der Kritik zu übertreiben. Eine alte römische Rechtsregel lautet: <i>abusus non tollit usum</i> - der Mißbrauch hebt den rechten Gebrauch nicht auf. Die pauschale Verurteilung aller Staatlichkeit, nur weil unsere gegenwärtigen Staaten sich hinter einer mehr und mehr bröckelnden Fassade von Demokratie, Gewaltentrennung und Rechtsstaatlichkeit als vollkommen verrottet erweisen, schüttet gleichsam das Kind mit dem Bade aus.
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Die Geisteskrankheit, die zu solchen Urteilen verleitet, ist die erwähnte <i>Blindheit für die Form</i>, die Idee, den Sinn, den Zweck, die <i>Natur einer Sache</i>, der wir in der Neuzeit verfallen sind. Daraus, daß sich eine Sache als pervertiert zeigt, folgt aber nicht, daß sie von ihrem ursprünglichen Aufbau her notwendig dahin führt, also diese Perversion bereits in sich trägt. Es ist also nicht die Volkserziehung an sich etwas Schlechtes, ebensowenig wie staatliche Autorität an sich etwas Schlechtes ist - sondern die Menschen, die heute die Volkserziehung betreiben und die heute herrschen, üben ihr Amt sehr schlecht aus. Der Grund dafür liegt darin, daß sie nicht mehr das <i>summum bonum</i> im Auge haben, das Ideal, das allein ein Volk mit seinen Führern einen kann. Hinter aller Größe steht nämlich ein Größtes, auf das hin alles gerichtet ist. Wenn dies nicht mehr gesehen wird, verfällt auch die Demokratie zu einem Kampf verschiedener Cliquen oder Lobbies gegeneinander.
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Der Liberalismus als Kult um eine inhaltlich unbestimmte menschliche Freiheit, als ein bis ins Lächerliche übertriebenes “frei von”, ohne jedes “frei zu”, ist also der eigentliche Totengräber der Demokratie: sie frißt sich umso mehr selbst auf, je mehr sie diesem unbestimmten Freiheitsdrang freien Lauf läßt. Der Kult um die inhaltlich unbestimmte Freiheit ist eine geistige Faulheit, geboren aus der Feigheit, selbst Stellung zu beziehen und Verantwortung zu übernehmen.
<h2 id="advent">Den Weg bereiten</h2>
Dennoch halte ich es für möglich, daß wir dieser bedrohlichen Abwärtsbewegung noch Einhalt gebieten können. Nicht nur aus dem bisher Beschriebenen, sondern grundsätzlich ist es ja klar, daß Qualität Quantität sticht: es ist keine große Zahl von Menschen nötig, um eine Gegenkraft aufzubauen. Eine wenn auch zunächst kleine Gegenkultur, die sich dem allgemeinen Verfall entgegenstellt, indem sie zu den naturgemäßen Formen der Erziehung, der Bildung, des Umgangs miteinander zurückkehrt und die das Christentum pflegt, um sich zu Gott hin auszurichten, tut nicht nur das, was jeder einzelne bei genauer Gewissensbetrachtung als das für ihn persönlich Richtige erkennen dürfte, sondern er wirkt als Ferment und bereitet den Weg für die Zeit, wenn die schon heute sichtbar zunehmende Unzufriedenheit mit den herrschenden Verhältnissen zu einem Elitenwechsel führt.
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Das mag zwar zuweilen nicht einfach sein, aber es ist sinnvoll und ursprünglich und führt uns heraus aus den flachen, seichten Gewässern, deren Erosionskräfte bald alle menschliche und gesellschaftliche Substanz verschlissen haben können. Natürlich gilt es bei aller Arglosigkeit auch klug zu sein, denn in nichts ist das herrschende System besser als im Einsaugen und Unschädlichmachen von Widerstand - <i>Botho Strauß</i> beschreibt diese Gefahr in seinem <a href="http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13681004.html">Anschwellenden Bocksgesang</a> (1993):
<blockquote>
Es ist überhaupt keine Frage, daß man glücklich und verzweifelt, ergriffen und erhellt leben kann wie eh und je, freilich nur außerhalb des herrschenden Kulturbegriffs. Was sich stärken muß, ist das Gesonderte. Das Allgemeine ist mächtig und schwächlich zugleich. Der Widerstand ist heute schwerer zu haben, der Konformismus ist intelligent, facettenreich, heimtückischer und gefräßiger als vordem, das Gutgemeinte gemeiner als der offene Blödsinn, gegen den man früher Opposition oder Abkehr zeigte.
</blockquote>
Bereitet den Weg! So will ich adventlich mit Johannes dem Täufer schliessen, der den Menschen damals das Μετανοεῖτε zurief: ändert euren Sinn, eure enge und falsche Art, die Dinge zu sehen, ihr Menschen! Seht die Welt wieder <i>richtig</i>! So wurde für viele das Krumme gerade, die Lüge schwand dahin, Blinde wurden sehend und Lahme gehend. Damals im Menschheitsadvent wurde das allergrößte Urbild des Menschen Gestalt. Im Kleinen passiert das auch beim politischen Aufbruch, den wir erwarten und auf den wir hinarbeiten: die Verblendung durch Reduktionismus, Relativismus, Materialismus, Atheismus, in die wir uns jahrhundertelang grimmig immer tiefer hineingefressen haben, schwindet dahin - immer mehr Blinde nehmen heute die <a href="https://www.youtube.com/results?search_query=i+took+the+red+pill">rote Pille</a> und sehen die Dinge, wie sie wirklich sind, und Mutlose schöpfen Kraft und werden aktiv. Und auch diesmal geht es darum, die Natur, auf die hin die Menschen und die Völker angelegt sind, zu erkennen und zu leben. Das ist die aktive Re-Aktion, der wir uns verschrieben haben, weil wir das Lebendige lieben.
Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-73416645427560250892017-05-27T22:28:00.002+01:002018-05-01T15:02:55.371+01:00Anwendungen mit HTML-UI<a href="#sub-00">HTML - ein UI-Format, das bleiben wird</a><br>
<a href="#sub-00a">Zum Beispiel ein Property Editor</a><br>
<a href="#sub-01">Ein Rückblick</a><br>
<a href="#sub-02">Der HTML-Code der Anwendung</a><br>
<a href="#sub-03">Anzeige- und Änderungsmodus</a><br>
<a href="#sub-04">Model View Controller</a><br>
<a href="#sub-05">Buttons</a><br>
<a href="#sub-06">Feldauswahl</a><br>
<a href="#sub-07">Tabellen</a><br>
<a href="#sub-07a">Editierbarkeit mit <code>contenteditable</code></a><br>
<a href="#sub-07b">Einen Wert löschen</a><br>
<a href="#sub-08">Die node-webkit-Anwendung</a><br>
<a href="#sub-09">Dateiauswahl</a><br>
<a href="#sub-10">Das Datenmodell - die Klasse <code>Properties</code></a><br>
<a href="#sub-11">Der Dateivergleich</a><br>
<a href="#sub-12">Unit Tests</a><br>
<h2 id="sub-00">HTML - ein UI-Format, das bleiben wird</h2>
In klassischen Entwicklungsumgebungen werden dem Anwendungsentwickler meist spezielle Werkzeuge für die Entwicklung der Oberfläche bereitgestellt: er darf aus irgendwelchen standardisierten Paletten Eingabecontrols wie Tabellen, Eingabefelder, Auswahlknöpfe, Schaltflächen auswählen und auf einen Oberflächentwurf ziehen, er darf Beschriftungen und sonstige Texte vorsehen, er darf Bereiche und Feldgruppen definieren, er darf per Mausclick Feldinhalte an sein Datenmodell binden und vom Control ausgelöste Ereignisse mit seinem Code verknüpfen usw.
<p><p>
Solche Werkzeuge sind ja sicher ganz nett (wobei ich meist als erstes auf ihre Unvollkommenheiten, auf schlechte Benutzerführung und auf fehlende Features stoße), aber letztlich muß eine so entworfene Oberfläche in einem maschinenlesbaren Format abgespeichert werden, das die Anwendung nachher zum Rendern benutzt. Die für Entwickler interessante Frage ist daher nicht nach dem UI und den Regeln, die ihm seine Entwicklungsumgebung zum Malen erlaubt, sondern nach der vollständigen Referenz über alle Möglichkeiten, die das konkrete Format, wie derartige Oberflächen dann gespeichert werden, bietet.
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Nun gibt es ein maschinenlesbares, lebendiges, sehr flexibles, umfassend dokumentiertes, an Möglichkeiten unglaublich facettenreiches und noch immer weiter wachsendes Format zur Entwicklung von Benutzeroberflächen: es handelt sich um die Sprachtriade HTML, CSS und JavaScript. Durch die mittlerweile <a href="https://html5test.com/results/desktop.html">weitgehend standardkonforme</a> Implementierung in allen gängigen Browsern haben diese Formate eine breite Basis. Auch auf Kleingeräten haben sie sich längst durchgesetzt. Man kann die CSS-Stilregeln der Oberflächen mit wenig Aufwand so gestalten, daß derselbe HTML-Code je nach Größe des Displays unterschiedlich dargestellt wird. Und wen die Browser-Sandbox zu sehr einschränkt, der kann seine App oder nativ entwickelte Anwendung mit einem HTML-Viewer ausrüsten, um die Oberfläche in seiner eigenen Umgebung zu präsentieren.
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Die Webstandards leben und werden weiterentwickelt - die Entwicklungen der letzten Jahre sind ermutigend. HTML5, CSS3 und ES6 werden von den User-Agents dieser Welt mittlerweile doch tatsächlich so verstanden, wie es spezifiziert wurde![3]
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<h2 id="sub-00a">Zum Beispiel ein Property Editor</h2>
Ich will in diesem Blog eine Anwendung zur Anzeige und Pflege von <a href="https://en.wikipedia.org/wiki/.properties">Property Files</a> vorstellen, wobei ich die vielen kleinen Dinge en detail bespreche, die bei so einer Oberfläche auftreten. Die Entwicklung folgt den ES6-Standards für JavaScript. Die Anwendung kann in einem Browser aufgerufen werden, dann fungiert sie aber als reine Anzeigetransaktion, da ein Browser es nicht erlaubt, Dateien zu sichern. Dieselbe Anwendung - derselbe HTML-,CSS- und JavaScript-Code kann aber auch als <a href="https://nwjs.io/">node-webkit</a>-Anwendung aufgerufen werden, dann können Daten auch editiert und Änderungen gespeichert werden.
<p><p>
Property Files werden gern als sprachspezifische Textressourcen für eine Anwendung eingesetzt, daher kann man einen Property Editor in der Rubrik <i>Internationalisierung</i> einordnen. Da sie manuell als Klartextdateien bearbeitet werden, ist ein Werkzeug nützlich, das die Schlüssel/Wert-Paare mehrerer Property Files miteinander vergleicht, so dass fehlende oder mehrfach gepflegte Werte schnell erkannt werden.
<p><p>
Hier ein Screenshot der fertigen Anwendung, deren Quelltextdateien ich bei github mit dem Repositorynamen <a href="https://github.com/rplantiko/property-editor">property-editor</a> führe.
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg39M8Envlp46YsgSRDkwArxen7Wh_UvA1CysDR1WmQ3VGp9Uam7WViEHHLIXcmeVB1ywfXz0NF6bSmIqfkHmOFkP1HB7Qjl7eK71Aw1W8YmwKUXNbJKCGKb6lSQ5bhs-aqE5waQdrekKgl/s1600/property-editor.PNG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg39M8Envlp46YsgSRDkwArxen7Wh_UvA1CysDR1WmQ3VGp9Uam7WViEHHLIXcmeVB1ywfXz0NF6bSmIqfkHmOFkP1HB7Qjl7eK71Aw1W8YmwKUXNbJKCGKb6lSQ5bhs-aqE5waQdrekKgl/s640/property-editor.PNG" width="640" height="289" /></a></div>
<p style="clear:both">
<p>
<h2 id="sub-01">Ein Rückblick</h2>
<a href="/2010/10/tabellenpflege-als-webanwendung.html">Vor sieben Jahren</a> stellte ich auf diesem Blog einige Konzepte für die Pflege von tabellenförmigen Daten in einer Webanwendung vor. Ich hatte dazu einen kleinen, nach wie vor lauffähigen <a href="http://www.ruediger-plantiko.net/konto/">Prototypen</a> verfaßt, an dem die Konzepte sichtbar werden sollten.
<p><p>Meine Absicht war, ohne irgendwelche magischen Tools und Bibliotheken auszukommen, sondern möglichst direkt die Standards des Webs zu verwenden - und das sind nach wie vor HTML, CSS und JavaScript, weiter nichts - um die Tabellenpflege zu entwerfen. [1]
<p><p>
Die Änderungsvormerkungen (was muss beim späteren Druck auf <i>Sichern</i> geändert, was gelöscht, was eingefügt werden) hatte ich mittels CSS-Klassen direkt im HTML-DOM verwaltet, so daß ein und dieselben dynamisch vergebenen CSS-Markierungen nicht nur beim Sichern vom JavaScript-Code abgegrast werden, um die zu ändernden Daten für den Server zu sammeln, sondern jederzeit auch dem Benutzer den Änderungszustand seiner Daten vor Augen führen:
<p>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhHbX6uhoT6AAQPPm99FNtQWo-fuvvlqjgYL9XrbvlrbpnXstjakFbRHrZztne4oeB3oi7FT_tB6fh9DB_ZOONh-N8EOW_2bJDc7fNa_et-ZV2BTkxaX6iD7SwoWuYvbcSq94j0Nr22JvNf/s1600/konto-changes.PNG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhHbX6uhoT6AAQPPm99FNtQWo-fuvvlqjgYL9XrbvlrbpnXstjakFbRHrZztne4oeB3oi7FT_tB6fh9DB_ZOONh-N8EOW_2bJDc7fNa_et-ZV2BTkxaX6iD7SwoWuYvbcSq94j0Nr22JvNf/s1600/konto-changes.PNG" /></a></div>
<p>
Die Kommunikation mit dem Server - zum Lesen und Abspeichern der Daten - führte ich damals schon mit dem <a href="http://json.org/">JSON-Format</a> durch, das mittlerweile in Webanwendungen omnipräsent ist und das etwas schwerfälligere XML weitgehend abgelöst hat.[2]
<p><p>
Das konkrete Datenformat dient als <a href="http://stackoverflow.com/a/18003704/1092785">level of indirection</a> dazu, die Benutzeroberfläche zu entkoppeln: auf der Gegenseite stand für meinen Prototypen minimalistisch gehaltener Perl-Code zum Parsen von JSON und zum Verwalten der Daten in einer CSV-Datei. Es könnte aber auch eine ganz andere Implementierung zum Einsatz kommen, in einer anderen Programmiersprache, nicht per CGI oder mit einem anderen Server aufgerufen (tatsächlich läuft die Beispielapplikation mittlerweile nicht mehr auf Apache, sondern auf nginx), mit einem anderen Datenformat für die Persistenzebene usw.
<h2 id="sub-02">Der HTML-Code der Anwendung</h2>
Das Markup der Anwendung definiert feste Bestandteile und Container für dynamisch gefüllte Inhalte.
<p/><p/>Durch die Wechselwirkung mit JavaScript verschwimmt die Grenze zwischen "statischem" HTML und HTML-Template. Das ist so gewollt. Wo allerdings JavaScript HTML-Code in größerem Stil generieren soll, weit über bloße Strukturtags hinaus (wie etwa <code><table></code>, <code><tr></code> und <code><td></code> zur Strukturierung von Tabellendaten), empfiehlt sich der Einsatz von Templates. Hierzu wird man in HTML5 durch das neu eingeführte <code><template</code>-Tag ermutigt. Der Einsatz hochkomplexer Parsergeneratoren wie <a href="http://handlebarsjs.com/">handlebars</a> ist zweifellos spannend, aber meist überdimensioniert, wo der standardmäßige DOM-Zugriff bereits ausreicht, um konkrete Instanzen des Templates zu erzeugen, in das HTML-DOM zu importieren und einzufügen.
<p/><p/>
In unserer Beispielapplikation wird kein Template benötigt. Was hier dynamisch erzeugt wird, ist nur die Tabelle mit den Schlüsseln und Werten, ohne ausgefeilte Extras. Mehr zur Tabellendarstellung folgt weiter unten.
<p/><p/>
Viele überflüssige Schlacken können in HTML5 weggelassen werden, so die Angaben <code>type="text/css"</code> in <a href="https://stackoverflow.com/questions/7715953/do-we-need-type-text-css-for-link-in-html5">Stylesheet-Referenzen</a> und <code>type="text/javascript"</code> in JavaScript-Elementen, denn dies sind die Defaults. Worauf man aber nicht verzichten sollte, ist die Angabe der Zeichencodierung. Ausdrücklich <a href="https://www.w3.org/International/questions/qa-html-encoding-declarations">warnt das W3C</a>:
<blockquote>You should <i>always</i> specify a character encoding on <i>every</i> HTML document, <i>or bad things will happen</i>. You can do it the hard way (HTTP Content-Type header), the easy way (<meta http-equiv> declaration), or the new way (<meta charset> attribute), but please do it. The web thanks you.</blockquote>
<p>
Nach dem Laden auszuführendes JavaScript muß überhaupt nicht mehr an Events wie <code>load</code> oder <code>DOMContentLoaded</code> gebunden werden, sondern kann direkt vor das schließende <code></body></code>-Element eingebaut werden. Dann ist der HTML-Code bereits vollständig in die DOM-Struktur transformiert, so daß alle gewünschten, die erste Anzeige des Dokuments vorbereitenden Aktionen noch ausgeführt werden können.
<p/><p/>
Aus diesen Grundsätzen abgeleitet, bekommt das für den Property-Editor benötigte <code>index.html</code>-Dokument schließlich die folgende Gestalt:
<pre class="sh_html"><!DOCTYPE html>
<html language="en">
<head>
<meta charset="utf-8"/>
<title>Comparing Property Files</title>
<link rel="stylesheet" href="main.css" />
<script src="ui.js"></script>
<script src="i18n.js"></script>
</head>
<body>
<h1>Comparing Property Files</h1>
<div class="input-area">
<div>
<input type="file" multiple id="property-files">
<label class="button" for="property-files" data-action="choose-files">
Choose files
</label>
<div class="additional-info" id="selected-files">No files selected</div>
</div>
<div id="toolbar">
<button data-action="reload">Reload</button>
<button data-action="save">Save</button>
</div>
</div>
<div id="table-container"></div>
<script src="control.js"></script>
</body>
</html>
</pre>
<h2 id="sub-03">Anzeige- und Änderungsmodus</h2>
Dasselbe UI soll - als Webanwendung im Browser aufgerufen - ein reines Hilfsmittel zur Anzeige und zum Vergleich von Property Files sein, aber in einer geeigneten Umgebung, die auch das Speichern erlaubt (wie etwa <code>node-webkit</code>), im Änderungsmodus betrieben werden können.
<p/><p/>
Diese Unterscheidung mache ich, indem ich im Querystring der URL den Wert <code>edit</code> vermerke, also z.B. <code>index.html?edit</code> aufrufe statt bloß <code>index.html</code>. Dieser wird im Client ausgewertet und ist danach als Konstante im gesamten JavaScript <code>control.js</code> verfügbar:
<pre class="sh_javascript"> const editMode = /\bedit\b/.test(document.location.search)
</pre>
Den Anzeigemodus erhalte ich, wenn ich die URL ohne Queryteil aufrufe:
<blockquote><a href="http://ruediger-plantiko.net/property-editor/">http://ruediger-plantiko.net/property-editor/</a></blockquote>
Dieselbe Webseite präsentiert sich im Änderungsmodus, wenn ich im Queryteil das Wort <code>edit</code> übergebe:
<blockquote><a href="http://ruediger-plantiko.net/property-editor/?edit">http://ruediger-plantiko.net/property-editor/?edit</a></blockquote>
<p><p>
Der augenscheinlichste Unterschied, daß man sich im Änderungsmodus befindet, ist die Anwesenheit eines (wenn auch anfangs noch inaktiven) Save-Buttons. Wenn man Property-Files eingelesen hat, zeigen sich weitere Unterschiede: die Zellen sind editierbar, Zellen, Schlüssel und ganze Zeilen sind auch löschbar. Die komplette Oberfläche für den Änderungsmodus funktioniert im Browser - mit der einen, entscheidenden Ausnahme der Save-Funktion. Denn einem Browser ist es nicht erlaubt, Dateien auf dem Computer des Benutzers zu speichern. Das wird nur möglich, wenn wir dasselbe UI in Form einer <a href="https://nwjs.io/">node-webkit-Anwendung</a> betreiben. Mehr dazu weiter unten.
<p><p>
Diesen Weg - mit dem <code>edit</code>-Parameter im Querystring - habe ich gewählt, weil sich Anzeige- und Änderungsmodus nur geringfügig unterscheiden. Bei größeren Unterschieden würde ich zwei separate HTML-Dokumente entwerfen, eines für den Anzeige-, eines für den Änderungsmodus. Das JavaScript läßt sich trotzdem wiederverwenden, und es kann vom HTML-Dokument den gewünschten Modus als Attribut des <code><script></code>-Elements auslesen. Beispielsweise könnte man den Änderungsmodus als Boolesches Attribut <code>data-edit</code> entwerfen (seine Präsenz möge den Änderungsmodus anzeigen):
<pre class="sh_html"><script src="control.js" data-edit></pre>
Im Script selbst kann man dann zu Beginn dieses Attribut einlesen (<code>document.currentScript</code> enthält immer das <code><script></code>-Element des gerade ausgeführten JavaScript-Codes):
<pre class="sh_javascript">const editMode = document.currentScript.hasAttribute("data-edit")</pre>
<h2 id="sub-04">Model View Controller</h2>
Das <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Model_View_Controller">MVC-Paradigma</a> ist im Grunde nichts weiter als eine praktische Anwendung von <i>separation of concerns</i>. Der Kerm von MVC ist die Trennung der "eigentlichen Logik" (Model) von den für den Betrieb einer Benutzeroberfläche notwendigen Programmteilen (View, Controller).
<p/><p/>
Für diese Entkopplung ist nicht immer ein ausgefeiltes MVC-Framework nötig: in einfachen Fällen genügt es, die eigentliche Anwendungslogik in ein eigenes UI-freies Softwaremodul zu verlegen, das von einem einzigen Controllermodul <code>control.js</code> aus aufgerufen wird. Dieses Controllermodul ist seinerseits nicht nur mit dem Awendungsmodul, sondern auch mit der konkreten Oberfläche gekoppelt. Es reagiert auf Eingaben und sonstige Dialog-Ereignisse, ruft abhängig von diesen Ereignissen Anwendungslogik auf und aktualisiert dann die Oberfläche, was etwa aufgrund geänderter Anwendungsdaten nötig wird.
<p/><p/>
Statt einen Ereignisbus als weitere Komponente zu entwerfen, mit dem sich Models und UI-Methoden für "change"-Events registrieren können, kann man im einfachsten Fall die gewünschten Reaktionen auch direkt als Funktionsaufruf implementieren. Eine Funktion eines anderen Moduls aufzurufen, ist immerhin auch eine Benachrichtigung, der Unterschied zum Event besteht allein in der stärkeren Kopplung. Ein Event Bus kann nützliche Dienste zur Entkopplung leisten - vor allem, wenn zur Laufzeit mehrere Models von wechselndem Objekttyp involviert sind. In einfachen Fällen sollte man aber auch einfache Lösungen wählen – hier also die fest verdrahteten Zusammenhänge.
<p/><p/>
Die Anwendungslogik des Property Editors enthält das Modul <a href="https://github.com/rplantiko/property-editor/blob/master/i18n.js">i18n</a>. Das Controllermodul heißt <a href="https://github.com/rplantiko/property-editor/blob/master/control.js">control.js</a>. Potentiell wiederverwendbare Funktionen im Bereich des HTML-UI befinden sich im Modul <a href="https://github.com/rplantiko/property-editor/blob/master/ui.js">ui.js</a>. Die konkrete Oberfläche selbst besteht aus einem HTML-File <a href="https://github.com/rplantiko/property-editor/blob/master/index.html">index.html</a> und einem CSS-File <a href="https://github.com/rplantiko/property-editor/blob/master/main.css">main.css</a>.
<h2 id="sub-05">Buttons</h2>
Als das entscheidende, einen Button definierende Merkmal dürfte unwidersprochen gelten, daß man ihn drücken kann!
<p/><p/>Damit dieses Drücken auch Sinn und Zweck hat, sollte mit dem Druck eine Aktion verbunden sein. Auf HTML-DOM-Ebene bedeutet dies, daß eine Funktion für das <code>click</code>-Event eines Buttons registriert ist. Nun können mehrere Buttons dieselbe Aktion auslösen, z.B. Blätterbuttons, die aus Usability-Gründen oberhalb <i>und</i> unterhalb einer Tabelle angeboten werden.
<p/><p/>Um einen Button als für eine bestimmte Aktion zuständig zu erklären, könnte man ihm im HTML-Code ein Custom-Attribut <code>data-action</code> geben (Custom-Attribute sollen immer mit dem Präfix <code>data-</code> versehen werden), das ausdrückt, welche Aktion er auslösen soll. Üblich ist außerdem, Buttons in einem gemeinsamen Bereich, einer Toolbar zu plazieren:
<pre class="sh_html"><div id="toolbar">
<button data-action="reload">Reload</button>
<button data-action="save">Save</button>
</div></pre>
Im Controller verknüpfen wir die Aktionen mit ihren Behandlerfunktionen, wobei die eigentliche Realisierung an den allgemeinen UI-Modul <code>ui.js</code> delegiert wird:
<pre class="sh_javascript">// -------------------------------------------------------------------
// Define handlers for user events
// -------------------------------------------------------------------
function setHandlers() {
var clickHandlers = {
"reload": handleReload,
"save": handleSave
}
ui.registerHandlers("click",clickHandlers)
inputFiles.addEventListener("change",handleChooseFiles)
tableContainer.addEventListener("input",handleInput)
if (editMode) tableContainer.addEventListener("mouseover",handleOnMouseOver)
}
</pre>
Hier haben wir eine Funktion <code>setHandlers()</code>, die für alle möglichen User-Events die Behandlerfunktionen definiert - nicht nur für die Buttons, sondern auch für das Dateiauswahlfeld, das hier eine Sonderrolle spielt, für Textänderungen in den Datenzellen, und für das <code>mouseover</code>-Event, wenn der Mauszeiger über Tabellenzellen bewegt wird. Für die Buttons <code>reload</code> und <code>save</code> wird, wie erwähnt, die allgemeine Logik aus <code>ui.js</code> verwendet.
<p/><p/>
Die allgemeine Funktion <code>registerHandlers</code> bekommt für ein bestimmtes Event, z.B. <code>click</code>, einen JavaScript-Hash von Aktionen und zugeordneten Behandlerfunktionen übergeben. <code>registerHandlers</code> ermittelt aus dem Aktionskey wie <code>save</code> einen CSS-Selector wie <code>[data-action="save"]</code> und verwendet diesen, um alle Elemente zu ermitteln, die für das Event registriert werden sollen. In der Loop über die Elemente wird die Standardfunktion <code>addEventListener</code> benutzt, um für jedes Element die angegebene Behandlerfunktion zu registrieren.
<p/><p/>
Nun gibt es auch bei der Eventbehandlung gemeinsame Teile. Um Codeduplikationen in den Eventbehandlern zu vermeiden, empfiehlt es sich, diese nicht direkt zu registrieren, sondern einen generischen Callback, innerhalb dessen sie dann aufgerufen werden. Hier ist das die Funktion <code>mainCallback</code>, die hier nur ein elementares Fehlerhandling macht (wenn eine unterwartete Ausnahme austritt, wird der Text dieser Ausnahme in einem <code>alert</code> angezeigt. Dies kann durch eine elaborierte Funktion ersetzt werden, indem man beim Aufruf dem Optionen-Hash eine eigene Funktion <code>mainCallback</code> übergibt.
<pre class="sh_javascript">// ----------------------------------------------------------------------------
// Handle user events ("action"s)
// ----------------------------------------------------------------------------
function registerHandlers(event,handlers,opt={}) {
setDefaultOptions()
for (let action of Object.keys(handlers)) {
let elements = getElementsByAction(action,opt.selector)
if (elements.length) {
for (let e of getElementsByAction(action,opt.selector)) {
e.addEventListener(event,evt=>mainCallback.call(e,evt,handlers[action]))
}
} else {
console.log(`No element found for action ${action}`)
}
}
function setDefaultOptions() {
opt.mainCallback = opt.mainCallback || mainCallback
}
}
// CSS Selector to return elements for a given action (changeable by module consumer)
function actionSelector(action) {
return `[data-action="${action}"]`
}
// Shorthand to give an array of all elements for an action
function getElementsByAction(action,selector=actionSelector) {
return Array.from( document.querySelectorAll(selector(action)))
}
// Main callback, wraps all single registered callbacks
// Rewritable by module consumer
function mainCallback(event,callback) {
try {
callback.call(this,event)
} catch (e) {
alert(e.message)
}
}
</pre>
<h2 id="sub-06">Feldauswahl</h2>
Eine weitere Eigenschaft von Buttons ist - neben ihrer gleichsam essentiellen Eigenschaft, clickbar zu sein - in manchen Fällen aber gerade <i>nicht</i> clickbar zu sein - oder sogar völlig zu veschwinden. Die Ableitung solcher funktionaler Attribute eines UI-Controls aus dem aktuellen Zustand der Applikation ist die Feldauswahl.
<p/><p/>
Auch hier gibt es wieder einen speziellen und einen allgemeinen Teil. Um mit dem allgemeinen Teil anzufangen: eine allgemeine Funktion <code>fieldSelection</code> bekommt für <code>disabled</code> bzw. <code>invisible</code> je einen Hash mit der Angabe (als Boolescher Wert), für welche <code>action</code>s der betreffende Zustand zu setzen und für welche er zurückzusetzen ist:
<pre class="sh_javascript">// ----------------------------------------------------------------------------
// Field selection: which fields are disabled, which are invisible
// ----------------------------------------------------------------------------
function fieldSelection(opt) {
evaluateFieldSelection(opt.disabled,(e,state)=>{e.disabled=state})
evaluateFieldSelection(opt.invisible,(e,state)=>{e.style.display=state?"none":""})
}
function evaluateFieldSelection(actions,setState) {
if (typeof actions != "object") return
for( let action in actions) {
for (let e of getElementsByAction(action)) {
setState(e,actions[action])
}
}
}</pre>
Die Regeln selbst sind natürlich anwendungsspezifisch. In unserer Beispielapplikation hängen die Zustände der Buttons nur vom allgemeinen <code>editMode</code> sowie von der Information ab, ob es für irgendeines der angezeigten Property-Files eine Datenänderung (durch den Benutzer) gibt. Diese Funktion <code>fieldSelection()</code> wird im Anschluß am Ende jedes Ereignisbehandlers aufgerufen, der (wenigstens potentiell) die Datenänderung ermöglicht:
<pre class="sh_javascript">// -------------------------------------------------------------------
// Make parts of the UI invisible or disabled, depending on the mode
// -------------------------------------------------------------------
function fieldSelection() {
var dataLoss = getDataLoss()
ui.fieldSelection({
invisible:{
"save":!editMode
},
disabled:{
"reload":!tableContainer.querySelector("table"),
"save":editMode && !dataLoss
}
})
}
</pre>
<h2 id="sub-07">Tabellen</h2>
Die <a href="https://datatables.net/">dataTables</a> von Allan Jardine sind unbestritten der Mercedes unter den Tabellenpräsentationen. Sortieren (auch nach mehreren Spalten), Suchen, Filtern, fixierbare Zeilen und Spalten, Blättern, Datenquelle auf dem Client oder Server, editierbare Zellen und formatierbare Zellinhalte: es wäre schön, wenn es eine in den Browser eingebaute, über Standard-Sprachelemente ansprechbare Komponente gäbe, die all das bietet. Aber davon sind wir noch weit entfernt.[4]
<p/><p/>
Andererseits genügen oft die Standardfunktionen der HTML-<code><table></code> für eine einfache Darstellung tabellenförmiger Daten: immerhin gibt es eingebaut bereits Kopf- und Fußzeilen, über Zeilen wie auch über Spalten verbindbare Zellen, Beschriftungen, editierbare Zellen und ein komfortables, <a href="https://html.spec.whatwg.org/multipage/tables.html">auf Tabellendaten zugeschnittenes DOM-API</a>.
<p/><p/>
Für strukturierte Daten nehmen wir das gute alte Standardbeispiel, einen Umsatzbericht: ein Unternehmen habe in seiner Nordgruppe 15.273 Mio. $, in der Südgruppe nur 10.358 Mio. $ erwirtschaftet. Diese Daten mögen von irgendwoher kommen, z.B. durch einen Ajax-Request vom Server. Dann liegen sie in Form von JavaScript-Daten vor, z.B.
<pre class="sh_javascript">[
["North","15.273 M$"],
["South","10.358 M$"]
]</pre>
Schön wäre nun die Möglichkeit, diese Daten in ein Tabellenobjekt zu übernehmen (das dann in den HTML-DOM eingebunden wird), etwa so:
<pre class="sh_javascript">var t = new ui.Table()
t.addHeader(["Region","Revenue"])
t.addData([
["North","15.273 M$"],
["South","10.358 M$"]
])
</pre>
<p/><p/>
Nehmen wir ferner an, wir haben einen Bereich (repräsentiert durch ein <code><div></code>-Element) als Behälter für eine dynamisch zu erstellende Tabelle, auf den wir im JavaScript mit einer Konstanten <code>tableContainer</code> zugreifen. Dann würden wir die Tabelle mit dieser <code>appendChild()</code>.Anweisung präsentieren:
<pre class="sh_javascript">tableContainer.appendChild( t.table )</pre>
Mit einer Prise CSS für <code>thead td</code>, <code>tbody td</code> und <code>tbody td:first-child</code> gewürzt, erscheinen die Daten dann wie folgt:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhUPXh7MdOQlXEe-vuAytepVjWU3IxJHMYo8_Iwqd4IPdeuD5SbeYqvpgzYRPUgm8HSgNw0LgF14AQqDofepWiEyr5jRgT84LPT2kGFEU2KiCVDWIB73vQEQWVAsPzX00OmiOQGsoysvIg9/s1600/table.PNG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhUPXh7MdOQlXEe-vuAytepVjWU3IxJHMYo8_Iwqd4IPdeuD5SbeYqvpgzYRPUgm8HSgNw0LgF14AQqDofepWiEyr5jRgT84LPT2kGFEU2KiCVDWIB73vQEQWVAsPzX00OmiOQGsoysvIg9/s178/table.PNG" width="178" height="115" data-original-width="178" data-original-height="115" /></a></div>
<p style="clear:both;"/>
Hier nun der JavaScript-Code für eine Klasse, die das leistet - wir verwenden die Klassen-Syntax von ES6 sowie die eingebauten DOM-API-Funktionen für Tabellen wie <code>insertRow()</code>, <code>insertCell()</code> usw. Die Klasse ist eine Art Scharnier zwischen den Rohdaten und dem Markup für deren Präsentation.
<pre class="sh_javascript">class Table {
constructor() {
this.table = createElement("TABLE")
this.thead = this.table.createTHead()
this.tbody = this.table.createTBody()
}
// Expects an array, containing the header texts
addHeaders(headers) {
var tr = this.thead.insertRow()
for (let col of headers) {
tr.insertCell().textContent = col
}
return this
}
// Expects an array of arrays, containing cell data
addData(data) {
for (let row of data) {
let tr = this.tbody.insertRow()
for (let cell of row) {
tr.insertCell().textContent = cell
}
}
return this
}
}
</pre>
Mit dieser Klasse ist ein Grundstock gelegt, der sich bei Bedarf erweitern läßt. So genügte es mir schon für <i>diese</i> Anwendung nicht mehr, nur Werte als Tabellendaten zu übergeben: ich wollte auch pro Zelle ein Objekt mit Attributwerten übergeben können, etwa eine oder mehrere CSS-Stilklassen für das <code><td></code>-Element. Daher habe ich die Methode <code>addData()</code> wie folgt umgeschrieben:
<pre class="sh_javascript"> addData(data) {
for (let row of data) {
let tr = this.tbody.insertRow()
for (let cell of row){
let td = tr.insertCell()
if (typeof cell == "object") {
setAttributes(td,cell)
} else {
td.textContent = cell
}
}
}
return this
}
...
// ----------------------------------------------------------------------------
// Set attributes on a (given) element
// ----------------------------------------------------------------------------
function setAttributes(e,atts) {
if (atts) {
for (let a in atts) {
if (a=="childNodes") {
for (let n of atts[a]) e.appendChild(n)
} else if (a=="textContent" || a=="innerHTML") {
e[a] = atts[a]
} else if (a=="classList") {
atts[a].forEach(c=>e.classList.add(c))
} else {
e.setAttribute(a,atts[a])
}
}
}
}
</pre>
Die Funktion <code>setAttribute()</code>, die hierbei abfiel, ist für beliebige Elemente verwendbar, nicht nur für den konkreten Fall der Tabellenzellen.
<h2 id="sub-07a">Editierbarkeit mit <code>contenteditable</code></h2>
Wenn man einem HTML-Element (hier: den mit <code><td></code> beschriebenen Tabellenzellen) das Boolesche Attribut <code>contenteditable</code> gibt, so verwandelt sich ihr textförmiger Inhalt in ein Eingabefeld, wenn der Benutzer darauf klickt. Er kann dann Text eingeben, und standardmäßig wird er bereits in das Element übernommen, wenn der Benutzer seine Eingabe abschließt, indem er beispielsweise den Focus wechselt.
<p><p>
Wenn die Eingaben darüberhinaus noch im eigenen JavaScript-Code weiterverwendet werden sollen, kann man sich für das Ereignis <code>input</code> registrieren, das allerdings nach jeder Eingabe ausgelöst wird, also nach jedem eingegebenen Buchstaben eines Wortes. Ein Ereignis für eine vollständig abgeschlossene Eingabe gibt es nicht (also für den Zeitpunkt, wenn sich das Eingabefeld wieder schließt und das Element wieder in ein reines Textanzeigeelement verwandelt).
<p><p>
In unserer Anwendung geben wir im <code>editMode</code> allen generierten Zellen das Attribut <code>contenteditable</code>. Nach den Benutzereingaben wollen wir die geänderten Texte in das jeweilige <code>Properties</code>-Objekt übernehmen. Dazu registrieren wir uns für das <code>input</code>-Event auf der Ebene des <code>tableContainer</code>-Elements:
<pre class="sh_javascript">tableContainer.addEventListener("input",handleInput)</pre>
Nun ist der <code>tableContainer</code> nur ein Bereich, der potentiell mit einer Tabelle gefüllt wird und dann erst editierbare Tabellenzellen enthält. Wir kommen aber mit dieser einen Registrierung auf Ebene des umfassenden Bereichs aus, weil nicht abgefangene Events aufsteigen (<i>bubbling up</i>), bis sie auf einen Ereignisbehandler stoßen. Das erste, was wir daher im Eventbehandler prüfen, ob das originale Element, das das Event ausgelöst hat, wirklich eine Tabellenzelle ist:
<pre class="sh_javascript">// -------------------------------------------------------------------
// The user edited cell content
// -------------------------------------------------------------------
function handleInput(e) {
var cell = e.target
if (cell.nodeName != "TD") return
// Value before change
var oldValue = cell.getAttribute("data-old-value")
// Current value = value after change
var newValue = getCellText( cell )
// Leave if there were no changes
if (newValue == oldValue) return
// Key (first column) or value (subsequent columns) changed?
if (cell.cellIndex == 0) {
// Key changed
if (newValue.match(/\S/)) {
updateKey( cell )
}
} else {
// Value changed
var key = getCellText( cell.parentNode.firstElementChild )
updatePropertyValue(
cell.cellIndex-1,
key,
newValue)
}
// Save this change
cell.setAttribute("data-old-value",newValue)
// Mark blank cells
cell.classList.toggle("empty",!/\S/.test(newValue))
// Recompute button states
fieldSelection()
}
</pre>
Danach müssen wir unterscheiden, ob ein Schlüssel (erste Spalte der Tabelle, also <code>cell.cellIndex == 0</code>) oder ein Wert (<code>cell.cellIndex > 0</code>) geändert wurde. Im ersten Fall müssen die in den einzelnen <code>Property</code>-Files angegebenen Werte dem neuen Schlüsselwert zugeordnet werden, während die alte Schlüssel/Wert-Paarung gelöscht wird. Wurde ein Wert geändert, muß dagegen diese Änderung nur in dem betroffenen <code>Property</code>-Objekt nachgezogen werden.
<h2 id="sub-07b">Einen Wert löschen</h2>
Das <code>contenteditable</code>-Attribut reicht nicht aus, um dem Benutzer auch die Möglichkeit zu bieten, einen Wert oder eine ganze Zeile von Schlüssel/Wert-Paaren <i>zu löschen</i>. Hierfür sehen wir im <code>editMode</code> ein kleines <code>✖</code> am rechten Rand der Zelle vor, das als Schaltfläche zum Löschen fungiert.
<p><p>
Die HTML-Struktur einer Zelle, die die Löschfunktion anbietet, ist nun
<pre class="sh_html"><td data-old-value="Behalten" title="Defined in row 1" contenteditable="true">
Behalten
<div class="delete" contenteditable="false">✖</div>
</td></pre>
<p><p>
Aus Effizienzgründen ist es sinnvoll, die "Verzierung" mit der Löschfunktion erst dann einzubauen, wenn sie auch wirklich benötigt wird, d.h. beim Event <code>mouseover</code>. Wir registrieren also den Behandler
<pre class="sh_javascript">if (editMode) tableContainer.addEventListener("mouseover",handleOnMouseOver)</pre>
Wieder prüfen wir, wenn das Ereignis ausgelöst wird, zuerst, ob das auslösende Element wirklich eine Tabellenzelle ist:
<pre class="sh_javascript"> // In change mode, offer the "delete" icon
function handleOnMouseOver(e) {
var cell = e.target;
// Only on table cell level
if (cell.nodeName != "TD") return
// If the value is missing anyway, "delete" makes no sense
if (cell.classList.contains("missing")) return
// An empty cell requires a real text node as first child
// Otherwise, the "contentEditable" attribute won't work properly
if (cell.classList.contains("empty")) setCellText(cell," ")
// Not if the icon had already been created earlier
var deleteArea = cell.querySelector(".delete")
if (!deleteArea) {
// First mouseover: create it
deleteArea = document.createElement("div")
// Mark the div as delete area
deleteArea.className = "delete"
// It's not editable, unlike the rest of the cell
deleteArea.contentEditable = false
// The icon as unicode symbol:
deleteArea.textContent = "✖"
// Plug it into cell
cell.appendChild(deleteArea)
// Attach the "handleDelete" function
deleteArea.addEventListener("click",handleDelete)
}
}
</pre>
Wurde das Ereignis wirklich in einer Zelle ausgelöst, so bauen wir das Lösch-Handle ein, falls es nicht bereits existierte (von einem früheren <code>mouseover</code> erzeugt), und registrieren den Behandler <code>handleDelete</code> zur Ausführung des Löschens.
<p><p>
Dieses Lösch-Handle fällt nun etwas aus dem Rahmen: es gehört zwar zu der Zelle, die wir mit <code>contenteditable</code> markiert haben, ist aber selbst nicht editierbar. Es muß also von der Editierbarkeit explizit ausgeschlossen werden. Auch können wir nun den in der Zelle eingegebenen Text nicht einfach mit dem Attribut <code>textContent</code> ansprechen, da dieses Attribut auch die Textinhalte untergeordneter Elemente liefert. Daher brauchen wir eigene Funktionen zum Lesen und Schreiben von Text in den Zellen:
<pre class="sh_javascript">// -------------------------------------------------------------------
// Read a value from a table cell
// -------------------------------------------------------------------
function getCellText(cell) {
// Check the first text node only
var text = cell.firstChild && cell.firstChild.data || ""
// If the cell is marked empty, the content is ""
if (!text.match(/\S/) && cell.classList.contains("empty")) return ""
return text
}
// -------------------------------------------------------------------
// Set a table cell with a value
// -------------------------------------------------------------------
function setCellText(cell,text) {
if (cell.childNodes.length == 0 || cell.firstChild.nodeType == Node.TEXT_NODE) {
var textNode = document.createTextNode(text)
cell.insertBefore(textNode,cell.firstChild)
}
else {
cell.firstChild.data = text
}
}
</pre>
Was geschieht nun bei Click auf "Löschen"?
<pre class="sh_javascript">// -------------------------------------------------------------------
// Delete one or several key/value pairs
// -------------------------------------------------------------------
function handleDelete(e) {
if (!e.target.classList.contains("delete")) return
var cell = e.target.parentElement
var row = cell.parentElement
var key = getCellText( row.firstElementChild )
var value = getCellText( cell )
// Does the cell belong to the column of a single properties file?
var index = cell.cellIndex
if (index > 0) {
// Delete value in a single properties file
propList[index-1].deleteValue(key,value)
} else {
// Delete values of that row from all properties files
propList.forEach((p,i)=>p.deleteValue(key,getCellText(row.cells[i+1])))
}
compare(propList)
e.stopPropagation()
fieldSelection()
}</pre>
Die Information über die zu löschenden Werte werden ermittelt,
danach wird die <code>deleteValue()</code>-Methode der entsprechenden <code>Property</code>-Objekte aufgerufen.
Ist dies erfolgt, wird der Vergleich der <code>Property</code>-Objekte neu aufgerufen, und schließlich die Feldauswahl.
Das weitere Aufsteigen des Click-Events in der DOM-Hierarchie muß hier unbedingt verhindert werden (mittels
<code>e.stopPropagation()</code>, da das Click-Event sonst auch noch den Editiermodus für die betreffende Zelle öffnen
würde, wenn es beim <code><td></code>-Element angekommen ist.
<h2 id="sub-08">Die node-webkit-Anwendung</h2>
Die JavaScript-Plattform <a href="https://nwjs.io/">node-webkit</a> (auch unter dem neuen Namen <code>nwjs.io</code>) würde es erlauben, eine Anwendung mit HTML-UI zusammen mit der nodejs-Laufzeit in eine ausführbare Datei zu packen (genauer: je Zielsystem eine, also eine für Windows, eine für Linux, eine für Mac). Diese Lösung finde ich unelegant, da der Hersteller einer Software riesige redundante Datenmengen im Weltnetz herumschleudert: wenn er effizient und ohne Redundanzen entwickelt, benötigt die Logik seiner Applikation vielleicht nur 50 KB, aber die ausführbare Datei kann locker tausendmal so groß werden. Dem steht natürlich der Vorteil gegenüber, daß der Anwender keinen separaten Installationsaufwand hat, da er node und webkit nicht separat installieren muß. Als Vorteil könnte man auch ansehen, daß node und webkit in der ausführbaren Version auf einem festen, eingefrorenen Stand sind. Es kann nicht zu einem Abbruch der Anwendung aufgrund inkompatibler Erweiterungen von node und webkit kommen.
<p><p>
Wie auch immer. Meine bevorzugte Version ist ein Icon nwjs auf dem Desktop, auf das ich per Drag und Drop den Ordner mit meinen Anwendungsressourcen ziehen kann, um sie zu öffnen und auszuführen. Einzig notwendig ist dafür, daß der Ordner ein <code>package.json</code> File mit Angaben für die nwjs-Laufzeit enthält. Wichtigste Angabe ist <code>main</code>, das eine URL für das Start-HTML (das <code>index.html</code>) enthalten muß, mit dem die Applikation beginnt. Dies ist in der Regel eine File-URL, kann aber auch eine http-URL sein. Für eine Anwendung wie diese, deren Ressourcen vollständig aus dem Web geladen werden, genügt es, daß der Ordner die Datei <code>package.json</code> enthält.
<p><p>
So sieht das <code>package.json</code> für den Property Editor aus:
<pre class="sh_javascript">{
"name": "propcmp",
"main": "http://ruediger-plantiko.net/property-editor/?edit",
"node-remote": "http://ruediger-plantiko.net",
"window": {
"width":1800,
"height":1200
}
}</pre>
Man kann Angaben zur Fenstergröße, aber auch zum Resizing machen, könnte einen Fenstertitel angeben, weitere Browser-Plugins zulassen u.a.m. Es gibt eine <a href="http://wiki.commonjs.org/wiki/Packages/1.0">Spezifikation</a> für derartige Package-Files von CommonJS-Anwendungen, allerdings interpretiert nwjs nur einen Teil der dort spezifizierten Felder.
<h2 id="sub-09">Dateiauswahl</h2>
Die Applikation ist eine reine Client-Applikation. Datenquelle ist das Dateisystem. Die Daten, die der Benutzer anzeigen oder bearbeiten will, sind <code>.poperties</code>-Dateien auf seiner Festplatte. Nun ist in Browser das Arbeiten mit dem Dateisystem gewissen Restriktionen unterworfen, aber die Auswahl und das Einlesen von Dateien sind möglich. Was im Browser aber nicht geht, ist das Speichern und die Verwendung von Dateinamen im JavaScript-Layer.
<p><p>
In HTML5 wurde eine <a href="https://developer.mozilla.org/en-US/docs/Web/API/File">File API</a> eingeführt, eine Klasse für dateiartige Objekte, Spezialisierung der Klasse <a href="https://developer.mozilla.org/en-US/docs/Web/API/Blob">Blob</a>, die beliebige, nicht änderbare Rohdaten repräsentiert. Es können Dateiobjekte mit JavaScript-generiertem Inhalt erzeugt werden, z.B. kann man Graphiken dynamisch generieren und im Browser anzeigen oder zum Download anbieten, ohne daß der Server hierfür etwas tun müßte. Dateiobjekte können auch mit der Klasse <a href="https://developer.mozilla.org/en-US/docs/Web/API/FileReader">FileReader</a> gelesen und ausgewertet werden – und natürlich an den Server hochgeladen werden.
<p><p>
Zur Eingabe von Dateien gibt es das Element <code><input type="file"></code>. Es ist an den Dateiauswahldialog des jeweiligen Betriebssystems angeschlossen. Mehrfachauswahl ist mit dem Booleschen Attribut <code>multiple</code> möglich. Hat der User seine Auswahl durch Druck auf "Öffnen" bestätigt, löst das Element ein <code>change</code>-Event aus und stellt die ausgewählten Dateien in Form von <code>File</code>-Objekten in seinem DOM-Listenattribut <code>files</code> zur Verfügung. Diese <code>files</code> kann man dann in seinem Ereignisbehandler verwenden.
<p><p>
Leider ist man mit diesem Dateiauswahldialog sehr nah am Betriebssystem, verläßt gleichsam die reine Browser-Ebene. Die Darstellung des Dialogs und des <code><input type="file"></code>-Elements lassen sich kaum beeinflussen. Das <code><input type="file"></code>-Element wird wie ein Standardbutton dargestellt, die Zuweisung von Stilklassen für Rahmen, Hintergrundfarbe usw. bleibt wirkungslos.
<p><p>
Die einfachste <a href="http://stackoverflow.com/a/25825731/1092785">Lösung</a> für dieses Problem ist, dem Eingabeelement einen <code><label></code> zuzuordnen und das Eingabeelement selbst unsichtbar zu machen. Indem das <code><label></code>-Element mit dem <code>for</code>-Attribut dem (unsichtbaren) Eingabeelement zugeordnet wird, übernimmt es dessen Funktion (auch bei Click auf den Label erscheint der Auswahldialog, und nach erfolgter Auswahl löst das Eingabeelement das <code>change</code>-Event aus).
<p><p>
Mit diesem Wissen implementiert man also eine Dateiauswahlmöglichkeit im HTML-Dokument wie folgt:
<pre class="sh_html"> <div>
<input type="file" multiple id="property-files">
<label class="button" for="property-files" data-action="choose-files">
Choose files
</label>
<div class="additional-info" id="selected-files">No files selected</div>
</div>
</pre>
Das Element <code><div class="additional-info" id="selected-files"></code> soll dabei die Namen der vom Benutzer ausgewählten Dateien anzeigen, es muß bei jedem <code>change</code> aktualisiert werden.
<p><p>
Das <code><label class="button"></code> ist dann per CSS so eingerichtet, daß es wie ein Button aussieht (was gar nicht so schlimm gelogen ist, da es ja auch wie ein Button funktioniert):
<pre class="sh_sourceCode">button, label.button {
background-color: blue;
color: white;
padding: 4px 8px;
font-weight: bold;
font-size:11pt;
margin: 7px 1px;
border: solid gray 1px;
cursor:pointer;
}
input[type=file] {
display:none;
}</pre>
Die Registrierung des <code>change</code>-Behandlers erfolgt dann ganz normal über <code>addEventListener</code>:
<pre class="sh_javascript"> const inputFiles = document.getElementById("property-files")
...
inputFiles.addEventListener("change",handleChooseFiles)</pre>
Der Ereignisbehandler selbst liest dann die Dateien ein, stellt sie dar und aktualisiert den Statustext <code>#selected-files</code>:
<pre class="sh_javascript">// -------------------------------------------------------------------
// The user selected some files via button "Choose files"
// -------------------------------------------------------------------
function handleChooseFiles(evt) {
var files = Array.from(this.files)
var status
if (files.length) {
status = files.map(f=>f.name).join(',')
reload(files)
}
else {
status = "No files selected"
}
document.getElementById("selected-files").textContent = status
}
</pre>
<p><p>
Die Entwickler von <a href="https://nwjs.io/">node-webkit</a> haben wegen dieser Unzulänglichkeiten im HTML erwogen, ein eigenes API für die Dateiauswahl zu entwickeln, was natürlich technisch möglich wäre. Letztlich haben sie zugunsten der Standardkompatibilität <a href="https://github.com/nwjs/nw.js/wiki/file-dialogs">entschieden</a>, die Dateiauswahl ebenfalls wie die Browser über das Element <code><input type="file"></code> zu steuern. Der obige Code verhält sich also in einer node-webkit-Anwendung identisch wie in einem Browser.
<p><p>
Anzumerken ist noch, daß ein <a href="https://developer.mozilla.org/en-US/docs/Web/API/File">File</a>-Objekt im normalen Webmodus aus Sicherheitsgründen die Information über den Pfad der Datei verbirgt. Bekommt die Webseite aber höhere Zugriffsrechte, so enthält das File-Objekt auch ein Attribut <code>path</code> mit dem Dateipfad. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn die Seite als UI einer nwjs-Anwendung eingesetzt wird.
<h2 id="sub-10">Das Datenmodell - die Klasse <code>Properties</code></h2>
Als Modell für <code>.properties</code>-Dateien verwende ich eine Klasse <code>i18n.Properties</code>. Sie nimmt im Konstruktor einen Dateinamen und einen Array von Textzeilen entgegen, woher auch immer dieser Array kommt. Es gibt also keine Verknüpfung mit der File-Klasse, die Textzeilen könnten auch aus einer <code><textarea></code> genommen werden, in die sie der Benutzer manuell eingibt, oder per HTTP-Request von einer entfernten Quelle (z.B. als Konfigurationsdatei für eine Web-Anwendung, die beim Laden gelesen wird). Die Klasse wird darüberhinaus auch von der konkreten <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Zeilenumbruch#Codierung_des_Zeilenumbruchs">Codierung des Zeilenumbruchs</a> unabhängig, die ja je Betriebssystem variieren kann.
<p><p>
Die Textzeilen werden nun einzeln dem Parser vorgelegt, der in einer eigenen Klasse <code>PropertyRow</code> implementiert ist, und durch Instanzen dieser Klasse ersetzt: das ist buchstäblich ein <a href="https://developer.mozilla.org/de/docs/Web/JavaScript/Reference/Global_Objects/Array/map">Array.map()</a>, der den Text der Zeile in ein geparsedes Objekt verwandelt.
<p><p>
Mit Hilfe eines regulären Ausdrucks läßt sich der Parser für die <code>.properties</code>-Syntax sehr kompakt notieren:
<pre class="sh_javascript"> parseRow(row) {
var o = {}
// Parse text line into structured PropertyRow object
// Using a regex, which represents the rules
// - Arbitrary whitespace at the beginning allowed
// - Followed by a 'key=value' instruction, where key must not contain '#'
// - Or followed by a '#' and arbitrary more characters ( = comment )
// - A line consisting only of whitespace is allowed
row.replace(
/\s*(?:(?:([^#=\s]+)\s*=(.*))|#\s*(.*?)\s*$)/,
(match,key,value,comment)=>
Object.assign(o, {
key:key,
value:value,
comment:comment
}))
if (Object.keys(o).length == 0) {
o = (/\S/.test(row)) ? { error:true, input:row } : { blank: true, comment: "" }
}
if (o.key && !/\S/.test(o.value)) o.empty = true
return o
}</pre>
<p><p>
Im Konstruktor der Klasse <code>PropertyRow</code> wird das vom Parser erzeugte einfache JavaScript-Objekt in die gerade entstehende Instanz von <code>PropertyRow</code> injiziert:
<pre class="sh_javascript"> constructor(row) {
if (row!==undefined) {
Object.assign(this,this.parseRow(row))
}
}</pre>
<p><p>
Für Zeilen, die ein Schlüssel/Wert-Paar enthalten, werden Schlüssel und Wert als eigene Komponenten <code>key</code> und <code>value</code> fortgeschrieben. Kommentare, erkennbar an ihrer Einleitung mit einem Doppelkreuz <code>#</code>, landen in der Komponente <code>comment</code>. Leerzeilen werden mit dem Booleschen Attribut <code>blank</code> markiert. Ist nur der Wert leer, erhält das <code>PropertyRow</code>-Objekt das Attribut <code>empty</code>.
<p><p>
Zeilen, die nicht dem erlaubten Format entsprechen, werden als fehlerhaft markiert, bleiben aber im Array erhalten, solange ihre Entfernung durch Aufruf der Methode <code>stripErrors()</code> nicht ausdrücklich gefordert wird.
<p><p>
Das <code>Properties</code>-Objekt ist auch modifizierbar. Sobald <i>erstmalig</i> etwas geändert wurde, wird eine Kopie der Instanz erzeugt und im Attribut <code>old</code> gespeichert. Das virtuelle Attribut <code>dataLoss</code> gibt die Information zurück, ob etwas geändert wurde:
<pre class="sh_javascript">//-----------------------------------------------------------------------
// Have data been changed
//-----------------------------------------------------------------------
get dataLoss() {
return !!this.old
}
</pre>
Das <code>Properties</code>-Objekt kann nach den Schlüsseln sortiert werden. Dabei werden Kommentare, die einem Name/Wert-Paar vorangehen, mitsortiert. Eine Präambel aus Kommentaren, die das Dokument einleitet, bleibt auch beim Sortieren am Anfang stehen. Das Ende der Präambel muß allerdings durch eine Leerzeile erkannt werden, da sie sonst mit dem einleitenden Kommentar des ersten Name/Wert-Paars verwechselt werden kann.
<h2 id="sub-11">Der Dateivergleich</h2>
Die Hauptfunktion der ganzen Anwendung ist der Vergleich mehrerer Property Files. Dafür wurde sie auch geschrieben: wenn Property Files für die Ablage sprachabhängiger Texte verwendet werden, ist es nützlich, ein Werkzeug zu haben, das die Texte in den verschiedenen Sprachen vergleicht. Sind die Texte zu einem Schlüsselwert in allen Sprachen gepflegt? Kommen Texte zu einem Schlüssel mehrfach vor (was eigentlich weder erwünscht noch erlaubt ist, aber natürlich passieren kann)?
<p/><p/>
Für diese Aufgabe gibt es die Funktion <code>i18n.compareProperties(propList)</code>. Das Argument <code>propList</code> ist ein Array von <code>Properties</code>-Objekten. Das Ergebnis ist eine nach Schlüsseln sortierte Tabelle (als Array von Arrays), mit den Schlüsselwerten als erster Spalte und danach einer Spalte für jedes der übergebenen <code>Properties</code>-Objekte. Kommen Schlüssel mehrfach vor, so werden zu diesem Schlüssel mehrere Zeilen erzeugt - gerade soviele, um alle Vielfachheiten in allen <code>Properties</code>-Objekten darzustellen.
<p><p>
In jeder Zelle ab der zweiten Spalte wird ein JavaScript-Objekt übergeben, das im Attribut <code>value</code> den Wert und in <code>title</code> einen Kommentar (z.B. den Hinweis, in welcher Zeile der Datei dieser Eintrag gefunden wurde) enthält. Enthält der Wert nur Leerzeichen, so ist das Boolesche Attribut <code>empty</code> gesetzt. Fehlt zum Schlüssel dieser Zeile ein Wert, so ist das Boolesche Attribut <code>missing</code> gesetzt (das kann auch so sein, wenn für einen Schlüssel in einem Dokument mehrere Werte existieren, in einem anderen nur einer).
<p/><p/>
Die Übergabestruktur ist nicht HTML-spezifisch, die Funktion könnte daher auch in völlig anderen UIs verwendet werden.
<h2 id="sub-12">Unit Tests</h2>
Um das Modul <code>i18n</code> mit Unit Tests abzusichern, verwende ich das Testframwework <a href="https://mochajs.org/">Mocha</a> in Kombination mit der <a href="http://chaijs.com/">Chai Assertion Library</a> (in seinem "klassischen" TDD flavour).
<p/><p/>
Mocha läßt sich sowohl als Kommando unter <code>nodejs</code> aufrufen, als auch im Web in einer Testseite. Am Anfang meines Testfiles <code>i18n.test.js</code> kann ich die Tatsache, ob es gerade im Desktop unter <code>nodejs</code> oder im Browser in der Testrunner-Seite aufgerufen wird, daran, ob die globale Variable <code>window</code> existiert (Browser) oder nicht existiert (Desktop). Je nach Umgebung lade ich das zu testende Modul <code>i18n</code> mittels nodejs, oder weiß bereits, daß es existiert (weil es in der Testseite via <code><script></code> includiert wurde).
<pre class="sh_javascript">// Setup the test frameworks, depending on environment
if (typeof window == "undefined") {
// My desktop environment (mocha / nodejs)
let mut = process.env.MODULE_UNDER_TEST
i18n = require(mut).i18n
assert = require('chai').assert
} else {
// Browser (via testrunner page)
i18n = window.i18n
assert = chai.assert
}
</pre>
Im Editor UltraEdit habe ich mir einen Menüpunkt <code>make test</code> konfiguriert, der genau dieses Kommando im aktuellen Verzeichnis aufruft. Die Aktion <code>test</code> ist im Makefile wie folgt definiert:
<pre class="sh_sourceCode">test:
@H:/uedit32/tools/nodejs-test.bat H:/Documents/i18n/i18n.js
.PHONY: test</pre>
Das Batchfile <code>nodejs-test.bat</code>, auf das ich mich hier beziehe, enthält folgende Anweisungen:
<pre class="sh_sourceCode">@echo off
set NODE_PATH=C:/Program Files/nodejs/node_modules
set MODULE_UNDER_TEST=%1
"C:/Program Files/nodejs/node_modules/.bin/mocha" -u tdd</pre>
Im Ultraedit werden mir nun während des Entwickelns die Ergebnisse der Unit Tests im Ausgabefenster angezeigt:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEitn3v3w54vfCnsfPLnyn-GTXjofTT0Rl4hga5zyWKduXqltgP5xSmGELZEqjk3hxVLriDYc4MWJ3DjGXGlB1AL9sJjJTfHyX6uTsSew_wQdTAv2VQpQA1tboNVgFMjtSLH1tmE-pnrL0GF/s1600/unittests.PNG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEitn3v3w54vfCnsfPLnyn-GTXjofTT0Rl4hga5zyWKduXqltgP5xSmGELZEqjk3hxVLriDYc4MWJ3DjGXGlB1AL9sJjJTfHyX6uTsSew_wQdTAv2VQpQA1tboNVgFMjtSLH1tmE-pnrL0GF/s400/unittests.PNG" width="400" height="278" data-original-width="1296" data-original-height="902" /></a></div>
<p style="clear:both;">
Ich kann aber auch diese HTML-Testseite im Browser aufrufen, dort kann ich mit der <i>Developer Toolbar</i> den Code auch debuggen:
<pre class="sh_html"><!DOCTYPE html>
<html>
<head>
<meta charset="utf-8" />
<title>Property Files - Unit Tests</title>
<link rel="stylesheet" type="text/css" href="mocha.css">
</head>
<body>
<h1>Property Files - Unit Tests</h1>
<div class="samples">
<div id="mocha"></div>
<script src="https://cdnjs.cloudflare.com/ajax/libs/mocha/3.4.1/mocha.js"></script>
<script src="https://cdnjs.cloudflare.com/ajax/libs/chai/3.5.0/chai.min.js"></script>
<!-- Code to test: -->
<script src="../i18n.js"></script>
<!-- Test files: -->
<script>
mocha.setup("tdd")
</script>
<script src="i18n.test.js"></script>
<script>
mocha.run();
</script>
</body>
</html></pre>
Hier ist der Link auf die Testrunnerseite
<blockquote><a href="http://ruediger-plantiko.net/property-editor/test/">http://ruediger-plantiko.net/property-editor/test/</a></blockquote>
Die Resultatseite erscheint so in einem Chrome Browser:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjj8Wy19e5aMKL6nkbLdhVAJpjkHfnDBCNh7XRc9jot41PoXOnoeXeiTFnGQFP1qPlljCIgdeoxVnWrHGmd_WKI3CZTH77-L8LhgqQCl9Un0pjxoer-z053wHiPquIm7ZcNfogSkfDgLOow/s1600/testrunner.PNG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjj8Wy19e5aMKL6nkbLdhVAJpjkHfnDBCNh7XRc9jot41PoXOnoeXeiTFnGQFP1qPlljCIgdeoxVnWrHGmd_WKI3CZTH77-L8LhgqQCl9Un0pjxoer-z053wHiPquIm7ZcNfogSkfDgLOow/s400/testrunner.PNG" width="400" height="255" data-original-width="1494" data-original-height="953" /></a></div>
<p style="clear:both;">
<p>
<h2>Fußnoten</h2>
[1] Lediglich dem JavaScript mußte ich in jener Zeit noch mit dem Framework <a href="http://prototypejs.org/">Prototype </a>etwas auf die Beine helfen, und auch nur, um es flüssiger und lesbarer zu machen - inzwischen sind auch solche Frameworks, auch das verbreitete <a href="https://jquery.com/">jQuery</a>, weitgehend überflüssig.<br>
[2] Wobei XML weiterhin bleiben wird, es hat seine ganz besonderen Stärken wie Typsicherheit dank <a href="https://www.w3.org/XML/Schema">XML Schema</a> und die gute Transformierbarkeit in andere Formate dank <a href="https://www.w3.org/TR/xslt">XSLT</a>. Behalten wir seine Nähe zu HTML im Hinterkopf - und daß es auch in allen gängigen Browsern nativ unterstützt wird. <br>
[3] Selbst das Sorgenkind IE/Edge ist mittlerweile zu einem tolerierbaren Erwachsenen herangewachsen, über dessen Leistungen man zwar nicht in Begeisterungsstürme verfällt, aber der immerhin seine Arbeit mehr oder weniger befriedigend macht.<br>
[4] Soweit ich das überblicke, scheint es noch nicht einmal einen Working Draft für eine solche Komponente zu geben. Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-55209702271917866582017-02-12T21:40:00.007+01:002022-12-01T15:17:32.741+01:00Über direkte Demokratie<a href="#sub-0">Der Staat - Obrigkeit oder Instrument des Volkswillens?</a><br>
<a href="#sub-1">Volksentscheide</a><br>
<a href="#sub-2">Herrschaft, Macht und Volksherrschaft</a><br>
<a href="#sub-3">Die Systemfrage</a><br>
<a href="#sub-4">Die Gefahren des Machtmißbrauchs</a><br>
<a href="#sub-5">Gewaltentrennung</a><br>
<a href="#sub-6">Die unpolitische Masse</a><br>
<a href="#sub-7">Subsidiarität</a><br>
<a href="#sub-8">Vox Populi: Vox Dei oder Vox Rindvieh?</a><br>
<a href="#sub-9">Populisten und Demagogen</a><br>
<a href="#sub-10">Demokratie und Multikulti</a><br>
<a href="#sub-11">In die Demokratie eingebaute Verfallsfaktoren</a><br>
<a href="#sub-12">Fazit</a><br>
<p/><p/>
<h2 id="sub-0">Der Staat - Obrigkeit oder Instrument des Volkswillens?</h2>
Wer als Deutscher einige Zeit in der Schweiz lebt, der spürt unmittelbar, daß die Schweizer im allgemeinen ein besseres Verhältnis zu ihrem Staat haben als die Deutschen - es lebt in ihrem Bewusstsein, daß ihr Staat etwas ist, <i>das sie sich leisten</i> und der in seiner konkreten Ausprägung ihrem gemeinsamen Willen unterworfen ist.
<p></p><p>Dagegen fühlen sich Deutsche einer Obrigkeit unterstellt, die, selbst wenn sie sie wählen, nicht in ihrem Dienst steht, sondern ihnen als eine potentiell feindliche Gruppe gegenübersteht. Dasselbe Gefühl, nur von der anderen Seite, haben auch deutsche Politiker: obwohl allein durch Wahlen, also vom Volk legitimiert, fühlen sie sich vor dem Volk durch einen besonderen Sachverstand und ein besonders hohes Verantwortungsbewußtsein ausgezeichnet; je weiter sie in der Hierarchie nach oben gelangen, umso mehr glauben sie, einer Schicht anzugehören, deren Interessen antagonistisch zu denen ihres Volkes sind. Exemplarisch wird das im Ausspruch des <a href="https://www.youtube.com/watch?v=bfhxVkjQm3Q">Bundespräsidenten Gauck</a> deutlich: <i>Die Eliten sind gar nicht das Problem, die Bevölkerungen sind im Moment das Problem.</i>
</p><p></p><p>
</p><h2 id="sub-1">Volksentscheide</h2>
Mir erscheint das Verhältnis der Schweizer zu ihrem Staat als das gesündere; es mag eine Reihe historischer Gründe für diesen Unterschied geben – ein wichtiger Grund liegt aber sicher darin, daß in der Schweiz auf Bundesebene über politische Schicksalsfragen abgestimmt werden kann. Diese direkte Einflussmöglichkeit fördert das Bewußtsein, daß dieser Staat <i>ihr</i> Projekt ist und es um <i>ihre</i> eigenen Interessen geht.
<p></p><p>
Das legendäre Nein des Schweizer Volkes zum EWR-Beitritt (am 6. Dezember 1992) - wenn auch mit einer unglaublich knappen Mehrheit - zeugt, rückblickend gesehen, von einer grandiosen Weitsicht. Von Sorge um das Wohl des Schweizer Volkes getragen sind auch die Abstimmungen über die Begrenzung der Religionsausübungsfreiheit (<a href="http://ruediger-plantiko.net/microblog/die-combo-bekenntnis--und-ausuebungsfreiheit">in Deutschland schrankenlos</a> gemäss Art.4(2) GG) durch das Minarettverbot (am 29. November 2009) – eine deutliche Abgrenzung vom Islam – und die Rückkehr zum Einwanderungsreglement von vor 2007, also mit Kontingenten und Höchstzahlen (die <i>Masseneinwanderungsinitiative</i> (MEI) vom 9. Februar 2014, auch wenn die Umsetzung dieses Volksentscheides <a href="http://www.weltwoche.ch/ausgaben/2016-36/artikel/chronik-einer-angekuendigten-sabotage-die-weltwoche-ausgabe-362016.html">von der politischen Klasse sabotiert wurde</a>, was zugleich ein Durchsetzungsproblem der direkten Demokratie aufwirft).
</p><p></p><p>
Dem kann man in Deutschland als ein Beispiel von vielen die <i>Einführung des Euro</i> am 2. Mai 1998 entgegenhalten: sie geschah gegen den Willen des deutschen Volkes, und die Regierung wusste das. Kanzler Helmut Kohl sagte rückblickend in einem Interview: <i>Bei der Einführung des Euro war ich wie ein Diktator... Eine Volksabstimmung über die Einführung des Euro hätten wir verloren... und zwar im Verhältnis 7 zu 3.</i> [1] Auch hier muß man dem Volk einen größeren Weitblick als seinen Eliten attestieren: die Geschichte Deutschlands und Europas wäre sicher ganz anders verlaufen ohne diese desaströse EU-Währung und den Versuch, die Völker Europas von der Wirtschaft her, mit dem Hilfsmittel einer Währung, von oben zu einem neuen Kunstvolk nach dem Vorbild der USA zusammenzuschweißen.
</p><h2 id="sub-2">Herrschaft, Macht und Volksherrschaft</h2>
<i>Max Weber</i> lehrte uns, Macht von Herrschaft zu unterscheiden: während <i>Macht die Chance bedeutet, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht</i>, bedeutet Herrschaft <i>die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden.</i> [2] Der "soziologisch amorphen" Macht steht die in einem historischen und sozialen Kontext gegründete Herrschaft gegenüber. Vereinfacht gesagt, ist Herrschaft <i>gewollte Macht</i>: die Menschen, die bereit sind, dem Herrschaftsinhaber Gehorsam zu leisten, haben dabei das Wohl eines gemeinsamen Ganzen im Auge - ihres Volkes, in dem ihre Eigenexistenz und ihre Einzelperson verankert sind: damit das Volk blühen und gedeihen kann, müssen gewisse kollektive Aufgaben im Interesse aller geregelt werden.
<p></p><p>
Seit der Zeit der Aufklärung wurde es Mode zu glauben, alle Herrschaft vor dem Aufkommen der modernen parlamentarischen Demokratien wäre illegitim, nicht wirklich vom Volk gewollt gewesen. Das ist naiv. Selbstverständlich war auch die Herrschaft der Könige und Fürsten nicht bloß Macht, sondern Herrschaft im Weberschen Sinne. Ich hatte das bereits in meinem Blogpost <a href="/2014/07/gewollte-herrschaft.html">Gewollte Herrschaft</a> ausgeführt.
</p><h2 id="sub-3">Die Systemfrage</h2>
In einem intellektualistischen Zeitalter neigen wir dazu, die Frage nach dem konkreten Herrschaftssystem überzubewerten. Seit Platos <i>Politeia</i>-Träumereien war es eine grosse Versuchung für Intellektuelle, den ganzen Staatsaufbau idealerweise aus einigen einfachen Prinzipien herzuleiten und die Gesellschaft aus der als richtig erkannten Idee heraus neu zu formen.
<p></p><p>
In Abwandlung von <a href="https://www.staff.uni-mainz.de/pommeren/Gedichte/Busch/BuNachl/baehlamm.htm">Wilhelm Busch</a> könnte man formulieren
</p><blockquote>
(...)<br>
Im Durchschnitt ist man kummervoll<br>
und weiß nicht, was man machen soll.
<p></p><p>
Nicht so der Intellektuelle: kaum mißfällt<br>
ihm diese altgebackne Welt,<br>
so knetet er aus weicher Kleie<br>
eine einwandfreie neue.
</p></blockquote>
<p></p><p>
Das ist eine ungesunde Übertreibung des Theoretischen - mehr noch, es ist eine <i>Hybris</i>, die überall dort, wo sie sich Geltung verschaffen konnte, gewaltige Verheerungen angerichtet hat. Denn politische Systematiker haben die Neigung, gewachsene und eingespielte soziale Strukturen, auf denen das Funktionieren der Gesellschaft gründet, ohne viel Federlesens abzuschaffen, wenn sie nicht in ihr Schema von der idealen Gesellschaft passen.
</p><p></p><p>Vor allem ist die Systemfrage nicht von der überragenden Bedeutung, wie sie vielen erscheint. Es gibt wichtigere Dinge, die über das Gelingen oder Scheitern eines zivilisierten Gemeinwesens entscheiden. In der Hauptsache hängt das Gelingen eines Staates davon ab, daß in der Bevölkerung ein gemeinsamer moralischer Kompass existiert - daß der einzelne gewissermaßen moralisch eingenordet ist, daß er mit seinen Mitmenschen die Bereitschaft zum guten Handeln teilt und sich überhaupt mit seinen Mitmenschen - über alle persönlichen Sympathien und Antipathien hinausgehend - als Teil einer Gemeinschaft empfindet, sich um deren Wohl sorgt und bereit ist, für sie Opfer zu bringen, nicht nur Nutzen aus ihr zu ziehen.
</p><p></p><p>
Das stellt auch die Frage nach der Demokratie – gar der direkten, um die es hier geht, in die richtigen Relationen. Es sind grundsätzlich auch andere politische Ordnungen als die parlamentarisch-demokratische denkbar, in denen legitime Herrschaft ausgeübt wird und ein zivilisiertes Miteinander herrscht: die genannten Voraussetzungen – das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Bemühen des einzelnen, sich an den gemeinsamen moralischen Normen zu orientieren – sind viel entscheidender für Gedeih und Verderb der Gesellschaft als ihre historisch-konkrete politische Gestalt.
</p><h2 id="sub-4">Die Gefahren des Machtmißbrauchs</h2>
<i>Alle Macht geht vom Volk aus... und kehrt nie wieder dorthin zurück</i>, lautet ein alter sarkastischer Scherz. Menschen haben leider eine unausrottbare natürliche Neigung, die Macht, die ihnen einmal übertragen wurde, zu behalten, zu festigen, auszudehnen und für ihre persönlichen Zwecke auszunutzen. Ihre Machtposition birgt ein gewaltiges Schadensrisiko. Eine wirksame Möglichkeit, dieses Schadenspotential wenigstens begrenzt zu halten, besteht in der Kontrolle der Herrschenden durch das Volk, in dessen Dienst sie stehen.
<p></p><p>Gerade weil Völker nun einmal die relevanten politischen Subjekte darstellen, die den Angelpunkt politischen Denkens bilden müssen, kann einem jedes Mittel recht sein, um die politischen Repräsentanten möglichst eng an den Volkswillen zu binden. Gerade wenn man weiß, daß Korruption und Machtmißbrauch nicht aus der menschlichen Natur auszumerzen sind, sollte einem daran liegen, die Übertragung politischer Macht auf einzelne Volksvertreter möglichst risikoarm zu gestalten: beispielsweise ist es allgemeine Meinung, daß Volksvertreter nicht auf Lebenszeit, sondern nur für einige Jahre ein politisches Amt übernehmen sollten.
</p><p></p><p>
Um es mit Montesquieu zu sagen:
</p><blockquote>Die politische Freiheit ist nur unter maßvollen Regierungen anzutreffen. Indes besteht sie selbst in maßvollen Staaten nicht immer, sondern nur dann, wenn man die Macht nicht mißbraucht. Eine ewige Erfahrung lehrt jedoch, daß jeder Mensch, der Macht hat, dazu getrieben wird, sie zu mißbrauchen. Er geht immer weiter, bis er an Grenzen stößt. Wer hätte das gedacht: Sogar die Tugend hat Grenzen nötig.[3]</blockquote>
<h2 id="sub-5">Gewaltentrennung</h2>
Ein wichtiges Korrektiv, um Machtmißbrauch zu verhindern, ist auch die Grenzsetzung politischen Handelns durch das Recht, das von einer streng getrennten Judikative überwacht und gepflegt wird – also die Gewaltentrennung (der Begriff <i>Gewaltentrennung</i> ist nicht nur die korrekte Übersetzung aus dem englischen Original <i>separation of powers</i>, sondern drückt auch besser als "Gewalten<i>teilung</i>" aus, daß es nicht um eine Zusammenarbeit verschiedener, im Grunde gleichgeschalteter Herrschaftsbereiche geht, sondern um echte gegenseitige Kontrolle). Auch dieser Grundsatz der Gewaltentrennung <a href="http://www.gewaltenteilung.de/">ist in Deutschland nicht verwirklicht</a>, vor allem wegen der Ernennung der rechtsprechenden durch die exekutive und legislative Gewalt.
<p></p><p>
Wenn eine Gesellschaft beansprucht, auf eine bestimmte Weise verfasst zu sein, diese Verfassung aber nur auf dem Papier vorzufinden ist, gedeiht die Heuchelei. In dem Bewusstsein, daß selbst die grundlegendsten Prinzipien des Rechtsstaats nicht verwirklicht sind, erscheint auch jeder andere Rechtsbruch als eine läßliche Sünde. Bis in die höchsten politischen Kreise hinein (und dort mit den schlimmsten Auswirkungen) blüht die Mentalität des <i>Legal - illegal - scheißegal</i>, so daß wir ständig mit <a href="http://ruediger-plantiko.net/microblog/die-arroganz-der-macht">ungeahndeten Rechtsbrüchen</a> gewaltigen Ausmaßes durch die Exekutive konfrontiert sind.
</p><p></p><p>
Wie auch immer das Recht im einzelnen ausgestaltet ist - die <i>Rechtssicherheit</i> ist von entscheidender Bedeutung für ein zivilisiertes Gemeinwesen. Aus gutem Grund zitierte Papst Benedikt XVI. auf seiner <a href="https://www.bundestag.de/parlament/geschichte/gastredner/benedict/rede/250244">Rede vor dem Bundestag</a> am 22.9.2011 den Ausspruch des Hl. Augustinus:
</p><blockquote>Nimm das Recht weg – was ist dann ein Staat noch anderes als eine große Räuberbande? [4]</blockquote>
Jeder Bürger braucht Rechtssicherheit - für die Planung seiner Arbeit, seiner Unternehmungen, seines eigenen Lebens wie auch des seiner Familie. Rechtssicherheit gehört zu den kollektiven Gütern, für deren Erhalt wir uns einen Staat überhaupt leisten (darin ist sie z.B. der Infrastruktur ähnlich, nur fundamentaler).
<h2 id="sub-6">Die unpolitische Masse</h2>
Ein häufiger Einwand gegen direkte Demokratie – der genauso gegen Demokratie überhaupt angeführt werden kann – lautet: ein großer Teil der Bevölkerung sei doch an politischen Fragen sowieso desinteressiert, würde sich gar nicht um Politik kümmern.
<p></p><p>
Ja und? Es war so, seit es Menschen gibt: der vermutlich größte Teil der Menschen kreist um seine persönlichen Belange - sie bestellen ihre Scholle, kümmern sich um ihre Lieben und lassen ansonsten den Kaiser einen guten Mann sein. Daran ist auch nichts Verwerfliches. Schon der "Prediger" resümierte vor Jahrtausenden:
</p><blockquote>Darum merkte ich, daß nichts Besseres darin ist, denn fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein jeglicher Mensch, der da isst und trinkt, und hat guten Mut in seiner Arbeit, das ist eine Gabe Gottes. (Prediger 3,12-13)</blockquote>
<p></p><p>
Herrschaftssysteme kommen und vergehen, Monarchen und Präsidenten treten auf und ab, aber die Erde dreht sich weiter, und die grundlegende metaphysische Verfasstheit dieser Welt, die moralische Substanz und die Natur des Menschen bleiben sich gleich. Wieso sollte man es daher als ein Übel ansehen, wenn viele sich gar nicht um die Details kümmern? Sie arbeiten und kümmern sich um ihren Anteil am Ganzen - sie sind nicht Parteigenosse, nicht Bezirksrat oder Stadtpräsident, aber sie sind die tragenden Säulen der Gesellschaft: sie schaffen den Wohlstand, von dessen Zehnten die Eliten sich bloß nähren, hier lebt in gesunden Gesellschaften auch der Gemeinschaftsgeist und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Von Gnaden dieser schaffenden Menschen, und um dieser Menschen willen, existiert der ganze institutionelle Überbau ja überhaupt.
</p><p></p><p>
Auf die Frage der Abstimmungen bezogen, gilt natürlich: <i>Wer schweigt, scheint zuzustimmen.</i> Mehr als die <i>Möglichkeit</i> ihrer Stimme kann kein System den Menschen geben. Ob sie es gebrauchen, liegt in ihrer Hand. Man kann den Hund nicht zum Jagen tragen! Auch der Entschluss des Nichtwählers, die Entscheidung den Wählern zu überlassen, ist zu respektieren. Eine gesetzliche Wahlpflicht würde jedenfalls nicht das politische Bewusstsein vergrössern.
</p><h2 id="sub-7">Subsidiarität</h2>
Demokratie kann umso weniger gelingen, je mehr den Menschen von oben in ihre Belange hineingepfuscht wird. Die Kompetenzen der Eliten sind nicht nur durch Gewaltentrennung zu kontrollieren, sondern <i>grundsätzlich</i> auf das mindest Nötige zu beschränken. Dieser Grundsatz heißt Subsidiarität. So steht die ganze Machtpyramide auf gesundem Fundament: der, der ganz oben steht, hat nicht etwa die meiste Macht, sondern nur gerade soviel Macht, wie benötigt wird, um Belange zu regeln, die in darunterliegenden Einheiten nicht geregelt werden können. Ganz unten in der Pyramide steht der Souverän, der Mensch – durch sein Leben verankert in seiner Familie, seiner Gemeinde, seiner Religion, seinen Vereinen, seinem Volk. Was auch immer er sinnvoll für sich regeln kann, soll er tun – wo es nicht möglich ist, sollen dies die nächsten ihn umhüllenden Gemeinschaften tun.
<p></p><p>
Das Subsidiaritätsprinzip wird in der Theorie überall gutgeheißen, es steht in allen Verfassungen, sogar in einer für alle Mitglieder verbindlichen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Charta_der_kommunalen_Selbstverwaltung">EU-Charta</a>. In der politischen Praxis wird ihm aber entgegengearbeitet: so ist es beispielsweise das unverhohlene Ziel der EU wie auch der Bundesregierung, Kompetenzen der Nationalstaaten in der Innen-, Außen-, Verteidigungs- und Wirtschaftspolitik auf die EU zu übertragen und auch die Legislativen der EU-Mitgliedsstaaten zu bloßen Akklamationsorganen für Gesetzesentwürfe aus Brüssel zu degradieren.
</p><p></p><p>
</p><h2 id="sub-8">Vox Populi: Vox Dei oder Vox Rindvieh?</h2>
<i>Vox Populi - vox Dei</i>, Volkes Stimme - Gottes Stimme, liegt darin nicht eine unerhörte Anmaßung? Schon Alkuin, Berater Karls des Großen, hielt nicht viel von diesem offenbar uralten Grundsatz:
<blockquote>Auf diejenigen muss man nicht hören, die zu sagen pflegen, "Volkes Stimme, Gottes Stimme", da die Lärmsucht des Pöbels immer dem Wahnsinn sehr nahe kommt. [5]</blockquote>
Später wurde der Spruch in Deutschland zu <i>Vox populi, vox Rindvieh</i> verhunzt, worin sich die gleiche Verachtung des "Pöbels" ausdrückt. Immer sind da Leute, die es besser wissen als das Volk, in dessen Auftrag sie handeln sollten. Die die Macht, sobald sie sie einmal ergriffen haben, für alles mögliche gebrauchen, ohne sich ihrem Volk noch in irgendeiner Weise verpflichtet zu fühlen. Das Volk wird zum lästigen Pöbel degradiert, für den man sich allenfalls schämt und den es lediglich ins politische Kalkül einzubeziehen gilt. Ansonsten weiß man besser als dieser Pöbel, was zu tun ist – man kann ja lesen und schreiben, man gehört einer anderen Klasse an: der politischen Klasse.
<p></p><p>
Dabei enthielt der Ausspruch <i>vox populi - vox Dei</i> eine tiefe Wahrheit. Selbstverständlich ist nicht etwa die Hybris gemeint, das Volk würde sich zum Gott erheben, den Platz Gottes einnehmen. Vielmehr wird gesagt, daß Völker <i>gottgewollt</i> sind und die wahre Legitimationsquelle für alles politische Handeln darstellen. Jedes politische Amt besteht nur zu Diensten des Volkes, ist nur durch das Volk legitimiert. Idealerweise können Völker sich - wie jeder einzelne - als Subjekte des politischen Handelns verstehen und gemäß der göttlichen Ordnung leben. Natürlich gehört es zu den Voraussetzungen funktionierender Demokratie, daß dieser Wille als maßgebliche Kraft im Volk noch vorhanden ist.
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Daß es in einem Volk Experten und Laien gibt, daß es Kluge und weniger Kluge gibt – geschenkt. Entscheidend ist, daß alle sich gemeinsam dem Besten ihres Volkes verpflichtet fühlen. Auch Kompliziertes muß sich, wenn es sehr Grundsätzliches betrifft, in seinen Grundzügen einfach darstellen lassen können.
</p><p></p><p>Auch handelt direkte Demokratie nicht davon, <i>alle</i>, auch die kleinsten alltäglichen Details des Regierens per Volksentscheid regeln zu wollen – diese werden weiterhin delegiert an die politischen Repräsentanten, und selbstverständlich ist zu ihrer Ausführung Expertise notwendig. Der Repräsentant weiß, daß die von ihm angekündigten politischen Zielsetzungen vom Volk gebilligt sind, sonst wäre er nicht da, wo er ist. Er muß nicht bei allem, was er nun in seiner Amtszeit im politischen Alltag entscheidet, den neuesten Umfragen hinterherhecheln. Das wäre eine mißverstandene direkte Demokratie zu Lasten der politischen Handlungsfähigkeit des Volkes. Die Volksentscheide gehen vielmehr auf die großen Linien, auf Langfristiges, Strategisches, auf Schicksalsfragen der Nation (oder was ein hinreichender Teil des Volkes dafür hält).
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</p><h2 id="sub-9">Populisten und Demagogen</h2>
Das Pejorativum <i>Populismus</i> wird in den Haupststrommedien im Endlosmodus verwendet, um die Opposition zur herrschenden politischen Klasse zu diskreditieren. Hierzu hat Frank Furedi bereits 2014 in seinem brillanten Essay <a href="https://www.novo-argumente.com/artikel/populismus_die_arroganz_der_eliten">Populismus - die Arroganz der Eliten</a> alles Relevante gesagt.
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Der im Wort enthaltene Vorwurf an den politischen Gegner lautet im Kern, er würde (unzulässigerweise) "einfache Lösungen für komplizierte Probleme" anbieten. Da erheben sich gleich mehrere Einwände:
</p><ul>
<li> Erstens <i>gibt</i> es ja für eine Reihe von Problemen tatsächlich einfache und zugleich wirkungsvolle Lösungen.</li>
<li> Zweitens gibt es auch eine <i>Scheinkomplexität</i>, hinter der sich Machthaber verschanzen können: tatsächlich Einfaches kann als unglaublich kompliziert und detailreich dargestellt werden, so daß nur Experten es noch überschauen können (die man daher dringend weiterhin auf der <i>payroll</i> des Volkes braucht). Der Kaiser kann glauben, ein gar kunstvolles Gewand zu tragen, das aus den exotischsten Stoffen verwoben und versponnen ist - und doch in Wahrheit nackt sein.</li>
<li> Drittens ist die <i>unzulässige Vereinfachung</i>, die es natürlich unbestreitbar gibt, nicht auf ein bestimmtes politisches Lager beschränkt. Die einzige Möglichkeit, diese zu entkräften, liegt darin, die voraussehbaren schädlichen Wirkungen dieser Vereinfachung seinerseits in einfacher, für alle verständlichen Form im politischen Diskurs klarzustellen.
</li></ul>
Auf Volksentscheide angewandt, bleibt hier zu wiederholen: was sich überhaupt sagen läßt, das läßt sich auch klar sagen. Gerade wenn es um die großen Linien, die Schicksalsfragen des Volkes geht, die jeden angehen, muß es möglich sein, den richtigen Weg und den Nutzen für das Volk auch in klaren Worten und in einfacher Form zu vermitteln, so daß nicht nur Experten es verstehen, sondern jeder mit gesundem Menschenverstand begabte Bürger ebenso.
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Aber kann nicht ein Demagoge mit populistischen Sprüchen an die Macht kommen? Ja, das ist möglich. Wenn er Demokratie und Gewaltentrennung beibehält, kann man ihn zügig wieder abschaffen. Wenn er sich nicht daran hält, wird es schwieriger: dann ist ein – in der Regel blutiger – Seitenstrang der Geschichte eröffnet, bis Recht, Gesetz und volkslegitimierte Herrschaft wiederhergestellt sind. Noch schwieriger wird es, wenn sich die Machthaber nur teilweise an Demokratie und Gewaltentrennung halten und sich nur mit den Lippen zu ihrem Volk und dessen Verfassung bekennen - wie im heutigen Deutschland.
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Grundsätzlich ist zu diesem Einwand zu sagen: leider gibt es <i>keine</i> Herrschaftsform ohne das Risiko ihrer Selbstabschaffung. Demokratie, Volksentscheide, Gewaltentrennung sind auch nur Sicherungsmechanismen, sie enthalten keine Ewigkeitsgarantie für das System, das sie schützen sollen. Ja, es ist wahr: es kann demokratisch die Abschaffung der Demokratie beschlossen werden. So wie "leben immer lebensgefährlich ist", so gibt es auch keine Versicherung gegen den Untergang einer gesellschaftlichen Ordnung. Die Möglichkeit existiert und ist prinzipiell unvermeidlich. Das habe ich <a href="/2016/07/muss-freiheit-vor-demokratie-angst-haben.html">an anderem Ort</a> bereits diskutiert.
</p><h2 id="sub-10">Demokratie und Multikulti</h2>
Ein wirklich ernstzunehmender Einwand gegen Demokratie liegt darin, daß ihre Grundlage, ein gesunder, seine Identität pflegender Demos, seit Jahrzehnten systematisch zersetzt wird. Ohne Demos aber gibt es keine Demokratie. Unter dem jeder Begründung enthobenen Dogma "Diversität ist gut" wird schon seit langem der massenhaften Einwanderung anderer Völker nicht nur kein Widerstand entgegengesetzt, sondern sie wird noch ausdrücklich willkommen geheißen.
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Wenn aber das Volk durch einen Vielvölkerstaat ersetzt wird, zerfällt seine Handlungs- und Willenseinheit, Voraussetzung aller demokratischen Entscheidungsfindung. Statt Demokratie gibt es dann nur noch Lobby- und Partikularinteressen, der Staat wird nur noch zur Interessenvertretung einzelner konkurrierender Gruppen, die ihn sich zur Beute zu machen suchen. Wenn das Volk demontiert wird, gibt es auch nicht mehr das gemeinsame Wohl des Volkes als Ziel, dem sich alle Gruppen verpflichtet fühlen. Die Geschichte lehrt, daß in solchen Gemengelagen früher oder später ein brutaler Kampf der einzelnen Gruppen um die Vorherrschaft einsetzt. Das friedliche Miteinander ist eine Fiktion.
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Aber gerade <i>weil</i> das so ist: gerade weil die Fragmentierung des Volkes zwar droht, aber noch nicht besteht, ist die Forderung nach mehr Demokratie wichtig, weil sie das Volk stärkt, solange es noch eine Mehrheit in seinem eigenen Territorium darstellt.
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<h2 id="sub-11">In die Demokratie eingebaute Verfallsfaktoren</h2>
Ich will mit all diesem nicht sagen, daß Demokratie etwa die endgültige Selbstorganisation der Gesellschaft darstellt. Sie ist nur solange gut und zu empfehlen, wie im Volk noch genügend moralische Substanz, genügend Orientierung am objektiv Guten vorhanden ist. So wie "2+2=4" wahr bleibt, egal ob eine Mehrheit diesen Satz biligt oder ablehnt, so ist auch das moralisch Gute eine objektive Größe, unabhängig vom Resultat irgendwelcher Mehrheitsentscheidungen. Die Orientierung an diesem objektiv Guten ist die Voraussetzung für ein stabiles Gemeinwesen - nicht ein bestimmtes politisches System.
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Leider hat die Demokratie <i>eingebaute Verfallsfaktoren</i>, aufgrund derer die Verankerung im objektiv Guten nach und nach ihre Kraft verlieren wird. Da in einer Demokratie jede Stimme gleich gewichtet wird, wird dem <i>Gleichheitsvorurteil</i> Vorschub geleistet: der mehr oder weniger unbewußten Erwartung, es könne eine Gesellschaft ganz ohne Hierarchie existieren. Auch in einer Demokratie ist Hierarchie ja nicht abgeschafft. Es gibt Vorgesetzte und Untergebene, es gibt Bessere und Schlechtere, Reichere und Ärmere usw. Die Stabilität der Gesellschaft hängt davon ab, daß jeder seine Pflichten wahrnimmt und notwendigen Gehorsam übt. Die demokratische Mentalität empfindet Gehorsam als Zumutung: warum Gehorsam gegenüber jemandem, der wie ich nur eine Stimme bei Wahlen hat? Wenn die Bindungskräfte der Führung und des Gehorsams hinreichend zerrüttet sind, geht die Demokratie notwendig in einen anderen Zustand über, in dem die Autorität mit Gewalt wiederhergestellt wird. Das kann eine Tyrannis sein, oder eine Herrschaft vieler lokaler mafiaartiger Banden. Allerdings ist Geschichte nicht deterministisch und hängt von den Willensentscheidungen vieler einzelner ab. Daher läßt sich nicht vorhersagen, wie lange eine Demokratie wirklich noch aus sich heraus Bestand hat und wann sie, um den Rückfall in den Kampf jedes gegen jeden zu verhindern, in ein autoritäres System übergeht.
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<h2 id="sub-12">Fazit</h2>
Es gibt keinen anderen Zweck politischer Herrschaft als den Dienst am <i>bonum commune</i>, dem gemeinsamen Guten des gesamten Volkes: das ist eigentlich mit dem alten Satz <i>vox populi - vox Dei</i> gemeint. Dieser Grundsatz impliziert allerdings kein automatisches Votum für Demokratie, denn auch andere politische Ordnungen können auf das <i>bonum commune</i> ausgerichtet sein. Wenn sich aber eine Gruppe über längere Zeit etabliert, die die gesellschaftliche Macht innehat (und eine solche gibt es in jeder Regierungsform, auch in der Demokratie), stellt sich immer die alte <i>Juvenal</i>sche Frage <i>quis custodiet custodes?</i> Wer überwacht die Bewacher?
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Hier sind Volksentscheide zu wichtigen, strategischen Fragen der Politik eine wertvolle Ergänzung einer repräsentativen Demokratie. Sie stärken auch das Bewußtsein des Volkes, daß der Staat <i>sein</i> Projekt ist - daß er seinem Volk zu dienen hat.
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Gerade in einer Zeit, in der die Regierungen mit globalistischen Flausen im Kopf auf eine Zerstörung gewachsener Völker hinarbeiten, gerade wenn die Uhr des multikulturalistischen Zerstörungswerkes erbarmungslos tickt, sollten die Völker alle nur möglichen Pfeile im Köcher haben, die ihnen zur Selbstbehauptung gegen ihre irrlichtelierenden Herrscher noch zur Verfügung stehen. Dazu gehören insbesondere bindende Volksentscheide (und nicht etwa bloß konsultative Volks<i>befragungen</i>), wie in der Schweiz. Jedenfalls solange im Volk noch genügend moralische Substanz und Wille zur gemeinsamen Ordnung vorhanden ist, um sich selbst nach dem demokratischen Prinzip zu regieren.
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</p><h2 id="sub-13">Quellen</h2>
[1] Kohl, Helmut: <i>Bei der Euro-Einführung war ich ein Diktator</i>, merkur.de vom 11.4.2013, <a href="https://www.merkur.de/politik/helmut-kohl-bei-euro-einfuehrung-diktator-zr-2846068.html">https://www.merkur.de/politik/helmut-kohl-bei-euro-einfuehrung-diktator-zr-2846068.html</a><br>
[2] Weber, Max: <i>Wirtschaft und Gesellschaft</i>, Mohr Siebeck (Tübingen), 1972, S. 28.<br>
[3] Montesquieu, <i>Vom Geist der Gesetze</i> (1748), Reclam (Stuttgart) 1994, S. 215.<br>
[4] Augustinus von Hippo, <i>De civitate dei</i>, IV.4.1<br>
[5] Brief Alkuins an Karl den Großen (798?), bei <a href="http://www.dmgh.de/de/fs1/object/display/bsb00000538_00207.html?sortIndex=040%3A010%3A0004%3A010%3A00%3A00&zoom=0.75">http://www.dmgh.de</a>
Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-89930389305092844822016-11-07T21:43:00.000+01:002016-11-16T15:55:44.590+01:00Jass-Spielpläne ohne WiederbegegnungDas <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Jass">Jass</a> ist ein im alemannischen Sprachraum verbreitetes Kartenspiel mit vier Spielern. Es erfreut sich in der Schweiz großer Beliebtheit, und häufig werden Jass-Turniere organisiert, bei denen in jeder Runde an mehreren Tischen gleichzeitig gespielt wird. In der folgenden Runde wechseln die Teilnehmer nach einem vorgegebenen Spielplan ihre Plätze und spielen somit gegen andere Teilnehmer.
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Dabei soll der Spielplan gewährleisten, dass eine maximale Durchmischung stattfindet. Die Spieler sollen idealerweise in jeder Runde gegen andere Spieler antreten. Eine Frage, die man sich hierbei stellen kann, ist:
<blockquote>Wieviele Runden kann ein Spielplan maximal vorsehen, so daß sich keine zwei Teilnehmer in mehr als einer Runde an einem Tisch begegnen?</blockquote>
Nehmen wir ein Turnier in mittlerer Größe an, mit 24 Teilnehmern, die somit an sechs Tischen miteinander spielen.
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Eine Obergrenze für die Rundenzahl ergibt sich natürlich aus der Gesamtzahl der Spieler: da jeder Spieler in jeder Runde gegen drei andere Teilnehmer antritt, kann es nicht mehr als <b>sieben</b> solcher Runden geben: denn in einer achten Runde gäbe es nur noch zwei Spieler, gegen die er noch nicht gespielt hat – nicht genug, um einen Tisch vollzubekommen. Nun ist dies eine sehr theoretische Obergrenze. Ich kann zeigen:
<blockquote>Ein Spielplan kann maximal genau <b>M=5</b> Runden enthalten, in denen jeder Spieler in jeder Runde gegen andere Leute spielt.</blockquote>
Obwohl ich das dringende Gefühl habe, dass es einen sehr einfachen Beweis geben muss, um <b>M=6</b> und <b>M=7</b> auszuschließen, habe ich einen solchen nicht gefunden. Ich kann im folgenden nur einen
<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Maschinengest%C3%BCtztes_Beweisen">Computerbeweis</a> angeben, und diese haben die unschöne Eigenschaft, daß sie von einigen sehr puristischen Mathematikern nicht anerkannt werden – im Grunde mit dem gleichen Argument, das vor über zweitausend Jahren schon zum Ausschluß von Archimedes aus der Akademie der Wissenschaften von Alexandria geführt hat: daß nämlich durch Beweise dieser Art – ebenso wie durch die damaligen Wasserverdrängungsmessungen des Archimedes – "der reine Geist der Mathematik mit schmutziger Materie befleckt wird". Wer es also schafft, einen rein geistigen Unmöglichkeitsbeweis für die Fälle <b>M=6</b> oder wenigstens <b>M=7</b> zu führen, ist herzlich eingeladen, mir diesen mitzuteilen.
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Doch nun zur Beweisführung. Sämtliche möglichen Spielpläne maschinell durchzurechnen, sprengt sehr schnell die Leistungsgrenzen von Computern. Eine einzelne Runde bietet ja bereits 24! = 6.2045·10<sup>23</sup> Möglichkeiten, die Spieler aufzuteilen. Mit allzu brutaler <i>brute force</i> geht es also nicht. Wir müssen ein paar Symmetrie- oder Äquivalenzüberlegungen voranstellen, um die Zahl der zu prüfenden Möglichkeiten signifikant zu verringern.
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Schauen wir uns einmal einen Spielplan mit zwei Runden an, der die gewünschte Bedingung erfüllt:
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh3lydXccPgC1EsRnL034uOr8GX7CPeDnYPCF6_kGIUINiLN91A2_3wMNQCHYMdmSj1iEuEj41ytduiSUkXteFlChQndGijZzYuxvjsnEc0EDMkzJogra-BcLz07MWzaa0sCb2bhG47FqZE/s1600/Selection_039.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh3lydXccPgC1EsRnL034uOr8GX7CPeDnYPCF6_kGIUINiLN91A2_3wMNQCHYMdmSj1iEuEj41ytduiSUkXteFlChQndGijZzYuxvjsnEc0EDMkzJogra-BcLz07MWzaa0sCb2bhG47FqZE/s400/Selection_039.png" width="400" height="178" /></a></div>
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Wie man an den Farben direkt sieht, sitzt jeder Spieler in der zweiten Runde tatsächlich nur mit Spielern an einem Tisch, die in der ersten Runde an anderen Tischen saßen. Dieses Beispiel beweist also durch seine bloße Existenz: <b>M≥2</b>.
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Hinter diesem Übergang von der ersten zur zweiten Runde verbirgt sich eine Struktur, die ich <b>(4,4)-Relation</b> nenne: wenn wir uns die Sache auf Tischebene anschauen, steht jeder Tisch der ersten Runde mit genau vier Tischen der zweiten Runde in Beziehung: nämlich mit den vier Tischen, an denen seine Spieler in der zweiten Runde Platz nehmen. Umgekehrt steht jeder Tisch der zweiten Runde mit genau vier Tischen der ersten Runde in Beziehung: nämlich den vier Tischen der ersten Runde, von denen die Spieler des Tisches in der zweiten Runde herkommen.
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Wir haben also dem Übergang von der ersten zur zweiten Runde eine Relation <i>R</i> auf der Menge mit 6 Elementen zugeordnet, mit der Eigenschaft <i>|R<sup>-1</sup>(x)| = |R(x)| = 4</i> für alle <i>x = 1,...,6</i>. Eine solche Relation läßt sich – wie jede Relation – als eine nur mit Nullen und Einsen besetzte quadratische Matrix darstellen. In diesem Beispiel hat die Matrix die Gestalt
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjy8faWfOn4gSi8ddI9Oc2pRbtYA8a-g63m5Qh7de8gI615EReRYS3ujX82p99ZSCoZnFnXqOSFgsvZ1eFWY5J9qz3Plz1I3iLKjUTqqmXrT3U9VDctHIpDC_vmmb5Qu72dkGvHC9gK9H44/s1600/CodeCogsEqn+%25282%2529.gif" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjy8faWfOn4gSi8ddI9Oc2pRbtYA8a-g63m5Qh7de8gI615EReRYS3ujX82p99ZSCoZnFnXqOSFgsvZ1eFWY5J9qz3Plz1I3iLKjUTqqmXrT3U9VDctHIpDC_vmmb5Qu72dkGvHC9gK9H44/s1600/CodeCogsEqn+%25282%2529.gif" /></a></div>
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Relation der beschriebenen Art sind dadurch charakterisiert, dass ihre darstellende Matrix in jeder Spalte und in jeder Zeile genau vier Einsen (und somit genau zwei Nullen) enthält. Die Menge solcher Matrizen bildet eine Teilmenge aus der Menge aller Relationen. Hat letztere 2<sup>36</sup> Elemente (klar: auf jedem Platz der Matrix kann eine Eins oder eine Null stehen), enthält erstere nur noch <i>67950 Elemente</i>. Das kann man durch simples Durchzählen ermitteln, etwa in einem kleinen <a href="https://jsfiddle.net/rplantiko/jzz1e132/">JavaScript-Programm</a>. Es ist aber auch eine in der Mathematik bekannte Zahl aus der relativ gut erforschten <a href="https://oeis.org/A001499">OEIS-Zahlenfolge A001499</a>. Nennen wir diese Menge <b>R<sub>6</sub><sup>4;4</sup></b>
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Nun ist klar, dass die Lösung eine Lösung bliebe, wenn man die Tische in der ersten oder zweiten Runde einfach nur umstellen würde. Mathematisch gesprochen, bedeutet dies, dass die Gruppe
𝔖<sub>6</sub> der 6!=720 Permutationen (möglichen Umstellungen) der Tische von links und von rechts auf <b>R<sub>6</sub><sup>4;4</sup></b> operiert. Lösungen, die bis auf Anordnung der Tische gleich sind, wollen wir als äquivalent betrachten.
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In welche Äquivalenzklassen (Orbits) zerfällt die Menge <b>R<sub>6</sub><sup>4;4</sup></b> bezüglich dieser Relation?
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Auch dies lässt sich rechnerisch ermitteln: ich habe es <a href="https://jsfiddle.net/rplantiko/L9r64x4e/">hier</a> getan. Das Ergebnis:
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<li> Orbit mit 1350 Elementen
<li> Orbit mit 16200 Elementen
<li> Orbit mit 7200 Elementen
<li> Orbit mit 43200 Elementen
</ol>
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Hier sind Repräsentanten für die vier Orbits, wobei ich jeweils eine symmetrische Matrix als Repräsentant gewählt habe:
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgqcfAhD0SmVstgQ-BcwviGq5vdk1s3TFY2l-OY8q4R8lyviMhPY_J7UZv2xMUCgNQ9FSQ_nQIw66KhFeedjTE3Xf-rj13Lc15bnegJqFi8WJP5tSnM4ZGWndqJDfENtao4FLn3C3zKyzpp/s1600/CodeCogsEqn+%25284%2529.gif" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgqcfAhD0SmVstgQ-BcwviGq5vdk1s3TFY2l-OY8q4R8lyviMhPY_J7UZv2xMUCgNQ9FSQ_nQIw66KhFeedjTE3Xf-rj13Lc15bnegJqFi8WJP5tSnM4ZGWndqJDfENtao4FLn3C3zKyzpp/s1600/CodeCogsEqn+%25284%2529.gif" /></a></div>
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Da die Umordnung der Tische in jedem Schritt keine "neue" Lösung generiert, kann man sich nun darauf beschränken, für jeden Übergang von einer Runde zur nächsten genau eine aus diesen vier konkreten Relationen zugrundezulegen. Man hat damit eine Vorschrift, an welchen Tischen die Spieler eines Tischs in der nächsten Runde gelangen, wobei automatisch sichergestellt ist, dass keine zwei Spieler desselben Tischs wieder an einem Tisch landen - denn die vier Spieler eines Tischs der neuen Runde kommen ja immer auch von vier verschiedenen Tischen der vorherigen Runde. Ob die Spieler allerdings in irgendwelchen <i>davor</i> liegenden Runden gegeneinander spielten, kann man damit natürlich nicht ausschliessen.
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Es gibt nun noch einen weiteren Freiheitsgrad: man kann nicht nur für den Übergang von einer Runde zur nächsten eine der vier o.a. Relationen verwenden, sondern darüberhinaus auch die vier Spieler, die an einem Tisch landen, beliebig permutieren. Das scheint auf den ersten Blick genauso irrelevant wie das Umordnen der Tische - ist es aber nicht: denn die Reihenfolge der Spieler am Tisch entscheidet darüber, an welchen vier Folgetischen sie jeweils landen (wenn die Konvention ist, dass der erste Spieler des Tischs am am weitesten links liegenden Tisch landet, zu dem sein Tisch in Relation steht, der zweite dann am zweiten usw. - dies nur, um für die (4,4)-Relationen eine eindeutige Vorschrift für den Übergang zur nächsten Runde einzurichten). Da wir an jedem Tisch eine solche Permutation vornehmen können, haben wir weitere (4!)<sup>6</sup> = 191'102'976 Möglichkeiten pro Runde.
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Das ist immer noch gewaltig viel, möchte man meinen – zumal sich die Möglichkeiten ja pro Runde multiplizieren müssten. Nun fallen aber viele Möglichkeiten weg – die meisten Spielpläne verletzen die Anforderung, dass keine Wiederbegegnung mit Spielern aus früheren Runden stattfinden darf: diese brauchen dann natürlich auch nicht mehr fortgesetzt zu werden. Ebenso gibt es terminale, nicht mehr erweiterbaren Spielpläne, bei denen <i>jede</i> mögliche nächste Runde zu Wiederbegegnungen führt.
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Diese Überlegung gab mir Anlaß zu einem <i>Backtracking</i>-Verfahren: ich versuche, einen bereits bis zu einer bestimmten Runde aufgebauten Plan weiter zu ergänzen, indem ich die Tischpermutationen und die Übergangsmatrizen der Reihe nach anwende und schaue, ob eine begegnungsfreie Runde entstanden ist. Wenn ja, versuche ich, noch weiter fortzufahren (also weitere Runden anzufügen). Wenn nein, melde ich den bis dahin aufgebauten Spielplan als "terminalen" (nicht mehr erweiterbaren) Spielplan an das Hauptprogramm und setze dann auf der letzten Runde auf, um weitere Kombinationen zu finden (pro Runde habe ich mir den "Zustand" gemerkt: den aktuell verwendeten Vektor von sechs Permutationen, und die aktuell verwendete Übergangsmatrix).
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Hier ist eine terminale Lösung mit fünf Runden – zugleich der Beweis für <b>M≥5</b> (ich habe die Tischanordnungsfreiheit noch genutzt, um die Spieler 1 bis 4 ab der zweiten Runde an den Tischen 1 bis 4 sitzen zu lassen):
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh2jA5YZyojWnBu7LrKx7nmnRMjckV4xSKYfTAOIEMwW2NeNU1G1iB7d3D07_0lsBnAgWxDp7m3Ibp0ftfDY7INjzh-U9yNvSdpe9PnB0fq4Abe6zuJTJ4CiTdKI7bTp3eqenhpCv5HU7WH/s1600/Selection_040.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh2jA5YZyojWnBu7LrKx7nmnRMjckV4xSKYfTAOIEMwW2NeNU1G1iB7d3D07_0lsBnAgWxDp7m3Ibp0ftfDY7INjzh-U9yNvSdpe9PnB0fq4Abe6zuJTJ4CiTdKI7bTp3eqenhpCv5HU7WH/s400/Selection_040.png" width="363" height="400" /></a></div>
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Der Algorithmus ist alle Möglichkeiten durchgegangen und hat keine Spielpläne mit mehr als fünf Runden gefunden. Das ist der Computerbeweis für <b>M=5</b>.
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Wer es selbst überprüfen möchte (ich finde zwar keinen Fehler im Algorithmus, aber Menschen <i>machen</i> Fehler): der Algorithmus ist hier <a href="http://ruediger-plantiko.net/jass/jass-algorithm-worker.js"> als Worker</a> implementiert und wird von der Webseite <a href="http://ruediger-plantiko.net/jass/">http://ruediger-plantiko.net/jass/</a> aufgerufen.
Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-90857001556575191242016-10-23T13:50:00.002+01:002022-04-06T21:26:42.378+01:00Preist ihn, alle Völker!Die Israelreise, die ich mit meinem Sohn im Sommer 2015 unternommen habe, hat sich mir (und auch meinem Sohn) tief eingeprägt. Ein besonders starker Eindruck - unter den vielen wertvollen - waren mir meine Empfindungen bei Betrachtung der Galerie im Innenhof der <a href="http://www.israelmagazin.de/israel-christlich/verkundigungsbasilika-nazareth">Verkündigungsbasilika in Nazareth</a>, die also zu Ehren der Erwählung von Maria als Mutter des inkarnierten Gottes erbaut wurde. Eine Erwählung, die sie in Demut, aber auch in vollem Bewusstsein der Größe dieses Ereignisses für die gesamte Menschheit annahm: "<i>Von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter</i>" (Lk 1,48).
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Die Galerie zeigt nun, Nation für Nation, Bilder, die diesen Moment würdigen. Diese Bilder drücken sehr schön die einzelnen Volksseelen aus, das Wesenhafte, das jedem dieser einzelnen Völker eignet. Jedes Volk preist diesen Moment auf seine ganz besondere Weise. Sie alle porträtieren die Maria in einer Weise, die ihre Art ausdrückt, sich dem Ideal anzunähern.
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Nur als ein Beispiel für diese vielen Wesensarten bringe ich ohne Kommentar hier das Bild der Spanier.
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjlRDz6LsX-BqVPkVrmpq9JIxCrj5nl78JrSmbHaQJkMKf9SHe5T7ySG3AawcQ3t0HWCq621XYn2Wi4Uo3Hi6EZFJeG46NwJFWFOpn9so2C9TOREngWD_30mzT6NcEit1zGFADBUS5QShEj/s1600/IMG_20150830_093124.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjlRDz6LsX-BqVPkVrmpq9JIxCrj5nl78JrSmbHaQJkMKf9SHe5T7ySG3AawcQ3t0HWCq621XYn2Wi4Uo3Hi6EZFJeG46NwJFWFOpn9so2C9TOREngWD_30mzT6NcEit1zGFADBUS5QShEj/s400/IMG_20150830_093124.jpg" width="300" height="400" /></a></div>
<p style="clear:both;"/><p/>
Ich finde es anrührend, sich das zu vergegenwärtigen: die Völker haben ihre ganz besondere Weise zu sein, die sich über die Generationen entwickelt hat, ihr kostbares Eigenes. Und aus diesem Eigenen heraus richten sie ihren Blick hinauf - zu Gott. So hat jedes Volk sein positives, sein verehrungswürdiges Moment, seinen ganz spezifischen Beitrag zum Ganzen.
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Die Frage "Was ist denn dieses Volkswesen?" können wir nicht so einfach beantworten, wie wir zum Beispiel die Frage nach irgendeinem Ding dieser Welt beantworten können (etwa: ist Australien eine Insel?). Das ist aber nicht besonders verwunderlich. Wir können ja nicht einmal die Frage nach dem Wesen eines einzelnen Menschen befriedigend beantworten. Auch wenn wir einen intuitiven Begriff von ihm haben und selbstverständlich seine Existenz als ganz besonderes, einzigartiges Geschöpf anerkennen: der ganz konkrete Mensch, wie er vor uns steht, läßt sich wesenhaft nicht erschöpfend beschreiben. Um wieviel hoffnungsloser ist diese Frage dann für Menschengruppen, für Völker. Für den Gläubigen urständet eine Menschenseele ebenso wie eine Volksseele in der spirituellen Welt. Natürlich ist sie real - aber auf eine tiefere Weise, als es unser gewöhnlicher, an den Dingen dieser Welt geschulter Verstand fassen kann. Die katholische Tradition wußte noch vom <i>Engel eines Volkes</i>, der dessen Schicksal impulsiert, anleitet, auf seinem Weg durch die Zeiten begleitet und der in besonderer Weise mit der Essenz seines Volkes verbunden ist.
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Der <a href="http://www.hebrew4christians.com/Scripture/Ketuvim/Psalms/Psalm_117/psalm_117.html">Psalm 117</a> (Vulgata: 116), mit nur zwei Versen der kürzeste Psalm, ja das kürzeste Kapitel der gesamten Bibel, drückt den Gedanken der vielen Völker, die um den Altar des Höchsten versammelt sind, sehr schön aus:
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<audio id="psalm-117-audio" src="http://www.hebrew4christians.com/Blessings/Blessing_Cards/psalm117.mp3" style="display:none"></audio>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="#" onclick="document.getElementById('psalm-117-audio').play();return false;" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj4a6gno1ZO7-gDiQlz5ZwMi7rTxkB3aDTg29AqGDNWuvl2HIuMMXwfwL3CLhFt-TUUV1ncGfwhcqy319Mo07X3QrvU_J3CJx3KrBSP6h8ZFxHPKJJdApOuE1kXRvn114qfAhUbMp56WK3-/s400/psalm-117.png" width="400" height="271" /></a></div>
<p style="clear:both;"/>
Interessante Nebenbemerkung, dass hier in einem typisch orientalischen Parallelismus zweimal das Gleiche mit leicht unterschiedlichen Wörtern gesagt wird: die <i>goyim</i> (Völker) loben den Herrn, und die <i>ha'umim</i> (Völker) preisen ihn. Zwar haben die beiden Wörter für "Volk" leicht unterschiedliche Bedeutungswolken – das erste (goyim) wird in der Bibel oft, aber nicht immer, auf die Fremdvölker der Ungläubigen verengt. Aber schon in einer der ersten Verwendungen, in <a href="http://www.mechon-mamre.org/p/pt/pt0219.htm#6">Exodus 19,6</a>, verheißt Gott den Israeliten, "ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk" (<i>goy kadosch</i>) zu sein.
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So zelebriere <i>ich</i> Multikulti: nicht die Abschaffung der Grenzen und die allgemeine Völkerwanderung schafft das Multikulturelle, sondern wir <i>haben</i> bereits das Multikulturelle: es ist die Bejahung der gewordenen Traditionsströme - in ihren Räumen und mit ihren besonderen Menschengruppen, in denen sich dieses Spezifische jeweils zubereitet hat und weiter entwickelt.
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Auf Twitter würdigte jemand zu Recht den folgenden kurzen Gesang der russischen Nationalhymne als die letzte Bastion des Volkszusammenhaltes, von der - wie von Familie und Religion - noch ernsthafter und entschiedener Widerstand gegen das Globalisierungsprojekt der Eliten kommt.
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<blockquote class="twitter-tweet" data-lang="de"><p lang="de" dir="ltr">Russlands beeindruckende Antwort auf Merkels Sanktionen <a href="https://t.co/APrW0jyCc5">pic.twitter.com/APrW0jyCc5</a></p>— Götz vonBerlichingen (@mhoepflinger) <a href="https://twitter.com/mhoepflinger/status/789229798279249920">20. Oktober 2016</a></blockquote>
<script async src="//platform.twitter.com/widgets.js" charset="utf-8"></script>
<p/><p/>Er hat recht: mit Mätzchen wie Wirtschaftssanktionen kann man diesem Geist nicht beikommen - im Gegenteil, es wird ihn weiter stärken. Sicher ist das nicht so ein spontanes Singen gewesen, wie es auf den ersten Blick scheint: denn die Russen mögen ihr Volk lieben, aber sie tragen deswegen trotzdem nicht die ganze Zeit Russlandfähnchen mit sich herum. Es sieht eher wie ein Flashmob aus. Wie auch immer - die Vorführung überzeugt.
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Tatsächlich ist die russische Hymne ein beeindruckendes Zeugnis für diese edle, dem Ideal zugewandte Seite des Völkischen, die die höchsten Willenskräfte jedes einzelnen ansprechen kann, der diesem Volk entstammt und der sich den Erhalt und die Weiterentwicklung dieses Eigenen zur persönlichen Aufgabe gemacht hat.
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<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/0RCBiT03bz8" frameborder="0" allowfullscreen></iframe>
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Nachdem ein anderer Twitterer auf die dunklen Seiten der Völker hinwies – in diesem Fall der USA – erinnerte der <a href="https://twitter.com/propagare">ThinkPunk</a>, dass – bei allen Schattenseiten der gegenwärtigen Politik – auch dieser Hymne etwas Großes und Besonderes zugrundeliegt, das es zu zelebrieren gilt.
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<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/YaxGNQE5ZLA" frameborder="0" allowfullscreen></iframe>
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Natürlich gilt es wie bei uns zu fragen: entspricht diese dunkle Seite der US-Politik mit ihrem zerstörerischen Interventionismus überhaupt der Volkseigenart, dem Wesen des Volkes, wie es sich zum Beispiel in seinen Hymnen ausdrückt? Die Frage stellt sich umso drängender, wenn ein Gauck zum Beispiel ganz unverhohlen ausspricht, dass er <a href="https://www.youtube.com/watch?v=geLw8H-GdzM">nicht die Eliten, sondern die Völker als das gegenwärtige Problem</a> ansieht.
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Jedenfalls hat das <i>Ideale</i> der USA seine Berechtigung und ist zu würdigen, so wie jedes andere Volk sein Ideales pflegen und würdigen sollte. Der Blogger Angel Millar ("People of Shambhala") versucht in dem sehr lesenswerten Artikel <a href="http://peopleofshambhala.com/american-dasein-the-usa-and-deep-identity-in-the-multipolar-world/">American Dasein, the USA and deep identity in the multipolar world</a>, sich dem Wesenhaften der USA, dem Guten der USA, in seinen Grundzügen anzunähern.
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In diesem Kontext gesehen, haben wir Deutsche natürlich die Aufgabe, unsere eigene historische Besonderheit, die Mission unserer Volksseele zu erspüren. Wie kann dieses Besondere der Deutschen, das <i>ideale</i> Besondere der Deutschen denn verstanden werden? (Und von Richtern und Henkern will ich nichts hören, wenn ich nach dem idealen Volkswesen frage – finsterste Abgründe tun sich bei allen Völkern auf.)
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Da ist zunächst die Hymne – die erste Strophe <i>Deutschland, Deutschland über alles</i>, daß man also sein eigenes Volk mehr liebt als die anderen Völker der Welt, ist zunächst nicht besonders spektakulär: so wird auch ein Kind seine eigene Mutter mehr lieben als alle andern Mütter dieser Welt, und dieser Vergleich ist sehr eng, denn Völker sind Herkunftsgemeinschaften (mit einer historisch-kulturellen <i>und</i> einer biologischen Komponente).
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Die heute führende dritte Strophe <i>Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland</i> hat dagegen eine herausragende Bedeutung, denn sie <i>vermittelt</i> zwischen dem kollektiven Ideal (Einigkeit) und dem Freiheitsideal durch das Recht, genauer: die Rechtsstaatlichkeit. Die beiden im Extrem unguten Stimmungen: des Aufgehens in der Masse einerseits und des Rufes nach absoluter individueller Selbstbestimmung andererseits werden versöhnt im Recht. Das Recht schützt die Freiheit und lebt von der Einigkeit. Das Recht - und damit die Freiheit - könnte auf Dauer nicht existieren ohne die freiwillige Leistung der Menschen, sich gemeinsam als ein Volk zu fühlen. Denn ohne Demos, ohne Volk, entartet auch die Demokratie zu einer Karikatur (nämlich zum Lobbyismus: jede Teilgruppe kämpft für ihre Interessen, ohne daß ein gemeinsames Höheres gesehen wird, dem sich alle verpflichtet fühlen). Allein schon in diesem Vers drückt sich der deutsche Wunsch nach der <i>Mitte</i> aus, in der man das Wesentliche zu finden hofft.
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Nicht nur geographisch ist der Begriff "Mitte Europas" zu verstehen – er steht auch für ein den Extremen abholdes, vermittelndes Element, und für die Frage nach dem Wesentlichen in all dem flackernden Hin- und Hergewoge um uns herum, die berühmte deutsche Innerlichkeit. Das ideale Deutsche, das wesenhaft Deutsche wird besonders gut durch die Figur des Faust porträtiert, der <a href="https://books.google.ch/books?id=2u4PAAAAYAAJ&pg=PA66&lpg=PA66&#v=onepage&q&f=false">"weit entfernt von allem Schein / nur in der Wesen Tiefe trachtet."</a>
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<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/6b5DHsbqdiw" frameborder="0" allowfullscreen></iframe>
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Diese deutsche Suche nach einem überdauernden Sinn, nach der Gewissheit spendenden, aus der eigenen Wesenstiefe bejahten Überzeugung, birgt eine gewaltige Kraft. Wenn sich diese Überzeugung einmal Bahn bricht, ist sie von einer großen Kraft und verleiht eine gewaltige, kaum überwindbare Wehrhaftigkeit. Denn vor der Wahrheit, nach der hier gesucht wird, flieht das ganze Nachtgezücht wie die Vampire vor dem Licht. "Deutsch sein heißt: eine Sache um ihrer selbst willen zu tun", hat Richard Wagner einmal gesagt. Wenn die Deutschen zu diesem Geist wieder finden, können sie auch wieder ihr Licht leuchten lassen im großen Regenbogen der Völker dieser Welt.
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In der Suche nach dem geistig Wesenhaften können wir unseren Beitrag zu einem <i>echten</i> Multikulti leisten!
Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-76418216643406216412016-09-13T22:22:00.001+01:002017-05-28T07:10:24.759+01:00Trendumkehr in DatenreihenEs muss auch kurze Blogposts geben! Nach meinem jüngsten Blog-Exzess über <a href="/2016/07/jenseits-von-schere-stein-und-papier.html">Dominanzrelationen</a> folgt hier ein Beitrag über ein vor längerer Zeit von Gerhard Lukert ersonnenes Verfahren, um Trendumkehrpunkte in Datenreihen zu ermitteln.
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Es gibt Zahlenfolgen, die, wie die Börsenkurse an aufeinanderfolgenden Börsentagen, durch ihre Irregularität gekennzeichnet sind. Und zugleich kann man nach zugrundeliegenden Mustern, nach Trends, nach irgendwie um diese Irregularität "bereinigten" Informationen fragen. Im Fall der Börsenkurse leben Analysten davon, mit irgendwelchen Hilfslinien oder numerischen Verfahren aus den Daten Trends vorherzusagen.
<p/><p/>Gerhard Lukerts Fragestellung war eine astrologische: ihn interessierten Tage, die besonders von einer Wende im Wachstumsverhalten geprägt sind. Solche Tage nennt er <i>Umkehrtage</i>. Ein Verfahren, um solche Umkehrtage, die besonders markant die Trendwende in sich tragen, könnte nach Gerhard Lukert
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<blockquote>eine nützliche Sache sein, weil die Umkehrtage signifikant "andere" Konstellationentypen haben müssten als die Trendfolgetage; es sind die eigentlich kritischen bzw. impulsgebenden Tage.</blockquote>
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Sein Verfahren besteht darin, aus der ursprünglichen Zahlenfolge zwei neue Zahlenfolgen zu ermitteln – die Folgen der oberen und der unteren Umkehrpunkte, in denen sich jeweils der Trend umkehrt: bei den oberen Umkehrpunkten hören die Zahlen auf zu wachsen, bei den unteren Umkehrpunkten hören sie auf zu fallen.
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Auf diese beiden Teilfolgen der oberen und unteren Umkehrpunkte kann dasselbe Verfahren jeweils noch einmal angewendet werden. Dabei ergeben sich vier neue Teilfolgen. Da ihn nur ein besonders reiner Ausdruck der Trendumkehr interessiert, behält er nur die oberen Umkehrpunkte der oberen und die unteren Umkehrpunkte der unteren Umkehrpunkte der vorherigen Iteration, so dass er auch in diesem Schritt mit zwei Teilfolgen verbleibt. Bei jedem Schritt dünnen sich die Folgen weiter aus, und die verbleibenden Punkte enthalten gewissermaßen besonders viel Essenz der Trendumkehr. Man verbleibt mit sehr wenigen Daten- (und damit in der Regel Zeit-)Punkten, die die Qualität dieser Umkehr besonders gut ausdrücken.
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Auf der Webseite <a href="http://ruediger-plantiko.net/filter">http://ruediger-plantiko.net/filter/</a> kann man das Verfahren ausprobieren. Die Eingabe der Zahlenreihe kann aus einer Textdatei erfolgen oder über die Zwischenablage in das Eingabefeld. Mit dem Doppelkreuz <code>#</code> werden Kommentare eingeleitet, die beim Einlesen ignoriert werden, sie können auch am Ende einer Zeile stehen. Auch Leerzeilen werden ignoriert. Am Beginn der Zeile muss eine Zahl stehen, die von JavaScript als Zahl erkannt werden kann. Danach kann, von Leerzeichen oder einem Semikolon getrennt, ein Bezeichner folgen, der dann auch im Graphen angezeigt wird. Enthalten die Zeilen nur eine Zahl, so wird die Zeilennummer als Bezeichner verwendet.
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Mit <i>Daten auswerten</i>, oder den Buttons ◀ und ▶ zum Fortsetzen der Iterationen, können die Umkehrpunkte ermittelt und in einem Graphen zusammen mit der ursprünglichen Zahlenfolge angezeigt werden.
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Die Anzeige des Graphen erfolgt mit <a href="http://c3js.org/">c3.js</a>, einem auf Graphen spezialisierten Zusatz zu der bekannten Bibliothek <a href="http://d3js.org/">d3.js</a> für <i>Data Driven Documents</i>.
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Hier ein Screenshot nach Datenauswertung:
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<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiCUYHH4m-xt5PLoNHUs3w4j3ogRTOiCRmrqXkvzRuJ6pgNzvgtpscNR91N-dYTPvpKnBmFvx9hxOFzajtaBKp25Egcw4YvpXcduUO8HymfuQsRSsna3apPPrSBo2MyFesN6sb1lW44cWmX/s1600/Iterierte.png" imageanchor="1" ><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiCUYHH4m-xt5PLoNHUs3w4j3ogRTOiCRmrqXkvzRuJ6pgNzvgtpscNR91N-dYTPvpKnBmFvx9hxOFzajtaBKp25Egcw4YvpXcduUO8HymfuQsRSsna3apPPrSBo2MyFesN6sb1lW44cWmX/s320/Iterierte.png" width="320" height="243" /></a>
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Hier noch ein paar Bemerkungen zur Implementierung (in <a href="http://ruediger-plantiko.net/filter/filter.js">filter.js</a>). Beim Parsen der Eingabe werden zunächst die Kommentare und Leerzeilen entfernt. Danach wird aus jeder Datenzeile eine Zahl und ein nachfolgender Bezeichner eingelesen. Zusammen mit dem zur eindeutigen Benennung vorangestellten Index wird so ein Array von Arrays (AoA) erzeugt, wobei jedem Folgenelement ein vierelementiges Array zugeordnet ist: das erste Element erhält den Index, das zweite Element den Zahlenwert, das dritte den Bezeichner und das vierte das Wachstumsverhalten als Signum (also mit den Werten -1, 0 oder 1) im Vergleich zum Vorgänger.
<pre class="sh_javascript"> function parseInput( stream ) {
const DATA_PATTERN = /^([-+.eE\d]+)(?:\s*|;)(.*)/;
const COMMENT_PATTERN = /\s*#.*$/;
var series = [];
stream.split('\n').forEach( function(line,i) {
try {
line = line.replace(COMMENT_PATTERN,"");
if (!line.match(/\S/)) return; // Leerzeilen überspringen
var pair = parseLine(line,i);
series.push( [ series.length, pair[0], pair[1] ] );
} catch (e) {
e.message += " (Zeile "+(i+1)+": '"+line+"')";
throw e;
}
});
return series.map( appendGrowth );
function parseLine( line, i ) {
var m = line.match(DATA_PATTERN);
if (m === null || m.length === 0) {
throw new Error("Zeile muss mit einer Zahl beginnen");
}
checkNumeric( m[1] );
return [ 1*m[1], m[2] || '#'+(i+1) ]
}
}
</pre>
Hier ermittelt <code>appendGrowth</code> das <i>Signum</i> der Datenänderung im Vergleich zum Vorgänger. Stimmt der Wert des Vorgängers mit dem aktuellen Wert überein, wird weiter zurückgeschaut, bis man einen echt größeren oder echt kleineren Wert gefunden hat. Die Funktionsschnittstelle entspricht dabei der Schnittstelle von Array-Iteratorfunktionen wie <tt>map</tt>, so dass dieses Signum mit dem Aufruf <code>.map( appendGrowth )</code> den (vorher nur dreielementigen) Daten-Arrays hinzugefügt werden kann.
<pre class="sh_javascript"> function appendGrowth(data,i,total) {
return data.concat( getGrowth( ) );
// Der Wert ist immer -1, 0 oder +1
function getGrowth( ) {
var sign = 0;
// Zurückspulen, bis ein echtes Zu- oder Abnehmen gefunden wurde
for (let j=i-1;j>=0&&sign===0;j--) {
sign = Math.sign( data[1] - total[j][1] );
}
return sign;
}
}</pre>
Die zentrale Funktion <code>getTurningPoints</code> ermittelt aus einer Zahlenfolge <code>series</code> die Folge ihrer Umkehrpunkte, und zwar je nach Funktion <code>condition</code> die Folge der oberen oder der unteren Umkehrpunkte. Hierzu wird, wie man vom Namen erwarten könnte, die JavaScript-Funktion <code>Array.prototype.filter</code> verwendet. Die Elemente der entstehenden Teilmenge, die ja vierelementige Arrays sind, werden dann kopiert, da das vierte Element, das Wachstumsverhalten, für jede Reihe neu ermittelt werden muss.
<pre class="sh_javascript"> function getTurningPoints(series,condition) {
var newSeries =
series
.filter( conditionSatisfied )
.map( copy )
.map( appendGrowth );
return newSeries;
// Auf Umkehrpunkt prüfen (bis zum vorletzten Datenpunkt möglich)
function conditionSatisfied(data, i) {
return (i < series.length - 1) &&
condition(data[3],series[i+1][3])
}
// Kopie der ersten drei Elemente
function copy(data) {
return data.slice(0,3);
}
}
</pre>
Aus dieser Funktion resultieren die Funktionen <code>getUpperTurningPoints</code> und <code>getLowerTurningPoints</code>, die sich nur durch die verwendete <code>condition</code> beim Aufruf von <code>getTurningPoints</code> unterscheiden:
<pre class="sh_javascript"> function getUpperTurningPoints(series) {
return getTurningPoints( series, stopsIncreasing );
}
function getLowerTurningPoints(series) {
return getTurningPoints( series, stopsDecreasing );
}
function stopsIncreasing(currentGrowth,nextGrowth) {
return (currentGrowth>0) && (nextGrowth<0);
}
function stopsDecreasing(currentGrowth,nextGrowth) {
return (currentGrowth<0) && (nextGrowth>0);
}
</pre>Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-81719956365720441262016-09-04T14:52:00.001+01:002016-09-07T07:33:32.925+01:00Zu Dir hin hast Du uns geschaffenIm heutigen Evangelium (<a href="http://www.bibel-online.net/buch/luther_1545_letzte_hand/lukas/14/#1">Lk 14,26-27</a>) heisst es:
<blockquote>So jemand zu mir kommt und hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kind, Brüder, Schwester, auch dazu sein eigenes Leben, der kann nicht mein Jünger sein. Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, der kann nicht mein Jünger sein.</blockquote>
Wie schroff, ja brutal! Sich und die Seinen hassen? Das ist doch Hate Speech! Da müssen wir etwas machen!
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Die moderne Einheitsübersetzung versucht den heutigen Leser zu besänftigen, indem sie das harte <i>hasset</i> durch <i>gering achtet</i> ersetzt. Ich bleibe bei <i>hasset</i>, denn erstens steht es im Original (griechisch μισεῖ, in der Vulgata steht da <code>odit</code>, die Sachlage ist eindeutig), und zweitens ist hier eine emotionale Beteiligung gemeint, die weit über ein blosses "Geringachten" hinausgeht. Wenn das anstössig ist – dann sei es eben so.
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Wie ist das zu verstehen? Verstösst diese Aufforderung nicht direkt gegen das vierte Gebot <a href="http://kath-zdw.ch/maria/gebote.html">Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren</a>? Ganz sicher nicht! Es sagt nur, dass es einen Ruf gibt, der <i>noch stärker</i> sein muss als der Ruf der Welt mit ihrer horizontalen Eigengesetzlichkeit, in die wir eingebettet sind, ja die unsere Identität in dieser Welt ausmacht. Wir stehen in dem Strom von Tradition und Fortschritt, in der Kette von Ahnen und Nachfahren, in dem besonderen geschichtlichen Sein unseres Volkes und unserer Rasse, und all diesem sind wir verpflichtet - aber all dies hat kein Recht, uns von unserem transzendenten Quell wegzuziehen. <a href="http://www.bibel-online.net/buch/luther_1912/apostelgeschichte/5/#29">Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen</a>, sagte es einer von Jesu grössten Schülern zu späterer Gelegenheit. All das Horizontale, das in dieser Welt Weiterwachsende, hat natürlich seine Berechtigung, aber es stillt nicht unseren metaphysischen Durst. Das Wasser des Lebens strömt nicht aus diesen Quellen.
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Wie der Hirsch nach dem Wasser der Quelle dürstet, so dürstet meine Seele nach Dir, Herr, singt, ruft verzweifelt, ja weint der <a href="http://www.bibel.com/bibel/luther/psalm-42.html">Psalmist</a>. Es ist das Verlangen nach dem Wasser, das den Durst auf ewig stillt. Wer kann dieses Sehnsuchts- und Klagelied lesen und unberührt davon bleiben?
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<blockquote>Wie der Hirsch schreit nach frischem Wasser, so schreit meine Seele, Gott, zu dir.<br/>
Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott. Wann werde ich dahin kommen, dass ich Gottes Angesicht schaue?<br/>
Meine Tränen sind meine Speise Tag und Nacht, weil man täglich zu mir sagt: Wo ist nun dein Gott?<br/>
Wenn ich des innewerde, so schütte ich mein Herz aus bei mir selbst; denn ich wollte gerne hingehen mit dem Haufen und mit ihnen wallen zum Hause Gottes mit Frohlocken und Danken unter dem Haufen derer, die da feiern.<br/>
Was betrübst du dich, meine Seele, und bist so unruhig in mir?<br/>
Harre auf Gott ! denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe und mein Gott ist.
</blockquote>
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<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/ouBm2WYdmBA" frameborder="0" allowfullscreen></iframe>
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Die Seele, die nach <i>diesem</i> Wasser dürstet, das den Durst auf ewig stillt, stösst Vater und Mutter, Frau und Kinder, Brüder und Schwestern unwirsch weg, wenn diese sie davon abhalten wollen.
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Dies ist der "Hass", der im Wort Jesu gemeint ist. Er gilt dieser Welt, die sich vor die Seele hinpflanzt und sagt: mir allein sollst Du dienen, es gibt nichts ausser mir. Oder, wenn wir die moderne Variation dieser Sonate spielen: Dir allein sollst Du dienen - Du bist Dein eigener Herr, Du bist frei, verwirkliche Dich selbst, es ist Dein Recht! Niemand hat das Recht, Dich davon abzuhalten!
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All diese Stimmen - sie mögen sanft säuselnd, dem Ego schmeichelnd, oder auch den Opferdienst fordernd daherkommen - all diese Stimmen weist die Seele schroff ab, die sich nach Gott sehnt, die Gottes Liebesangebot an die erste Stelle setzt.
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Nun ist, was der Versucher sagt, nie ganz falsch – er redet immer so, dass man ihm aus seiner Rede keinen Strick drehen kann: natürlich sind wir frei – und es ist etwas Grosses um diese Freiheit, da sie uns Gott ähnlich macht – und natürlich sollen wir alle Schicksalszusammenhänge freudig bejahen, in die wir gestellt sind - wir sollen aus ganzer Kraft Vater bzw. Mutter sein, den Ehepartner und die Kinder lieben, Brüder und Schwestern lieben, unser Volk lieben – aber zuallererst zieht es die Seele zu ihrem Schöpfer, vor dem sie ganz allein steht. Ohne trügerische Sicherheit, ungeborgen und ungeschützt durch irgendwelche Zusammenhänge, in denen er sich verstecken könnte, gilt jedem einzelnen ganz ausschliesslich die Ansprache, die der lebendige Gott an ihn richtet.
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Und selbstverständlich gibt es hier Grade der Kraft – Abstufungen, in denen man Jesu Aufruf ernst nimmt. Ich habe nicht diejenigen zu verurteilen (wie man es aus einem "irdischen" Pflichtverständnis tun könnte), die diesen Aufruf radikal ernstgenommen und sich völlig aus den Weltzusammenhängen herausgelöst haben - in die Einsamkeit einer Einsiedlerklause oder eines Klosters gingen, um sich ganz ungestört dem Ruf Gottes zu öffnen. Hier ist es wie mit der Bergpredigt: es gibt eine Ebene, in der sie radikal ernstgenommen werden kann, zu der sich einige wenige auch berufen fühlen: die Heiligen. Ihr Leben ist fortan nicht mehr dem Gesetz der Schwerkraft unterworfen. Ihr Verhalten folgt keinen nach irdischen Maßstäben nachvollziehbaren Regeln - sie leben noch hier, aber eigentlich schon nicht mehr hier.
<p/><p/>
Aber auch die vielen, die nicht so weit gehen können oder wollen, spüren, dass sie in dieser Existenz hier nur ein Zeichen oder Gleichnis sind; sie spüren in allem den geheimnisvollen Verweis auf eine höhere Ganzheit, die nur in das irdische Sein hineinragt.
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<a href="http://www.catena-aurea.de/ljcpann23.html">Beda Venerabilis</a> kommentiert das Jesuswort wie folgt:
<blockquote>Es gibt einen Unterschied zwischen "allem entsagen" und "alles verlassen"; denn nur wenige Vollkommene haben die Kraft, alles zu verlassen, das heisst die Sorgen dieser Welt hinter sich zu lassen. Aber es ist die Aufgabe aller Gläubigen, allem zu entsagen, das heisst die Güter dieser Welt so zu besitzen, dass sie dennoch durch sie nicht in der Welt festgehalten werden.</blockquote>
In einem alten indischen Weisheitstext, der Bhagavadgita, beeindruckte mich eine Stelle so, dass sie lange meine <a href="http://ruediger-plantiko.net/">Homepage</a> zierte:
<blockquote>Wer nicht der Welt verhaftet ist, frei von Selbstsucht, voller Entschlossenheit, sicher und mit ruhiger Aufrichtigkeit in der Hingabe, ohne Berauschtheit beim Erfolg, ohne sich entmutigen zu lassen beim Misserfolg — wer so handelt, wird sattva-artig genannt.</blockquote>
Das drückt etwas Ähnliches aus wie das <i>Entsagen</i>, von dem Beda spricht: es geht um ein inneres Sich-Herausziehen aus den Gesetzen dieser Welt. Ohne dabei das, was man tut, etwa nicht mehr aus ganzem Herzen und ganzer Kraft zu tun.
<p/><p/>Die östliche Geisteswelt preist den Seelenzustand, in dem "nichts mehr anhaftet". Sie realisiert damit das, was Nietzsche später das "Frei von" nannte. Denjenigen, die die Befreiung von allem predigen – und das geht an den westlichen Liberalismus ebenso wie an diese östlichen Weisheitslehren – schleudert Zarathustra seine berühmte Frage entgegen:
<blockquote>Frei nennst du dich? Deinen herrschenden Gedanken will ich hören und nicht, dass du einem Joche entronnen bist.<br/>
Frei wovon? Was schiert das Zarathustra! Hell aber soll mir dein Auge künden: frei wozu?</blockquote>
Die Freiheit als solche, so kostbar sie ist, ist eben ein leerer Raum. Die entscheidende Frage ist, ob wir sie dazu nutzen, das in uns liegende, in uns hineinragende göttliche Gesetz zu verwirklichen.
<p/><p/>
Auf die Frage nach dem <i>Frei wozu?</i> hüllen sich die östlichen Weisheitslehrer in lächelndes Schweigen. Aber unsere christlichen, westlichen Weisheitslehrer geben uns genau auf diese Frage Auskunft - zum Beispiel <a href="http://www.kathpedia.com/index.php?title=Augustinus_von_Hippo">Augustinus von Hippo</a> (354-430):
<blockquote>
Groß bist du, Herr, und über alles Lob erhaben. Und da will der Mensch dich preisen, dieser winzige Teil deiner Schöpfung. Du selbst regst ihn dazu an; denn du hast uns zu dir hin geschaffen, und unruhig ist unser Herz, bis es ruht in dir.
</blockquote>
Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-23447029572402385162016-07-31T17:23:00.000+01:002019-09-03T08:02:02.352+01:00Reise eines Plantikos nach PlantikowSchon immer hatte es mich aus reiner Neugierde gereizt, mir einmal das kleine pommersche Dorf Plantikow anzusehen, das seit 1945 <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/B%C5%82%C4%85dkowo">Błądkowo</a> heißt und – wie der größere Teil Pommerns – heute zu Polen gehört. Wie mein Name nahelegt, stammen meine Vorfahren aus diesem Örtchen – mein Ur-Urgroßvater Plantikow wirkte hier als Pfarrer, genau so wie eine Reihe seiner Vorväter. Heute findet man Plantikows und Plantikos überall auf der Welt. In Deutschland listet <a href="http://www.telefonbuch.de">telefonbuch.de</a> sieben <i>Plantikos</i> und 66 <i>Plantikows</i> auf, die Zahlen können wir wohl mit einem Faktor drei oder vier multiplizieren (für nicht Verzeichnete und Familienangehörige).
<p/><p/>
Was ist Plantikow für ein Ort? Wie fühlt es sich an, als Nachfahre auf einem Boden zu stehen, auf dem schon Vorfahren vor Jahrhunderten wandelten? Gibt es einen <code>genius loci</code> – ein Fluidum, das dem Ort anhaftet und für das man sich empfänglich machen kann? Selbst dann, wenn die Bevölkerung mittlerweile vollständig ausgetauscht wurde und somit heute den polnischen Nationalcharakter atmet?
<p/><p/>
Um meine Neugierde zu stillen, machte ich mich in diesem Sommer auf zu einer Erkundung der Gegend.
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Plantikow ist mit seinen knapp 200 Einwohnern etwas größer als ein Weiler, hat aber eine lange Geschichte und wurde urkundlich schon 1269 erwähnt. Das nächstgelegene Städtchen ist <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dobra_(%C5%81obez)">Daber (Dobra)</a> mit immerhin schon über 2000 Einwohnern. Den Namen Daber trägt auch ein winziges Bächlein, das durch Plantikow fließt. Hier kann man es fließen sehen:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEguS6gOFU6bCJ0kHFwp_R81oeZ00elrqPULrTmFAlquxjV2DM22Pu1eewulY0BDwRLTQbNt6zADtwEQlvIMd9HbPlzRXFSbhIz-2nUwqHUuoj-jOV1bJvKMs-FeTKKhJpDhMladcOBiOr9n/s1600/dobra.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEguS6gOFU6bCJ0kHFwp_R81oeZ00elrqPULrTmFAlquxjV2DM22Pu1eewulY0BDwRLTQbNt6zADtwEQlvIMd9HbPlzRXFSbhIz-2nUwqHUuoj-jOV1bJvKMs-FeTKKhJpDhMladcOBiOr9n/s400/dobra.jpg" width="235" height="400" /></a></div>
Plantikow wurde früher - wie in bäuerlichen Gegenden üblich - als <i>Gut</i> von einer Familiendynastie verwaltet, belegt ist seine Übergabe als Rittergut durch <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Karl_IV._(HRR)">Kaiser Karl IV.</a> (1316-1378) an den Grafen <i>Ulrich von Dewitz</i> (1323−1363). Die längste Zeit seiner Geschichte entstammten Plantikows Gutsherren ebendiesem Adelsgeschlecht der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Dewitz_(Adelsgeschlecht)">Dewitz</a>.
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Im Wikipedia-Artikel zu <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Pommern">Pommern</a> ist nachzulesen, dass es ursprünglich von westgermanischen Rugiern und Goten besiedelt wurde, im Zuge der Völkerwanderung rückten dann ab dem Ende des 5. Jahrhunderts auch slawische Stämme nach. Dänen, Polen und das Heilige Römische Reich kämpften um die Vorherrschaft über Pommern. Nach polnischer Unterwerfung durch Herzog <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Boles%C5%82aw_III._Schiefmund">Bolesław III. Schiefmund</a> (1116-1121) und einem kurzen Gastspiel unter dänischer Herrschaft ging Pommern in der <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Schlacht_bei_Bornh%C3%B6ved_(1227)">Schlacht bei Bornhöved</a> (1227) endgültig an das Deutsche Reich über, dem es dann über sieben Jahrhunderte - bis 1945 - angehörte. Die Nachkriegsgeschichte ist bekannt: die in Pommern wohnenden Deutschen wurden vertrieben und durch Polen ausgetauscht, dies geschah auch unter Druck der Sowjetunion, die den ganzen polnischen Staat nach Westen verschob, um sich selbst nach Europa hin zu vergrößern.
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<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Stettin">Stettin</a> ist die in der ganzen westpommerschen Region dominierende Stadt, was Einwohner und Wirtschaftskraft betrifft. Die klassische Definition zieht die Oder als Grenzfluß zwischen Vor- und Hinterpommern. Die polnische Grenze verläuft jedoch westlich von Stettin, so daß heute die gesamte Stadt der Wojwodschaft Westpommern zugerechnet wird, dem historischen Hinterpommern. Wenn man vom Westen kommend (z.B. Berlin) auf der A11 nach Osten Richtung Danzig fährt, überquert man bei Stettin die Grenze; ab dort wird diese Autobahn als A6 weitergeführt (immer noch die Europastraße E28), in Gollnow (<a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Goleni%C3%B3w">Goleniów</a>, 20'000 Ew.) spaltet sich diese einerseits in die S3, die nordwärts bis zur Insel <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Wolin">Wolin</a> am riesigen Stettiner Haff führt - da ist man bei <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/%C5%9Awinouj%C5%9Bcie">Swinemünde</a> schon fast wieder in Deutschland (westlich der Grenze kommt man dann zur Insel <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Usedom">Usedom</a> und nach <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Heringsdorf">Heringsdorf</a>), und andererseits in die S6, die die Europastraße E28 dann über <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Koszalin">Köslin (Koszalin)</a> bis nach <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Danzig">Danzig</a> weiterführt.
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In der Anreisenacht verpasste ich die Abzweigung in Gollnow und fuhr weiter bis nach Wolin, wo mich (nachdem ich bei jeder Ausfahrt vergeblich nach "Nowogard" gespäht hatte) das viele Wasser um mich herum endlich davon überzeugte, dass ich mich verfahren haben musste. So kam ich eine Stunde später als geplant in Nowogard an und mußte den Portier des schönen und preisgünstigen Hotels <a href="http://willa-zbyszko.pl/">Willa Zbyszko</a> aus dem Bett klingeln. Er kam im Nachthemd und sehr verschlafen, aber freundlich heraus.
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Die Stadt Naugard / Nowogard liegt an einem schönen See, eben dem "Jezioro Nowogardzkie", den ich in einer vielleicht einstündigen Wanderung umrundete.
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiDVMiOG4EeiQF8H9x5X8Gkesk6hvrqPPM2KboCN1DP4t1Qyr5g8_1FhLz7xbKH7NlZlRYovfGRO4Hix9I0aud4TbVJo031pIL6wHfbbnR6OvhjDXnsBwFMisPuIbQ1d3Djk7dV68XHmaCI/s1600/IMG_20160724_154651.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiDVMiOG4EeiQF8H9x5X8Gkesk6hvrqPPM2KboCN1DP4t1Qyr5g8_1FhLz7xbKH7NlZlRYovfGRO4Hix9I0aud4TbVJo031pIL6wHfbbnR6OvhjDXnsBwFMisPuIbQ1d3Djk7dV68XHmaCI/s400/IMG_20160724_154651.jpg" width="400" height="300" /></a></div>
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Die Stadt selbst beeindruckt mit ihrer steil zum Himmel ragenden Marienkirche im gotischen Stil (erbaut im 14. Jahrhundert).
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg7kCLn15ob1L-MMbpRfpkpmx06jHCakZMM3SevZphyphenhyphenOVEzdjanDJb7btvJgHE-dW-4ChINy7EXMrzeD7qyKK_yuE3VyC4NZ0byvAn3ZxCuxq8_4UXNl1mNX9qJQrYIn_z6MgycWkwb-6iO/s1600/IMG_20160724_151744.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg7kCLn15ob1L-MMbpRfpkpmx06jHCakZMM3SevZphyphenhyphenOVEzdjanDJb7btvJgHE-dW-4ChINy7EXMrzeD7qyKK_yuE3VyC4NZ0byvAn3ZxCuxq8_4UXNl1mNX9qJQrYIn_z6MgycWkwb-6iO/s400/IMG_20160724_151744.jpg" width="300" height="400" /></a></div>
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Nun aber ging es nach Plantikow!
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgQVyIcZOEFuU2LgYSrY0jgS5mZgcllvn_abntL0tXZbK8LLoWMXEhXsxNkcpKab3pEdql5B-uN6hIwYlXmRJEXylUa5zx2OgF9Mms8BZ8s71m_khSHGCGu90QwvWUA2-6Bxi-1771DtiqU/s1600/IMG_20160726_140528.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgQVyIcZOEFuU2LgYSrY0jgS5mZgcllvn_abntL0tXZbK8LLoWMXEhXsxNkcpKab3pEdql5B-uN6hIwYlXmRJEXylUa5zx2OgF9Mms8BZ8s71m_khSHGCGu90QwvWUA2-6Bxi-1771DtiqU/s400/IMG_20160726_140528.jpg" width="400" height="300" /></a></div>
Es ist eine Ansammlung einiger Häuser, hauptsächlich Bauernhöfe, die an der Straße von Ostrzyca nach Dobra liegt. Die Straße macht mitten in Plantikow einen Knick. An diesem Knick liegt der Dorfkern, gerade dort, wo die Dobra unter der Straße durchgeführt wird. Man findet einen kleinen Spielplatz und ein schön gepflegtes Blumenbeet,
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEipy-V712o-ACD3OP1a1Scc18Jy7_S6EKxpf0E4KfdKxOK4P7xlWLZmiCIuEeHCBoJr8MmocHyWHS864oxkG1PEzLQLfDVIo97xBtrNZnqZHEEh25_QHNBpp3cjt1evBCbnEbSFKH0JVor4/s1600/IMG_20160726_141051.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEipy-V712o-ACD3OP1a1Scc18Jy7_S6EKxpf0E4KfdKxOK4P7xlWLZmiCIuEeHCBoJr8MmocHyWHS864oxkG1PEzLQLfDVIo97xBtrNZnqZHEEh25_QHNBpp3cjt1evBCbnEbSFKH0JVor4/s400/IMG_20160726_141051.jpg" width="400" height="300" /></a></div>
vor allem aber die traurig stimmende Ruine der ehemaligen Dorfkirche, die von einem Storchennest geziert wird:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgi-Hkvk0SH6s-1hF6LGHzq4bGsLEFZYZn5VfPO_cweBEYcyXkuGiMbpHkcoDa1SmqwaWRFDuNXJYFO1lJQ12MSHw_n5dpNNWNeLh8oWNB5zZL2RQ3HOL6F3nNG3rY9u0SzFMuXj-0RFmvE/s1600/IMG_20160726_131313.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgi-Hkvk0SH6s-1hF6LGHzq4bGsLEFZYZn5VfPO_cweBEYcyXkuGiMbpHkcoDa1SmqwaWRFDuNXJYFO1lJQ12MSHw_n5dpNNWNeLh8oWNB5zZL2RQ3HOL6F3nNG3rY9u0SzFMuXj-0RFmvE/s400/IMG_20160726_131313.jpg" width="300" height="400" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgZfI8DYifsAipDpCtdgWSsXf1KX3D_Ai3uKq7MMFbqRcASEMDzQG7mYZ32dogRTEPaBSweiXrClporhPvq5X9U3CkkOOj9ca-n2NKPDx_OSByddfeec_4uQLOcCt9i0r7a4roWIdSio0MS/s1600/IMG_20160726_131511.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgZfI8DYifsAipDpCtdgWSsXf1KX3D_Ai3uKq7MMFbqRcASEMDzQG7mYZ32dogRTEPaBSweiXrClporhPvq5X9U3CkkOOj9ca-n2NKPDx_OSByddfeec_4uQLOcCt9i0r7a4roWIdSio0MS/s400/IMG_20160726_131511.jpg" width="300" height="400" /></a></div>
Auf einer kleinen Erinnerungstafel nahe der Kirche hat ein Geschichtsfreund einige uralte Ansichtskarten von Plantikow ausgestellt.
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Auf dieser kann man sehen, wie die Kirche zu besseren Zeiten einmal ausgesehen hat:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjUaO-Od7iZD-tbKTZHZ8I1doqb0TV3R9RNC12McyCzj3OVBzAPLfW3wYxtaYxZ7NvLUyBCTWkkZRT85xkXnP5AqbtgZwuzP4-_QhagS3ZcFSK6v2fON7qReRuWneFMqwomJ8U89nCeQXzr/s1600/IMG_20160726_130927.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjUaO-Od7iZD-tbKTZHZ8I1doqb0TV3R9RNC12McyCzj3OVBzAPLfW3wYxtaYxZ7NvLUyBCTWkkZRT85xkXnP5AqbtgZwuzP4-_QhagS3ZcFSK6v2fON7qReRuWneFMqwomJ8U89nCeQXzr/s400/IMG_20160726_130927.jpg" width="400" height="300" /></a></div>
Interessant ist auch diese hier, denn sie zeigt auch einen Dorfteich, von dem jedoch heute nichts mehr übrig ist:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjO0GYhrKm9empp5_E_fk-4qbVIJHaWtFQAHkExzK5L8wTLch6EMpclTU-NFkKSMKY4R0yo59y1qKVdD7mTmpyWW3fqi6VemjuVqC5b8R84UA7cp0fk7ypIBLgRUMsJhs1mjfYH2okv7pCk/s1600/IMG_20160726_130935.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjO0GYhrKm9empp5_E_fk-4qbVIJHaWtFQAHkExzK5L8wTLch6EMpclTU-NFkKSMKY4R0yo59y1qKVdD7mTmpyWW3fqi6VemjuVqC5b8R84UA7cp0fk7ypIBLgRUMsJhs1mjfYH2okv7pCk/s400/IMG_20160726_130935.jpg" width="400" height="300" /></a></div>
Den Ortsausgang Richtung Dobra ziert dann wieder ein liebevoll geschmücktes Kruzifix:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhVOv6NCmkY3h5T2Y4B-b_VGlSmEES2k98FI-Xevh_sLiq8R-jwQ-KcxG36Yd7UysSqsOxWO1FoYujGq98xkRAUuevZczic1M_wjU9tUu1HWfsmvLGaeRlCruJDfKfzWovuzj66K78JAk9_/s1600/IMG_20160726_132248.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhVOv6NCmkY3h5T2Y4B-b_VGlSmEES2k98FI-Xevh_sLiq8R-jwQ-KcxG36Yd7UysSqsOxWO1FoYujGq98xkRAUuevZczic1M_wjU9tUu1HWfsmvLGaeRlCruJDfKfzWovuzj66K78JAk9_/s400/IMG_20160726_132248.jpg" width="300" height="400" /></a></div>
An den Bauernhöfen prangt immer stolz ein Schild mit EU-Sternenkranz und einer polnischen Inschrift, auf dem folgenden Foto kann man es gerade noch erkennen. Es muß sich um EU-Gelder handeln, die im Rahmen eines Subventionsprogramms an die polnischen Landwirte verteilt werden. Die EU-Loyalität, die man sich aufgrund dieser Zahlungen erhofft, bleibt aber zurückhaltend. Die Polen haben ein gesundes Nationalgefühl und spüren, wenn es der nationalen Souveränität an den Kragen geht. Wer kann es ihnen verübeln, daß sie zu den Subventionen dennoch nicht Nein sagen.
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiE1uesUECjnT6CPV7DLe0UBsWpsgfxv4c6NAoKe5OtveM709WKNJGabQqRPZEWdEYxJTZw4hfvFSdJXs282uEVZUGrosBqFSAWpmB-QsUAvLiLqFtkfH-0nZ-LJhcCYMR7rzwmckFiaKCp/s1600/IMG_20160726_140641.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiE1uesUECjnT6CPV7DLe0UBsWpsgfxv4c6NAoKe5OtveM709WKNJGabQqRPZEWdEYxJTZw4hfvFSdJXs282uEVZUGrosBqFSAWpmB-QsUAvLiLqFtkfH-0nZ-LJhcCYMR7rzwmckFiaKCp/s400/IMG_20160726_140641.jpg" width="400" height="300" /></a></div>
Mein Vater wußte von einem nahe Plantikow gelegenen See - dem Plantikow-See. Der Dorfteich aus der Ansichtskarte wird es wohl nicht gewesen sein. Eine erste Umrundung des Dorfes brachte auch keine Ergebnisse. Überall nur Felder, die gerade gemäht wurden, und Weiden.
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjQ5VJSgcOjSjmITO3LlHuMWZC7rgnlZzedz4DDB_zvqKvIvvUIyaUXKKieP4gBjFTDxJWfre7QmxJ9hV3IYHkByn5At2lvVWSjn0cI2ETEpPBp_QmdJIXvejZIt1l5Genkw97TOmSDtQk5/s1600/IMG_20160726_133236.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjQ5VJSgcOjSjmITO3LlHuMWZC7rgnlZzedz4DDB_zvqKvIvvUIyaUXKKieP4gBjFTDxJWfre7QmxJ9hV3IYHkByn5At2lvVWSjn0cI2ETEpPBp_QmdJIXvejZIt1l5Genkw97TOmSDtQk5/s400/IMG_20160726_133236.jpg" width="400" height="300" /></a></div>
Natürlich gab es kleinere Gewässer, die aber niemals ein See gewesen sein können – wie dieses hier:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiXaXPTW_KEXNUMTAd8yeU89QK0fgLxWemUG5ZKFDaITv6YSpb413jL5Ggk3cucnKAGVN4fyQmR6o0H_k-6LYicXoHpp5jfc8N0xLewA265gN6MNr9dFMp0grw6ggeme_HelEv24H3sqh0H/s1600/IMG_20160726_134731.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiXaXPTW_KEXNUMTAd8yeU89QK0fgLxWemUG5ZKFDaITv6YSpb413jL5Ggk3cucnKAGVN4fyQmR6o0H_k-6LYicXoHpp5jfc8N0xLewA265gN6MNr9dFMp0grw6ggeme_HelEv24H3sqh0H/s400/IMG_20160726_134731.jpg" width="400" height="300" /></a></div>
Vom Dorfkern aus ging allerdings nach Süden ein Waldstückchen aus, das aber von keiner Seite begehbar schien. Am Abend konsultierte ich Google Earth – und mitten in diesem offenbar nicht begehbaren Wald war tatsächlich etwas, das ein See sein könnte!
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhGJ7juTEbReJRg0u85RFPDSBqTmzUw3-dwGOg1gQixNL3a8aJHABQT4xRgxlMIUe_MUPwO5u-RpAeOYFpNnmm1Af125_EOjgYY_Z9L17XU1af5u_u2Ovm3Qc47870izPVPkip_qTB7Wx1c/s1600/plantiko.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhGJ7juTEbReJRg0u85RFPDSBqTmzUw3-dwGOg1gQixNL3a8aJHABQT4xRgxlMIUe_MUPwO5u-RpAeOYFpNnmm1Af125_EOjgYY_Z9L17XU1af5u_u2Ovm3Qc47870izPVPkip_qTB7Wx1c/s400/plantiko.jpg" width="392" height="400" /></a></div>
So machte ich mich am nächsten Tag noch einmal auf (unter den nachvollziehbar mißtrauischen Augen einiger Dorfbewohner, denen ich mich aber weder auf Deutsch noch auf Englisch verständlich machen konnte – und hätte ich es machen können, hätten sie mich vermutlich für irre gehalten), wanderte zuerst am Ortsausgang Richtung Dobra den südwärtigen Feldweg herunter und schlug mich dann ins Dickicht. Der Wald war wirklich unerschlossen, außer Tieren wird hier lange niemand durchgegangen sein. Die Mücken waren meine Begleiter, und ich mußte an ihren Gesang in Marguerite Lobecks <i>Sommerspiel</i> denken, dessen Aufführung ich kürzlich wieder genießen durfte:
<blockquote>Wir Mücken entschweben<br/>
den Grüften und leben<br/>
in Lüften,<br/>
um uns zu entzücken<br/>
im Glanze der Sonne,<br/>
im Tanze voll Wonne.<br/>
Wir Mücken sind Geister,<br/>
erkoren vom Meister<br/>
um Toren, die überall Lücken<br/>
und Schwächen entdecken, zu stechen,<br/>
zu necken!
</blockquote>
Immer mehr Libellen und Frösche zeigten mir, daß ich auf dem richtigen Weg zum Wasser war. Es <i>mußte</i> doch diesen See geben! Irgendwann stieß ich auf das Dobra-Bächlein und folgte ihm nordwärts. Der Himmel zog sich zu, es ging nun in den Abend hinein. Ein paar Tröpfchen kamen vom Himmel.
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Schließlich stieß ich auf die Wasserflächen!
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Der Wald gab eine erste kleine Lichtung frei, über die sich ein fast zugewachsener See erstreckte:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiQexuiiSTY3vcZBSNMUdSPIk4GbubIF8-UqqL9VH8oh2Vu4-ZDINFmP5a4NhVOwJN7XWfmOIT8-ymjM0QwMXg95WV_MHY4lVolHVf5Utk15r_MtiCZfc9YFfadXs8tCE2fM1hHeSvxc-d6/s1600/IMG_20160727_193727.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiQexuiiSTY3vcZBSNMUdSPIk4GbubIF8-UqqL9VH8oh2Vu4-ZDINFmP5a4NhVOwJN7XWfmOIT8-ymjM0QwMXg95WV_MHY4lVolHVf5Utk15r_MtiCZfc9YFfadXs8tCE2fM1hHeSvxc-d6/s400/IMG_20160727_193727.jpg" width="300" height="400" /></a></div>
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Während ich weiterwanderte, kam auch von oben mehr Nässe - als wären meine Rufe nach dem Wasser sehr gründlich erhört worden. Und da offenbarte sich schon ein zweiter See. Er enthielt noch mehr offene Wasserfläche als der erste.
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEghiqR8Y9pUJw9DDTwUHry3RrfhNNbkfsVDKK2OYObCKAUleh0PhqbQJPxY_sHnR4DvGNLai0atRoxxs3bgRKWazia2GXImt89LNgRbFfOvERdP22GmoPD5DrOSNyXrEhqYBTU6BgqyQq-0/s1600/IMG_20160727_194032.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEghiqR8Y9pUJw9DDTwUHry3RrfhNNbkfsVDKK2OYObCKAUleh0PhqbQJPxY_sHnR4DvGNLai0atRoxxs3bgRKWazia2GXImt89LNgRbFfOvERdP22GmoPD5DrOSNyXrEhqYBTU6BgqyQq-0/s400/IMG_20160727_194032.jpg" width="400" height="300" /></a></div>
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Der Regen beharrte auf seinem Recht beachtet zu werden und erhöhte nun seine Intensität. Er wuchs sich zu einem dieser vollen, kräftigen Gewitterregen aus, mit denen wir in diesem Sommer oft beglückt werden. Es dauerte nicht lange, bis die Bäume des Waldes mich nicht mehr vor ihm schützten. Ich wurde komplett durchnäßt.
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Als ich das Waldstück verließ, war es schon spät geworden. Die Sonne schickte sich an unterzugehen, und Błądkowo hatte ich nicht mehr in Sicht. Eilig trat ich den Rückweg ins Dorf an und beendete meinen Tagesausflug.
<p/><p/>
Ob es einen Plantikow-See gibt, ob ich wirklich den Fragmenten eines solchen Sees begegnet bin, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Ein schönes, intensives Naturerlebnis war mein kleiner Waldgang allemal. Es ist immer wieder erstaunlich, wie schnell man bei ganz urtümlichen Stimmungen landet, sobald man sich auch nur ein bißchen von den ausgetretenen Wegen und den urbar gemachten, besiedelten und bewirtschafteten Gebieten entfernt.
<p/><p/>
Zur Eingangsfrage nach dem <i>genius loci</i>: ich habe <i>nichts</i> gespürt: keinen Hauch, kein Fluidum, keinen Schauer – nichts, was irgendwie einem Déjà-vu ähnlich war. Und eigentlich ist das auch klar: Die Ahnen haben mir den Boden bereitet, aber sie sind nicht mehr da. Was da ist, sind nur noch Überreste ihres Schaffens. So wie die Einwohner Plantikows nach dem Krieg flohen und die, die den Treck verpaßt hatten, vertrieben wurden, so haben auch die Ahnen die Form verlassen, in der sie gelebt und gewirkt haben. Auch ihre körperlichen Überreste, ihre Gebeine, ihr Staub oder was immer von ihnen übrig ist, sind ja verlassen: es wäre nichts an ihnen, das ein Déjà-vu-Erlebnis auslösen würde. Auf dem, was sie ihren Nachfahren weitergereicht haben, gründet meine Existenz. Das ist alles.Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-31411955323899707092016-07-21T15:41:00.005+01:002021-01-04T21:12:53.882+01:00Jenseits von Schere, Stein und Papier<ul>
<li><a href="#motivation">Eine Relation "ist stärker als" codieren</a>
<li><a href="#klassifizierungsprobleme">Klassifizierungsprobleme</a>
<li><a href="#ketten">Die Ketten</a>
<li><a href="#notation">Notation</a>
<li><a href="#differenzrelationen">Differenzrelationen</a>
<li><a href="#kombinieren">Relationen kombinieren</a>
<li><a href="#kardinalitaet">Eine Invariante: die Kardinalität</a>
<li><a href="#zykelzahl">Die Zykelzahl</a>
<li><a href="#ergebnisse">Ergebnisse</a>
<li><a href="#nachtrag">Nachtrag: die selbe Chose in C++</a>
</ul>
<h2 id="motivation">Eine Relation "ist stärker als" modellieren</h2>
Vor kurzem stellte sich ein Lernender in der Programmierkunst <a href="http://stackoverflow.com/questions/38179338/">die Aufgabe</a>, ein Spiel ähnlich dem bekannten <i>Schere, Stein, Papier!</i> zu entwickeln: der Spieler wählt eine "Waffe", danach wählt die Maschine mittels Zufallsgenerator eine. Die Maschine prüft dann, welche Waffe "stärker" ist und gibt aus, wer gewonnen hat.
<br />
<br />
Die Menge der Waffen abzubilden, war einfach: er entschied sich für einen Array, der einfach eine Liste der verfügbaren Waffen in Form von Strings enthielt:
<br />
<pre class="sh_javascript">var weapons = ["pistol","bomb","knife"];</pre>
Wie aber sollte er nun - und das war die Frage, mit der er sich ans Forum wandte - die Funktion definieren, die ihm liefert, welche Waffe stärker ist als welche?
<pre class="sh_javascript">function isStronger(weapon1,weapon2) {
// ???
}</pre>
Die Relation "ist stärker als", die er sich dabei als Beispiel gewählt hat, hatte er durch <i>bomb > knife, knife > pistol, pistol > bomb</i> definiert (wie er diese Relation begründen mag, ist ein anderes Thema: siegt die Pistole über die Bombe, weil der treffsichere Pistolero rechtzeitig den Zünder kaputtschießt? Und das Messer siegt über die Pistole, weil der Kämpfer es schneller parat hat? Die Begründungen des klassischen "Stein-Papier-Schere"-Spiels kommen mir da plausibler vor - aber darum geht es hier nicht).
<p/><p/>
Die von ihm gewählte Relation gehört zu denen, in denen das Spiel überhaupt sinnvoll ist, da es keine stärkste Waffe gibt. Jede Waffe ist unter dieser Relation stärker als eine andere und schwächer als eine andere. Gäbe es stattdessen eine stärkste Waffe, wäre das Spiel langweilig: man müßte nur diese stärkste Waffe wählen und könnte nicht mehr verlieren – allenfalls geht es unentschieden aus, wenn die Maschine (der Zufallsgenerator) dieselbe Waffe gewählt hat.
<br />
<br />
Wie also wäre die Relation mit Programmcode zu modellieren? Eine einfache Antwort wäre, die unterschiedlichen Fälle mit dem <a href="http://c2.com/cgi/wiki?SwitchStatementsSmell">zu Recht unbeliebten <code>switch/case</code></a> zu programmieren:
<br />
<pre class="sh_javascript">function isStronger(weapon1,weapon2) {
switch(weapon1) {
case "bomb":
switch(weapon2) {
case "bomb":
return false;
case "knife":
return true;
case "pistol":
return false;
default:
throw new Error('Unknown weapon "'+weapon2+'"')
}
case "knife":
switch(weapon2) {
case "bomb":
return false;
case "knife":
return false;
case "pistol":
return true;
default:
throw new Error('Unknown weapon "'+weapon2+'"')
}
case "pistol":
switch(weapon2) {
case "bomb":
return true;
case "knife":
return false;
case "pistol":
return false;
default:
throw new Error('Unknown weapon "'+weapon2+'"')
}
default:
throw new Error('Unknown weapon "'+weapon1+'"')
}
}</pre>
Dieser Code, obwohl unglaublich aufgebläht, ist immerhin <i>korrekt</i>, leistet das Gewünschte: er liefert für jedes mögliche Paar von Waffen die Angabe, welche stärker als welche ist.
<p/><p/>
("Aber ist das nicht das Wichtigste: dass der Code tut, was er soll?" - fragen Leute, die <a href="https://books.google.ch/books?id=dwSfGQAACAAJ">Clean Code</a> und/oder <a href="https://books.google.ch/books?id=5wBQEp6ruIAC">The Pragmatic Programmer</a> nicht gelesen haben...)
<p/><p/>
Obendrein enthält der Code auch ein Fehlerhandling durch Abfangen der Defaultzweige. Andererseits wird der Array <code>weapons</code> überhaupt nicht benötigt. Es ist alles ausprogrammiert.
Die Gefahr von Tippfehlern, wenn weitere Waffen dazukommen, ist erheblich.
<br />
<br />
Eine <a href="https://simpleprogrammer.com/2010/08/17/pulling-out-the-switch-its-time-for-a-whooping/">übliche Refaktorisierung</a> des <code>switch/case</code>-Statements besteht darin, statt Code eine Datenstruktur zu verwenden und die <code>case</code>s durch Zugriffe auf diese Datenstrukturen mit Index oder mit dem Dot-Operator zu ersetzen.
<br />
<br />
In diesem Fall könnte das so aussehen:
<br />
<pre class="sh_javascript">var isStronger = (function(){
var stronger = {
"bomb":{
"bomb":false,
"knife":true,
"pistol":false
}
"knife":{
"bomb":false,
"knife":false,
"pistol":true
}
"pistol":{
"bomb":true,
"knife":false,
"pistol":false
}
}
return function(weapon1,weapon2) {
return stronger[weapon1][weapon2]
}
})();
</pre>
Das hält immerhin die benötigte Information ("ist stärker als") vom eigentlichen Code getrennt.
<br />
Das Fehlerhandling, auf das es mir hier nicht ankommt, habe ich weggelassen - es wäre leicht nachzutragen: der Zugriff <code>stronger[weapon1][weapon2]</code> liefert den Wert <code>undefined</code>, wenn <code>weapon2</code> nicht bekannt ist. Er löst die abzufangende Ausnahme <code>TypeError</code> aus, wenn <code>weapon1</code> nicht bekannt ist (die durch den Zugriff auf das Member <code>weapon2</code> des Wertes <code>undefined</code> entsteht).
<br />
<br />
Nun enthält auch dieser Code noch Redundanzen: es ist auch ausprogrammiert, dass eine Waffe nie stärker ist als sie selbst. Ausserdem genügt es offenbar anzugeben, wer stärker ist als wer. Denn aktuell ist jede Relation doppelt enthalten.
<br />
<br />
Eine Relation wie "ist stärker als" kann in Form einer Matrix modelliert werden, in der jede Zeile für den ersten und jede Spalte für den zweiten Kandidaten im Vergleich steht. Ist der Vergleich positiv, wird an dieser Stelle eine 1 notiert; ist "stärker als" <i>nicht</i> erfüllt, eine 0.
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhTxchOzaP8QMsH-fdpj7_q6LnRCUvzs9iJkbH8C1PAwqxgE84LiDLjFnfLCZM6mHqg00Zc-e_hNo5PmIbYbdZTJJa0fCWhTFNgygyEqsezJvpvxdFPHq9448f6T4mrBRX-lQO51RZ67AsG/s1600/CodeCogsEqn.gif" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhTxchOzaP8QMsH-fdpj7_q6LnRCUvzs9iJkbH8C1PAwqxgE84LiDLjFnfLCZM6mHqg00Zc-e_hNo5PmIbYbdZTJJa0fCWhTFNgygyEqsezJvpvxdFPHq9448f6T4mrBRX-lQO51RZ67AsG/s1600/CodeCogsEqn.gif" style="background-color: inherit; border: none;" /></a></div>
Man muss die Einsen in der Matrix durchgehen, um die Relation auszubuchstabieren. Wenn wir die Relation "ist stärker als" mit dem Symbol ≻ notieren und die "Waffen" durchnumerieren, so codiert die hier dargestellte Matrix also die Relation
<pre> 1 ≻ 2
2 ≻ 3
3 ≻ 1
</pre>
Spiegelt man die Matrix an der Hauptdiagonalen, so müssen für alle Plätze außerhalb dieser Hauptdiagonalen Einsen mit Nullen vertauscht werden. Die Plätze auf der Diagonalen sind immer 0 (denn keine Waffe ist stärker als sie selbst). Um zu sagen, welche Waffe stärker als welche ist, sind also nur die Plätze oberhalb der Diagonalen beliebig mit Einsen oder Nullen zu besetzen. Das ist die einzige benötigte Information. Insbesondere gibt es 2<sup>3</sup> = 8 verschiedene Möglichkeiten, "ist stärker als" auf der Menge mit drei Waffen zu definieren.
<br />
Die Entfernung von Redundanz reduziert wieder die Gefahr von Tippfehlern und beschränkt die Information der <code>stronger</code>-Datenstruktur auf das Wesentliche:
<br />
<pre class="sh_javascript">var isStronger = (function(){
var stronger = {
"bomb":["knife"],
"knife":["pistol"],
"pistol":["bomb"]
}
}
return function(weapon1,weapon2) {
return stronger[weapon1].indexOf(weapon2) >= 0
}
})();</pre>
Da bei der hier gewählten Relation eine Waffe immer stärker als genau eine andere ist, hätte man für diese konkrete Relation statt eines Hashs of Arrays (HoA) auch dieses Wissen einfließen lassen und einen Hash of Strings wählen können:
<pre class="sh_javascript">var isStronger = (function(){
var stronger = {
"bomb":"knife",
"knife":"pistol",
"pistol":"bomb"
}
}
return function(weapon1,weapon2) {
return stronger[weapon1] == weapon2
}
})();</pre>
Nur ist diese Version leider nicht verallgemeinerbar: es ist absehbar, dass weitere Waffen dazukommen werden. Es ist dann, wie man leicht sehen kann, überhaupt nicht mehr möglich, ein "ist stärker als" zu definieren, in dem jede Waffe stärker als genau eine andere Waffe ist. Der Ansatz mit dem Hash of Arrays ist daher in Hinblick auf die Erweiterbarkeit vorzuziehen.
<br />
Wenn wir das konkrete Wissen einfließen lassen wollen, wäre es sowieso viel einfacher. Denn die von ihm gewählte Relation "ist stärker als" ist ja eine ringförmige Anordnung.
<br />
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEihjaw5wjb9ma_JTBNz_vv9rWMcH4_xkE-bpLK0lKoGx4qeysV6abRU4VDOSrXHaqnZe0fTJWtQo_Nh3xcFzMIuF7IUgAeo3I0s08_EdAic0ifXLlYr_KQ_EO0gLLMNFpCmqSMPqvYEZhNF/s1600/bomb-knife-pistol.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEihjaw5wjb9ma_JTBNz_vv9rWMcH4_xkE-bpLK0lKoGx4qeysV6abRU4VDOSrXHaqnZe0fTJWtQo_Nh3xcFzMIuF7IUgAeo3I0s08_EdAic0ifXLlYr_KQ_EO0gLLMNFpCmqSMPqvYEZhNF/s1600/bomb-knife-pistol.png" /></a></div>
Es gewinnt jeweils der, der in diesem orientierten Kreis unmittelbar vor dem anderen liegt. Wenn wir den Array der <code>weapons</code> ins Spiel bringen, lässt sich diese Regel für <i>ist stärker als</i> mit dem Modulo-Operator <code>%</code> implementieren:
<br />
<pre class="sh_javascript">function isStronger(weapon1,weapon2) {
var i1 = weapons.indexOf(weapon1);
var i2 = weapons.indexOf(weapon2);
return (3 + i1 - i2) % 3 == 2;
}</pre>
Hier steckt also das ganze Wissen um die konkrete Relation "ist stärker" nicht mehr in einer Datenstruktur, sondern in einer Formel. Wenn man die Relation ändert - oder auch nur erweitert, indem man eine neue Waffe hinzufügt, muss man sich eine neue Formel überlegen. Und um die Formel zu verstehen, muss man sie - zugegeben! - etwas gründlicher anschauen als im vorigen Beispiel die Datenstruktur. Andererseits erkennt man an der Verwendung des Modulo-Operators, dass eine zyklische Struktur zugrundeliegt. Bei der expliziten Modellierung mit der Datenstruktur sieht man das erst auf den zweiten Blick.
<br />
<br />
<h2 id="klassifizierungsprobleme">
Klassifizierungsprobleme</h2>
Einfache Fragen verlangen oft danach, in einen größeren Zusammenhang gestellt zu werden. "Schere - Stein - Papier" wirft die Fragen auf:
<ol>
<li>Wie ist überhaupt eine Relation "stärker als" rein formal zu definieren?
</li>
<li>Welche Relationen dieser Art gibt es, und wie lassen sie sich beschreiben?
</li>
</ol>
In diesem Blogpost ist die erste Frage - nach dem Begriff dieser Relationen - bereits in natürlicher Sprache beantwortet. Formal können wir von einer Relation im strengen, mengentheoretischen Sinn sprechen, notieren wir sie wieder mit dem Zeichen ≻, die folgende Eigenschaften hat:
<ol>
<li>Sie ist <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Asymmetrische_Relation">asymmetrisch</a>, das heißt für zwei beliebige Elemente <i>x, y</i> gilt nie zugleich <i>x≻y</i> <b>und</b> <i>y≻x</i>.
</li>
<li>Sie ist <i>total</i>, das heißt zwei beliebige Elemente <i>x, y</i> stehen immer in Relation zueinander: eines von beiden ist "≻" als das andere.
</li>
</ol>
Wir reden also über die <i>asymmetrischen, totalen Relationen</i> auf einer endlichen Menge. Solche Relationen heißen in der Literatur auch <i>Dominanzrelationen</i>. Die beiden Eigenschaften lassen sich zu einer einzigen zusammenfassen:
<blockquote>
<i>Für zwei beliebige Elemente x,y der Menge gilt immer genau eine der drei Beziehungen x=y, x≻y oder y≻x.</i></blockquote>
Solche Relationen werden gelegentlich auch <i>Turnierrelationen</i> genannt, weil jede Relation dem möglichen Ausgang eines Turniers von <i>n</i> Spielern entspricht, wobei jeder Teilnehmer einmal gegen jeden anderen Teilnehmer spielt.
<br />
Die zweite Frage ist ein typisches <i>Klassifikationsproblem</i>. Man könnte ja sagen: die Antwort ist: es gibt so viele Relationen dieser Art, wie es Besetzungen des oberen Dreiecks einer <i>n×n</i>-Matrix mit den Werten 0 oder 1 gibt. Da das obere Dreieck einer <i>n×n</i>-Matrix n(n-1)/2 Plätze hat, gibt es also 2<sup>n(n-1)/2</sup> mögliche Dominanzrelationen auf der Menge mit <i>n</i> Elementen.
<br />
<br />
Alles richtig. Aber ist die Frage damit wirklich beantwortet?
<br />
<br />
Nein: wir wissen nicht, welche dieser Relationen sich nur durch Umbenennung der Elemente unterscheiden. Nehmen wir z.B. die Relation
<br />
<pre> 1 ≻ 2
2 ≻ 3
1 ≻ 3</pre>
Sie entspricht folgendem Graphen:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjG49Xl1Vy9Y0tXIF7VgVisZU43gGcVK7O1tN_GuBsabME4qHWyYqeezmtomEhnZ26JTrF_8InGVHnI_B_C71gT2twUZ_TD9_hX-ZTgZbbN1APmufOoX6xEJAHXzSk0s6_DeHhNSEL1cC9A/s1600/chart.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjG49Xl1Vy9Y0tXIF7VgVisZU43gGcVK7O1tN_GuBsabME4qHWyYqeezmtomEhnZ26JTrF_8InGVHnI_B_C71gT2twUZ_TD9_hX-ZTgZbbN1APmufOoX6xEJAHXzSk0s6_DeHhNSEL1cC9A/s1600/chart.png" /></a></div>
Betrachten wir nun die folgende Relation:
<pre> 3 ≻ 2
2 ≻ 1
3 ≻ 1</pre>
Ist es wirklich eine andere? Wenn wir uns den Graphen ansehen, würden wir sagen: es ist die gleiche, nur wurden die Elemente anders benannt - 3 heißt jetzt 1 und 1 heißt 3:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh2dfmBAFaojzuk4BKqK7a61rj8IHnV09NVc-oZ_BwxI9mKivxleqeaEPvI3YGRfVJNXM4jnZAT4aPEcqP0HJveTShGlz7lZOEzPY-ecmiLWQlF54xdomvwCNvZJ7xNAhJvfgvFqNvpwjeR/s1600/chart2.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh2dfmBAFaojzuk4BKqK7a61rj8IHnV09NVc-oZ_BwxI9mKivxleqeaEPvI3YGRfVJNXM4jnZAT4aPEcqP0HJveTShGlz7lZOEzPY-ecmiLWQlF54xdomvwCNvZJ7xNAhJvfgvFqNvpwjeR/s1600/chart2.png" /></a></div>
Insgesamt gibt es auf der dreielementigen Menge 2<sup>3</sup>=8 Dominanzrelationen. Von diesen acht haben aber sechs den gleichen Graphen wie den gerade abgebildeten, entsprechend den 3! = 6 Möglichkeiten, die Elemente 1, 2 und 3 in einer Reihe hinzuschreiben (Permutationen).
<br />
Es bleiben zwei weitere Relationen übrig, die aber ebenfalls auseinander durch Vertauschung von Elementen hervorgehen (hierfür müssen genau zwei Elemente miteinander vertauscht werden). Es sind die Relationen, die einer kreisförmigen Anordnung entsprechen. Einerseits diese:
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhOmsM6kzDLuhjxcoZxEgJwL9esaQXjxfkFx4yARuIVLa8vVUHavcBiAhyphenhyphendreLy0m8YeTrHdEbOVfTazkjAKjsLY9i5QcfsRl7aUj_v6PvXrY3QSle5VmcF9yT_zrUcxr33wEcIN9D0t0s6/s1600/chart3.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhOmsM6kzDLuhjxcoZxEgJwL9esaQXjxfkFx4yARuIVLa8vVUHavcBiAhyphenhyphendreLy0m8YeTrHdEbOVfTazkjAKjsLY9i5QcfsRl7aUj_v6PvXrY3QSle5VmcF9yT_zrUcxr33wEcIN9D0t0s6/s1600/chart3.png" /></a></div>
Und andererseits diese:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiwId97N7deUmWmIxyJEs6_LIi4e3AbFo06TF6QtElfiyKLZ2U57YFl3gZortA18Cg0aVLNiyzSqOVKZRij7K6rXc0-75IYDc9Xh8Do8_Dhdb9MM3yCIyAEHNgwVL6Bc9Ck6asIR7-qyJAJ/s1600/chart4.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiwId97N7deUmWmIxyJEs6_LIi4e3AbFo06TF6QtElfiyKLZ2U57YFl3gZortA18Cg0aVLNiyzSqOVKZRij7K6rXc0-75IYDc9Xh8Do8_Dhdb9MM3yCIyAEHNgwVL6Bc9Ck6asIR7-qyJAJ/s1600/chart4.png" /></a></div>
Wie man sieht, gehen diese beiden Graphen auseinander hervor, wenn man die Elemente 1 und 3 vertauscht. Sie können daher als "die gleiche Relation" betrachtet werden, denn auf die Benennung der einzelnen Elemente kommt es ja nicht wirklich an.
<p/><p/>
Das ist ein typischer Abstraktionsvorgang in der Mathematik. In diesem Fall operiert die <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Symmetrische_Gruppe">symmetrische Gruppe <i>S<sub>n</sub></i></a> der Permutationen der n-elementigen Menge auf der Menge aller Dominanzrelationen dieser n-elementigen Menge, nennen wir sie <i>D<sub>n</sub></i>. Das heißt, es gibt eine Abbildung <i>S<sub>n</sub>×D<sub>n</sub>⟼D<sub>n</sub></i>, die jedem Paar aus einer Permutation <i>p</i>∈<i>S<sub>n</sub></i> und einer Dominanzrelation ≻∈<i>D<sub>n</sub></i> eine neue Dominanzrelation ≻<sub>p</sub>∈<i>D<sub>n</sub></i> zuordnet, definiert durch
<br />
<blockquote>
<i>x ≻<sub>p</sub> y :⟺ p(x) ≻ p(y)</i> für alle Elemente <i>x, y</i>,</blockquote>
<br />
wobei die Gruppenoperation verträglich mit der Hinereinanderausführung ist, d.h. es gilt (≻<sub>p</sub>)<sub>q</sub> = ≻<sub>qp</sub> für alle Permutationen <i>p,q</i> und alle Dominanzrelationen <i>≻</i>.
<p/><p/>
Die ursprüngliche Menge <i>D<sub>n</sub></i> zerfällt unter der Operation dieser Gruppe in einzelne zueinander elementfremde Teilmengen, deren Elemente jeweils durch die Operation der Gruppe auseinander hervorgehen, die sogenannten Orbits der Gruppenoperation (oder auch: die <i>Äquivalenzklassen</i> bezüglich der Äquivalenzrelation, die durch die Gruppenoperation definiert wird).
<br />
<br />
Die Frage ist dann: beschreibe für jeden Orbit einen typischen Repräsentanten, am besten durch eine Konstruktionsbeschreibung. Dann könnte man sagen, man hat das Klassifikationsproblem gelöst, "man hat jede Dominanzrelation einmal gesehen".
<br />
<br />
Im Falle der dreielementigen Menge erzeugt die Operation der symmetrischen Gruppe offensichtlich zwei Orbits. Der eine enthält sechs Relationen, durch die die drei Elemente zu einer Kette angeordnet werden: es gibt jeweils ein größtes Element, ein mittleres und ein kleinstes Element. Der zweite Orbit ist nur zweielementig. Er entspricht der Anordnung der Elemente in einem orientierten Kreis, wobei jedes Element nur "größer" ist als sein direkter Vorgänger im Kreis. Bei der dreielementigen Menge gibt es nur zwei verschiedene Möglichkeiten (entsprechend den Orientierungen), die Elemente in einem Kreis anzuordnen. Daraus gehen die beiden Dominanzrelationen des zweiten Orbits hervor. Tatsächlich sind diese beiden Relationen äquivalent, denn eine beliebige Vertauschung zweier Elemente führt sie ineinander über.
<br />
<br />
Wie aber sieht es im allgemeinen Fall aus?
<br />
<h2 id="ketten">
Die Ketten</h2>
Die Relationen, die ich eben Ketten genannt habe, gibt es für beliebige Grundmengen: man kann sie konstruieren, indem man jedem Element der Menge einen "score" zuweist und dann die Relation durch das "größer als" auf der Zahlenmenge definiert:
<pre class="sh_javascript">function rel(a,b) {
return score(a) > score(b)
}</pre>
Einzige Bedingung, um eine Dominanzrelation zu erhalten, ist daß die verwendete score-Funktion <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Injektivit%C3%A4t">injektiv</a> sein muß: verschiedene Elemente müssen auch verschiedene Scores haben (für Elemente <i>a,b</i> mit gleichem Score wäre die Totalität verletzt, es würde weder <i>a≻b</i> noch <i>b≻a</i> gelten).
<p/><p/>
Durch die Score-Funktion kommen die Elemente in Form einer Kette auf dem Zahlenstrahl zu liegen, und die Reihenfolge, in der sie auf dem Zahlenstrahl liegen, bestimmt bereits die Relation. Es würde also reichen, Score-Funktionen in die Zahlenmenge {1,2,3,...,n} zu betrachten. Die Abbildung in diese Menge ist dann sogar bijektiv. Die Menge der möglichen Abbildungen entspricht der Menge der Permutationen, der symmetrischen Gruppe <i>S<sub>n</sub></i>.
<br />
<br />
Bei Ketten gibt es ein Element, das größer als alle anderen ist, dann ein zweitgrößtes Element usw. Die Dominanzrelation läßt sich symbolisch so notieren wie dieses Beispiel:
<br />
<blockquote>
5 > 6 > 1 > 7 > 3 > 2 > 4</blockquote>
<br />
Die Dominanzrelation ≻ ergibt sich dann als <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Transitive_H%C3%BClle_(Relation)">transitive Hülle</a> dieser Kette, indem man <i>a≻b</i> setzt, wenn <i>a</i> weiter links als <i>b</i> auf der Kette liegt.
<br />
<br />
Das bedeutet, mit Hilfe von Score-Funktionen landen wir nur in einer einzigen Äquivalenzklasse, einem einzigen Typ von Dominanzrelationen, dem einfachst möglichen. Die durch Score-Funktionen definierten Dominanzrelationen sind alle untereinander äquivalent.
<br />
<h2 id="notation">Notation</h2>
Eine Dominanzrelation ist durch die Stellen im oberen Dreieck ihrer darstellenden Matrix definiert, die mit einer Eins besetzt sind. Das gibt eine Möglichkeit, sie in eindeutiger Form zu notieren:
<blockquote style="font-style: normal;">
<b>{i<sub>1</sub>:j<sub>1</sub> i<sub>2</sub>:j<sub>2</sub> ... i<sub>k</sub>:j<sub>k</sub>}</b></blockquote>
Dabei sind <b>i<sub>1</sub>,i<sub>2</sub>,...</b> die Zeilennummern und <b>j<sub>1</sub>,j<sub>2</sub>,...</b> die Spaltennummern der Stellen, an denen in der Matrix eine 1 steht. Diese Stellen sollen nach aufsteigender Zeilennummer und in einer Zeile nach aufsteigender Spaltennummer notiert sein. Dann fungiert der so gebildete String als eindeutige Charakterisierung der Relation: haben zwei Dominanzrelationen einen zeichenweise übereinstimmenden String, so <i>sind</i> sie identisch.
<br />
Wenn wir nun zur Informatiker-Konvention übergehen und mit der Null statt der Eins zu zählen beginnen, so steht zum Beispiel die Notation
<br />
<blockquote style="font-style: normal;">
<b>{0:3 0:5 1:4}</b></blockquote>
für folgende Dominanzrelation auf der sechselementigen Menge {0,1,2,3,4,5}:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhdxoRlyuujUMRQpYkZ0MU1qgOe7FqAnykQYN6Lpnb5QeyGK7RDByHYel8ichOfIW4qtA6qGTlzFGd5oBgGnwnM0Er1nikUbGtksgXPRWc0II-dOyFnDCQ8kric6gnIUDA9jMz_RKUZt_x0/s1600/03_05_14.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhdxoRlyuujUMRQpYkZ0MU1qgOe7FqAnykQYN6Lpnb5QeyGK7RDByHYel8ichOfIW4qtA6qGTlzFGd5oBgGnwnM0Er1nikUbGtksgXPRWc0II-dOyFnDCQ8kric6gnIUDA9jMz_RKUZt_x0/s1600/03_05_14.png" /></a></div>
Die Notation <b>{0:3 0:5 1:4}</b> ist also die Kurzform für die Relation
<pre> 1>0
2≻0
0≻3
4≻0
0≻5
2≻1
3≻1
1≻4
5≻1
3≻2
4≻2
5≻2
4≻3
5≻3
5≻4</pre>
Man kann diese Notation so verstehen, dass man genau die "überraschenden" dieser fünfzehn Relationspaare notiert - genau diejenigen, die nicht der normalen "Grösser-als"-Relation unter den natürlichen Zahlen entsprechen.
<h2 id="differenzrelationen">Differenzrelationen</h2>
Das Stein-Papier-Schere-Beispiel suggeriert ein Konstruktionsverfahren für gewisse totale asymmetrische Relationen beliebiger Ordnung, die ich <i>Differenzrelationen</i> nennen möchte.
<br />
Wie oben beschrieben, kann man die Stein-Papier-Schere-Relation auf die <i>Subtraktion</i> der Indices reduzieren, die Funktion lässt sich wie folgt hinschreiben:
<br />
<pre class="sh_javascript">function isStronger(i,j) {
return (3 + i - j) % 3 == 2;
}</pre>
Die Relation auf der dreielementigen Menge {0,1,2} wird also auf die Subtraktion wie folgt zurückgeführt
<blockquote>
i ≻ j :⇔ i - j ∊ { -1,2 }
</blockquote>
Das lässt sich verallgemeinern: Auf der n-elementigen Menge {0,1,...n-1} kann man Relationen der Art
<blockquote>
i ≻ j :⇔ i - j ∊ S
</blockquote>
definieren, wobei die Menge S eine Teilmenge der Menge aller möglichen Differenzen D := { -(n-1),-(n-2),...,-1,0,1,...n-1} ist mit folgenden Eigenschaften:
<ul>
<li>Es gilt S∩-S=∅ (insbesondere muss also 0∉S sein), sonst wäre die Relation nicht asymmetrisch,
</li>
<li>und es gilt S∪-S∪{0} = D, sonst wäre die Relation nicht total.
</li>
</ul>
Jede derartige Menge S enthält also genau n-1 Elemente und ist von der Form
<blockquote>
S = { ±1, ±2, ..., ±(n-1) },
</blockquote>
wobei die Vorzeichen frei wählbar sind. Die 2<sup>n-1</sup> möglichen Wahlen der Vorzeichen ergeben also ebensoviele verschiedene (aber nicht notwendig inäquivalente) Relationen, die ich mit Δ("<i>vorzeichenfolge</i>") notiere. Z.B. steht
<blockquote>
Δ(-+-++)
</blockquote>
für die Relation
<blockquote>
i ≻ j :⇔ i - j ∊ {-1,2,-3,4,5}
</blockquote>
auf der sechselementigen Menge {0,1,2,3,4,5}.
<h2 id="kombinieren">Relationen kombinieren</h2>
Man kann Relationen immer aus Relationen niedriger Ordnung konstruieren wie folgt:
<ol>
<li>Man zerlegt die Grundmenge in k einzelne Teilmengen
</li>
<li>Auf jeder dieser k Teilmengen wählt man eine Relation R<sub>i</sub>, i=1,...,k
</li>
<li>Weiter wählt man eine Relation R auf der Menge mit k Elementen.
</li>
<li>Auf der Gesamtmenge definiert man nun, dass x in Relation zu y steht, falls
<ul>
<li>sie beide in der i-ten Teilmenge liegen und sie dort in der Relation R<sub>i</sub> stehen,
</li>
<li>oder sie in verschiedenen Teilmengen i und j liegen, und i und j in der Relation R stehen
</li>
</ul>
</li>
</ol>
Jede der k Teilmengen wird also aus Sicht von R als "ein Element" aufgefasst. Aber innerhalb der einzelnen Teilmengen gelten die Relationen R<sub>i</sub>.
<br />
Kombinierte Relationen dieser Art notiere ich in der Form
<br />
<blockquote>
C( R<sub>1</sub>(i<sub>11</sub>,i<sub>12</sub>,...i<sub>1n<sub>1</sub></sub>) R<sub>2</sub>(...) ... | R(k) )
</blockquote>
Dabei stehen R<sub>1</sub>, ... R<sub>k</sub>, R für die Relationen in der oben beschriebenen Notation. Hinter jeder der Einzelrelationen <i>R<sub>i</sub></i> wird die (angeordnete) Folge der Ziffern angeführt, auf denen sie operiert.
<br />
So steht z.B. die Notation
<br />
<blockquote>
C({0:4 0:5 1:5}(0,1,3,4,5) {}(2)|{0:1}(2))
</blockquote>
für diese Relation:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi6E_nour54ExvuyAnBtv44eAH2Jzytvnn8nn8rvg-zzogfGr3IUHoip9UtLnr0wbmawe2t7wPvhW5K3dCas4VB6_8N93A3Mufmwn0bfHFZG_VVsYlG1FHLtfNGSNLtNBZL9aXqTgjcMX7Q/s1600/combined.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi6E_nour54ExvuyAnBtv44eAH2Jzytvnn8nn8rvg-zzogfGr3IUHoip9UtLnr0wbmawe2t7wPvhW5K3dCas4VB6_8N93A3Mufmwn0bfHFZG_VVsYlG1FHLtfNGSNLtNBZL9aXqTgjcMX7Q/s1600/combined.png" /></a></div>
Wie man sieht, lassen sich die Ziffern {0,1,3,4,5} zu einer Gruppe zusammenfassen, die kollektiv zum verbleibenden Element 2 in der Relation ≻ steht.
<br />
Die Objekte eines Klassifikationsproblems, die sich auf schon bekannte Objekte zurückführen lassen - wie die kombinierten Relationen - sind weniger interessant als die übrigbleibenden, <i>nicht</i> zusammengesetzten, die "einfachen" oder "irreduziblen" Objekte.
<br />
<h2 id="kardinalitaet">Eine Invariante: die Kardinalität</h2>
Kennzahlen, die sich bei einem Klassifikationsproblem unter der Gruppenoperation nicht verändern, nennt man Invarianten. Für Relationen kann man eine "Kardinalität" definieren:
<blockquote>
Die Kardinalität (0:i<sub>0</sub> 1:i<sub>1</sub>... (n-1):i<sub>n-1</sub>) notiert die Anzahlen der Elemente, die in Relation zu keinem, zu einem, zu zwei usw. Elementen stehen.
</blockquote>
Zum Beispiel hat die obige kombinierte Relation die Kardinalität
<blockquote>
(0:1 3:5),
</blockquote>
was bedeutet: <i>ein Element</i> (nämlich die 2) ist nicht grösser als irgendein anderes, alle übrigen Elemente sind grösser als genau drei andere Elemente.
<br />
Für diese Anzahlen spielt es offensichtlich keine Rolle, wie die einzelnen Elemente benannt sind oder ob man sie umbenennt.
<br />
<br />
Das kann man ausnutzen, um schnell zu ermitteln, dass zwei Relationen <i>nicht</i> äquivalent sind: wenn sie verschiedene Kardinalitäten haben, können sie nicht äquivalent sein.
<br />
<br />
Gilt auch umgekehrt, dass zwei Relationen mit gleicher Kardinalität zueinander äquivalent sind? Für die obige Kardinalität ist das so: es gibt 144 Relationen der Kardinalität (0:1 3:5), und sie sind alle äquivalent zu der gezeigten.
<br />
<br />
Die Kardinalität bestimmt eine Relation bis auf Äquivalenz aber nur auf Mengen mit bis zu vier Elementen. Schon bei fünfelementigen Mengen gilt das nicht mehr: so haben zum Beispiel die Relationen Δ(+++-) und Δ(+---) zwar dieselbe Kardinalität, nämlich (1:2 2:1 3:2), sind aber nicht zueinander äquivalent.
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjBqLxJy8qCEqgtadCk44gK-pCu-vo24LOZdeVKUpBjXH-tIJ_z7E5PFJMUfPTUU3wM_g0kmoeGOXvfMb7d5YobmkjKjhWhT9PRv64QKmeFSxBYLyc1Ggo3XFkokQaM8MfG2FntAHf4ybib/s1600/compare.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjBqLxJy8qCEqgtadCk44gK-pCu-vo24LOZdeVKUpBjXH-tIJ_z7E5PFJMUfPTUU3wM_g0kmoeGOXvfMb7d5YobmkjKjhWhT9PRv64QKmeFSxBYLyc1Ggo3XFkokQaM8MfG2FntAHf4ybib/s1600/compare.png" /></a></div>
Wären diese beiden Relationen äquivalent, müsste es eine Permutation geben, die die beiden Graphen ineinander überführt. Dabei müsste die 2 in die 2 abgebildet werden, denn sie ist jeweils das eindeutig bestimmte Element, das genau über zwei andere Elemente dominiert. Die 2 aber bildet rechts (in Δ(+---)) einen Dreierzyklus mit 4 und 3:
<pre>2≻4
4≻3
3≻2</pre>
Aufgrund der Äquivalenz müssten 4 und 3 zwei Elementen im linken Graphen (dem von Δ(+++-)) entsprechen, die ebenfalls mit der 2 einen Dreierzyklus bilden. Dort gibt es aber keinen Dreierzyklus, der die 2 enthält. Also sind die beiden Relationen inäquivalent, obwohl sie dieselbe Kardinalität haben.
<h2 id="zykelzahl">Die Zykelzahl</h2>
Invarianten findet man in diesem Problem, indem man Eigenschaften des Graphen zu beschreiben versucht, <i>die nicht von der konkreten Benennung der Elemente abhängen.</i>
<p/><p/>
Neben der Kardinalität ist beispielsweise auch die <i>Zykelzahl</i> eine Invariante: man kann die Anzahl wirklich verschiedener <i>Dreierzyklen</i> (wie "Papier,Stein,Schere") zählen, die Zahl der Viererzyklen usw. "Wirklich verschieden" bedeutet dabei: bis auf zyklische Vertauschung der zur Beschreibung des Zyklus verwendeten Elemente. "Papier,Stein,Schere" bezeichnet denselben Zyklus wie "Stein,Schere,Papier" oder "Schere,Papier,Stein" – in einem Zyklus ist es ja egal, bei welchem Punkt ich mit der Aufzählung seiner Elemente beginne.
<p/><p/>Auch die so gewonnene Zykelzahl ist eine Invariante. Es zeigt sich, dass die Invariante zwar häufig auch verschiedene Äquivalenzklassen gleicher Kardinalität noch auseinanderhalten kann. Bis zu N=5 ist jede Äquivalenzklasse durch Kardinalität und Zykelzahl eindeutig beschrieben. Ab N=6 reicht aber auch die Zykelzahl nicht mehr aus. So haben beispielsweise die Relationen <b>{0:2 0:5}</b> und <b>{0:2 0:3 0:5}</b> dieselbe Kardinalität (1:2 2:1 3:1 4:2) und dieselbe Zykelzahl
(3:4 4:4 5:3 6:1), also vier Dreier-, vier Vierer-, drei Fünfer- und einen Sechserzyklus, sind aber nicht zueinander äquivalent.
<h2 id="ergebnisse">Ergebnisse</h2>
Wie sieht nun die Klassifikation der totalen asymmetrischen Relationen aus? Je mehr Elemente die Grundmenge hat, desto unübersichtlicher wird die Lage natürlich.
<br />
Auf der Menge mit <b>N=3</b> Elementen gibt es, wie schon diskutiert, 6 = 3! zueinander äquivalente "Ketten", also Relationen, die sich von einer Stärkefunktion ableiten lassen. Dazu kommen zwei zueinander äquivalente Relationen vom "Stein-Papier-Schere"-Typ, die sich als Differenzrelation Δ(+-) (oder Δ(-+)) konstruieren lassen. Diese haben die Eigenschaften, dass alle Elemente immer grösser als genau ein anderes Element sind:
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiL2j3ljLBlvGweuyV6Tt2ezRFrbwSewPd1Q3O4xGj8IIR95ov83Rh6zM83L7wRsZ6GbqBo-F6AufHt4UuGh8goZXevv1WGgzuzpsdO7tIS-rmKTamSEx5MbMKfrfIO_p7MskvBzkWBQZbJ/s1600/N_3.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="55" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiL2j3ljLBlvGweuyV6Tt2ezRFrbwSewPd1Q3O4xGj8IIR95ov83Rh6zM83L7wRsZ6GbqBo-F6AufHt4UuGh8goZXevv1WGgzuzpsdO7tIS-rmKTamSEx5MbMKfrfIO_p7MskvBzkWBQZbJ/s400/N_3.png" width="400" /></a></div>
Die Kardinalität definiert hier noch eindeutig die Äquivalenzklasse. Das ist auch für <b>N=4</b> noch der Fall. Dort gibt es bereits vier Äquivalenzklassen, neben den 24 = 4! Ketten gibt es eine Klasse mit 24 Relationen, die auch die Differenzrelation Δ(--+) enthält, sowie zwei weitere Klassen mit je acht Elementen, die sich als zusammengesetzte Relationen darstellen lassen:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjHGNpLVVBSVgeBnpWibaSmV7z75DMOVq25TH05GzblWOiQRy2KH7L7uqW5A-eIwZmQsx0vvuSp5wDWG_QbXY5nfXYNhsfc4iSz_ItK7_8qWBdfq-Jke0w5Xpw9P7knTc9MM5q-I6nHvYi9/s1600/N_4.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjHGNpLVVBSVgeBnpWibaSmV7z75DMOVq25TH05GzblWOiQRy2KH7L7uqW5A-eIwZmQsx0vvuSp5wDWG_QbXY5nfXYNhsfc4iSz_ItK7_8qWBdfq-Jke0w5Xpw9P7knTc9MM5q-I6nHvYi9/s400/N_4.png" width="400" height="86" /></a></div>
Auch für <b>N=5</b> Elemente können wir noch alle zwölf Äquivalenzklassen von Relationen durch eines der beschriebenen Konstruktionsverfahren repräsentieren - als Kette, als Differenzrelation, oder als zusammengesetzte Relation aus Relationen niederer Ordnung. Hier tritt erstmals der Fall auf, dass die Kardinalität nicht mehr eindeutig die Äquivalenzklasse definiert:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgMS4dSYD4Mx4LwKo-6-9q0XFKGp5psI4461d5tOxnfcGqQ2cTUVPwoWEFlnscwbWXSpqaY5hSDS6ChPd57rwQIsRP2v7mqyd6N34QKM8Xd48qNg29CD8Wy4oC3EOefgfLDOqnd20ZbySxX/s1600/N_5.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgMS4dSYD4Mx4LwKo-6-9q0XFKGp5psI4461d5tOxnfcGqQ2cTUVPwoWEFlnscwbWXSpqaY5hSDS6ChPd57rwQIsRP2v7mqyd6N34QKM8Xd48qNg29CD8Wy4oC3EOefgfLDOqnd20ZbySxX/s400/N_5.png" width="400" height="186" /></a></div>
Für <b>N=6</b> gibt es bereits 56 Äquivalenzklassen. Hier treten erstmals Relationen auf, die sich nicht durch eines der beschriebenen Konstruktionsverfahren herstellen lassen, zum Beispiel die bereits oben behandelte Relation <b><code>{0:3 0:5 1:4}</code></b>, oder die Relation <b><code>{0:2 0:5 1:3}</code></b>, die in ihrer Komplexität schon ein bisschen an den kabbalistischen <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Sephiroth">Baum der Sephiroth</a> denken lässt. Vielleicht lässt sie sich ja durch ein anderes Produktionsverfahren darstellen?
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgRpmu8lfaUHS1tQGSR5rMedMvlbYUE6LnEJIBLKgX7H1DaTVvwxESK0kH73kqb5jQVfEkoDN6E7y5g7z76EMFVdy90K58x6qPpeMDkys6-EnMwbhs39ihLGdz-a2Oz1Dxwgp-G-91ARNpb/s1600/complex_relation.png" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgRpmu8lfaUHS1tQGSR5rMedMvlbYUE6LnEJIBLKgX7H1DaTVvwxESK0kH73kqb5jQVfEkoDN6E7y5g7z76EMFVdy90K58x6qPpeMDkys6-EnMwbhs39ihLGdz-a2Oz1Dxwgp-G-91ARNpb/s1600/complex_relation.png" /></a></div>
<p/><p/>
Wer die Listen dieser Relationen auch für N=6 oder N=7 (Vorsicht, ca. 100 Sekunden Rechenzeit für N=7, es müssen ca. 40 Millionen Äquivalenzprüfungen durchgeführt werden) studieren will, für den habe ich einen Relationsrechner in JavaScript implementiert und hier online gestellt:
<blockquote><a href="http://ruediger-plantiko.net/relations/">http://ruediger-plantiko.net/relations/</a>
</blockquote>
Die Implementierung repräsentiert Relationen mit Hilfe von Bitfeldern der Länge N*(N-1)/2.
<p/><p/>
Die Folge
<blockquote style="font-style:normal"><b>1,2,4,12,56,456,6880,191536,9733056,...</b></blockquote>
der Anzahl der Äquivalenzklassen von Dominanzrelationen definiert die OEIS-Zahlenfolge <a href="https://oeis.org/A000568">A000568</a>. Unter diesem Link gibt es weitere Informationen und Literaturhinweise.
<h2 id="nachtrag">Nachtrag am 31.7.2016 - die ganze Chose in C++</h2>
Meine JavaScript-Implementierung zur Erforschung der Dominanzrelationen auf <a href="http://ruediger-plantiko.net/relations/">http://ruediger-plantiko.net/relations/</a> läuft bis zu N=6 befriedigend schnell; danach explodieren die Laufzeiten relativ rasch. Mit N=7 kommt man noch in ca. einer Minute durch. N=8 habe ich nicht mehr ausprobiert. Liegt es an der Scriptsprache JavaScript, die für solche Algorithmen eher ungeeignet ist? Die Frage liess mir keine Ruhe, und so reimplementierte ich das ganze in C++ - hier der Code auf ideone.com:
<blockquote>
<a href="http://ideone.com/KBihCA">http://ideone.com/KBihCA</a>
</blockquote>
Das Ergebnis stellte klar: auch mit C++ liess sich die Laufzeit nur ungefähr um den Faktor 3 verbessern. Vielleicht ist, wenn man weitere Optimierungsideen anwendet, auch ein Faktor 10 noch denkbar. Aber das rettet uns nicht. Auch das C++-Programm ist chancenlos für die rund <i>35 Billionen</i> Relationen (genauer: 2<sup>45</sup> = 35'184'372'088'832), die für N=10 gegenseitig auf Äuivalenz zu prüfen wären und schließlich 9'733'056 Äquivalenzklassen ergeben werden.
<p/><p/>
Eine Laufzeitanalyse mit <code>gprof</code> zeigt das erwartbare Ergebnis, dass weit über 95% der Laufzeit im Test auf Äquivalenz liegen - auf diese Prüfung kommt es natürlich an. Meine Optimierung ging schon dahin, statt sämtliche N! Permutationen auszuprobieren, um eine zu finden, die die Relationen ineinander überführt,
<ul>
<li>zuerst die Kardinalitäten der beiden Relationen zu berechnen (da eine der beiden Relationen aus dem Pool der Repräsentanten bereits ermittelter Äuivalenzklassen stammt, muss sie für diese nicht immer neu berechnet werden);
<li>sind diese ungleich, so sind die Relationen inäquivalent;
<li>sind sie gleich, so muss die Permutation die Elemente mit jeweils gleicher Kardinalität ineinander überführen;
<li>ich versuche daher sukzessive die einzelnen Elemente mit Kardinalität 1, 2, usw. durch Permutation so ineinander zu überführen, dass auf den bislang bereits untersuchten Elementen beide Relationen miteinander übereinstimmen. Sobald dies für irgendeine Kardinalität nicht mehr funktioniert, sind die Relationen inäquivalent.
<li>erst wenn sie all diese Prüfungen bestanden haben, sind sie äquivalent.
</ul>
<p/><p/>
Aber ich habe natürlich den direkten <i>brute force</i> Zugang gewählt. Wenn es nur um die Konstruktion dieser Äuivalenzklassen mit Angabe je eines Repräsentanten geht, ist es vermutlich nicht nötig, sämtliche möglichen Relationen durchzugehen.Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com2tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-70659364979147297152016-07-02T15:07:00.003+01:002021-06-03T21:40:41.355+01:00Muss Freiheit vor Demokratie Angst haben?In einer Diskussion auf Twitter wurde mir folgender Einwurf von <a href="https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_August_von_Hayek">Friedrich August von Hayek</a> als Mem zugesandt:
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjQeQvy3NtgVYsAKgZ7iSw5ZmZdzOIqVxa4e5JdxP04cbV-NeprR85GAcqvXrpDWRf1mSU2fPRxnJBywwKVqT2x4Lp48d6YT0n1DSz5rB3L1Ks9hbVxG4mvxp4LMPKp3eFefcxLa-Rcr_9L/s1600/hayek.jpg" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjQeQvy3NtgVYsAKgZ7iSw5ZmZdzOIqVxa4e5JdxP04cbV-NeprR85GAcqvXrpDWRf1mSU2fPRxnJBywwKVqT2x4Lp48d6YT0n1DSz5rB3L1Ks9hbVxG4mvxp4LMPKp3eFefcxLa-Rcr_9L/s400/hayek.jpg" /></a></div>
<p></p><p>
Da dieses Argument weit verbreitet ist und ich mich darin als der "dogmatische Demokrat" angesprochen fühle, schaue ich es mir gerne einmal genauer an.
</p><p></p><p>
Das Argument hat im Kern drei Mitspieler:
</p><ol>
<li><b>Kostbare Werte</b>, nämlich das nicht ausgesprochene Gegenstück zu der am Schluss des Arguments angeführten "willkürlichen Gewalt": warum nämlich ist die "willkürliche Gewalt" nicht gut? Weil sie etwas der Willkür Enthobenes bedroht, etwas, das durch Mehrheitsbeschluß nicht außer Kraft gesetzt werden soll. Dieses Etwas nenne ich der Einfachheit halber die "kostbaren Werte".
<p>Wir gehen bei von Hayek nicht fehl, bei diesen "kostbaren Werten" an gewisse universelle Rechte wie Leben, Eigentum und Freiheit zu denken, die der Staat im Interesse der Bürger immer und grundsätzlich zu schützen habe.</p></li>
<li><b>Der Staat</b>, der über die Einhaltung der kostbaren Werte wachen muss, im Dienste des Volkes.<p></p></li>
<li><b>Das Volk</b>, das seine Staatsbediensteten als Delegierte seines Willens ernennt, um gemeinschaftliche Aufgaben, die das ganze Volk betreffen, zu regeln - insbesondere um über die <i>kostbaren Werte</i> zu wachen.
</li></ol>
Das Argument lautet nun:
<blockquote>
<ul>
<li>Demokratie bedeutet: die Mehrheit des <i>Volk</i>es entscheidet unbedingt.</li>
<li><b>Dann</b> kann das <i>Volk</i> auch die Abschaffung der <i>kostbaren Werte</i> entscheiden, insbesondere des Prinzips der Demokratie selbst.</li>
<li>Damit gerät die Demokratie mit sich selbst in Widerspruch. <p><b>Also</b> muss der Staat die <i>kostbaren Werte</i> ggf. auch gegen den <i>Volk</i>swillen durchsetzen.
</p></li></ul>
</blockquote>
Das Ideal der Demokratie ist demnach in sich nicht konsequent, da es zumindest potentiell seine eigene Selbstaufhebung enthalten kann: die Wähler könnten mehrheitlich beschließen, die Demokratie abzuschaffen. Also, schließt Hayek, darf es nicht <i>rein</i>, nicht "dogmatisch" gelebt werden, sondern muß ergänzt werden.
<p></p><p>
Und zwar wie?
</p><p>
Das folgt implizit: wenn die Demokratie alleine nicht genügt, muß sie durch <i>nicht-demokratische Herrschaft</i> ergänzt werden. Der Staat muß demnach die Möglichkeit haben, gegen den Willen des Volkes zu handeln, wenn dieser Volkswille nach Einschätzung der Staatsbediensteten den <i>kostbaren Werten</i> widerspricht.
</p><h2>Dieses Risiko besteht in <i>jeder</i> Herrschaftsform</h2>
Grundsätzlich ist den <i>Prämissen</i> des Arguments zuzustimmen. Selbstverständlich kann der Inhaber der Macht sich gegen das Prinzip entscheiden, aufgrund dessen er an der Macht ist. Aber das gilt nicht nur für die Demokratie, sondern ebenso <i>für jede andere Herrschaftsform</i>. Auch der Monarch oder Tyrann kann zurücktreten und sein gesamtes Herrschaftssystem zugunsten eines anderen preisgeben. Eine Räterepublik kann sich für ihre Selbstabschaffung zugunsten einer parlamentarischen Demokratie entscheiden, und umgekehrt. Dagegen gibt es keine Garantie.
<p></p><p>
<i>Jede</i> Herrschaftsform steht grundsätzlich unter dem Vorbehalt ihrer potentiellen Selbstabschaffung. Das ist kein Wesensmerkmal speziell der Demokratie, sondern ein allgemeines Merkmal menschlicher Organisation. Wir sind gar nicht in der Lage, ein Herrschaftssystem mit Ewigkeitsgarantie aufzustellen.
</p><p></p><p>
Wenn wir diesen grundsätzlichen Einwand akzeptieren, verbleiben wir nur noch mit der Frage: wie lässt sich die menschliche Organisation <i>am besten</i> gestalten, so dass dass, was den Menschen kostbar ist, am wenigsten gefährdet ist? Auf diese Frage gibt das Argument aber keine Antwort. Es suggeriert nur unausgesprochen, eine Mischung aus demokratischen und nicht-demokratischen Herrschaftselementen würde die <i>kostbaren Werte</i> besser absichern.
</p><p></p><p>Darüber aber lässt sich trefflich streiten, denn alles hängt von der Qualität dieser nicht-demokratischen Herrschaftselemente ab, deren Legitimation immer durch das Juvenalische <i>quis custodiet custodes</i> – wer überwacht die Bewacher? – in Frage gestellt ist. Teilhaber an der Macht, die nicht dem Volkswillen verpflichtet sind, können ein noch viel größeres Risiko für die <i>kostbaren Werte</i> darstellen als demokratisch legitimierte Staatsbedienstete es je sein könnten.
</p><p></p><p>
Damit könnte ich diesen Blogpost beenden, denn es ist alles gesagt, was sich rein logisch zu diesem Argument sagen lässt: Die Prämissen stimmen, die Schlussfolgerung nicht: eine Herrschaftsform kann man auch dann unterstützen, wenn sie unter dem Vorbehalt steht, sich potentiell selbst abschaffen zu können - vor allem, weil dies ebenso für jede andere Herrschaftsform gilt.
</p><p></p><p>
Das Argument ist aber vor allem deshalb interessant, weil es unterschwellig bestimmte Bilder über das Volk, den Staat und die kostbaren Werte transportiert, die es aufzuschlüsseln lohnt.
</p><p></p><p>Daher endet dieser Blog hier <i>noch nicht</i>. Stattdessen will ich diese unterschwelligen Bilder noch sichtbar machen.
</p><p></p><p>
</p><h2>Das Volk: ein Pöbelhaufen, vor dem der Liberale sich fürchten muss?</h2>
Das Argument stellt statt des - nur allzu berechtigten - Misstrauens gegen die Machtinhaber (die Wächter, die die kostbaren Werte durchsetzen sollen, aber als Inhaber von Macht der Kontrolle bedürfen) das <i>Misstrauen gegen das Volk</i> in den Vordergrund, wechselt also die Perspektive: statt vom Volk aus kritisch auf das von ihm erschaffene und in Dienst gesetzte Organ "Staat" zu schauen, wird vom Staat aus mißtrauisch auf das Volk geschaut.
<p></p><p>
Damit dieser Perspektivwechsel beim Leser ankommt, muss das Volk als eine amorphe, beliebigen Launen und Moden gegenüber anfällige Masse gezeichnet werden, vor dem man sich als ordentlicher Liberaler, der sein Leben mit Grundsätzen lebt, zu fürchten habe: alle diese Grundsätze würden durch den nächsten Volksentscheid wieder zur Disposition gestellt. Daher müsse man diese Grundsätze mit institutionell abgesicherter Macht <i>gegen das Volk</i> durchsetzen.
</p><p></p><p>
Ein von Hayek denkt natürlich immer auch an die Wirtschaft: Unternehmen brauchen Planungssicherheit. Das Volk kann ihnen da einen Strich durch die Rechnung machen. Nur kann dies ein Monarch eben genausogut, wie wir schon festgestellt haben. Und die Laune eines einzelnen Monarchen kann sich noch viel verheerender auswirken als die über die Gesellschaft ausgemittelten Launen aller ihrer Mitglieder. Dasselbe gilt für alle nicht demokratisch legitimierten Machthaber, auch wenn sie voll auf Hayekscher Linie die von ihm erkannten kostbaren Werte durchzusetzen versprechen.
</p><p></p><p>
Die Herrschaft von Menschen, die keiner demokratischer Kontrolle unterstehen, ist immer ein viel grösseres Einfallstor für die menschliche Willkür als die Volksherrschaft selbst.
</p><p></p><p>
</p><h2>Hat ein Demokrat keine eigenen Prinzipien?</h2>
Aber wenn Du nur für die amorphe Masse "Volk" sprichst, hast Du doch keine eigenen Prinzipien! Wenn das Volk heute so und morgen so entscheidet und Du diese Herrschaftsform gutheißt, mußt Du eigentlich ein Nihilist sein, denn Du selbst hast ja dann nichts, wofür Du stehst!
<p></p><p>
Auch dieser Vorwurf, der unterschwellig mittransportiert wird, ist falsch. Selbstverständlich hat der Demokrat eigene Überzeugungen, für die er kämpft und wirbt. Das können auch Ansichten sein, die nicht von der Mehrheit geteilt werden.
Der Demokrat sieht nur keine andere legitime Möglichkeit dafür, seine Ansichten allgemein durchzusetzen, als die, eine Mehrheit für sie zu gewinnen.
</p><p></p><p>
Umgekehrt bejubelt der Demokrat, nur weil er Demokrat ist, nicht jeden Entscheid des Volkes. Die Mehrheit hat selbstverständlich nicht immer recht. Wenn die Mehrheit entscheidet, daß 2 + 2 gleich 5 ist, ist das noch lange nicht wahr. Aber: die Gefahr, daß der <i>Große Bruder</i> über seine Medien verlautbaren lässt, daß 2+2=5 sei, ist eine viel größere! Im Vergleich zu allen anderen Herrschaftsformen ist die Volksherrschaft in den Augen des Demokraten der risikoärmere Weg, um das für die Gesellschaft Richtige zu ermitteln. Dies gilt zumindest so lange, wie ein offener, freier Diskurs zwischen allen in der Gesellschaft kursierenden Ansichten möglich ist.
</p><p></p><p>
Und an dieser Stelle ist die Demokratie mit den Freiheitsrechten grundsätzlich verwoben. Um auf demokratischem Wege das jeweils Richtige ermitteln zu können, muss Meinungsfreiheit herrschen. Die Freiheit muß sich also nicht von der Demokratie bedroht fühlen - im Gegenteil, sie ist ein wichtiger Bestandteil gelebter Demokratie.
</p><h2>Wird Demokratie durch Manipulierbarkeit der Menschen in Frage gestellt?</h2>
Der offene, auch der polemisch zugespitzte, mit harten Bandagen geführte Diskurs, um die eigene Position zu verdeutlichen, ist das Lebenselixier der Demokratie. Fehlt dieser oder wird er - wenigstens in den Hauptstrommedien - erschwert oder vereinseitigt, kann Demokratie nicht richtig funktionieren. Die demokratische Urteilsbildung wird erheblich erschwert. Der Staat kann sich auf einen falschen Kurs begeben, und es kommt keine Gegenkraft zustande, um den Kurs zu korrigieren.
<p></p><p>
Man lebt dann gewissermaßen in der Lüge, lebt ein falsches Leben. Ich glaube aber nicht, dass die Menschen beliebig, dauerhaft und unbegrenzt manipulierbar sind. Irgendwann wachen sie auf aus der Lüge, reiben sich die Augen, rufen "Der Kaiser ist ja nackt!" - und stellen wieder wahrhaftigere Verhältnisse her.
</p><p></p><p>
Wer Menschen für beliebig manipulierbar hält, denkt zu schlecht über sie, hält sie für reine Opfer, mit denen man machen kann, was man will. (Und wer ist eigentlich dieser <i>man</i>? Ist dieser <i>man</i> aus anderem Holz geschnitzt?) Ein fragwürdiges Menschenbild.
</p><p></p><p>
Es ist ein Erbe linken Denkens, den Menschen für beliebig formbar zu halten. Das ist falsch. Der Mensch ist <i>nicht</i> beliebig formbar, sondern hat eine Substanz, die sich im wesentlichen gleich bleibt. Vergeßt das Zuchtprojekt des "Neuen Menschen!" Es wird ihn nicht geben. Findet euch lieber mit dem Menschen ab, wie er nun einmal ist.
</p><p></p><p>
Zu seiner Ausstattung gehören aber nicht nur Aggression, Machtwille, Neid, Rachsucht, Eifersucht und Krieg. Gott sei Dank (im wahrsten Sinn des Wortes) ist ihm auch ein Erkenntnisorgan für das Wahre (sein Verstand) und das Gute (sein Gewissen) eingebaut. Auch dies bleibt, und darauf wird er sich immer wieder zurückbesinnen, bei allen Abirrungen. Es ist ein eingebauter Kompass. Die Kompassnadel kann gestört werden, aber nicht dauerhaft. Wo er - gezwungen oder freiwillig - gegen seine Natur lebt - und gegen das, was ihm seine innere Stimme als das Wahre und das Gute zu erkennen gibt - wird das Wahre und Gute irgendwann wieder hervorbrechen und die Normalität wiederhergestellt.
</p><p></p><p>
Das gilt für einzelne wie für Völker. Sie können Ausflüge in den Wahn unternehmen, aber ihr eigenes Gespür für das Wahre und Gute wird sich letztlich durchsetzen, sonst wird die Wirklichkeit sie korrigieren - und im schlimmsten Fall: zerstören. Wer unbedingt gegen die Wand laufen will, holt sich eine Beule und wird es in Zukunft (hoffentlich) nicht mehr tun. </p><p></p><p>
Ein <i>Wagnis</i> bleibt es natürlich - aber das gilt, wie gesagt, nicht nur für eine demokratische, sondern für eine beliebig verfasste Gesellschaft, für Gesellschaft schlechthin. In der Demokratie sind nur die Chancen für eine Kurskorrektur besser.
</p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p><p></p>Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-6173645991189345372016-02-26T22:21:00.003+01:002016-03-21T10:16:36.269+01:00Die Swiss Ephemeris im Google Portable Native Client (PNaCl)Rechenintensive Programme in einer öffentlichen Web-Anwendung anzubietet, bringt logischerweise eine erhöhte CPU-Last auf dem Server mit sich, die von der Zahl der Benutzer abhängt, die die Anwendung gerade nutzen. Das bringt auch eine Verlangsamung für alle anderen Anfragen, die der Server beantworten muss.
<p/><p/>
Es geht also beispielsweise in der Astrologie nicht um astrologische Standard-Webauftritte, in denen ein oder zwei Horoskopdaten berechnet werden, um dem Benutzer sein Geburtshoroskop und seine laufenden Transite zu präsentieren, sondern um Hochlastanwendungen mit tausenden von Planetenberechnungen. Mir fallen auf Anhieb zwei Arten astrologischer Anwendungen ein, die als Webanwendung eine zeitweise erhöhte Rechenlast auf dem Server bringen können:
<ul>
<li><i>Statistische Signifikanztests</i>, bei denen man nach der Monte-Carlo-Methode sehr viele Pseudo-Stichproben mit zufälligen Geburtszeiten und -orten erzeugt, die man in Hinsicht auf eine bestimmte Kennzahl gegen die reale Stichprobe antreten lässt, um einen Schätzwert für die Irrtumswahrscheinlichkeit zu ermitteln. Mit diesem Ziel hatte ich 2014 das Projekt <a href="https://github.com/rplantiko/astrotest">astrotest</a> begonnen.
<li><i>Orakelmaschinen</i>, die versuchen, aus einer gegebenen Sammlung von Horoskopen in regelmässigen Zeitabständen die astrologische Wetterlage zu ermitteln und Trends für einzelne Personen, Nationen, Wirtschaftszweige usw. zu ermitteln. Auch dies wird sehr rechenintensiv, vor allem wenn die ganze von der klassischen Astrologie beschriebene Serie von Hilfshoroskopen zu Rate gezogen wird (Solarhoroskop, Lunarhoroskop, Transite, wiederkehrende Konstellationen, Sonnenaufgangshoroskop, Augenblickshoroskop, sowie Relokationen von Horoskopen auf eine grosse Menge von Erdorten).
</ul>
<p/><p/>
In solchen Fällen stellt sich die Frage nach <i>Alternativen</i> zur Webanwendung. Man könnte auf die klassische Desktopanwendung zurückgreifen. Dann wälzt man zwar richtig die Rechenlast vom Server auf den Rechner des Anwenders, wo sie hingehört, aber man handelt sich wieder die klassischen Probleme der Desktopanwendungen ein: Die Installation ist oft kein einfacher Vorgang; es gibt Abhängigkeiten von der Systemumgebung; das ausgelieferte Binary muss in der (möglichst frei wählbaren) Zielarchitektur des Rechnermodells ausführbar sein, das sich der Anwender ausgesucht hat. Eine Java Runtime würde das Problem der Plattformabhängigkeit lösen, aber in der Wartung bleibt das Problem der Softwareverteilung und der verschiedenen Versionen des installierten Programms auf verschiedenen Rechnermodellen bestehen.
<p/><p/>
Eine schöne Alternative stellt Googles <a href="https://developer.chrome.com/native-client">Portable Native Client (PNaCl)</a> dar, der in den Kern des Chrome-Browsers integriert ist (keine Erweiterung! Keine spezielle Installation nötig!) Ähnlich einem Applet (aber ohne UI) ist ein PNaCl-Modul ein Stück Binärcode, das mit der Umgebung der einbettenden Webseite kommunizieren kann. Der Binärcode ist portabel und wird unmittelbar nach dem Laden in Maschinencode und (erlaubte) Betriebssystemaufrufe der Zielarchitektur übertragen, was in der Ausführung laut Google einen Überhang von etwa fünf Prozent im Vergleich zu rein nativem Code bedeutet. Wie beim Applet, ist sein Binärcode also plattformübergreifend.
<p/><p/>
Ob ein solches Konzept Erfolg hat, hängt davon ab, ob es eine gute Toolunterstützung gibt. Da C/C++ immer noch in den obersten Rängen der <a href="http://spectrum.ieee.org/computing/software/the-2015-top-ten-programming-languages">Verbreitung von Programmiersprachen</a> rangiert, hat Google sich dafür entschieden, eine Build-Toolkette zu bauen, die sehr nahe an der von C/C++ Compilern orientiert ist. Insbesondere sind C und C++ die beiden bislang unterstützten Sprachen für den Quellcode.
<p/><p/>
Auch die nützlichen und verbreiteten C-Bibliotheken wie <tt><pthread.h></tt> für die POSIX-Mehrfädigkeit und <tt><stdio.h></tt> für die I/O-Funktionen werden unterstützt. Letztere arbeitet sehr gut mit verschiedenen Filesystem-Konzepten auf dem Browser zusammen. So kann man ein HTML5-Filesystem auf dem Browser "mounten", um danach mit den Standardfunktionen wie <tt>fopen()</tt>, <tt>fread()</tt>, <tt>fwrite()</tt> usw. auf bestehende Dateien zuzugreifen oder neue zu erstellen.
<p/><p/>
Bei der Entwicklung der <a href="http://www.astro.com/swisseph/swephprg.htm">Swiss Ephemeris</a> wurden die Abhängigkeiten zu anderen Bibliotheken bewusst schmal gehalten, es wird nur eine Auswahl von Standardbibliotheken vorausgesetzt, insbesondere natürlich auch das Standard-I/O. Es war daher zu erwarten, dass man sie mit relativ wenig Aufwand dem PNaCl-Build-Prozess unterziehen kann - und so war es auch, wie sich herausstellte.
<p/><p/>
Wärend andere, um neue Technologien zu erforschen, "Hallo Welt"-Anwendungen schreiben, schreibe ich "Hallo SwissEph"-Anwendungen: Ich habe eine Test-Anwendung erstellt, die im Web in einem Chrome-Browser der Version 47 oder höher lauffähig ist und einen Aufruf der Funktion <tt>swe_calc_ut</tt> mit variablen, in der Webseite angebbaren Parametern durchführt. Dabei werden einige Ephemeridenfiles (sepl_18.se1, semo_18.se1, seas_18.se1) beim Starten der Applikation in das lokale HTML5-Filesystem des Browsers eingelesen.
<p/>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiAFZBs6V5uqwnW6FJsxul7gJKqlhEX5yKZiHquZQKadcmCYAiPJNj0M7srjmHk09iPMYmsK_e7hV32tY9JkMwu8YbdU296O5SMPq15kTkCBRr0DMPsJz8rYK2U7esZp4fqrKrnxo1kEQuB/s1600/pnacl.png" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiAFZBs6V5uqwnW6FJsxul7gJKqlhEX5yKZiHquZQKadcmCYAiPJNj0M7srjmHk09iPMYmsK_e7hV32tY9JkMwu8YbdU296O5SMPq15kTkCBRr0DMPsJz8rYK2U7esZp4fqrKrnxo1kEQuB/s400/pnacl.png" /></a></div>
<p style="clear:both;"/><p/>
Man kann sich diese kleine Machbarkeitsstudie <a href="http://87.230.94.92/test/sweph_pexe/">live auf meinem Rechner</a> ansehen. Wer Interesse an den Details hat, liest meine <a href="https://drive.google.com/file/d/0B-C44vw27ypxbzFTRW96ek1GUEE/view?usp=sharing">Notizen auf dem Weg</a> dahin.
<p/><p/>
Den Test hat PNaCl bestanden. Ich überlege, das Projekt <a href="https://github.com/rplantiko/astrotest">astrotest</a> vollständig auf diese Technologie umzustellen, nicht zuletzt weil die aktuell verwendete UI-Technik von <i>astrotest</i> - ein Internet Explorer als Benutzeroberfläche, der via Active X Dateien liest und ausführt - ein aussterbendes Modell ist. Wer die doch recht spezialisierten Berechnungen, die <tt>astrotest</tt> anbietet, ausführen möchte, ist sicher gerne bereit, einen gängigen Browser in der neuesten Version zu installieren und darin einen Link aufzurufen. Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-63126240449023573732015-05-17T22:12:00.000+01:002016-02-26T22:23:45.321+01:00Römische Exerzitien - oder noch einmal: Daten und CodeIch hatte hier schon früher einmal über <a href="http://ruediger-plantiko.blogspot.ch/2011/09/daten-und-code.html">Daten und Code</a> reflektiert: Die Trennung zwischen Code und Daten ist demnach nicht so klar, wie es zunächst den Anschein hat - Daten können selbst wieder steuernde Logik enthalten, die dem dazu passenden Code als einer Ausführungsmaschine vorgelegt werden. Die so ausgeführten Daten sind dann selbst wieder Code - auf einer höheren Ebene, gewissermassen Meta-Code. Die Customizingdaten eines SAP-Systems sind ein Beispiel für Daten als Meta-Code. Ebenso aber auch eine CSS-Datei mit Gestaltungsanweisungen, oder die Anweisungen eines makefiles. Man spricht bei diesem auf ein konkretes Steuerungsproblem zugeschnittenem, nicht für universelle Programmieraufgaben verwendbarem Meta-Code auch von domänenspezifischen Sprachen.
<p/><p/>
Ein solcher Ansatz spaltet eine Lösung in einen "höheren", eher inhaltlichen Teil, und ein sich gleich bleibendes <i>Ausführungsmodell</i>, das für viele ähnliche Aufgaben wiederverwendet werden kann. Diese Trennung von Schichten <i>MetaCode</i>/<i>Code</i> ermöglicht oft eine besonders klare Lösung des Problems.
<p/><p/>
Nehmen wir zur Veranschaulichung das <i>Taschenrechnermodell</i>. Man kann sich leicht ein Datenformat für alle mit einem Taschenrechner lösbare Aufgaben überlegen, etwa als ein tiefer JSON-Array. So kann z.B. die Rechnung <tt>(2+3)*(5+6)</tt> in Baumform
<p/><p/>
<pre class="sh_javascript">[ "*", ["+", 2, 3], ["+", 5, 6]]</pre>
notiert werden. Das erste Arrayelement enthält den Code der Operation, die nachfolgenden Elemente sind Argumente der Operation, die aber selbst auch wieder Rechenergebnisse sein können. So ergibt sich die Baumstruktur.
<p/><p/>
Ein solches Datenformat als <a href="http://en.wikipedia.org/wiki/Semantic_data_model">semantisches Modell</a> kann beispielsweise als Schnittstelle der GUI-Applikation eines Rechners verwendet werden, oder auch das Resultat eines Parsers, der Ausdrücke in einer Formelsprache analysieren kann.
<p/><p/>
Für die <i>Ausführung</i> von Rechnungen solcher Art müssen zunächst einmal die erlaubten Rechenoperationen definiert werden:
<pre class="sh_javascript">var Operations = {
"+":function() { return (
Array.prototype.slice.call( arguments )
.reduce( function( result, next) { return result + next }, 0)
)},
"*":function() { return (
Array.prototype.slice.call( arguments )
.reduce( function( result, next) { return result * next }, 1)
)},
usw.
}</pre>
Zu erklären, <i>wie</i> die Datenstruktur abgearbeitet wird, ist dann die Aufgabe des eigentlichen Ausführungsmodells:
<pre class="sh_javascript">function execute(data) {
if (!isOperation(data)) return data; // identity
var args = data.slice(1).map( execute );
return Operations[data[0]].apply(null,args);
function isOperation(data) {
return data instanceof Array &&
data.length >= 2 &&
Operations.hasOwnProperty( data[0] )
}
}
</pre>
Wie man sieht, wird die Baumstruktur rekursiv abgearbeitet (Aufruf von <tt>execute</tt> im <tt>map</tt> der Operationsargumente), und alle Datenobjekte, die nicht als Operation erkannt werden, d.h. nicht ein Array sind oder nicht ein bekanntes Operationssymbol an erster Stelle haben, werden als direkter Wert behandelt, also identisch zurückgegeben.
<p/><p/>
Die Ausführungsmaschine liefert, wenn ihr die obige Rechnung vorgelegt wird,
<pre class="sh_javascript">execute( [ "*", ["+", 2, 3], ["+", 5, 6]] )</pre>
wie erwartet den Wert 55.
<p/><p/>
Dieser fruchtbare Ansatz, Daten als steuernden Metacode zu verwenden und von seiner Ausführung zu trenen, kann im kleinen auch bei der Implementierung von Funktionen nützlich sein. Das fiel mir vor kurzem bei der bekannten und immer wieder beliebten Programmieraufgabe auf, Zahlen in das <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%B6mische_Zahlschrift">römische Zahlenformat</a> umzurechnen.
<p/><p/>
Das römische "biquinäre" Zahlensystem kennt besondere Symbole für die Zehnerpotenzen und für deren Fünffache:
<p/><p/>
<pre class="sh_sourceCode">I: 1 V: 5
X: 10 L: 50
C: 100 D: 500
M: 1000 ↁ: 5000
ↂ: 10000</pre>
Um eine gegeben Zahl als römische Zahl darzustellen, wird sie in so gross wie möglich zu wählende biquinäre Summanden zerlegt, die der Grösse nach absteigend notiert werden. Dazu kommt eine <i>Subtraktionsregel</i>: Um der besseren Lesbarkeit willen notierte man die Vier lieber als <tt>IV</tt> statt als <tt>IIII</tt>, ebenso die Neun als <tt>IX</tt> statt als <tt>VIIII</tt>. Wenn also in einer Zahl ein kleineres Zahlsymbol vor einem grösseren steht, so gilt es als von diesem abzuziehen.
<p/><p/>
Diese Regeln enthalten Logik. Man könnte diese Logik mit allerlei <tt>switch/case</tt> oder <tt>if/else</tt> Konstrukten implementieren. Man kann die Logik aber auch in Datenform notieren und nur noch eine kleine Ausführungseinheit dazuschreiben, die die Daten (den Meta-Code) abarbeitet, aber völlig frei von Fallunterscheidungen ist.
<p/><p/>
Dazu helfen einige Beobachtungen. Die Zahlen von 0 bis 9 übersetzen sich ja in
<pre class="sh_sourceCode">
0-> "" 1-> "I" 2->"II" 3->"III" 4->"IV"
5-> "V" 6-> "VI" 7->"VII" 8->"VIII" 9->"IX"</pre>
Die Zehner übersetzen sich sinngemäss gleich:
<pre class="sh_sourceCode">
0-> "" 10-> "X" 20->"XX" 30->"XXX" 40->"XL"
50-> "L" 60-> "VI" 70->"VII" 80->"VIII" 90->"IX"</pre>
Was heisst hier "sinngemäss gleich"? Statt <tt>I, V</tt> und <tt>X</tt> treten hier die Symbole <tt>X,L</tt> und <tt>C</tt> in genau derselben Bedeutung auf. Das <i>Schema </i>für die Anordnung der Zeichen bleibt das gleiche.
<p/><p/>
Und so geht es weiter mit den Hundertern und Tausendern.
<p/><p/>
Folgendes ist festzustellen:
<ul>
<li>Die Übersetzung einer Dezimalzahl kann Stelle für Stelle erfolgen, das Ergebnis ist die Verkettung der Übersetzungen der einzelnen Stellen,
<li>die Übersetzungen der einzelnen Stellen sind voneinander unabhängig
<li>die Übersetzungen folgen für jede Stelle dem gleichen Schema, wobei nur ein jeweils anderer Zeichenvorrat verwendet wird: die Einer und Fünfer der betrachteten Stelle und die Einer der nächsthöheren Stelle.
</ul>
<p/><p/>
Das führt zur folgenden Implementierung der Funktion <tt>toRoman</tt> in JavaScript - siehe auch das <a href="http://jsfiddle.net/rplantiko/ehL5qwpq/">jsfiddle</a>:
<pre class="sh_javascript">var toRoman = (function(){
var S=[ [], [0], [0,0], [0,0,0], [0,1],
[1], [1,0], [1,0,0], [1,0,0,0], [0,2] ],
F="IVXLCDMↁↂ"
return function(number) {
var s=number+"",
l=s.length
return s.split('').map(function(digit,i) {
var level = 2*(l-i-1)
return S[digit].map( function(j) {
return F.charAt(level+j)
}).join('')
}).join('')
}
})()
</pre>
Hier enthält das Datum S die Schablonen der möglichen Ziffernfolgen, wobei 0, 1 und 2 für die Einer, Fünfer und Einer der nächsthöheren Stelle steht.
<p/><p/>
Die Ausführung ist in JavaScript noch etwas länglich, da zwischen Arrays und Strings umgerechnet werden muss; von der Idee her ist sie aber nur ein doppelter Lookup: Der erste Lookup ermittelt die Schablone <tt>S[digit]</tt>, deren Plätze dann in einem zweiten Lookup mit den jeweils passenden Elementen des römischen Zahlzeichenvorrats <tt>F.charAt(level+j)</tt> besetzt werden.
<p/><p/>
In einer pur funktionalen Sprache wie Haskell, in der obendrein Strings konsequent als Arrays von Zeichen behandelt werden, kann ich die Einfachheit dieser Implementierungsidee noch reiner hervortreten lassen. Der komplette Algorithmus lautet hier (hinterlegt bei <a href="http://ideone.com/zpuCKZ">ideone</a>):
<pre class="sh_haskell">toRoman n =
let
digitPatterns = [ [], [0], [0,0], [0,0,0], [0,1],
[1], [1,0], [1,0,0], [1,0,0,0], [0,2]]
symbols = "IVXLCDMↁↂ"
r( n, s ) | n < 10 = map (\x -> symbols !! (x+2*s) ) (digitPatterns !! n)
| n >= 10 = r(div n 10, s+1) ++ r(mod n 10, s)
in r(n,0)
</pre>
Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-40696674197792260182015-01-02T16:07:00.003+01:002022-12-20T10:24:35.763+01:00American Betrayal<i>Es ist etwas faul in den Vereinigten Staaten!</i> –
Wenn nicht ein einschlägiger Amerikahasser, sondern eine patriotische Amerikanerin wie <a href="http://www.dianawest.net/">Diana West</a> sinngemäss einen solchen Verdacht äussert, hat das ein besonderes Gewicht. Gerade <i>weil</i> sie die aktuellen Verhältnisse genau und von innen kennt, fühlt sie sich zusehends fremd in ihrem eigenen Land, vermisst zusehends ihre geliebte Heimat, wie sie von den Vorfahren geformt und überliefert wurde.
<br/><br/>
Viele Amerikaner sehen es wie sie: <i>I want my country back!</i> - ein populärer Slogan der Tea Party - drückt das Empfinden vieler Amerikaner aus, dass ihre Regierung nicht mehr ihren eigenen Nationalcharakter, ihre Identität repräsentiert.
<br /><br />
Stimmt die Diagnose? Und wenn ja: wer hat den Amerikanern denn ihren Nationalcharakter weggenommen?
<br />
<br />
<br />
<a href="#grown-up">The Death of the Grown-Up</a><br />
<a href="#verfall">Natürlicher Verfall - oder gesteuerter Prozess?</a><br />
<a href="#american-betrayal">American Betrayal</a><br />
<a href="#evil-empire">Die mediale Verfälschung des <i>evil empire</i> zum <i>empire of evil</i></a><br />
<a href="#detente">Entspannungspolitik – für Breschnew eine Taktik</a><br />
<a href="#suendenfall">Der Sündenfall: Die diplomatische Anerkennung der Sowjetunion (1933)</a><br />
<a href="#subversion">Sowjetunion – Zweigstelle Washington</a><br />
<a href="#mc-carthy">Die Verleumdungskampagne gegen McCarthy</a><br />
<a href="#lend-lease">Lend-Lease: die USA schenken der Roten Armee Kriegsgüter und Fahrzeuge</a><br />
<a href="#d-day">Stalin drängt zur "Zweiten Front im Westen"</a> <br />
<a href="#pearl-harbor">"Operation Snow" - wie Sowjetagenten Pearl Harbor provozierten</a><br />
<a href="#widerstand">Waffenstillstandsangebote aus dem deutschen Widerstand wurden ignoriert</a><br />
<a href="#hitler-stalin-pakt">Die USA verschweigen die Aufteilung Polens durch Ribbentrop und Molotow</a><br />
<a href="#katyn">Katyn - USA schieben sowjetische Massenmorde den Nazis unter</a><br />
<a href="#kollektiv">Die Deutschen als Nazikollektiv</a><br />
<a href="#ausblick">Ausblick</a><br />
<br />
<br />
<a name="grown-up"></a>
<h2>
The Death of the Grown-Up</h2>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://www.amazon.com/The-Death-Grown-Up-Development-Civilization/dp/0312340494" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img width="200" border="0" src="https://images-na.ssl-images-amazon.com/images/I/412umVWVwHL._SX331_BO1,204,203,200_.jpg" /></a>
</div>
Schon 2008 lieferte Diana West mit <a href="http://www.amazon.com/The-Death-Grown-Up-Development-Civilization/dp/0312340494">The Death of the Grown-Up</a> eine Zivilisationskritik: sie belegte eine fortschreitende <i>Infantilisierung</i> der Gesellschaft, in der traditionelle Werte wie Verantwortung, Reife, Sittlichkeit und auch Schamgefühl – kurz: das Erwachsensein an sich – zunehmend durch ein Kokettieren mit dem Jugendalter, durch ein schrankenlos verfolgtes Lustprinzip und das Ideal der ewig aufbegehrenden, rebellischen Jugend verdrängt würden. Dies sei mit einer um sich greifenden Ablehnung aller Arten von Autorität und der Ablehnung aller überlieferten Werte einhergegangen.
<br/><br/>
Da Überliefertes immer von den Erwachsenen an die Jugend weitergegeben wird, gilt alles Hergebrachte als "uncool" in einer Gesellschaft, die sich dem Jugendkult verschrieben hat. Diana West diagnostizierte einen Verlust des gesellschaftlichen Immunsystems: die natürlichen Abwehrkräfte eines Volkes gegen seine Zerstörung schwinden, wodurch sein Fortbestand im Kern gefährdet ist.
<br /><br/>
Vermutlich hatte sie selbst das Gefühl, mit der Studie <i>Death of the Grown-Up</i> noch nicht bis zur Wurzel des Problems vorgedrungen zu sein. Zwar konnte sie den Umkehrpunkt, ab dem nicht mehr Jugendliche danach strebten, endlich erwachsen zu werden, sondern umgekehrt Erwachsene den Status des Jugendlichen zu konservieren und zu verherrlichen begannen, zeitlich recht genau festlegen (nämlich auf die 1940er Jahre).
<br />
<br />
Aber sozialpyschologische Erscheinungen sind <i>Oberflächenphänomene</i>: Wann wurde denn der Grund gelegt für eine Erscheinung, die in den 1940er Jahren an die Oberfläche kam? Um dies zu verstehen, musste sie tiefer graben, sich auf das Feld der Politik begeben. Es geht dann nicht mehr um psychologische Themen - wie die infantile Geisteshaltung heutiger biologisch Erwachsener - sondern um den Verfall und die Zerstörung des gesamten amerikanischen Nationalcharakters.
<br />
<br />
<a name="verfall"></a>
<br />
<h2>
Natürlicher Verfall - oder gesteuerter Prozess?</h2>
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Untergang_des_Abendlandes" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgVLWP9P_3CL-Y9xyHsqv0KLF7fMU-3A8Qtgxu0VHw24OlWbukuHOhdIbVAcE-F7OBasGnkyGjGXfaBCo5kTQ8I4i1W-eJj0NhnuOq1kDBm6anmm_mfIcAY59iRpO4hgKV9FAnjNsZ-CE70/s1600/spengler.jpg" width="200" /></a></td></tr>
</tbody></table>
Dekadenztheoretiker wie <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Oswald_Spengler">Oswald Spengler</a> würden solche Phänomene als Verfallserscheinungen einer untergehenden Kultur "erklären". Aber solchen Geschichtskonstruktionen gegenüber ist Skepsis geboten, wenn sie einen notwendig sich ereignenden Verfall und Untergang vorhersagen. An der morphologischen Betrachtungsweise von Kulturen mag ja etwas sein: es ist plausibel, dass eine Gesellschaft wie ein einzelner Mensch ihre Jugend-, Blüte- und Altersphase durchlebt. Aber es ist auch nicht mehr als eine Analogie, sie taugt nicht für konkrete Vorhersagen, weil Geschichte eben nichts Gesetzmässiges ist, sondern von den freien Willensentscheidungen vieler einzelner Menschen abhängt.
<br />
<br/>
Die Unschärfe der Vorhersagen zeigt sich schon an der zeitlichen Spreizung in den Periodisierungen - den Vogel schiesst sicher <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Edward_Gibbon">Edward Gibbon</a> ab, für den gleich die letzten zweitausend Jahre eine einzige lange Niedergangsphase der antiken römischen Hochkultur darstellen. Die Übergänge ins Metaphysische sind fliessend, wir denken an religiöse Periodisierungen wie das hinduistische <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Kali-Yuga">Kali Yuga</a>. Die Theorien werden auf rein faktischer Ebene unbeweisbar und unwiderlegbar.
<br />
<br />
Sollte aber die Gegenthese stimmen, dass der Verfall sich eben <i>nicht</i> natürlich ereignet, dann muss es treibende Kräfte für ihn geben. Diesen Gedanken wischen wir heute üblicherweise reflexhaft als <i>Verschwörungstheorie</i> beiseite: Wir assoziieren seltsame, versponnene (und oft einfach unterhaltsame) Theorien von <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Reichsflugscheibe">Reichsflugscheiben</a>, <a href="http://www.spiegelblog.net/bilderberg-konferenz-der-spiegel-verweigert-sich-der-wirklichen-aufklarung-uber-dieses-geheimnisumwitterte-geheimtreffen.html">Bilderbergern</a>, <a href="http://lupocattivoblog.com/2012/02/25/illuminaten-mitglieder-die-fuhrenden-illuminaten-familien-und-deren-mitglieder-und-verbundete-teil-1/">Illuminaten</a>, <a href="https://www.youtube.com/watch?v=NKuPseuNFac">Freimaurern und Theosophen</a> – etwas "für dumme Leute, die nach einer einfachen Erklärung für eine komplexe Welt suchen", wie uns allenthalben erklärt wird. Damit schliessen wir allzu vorschnell <i>jeden</i> Gedanken daran aus, den Phänomenen könnte vielleicht doch ein planmässig gesteuerter Prozess zugrundeliegen.
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Normalerweise haben Gesellschaften eine natürliches <i>Beharrungsvermögen</i>, ein affirmatives Verhältnis zu ihrer Tradition, wodurch sie en gros bei ihren Sitten, Gebräuchen, Traditionen und eigenen Wertvorstellungen bleiben. Auch versuchen die meisten Menschen, die sicheren Netze gegenseitiger Solidaritätserwartungen zu erhalten, in die sie hineingeboren wurden - etwa die Zusammenhänge von Familie und Volk. Wenn wir heute beobachten, dass es zu einer immer weiter um sich greifenden Zerstörung dieser Zusammenhänge kommt, ist die Annahme wenigstens sehr plausibel, dass diesen natürlicherweise vorhandenen Beharrungskräften aktiv <i>Gegenkräfte</i> entgegengesetzt werden.
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Die Frage ist dann natürlich: Von wem? Wer steuert? Neben den viel bemühten Geheimgesellschaften (den Freimaurern, Illuminaten, Bilderbergern o.ä.) kommen auch <i>Lobbygruppen</i> in Frage (wozu auch die politischen und wirtschaftlichen Eliten mit ihren Eigeninteressen gehören) – und Agenten ausländischer Mächte, die mittels Unterwanderung der Staatsorgane und Propaganda das infizierte Staatswesen in ihrem Sinne lenken oder beeinflussen wollen. Potentiell kommt <i>jede</i> Gruppe mit Eigen- oder Sonderinteressen in Frage, die dem Interesse des Volkes an seiner eigenen Erhaltung entgegenlaufen.
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<a name="american-betrayal"></a>
<h2>American Betrayal</h2>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://www.amazon.com/American-Betrayal-Assault-Nations-Character/dp/0312630786" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhG7mmSyiqZ15gC0gl44aNpZYHl_EYqy34FRKZwMrdO9QDDy5DVsDN85HwBJo_X_FIaOjx8PGjdSXBb8u4f2BZrn1J8A8kdzid7pqBcwvA_-k2LALS_DqngkYuq5JB-qsf8GhSkBgo6WWX9/s320/betrayal.jpg" /></a></div>
In ihrem zweiten Buch <i>American Betrayal</i> präzisiert Diana West die treibenden Kräfte für die Fehlentwicklung der USA seit den 30er Jahren. Aus ihrer Sicht stand am Anfang dieser Entwicklung ein Pakt mit dem Teufel: die diplomatische und politische Anerkennung der Sowjetunion - eines <a href="https://www.youtube.com/watch?v=FsGRDZoAcDY">Systems der Barbarei und des Massenmordes</a>, wie damals schon jeder wissen konnte, der es wissen <i>wollte</i> - durch die Roosevelt-Administration im Jahre 1933.
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In der Folge begann die Unterwanderung der USA durch die Sowjetagenten – nicht nur der Regierung, sondern auch der Medien – insbesondere der Filmindustrie, um ein propagandistisch verlogenes Bild von der Sowjetunion zu verbreiten. Diese bis in die höchsten Ränge der Regierung hineinreichende Verschwörung - laut Diana West reichte sie bis zu Roosevelts Vertrautem und Berater Harry Hopkins - hatte zum Zweck, die USA im Sinne der Sowjetunion zu manipulieren, zu beeinflussen, zu steuern: Wichtige Massnahmen der Regierung - vor allem in der Kriegszeit, in der sich die USA 1941 auf die Seite der UdSSR schlugen und diese damit zu ihrem Verbündeten erklärten - lagen nicht mehr im Eigeninteresse der USA, sondern dienten gewollt oder ungewollt der Sowjetunion.
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<br />
Am Anfang stand also der Verrat der politischen Eliten an den Interessen des eigenen Volkes - ein Verrat, in dessen Folge dann die Unterwanderung und Fremdsteuerung durch den Bolschewismus möglich wurde. Als auch diese Epoche vorüber war - spätestens mit dem Zerfall der Sowjetunion - war der Schaden angerichtet: das Volk hatte seinen natürlichen moralischen Kompass verloren und ist seitdem verwundet, verletzlich - offen für Angriffe von aussen wie von innen, empfänglich wie nie zuvor für die totalitäre Versuchung.
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<a name="evil-empire"></a>
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<h2>
Die mediale Verfälschung des <i>evil empire</i> zum <i>empire of evil</i></h2>
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Reich_des_B%C3%B6sen" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi0FKtj4aDNiLdeWky50uk1MXJmNqQu3-MtCVM78UbNYv2GRYoIA2cZqj3ax2Q4QkMIso3aGv0uOKMUikuaXEnbHyBf4L8v5YmMHH5CUsIWPMOZ7CqN7Yy1Gajac9naiE29QUX1jtVOJhrI/s320/reagan.jpg" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Ausnahmepräsident Ronald Reagan</td></tr>
</tbody></table>
Als US-Präsident Ronald Reagan sich im Jahre 1982 nach <a href="http://en.wikipedia.org/wiki/Strategic_Arms_Limitation_Talks">SALT II</a> auf die Fortführung von Abrüstungsverhandlungen mit der Sowjetunion vorbereiten wollte, gab er seinen Beratern eine Studie in Auftrag: Sie sollten rekapitulieren, inwieweit die Sowjets in den vorausgehenden 25 Jahren die mit ihr abgeschlossenen Verträge eingehalten hatten – es war übrigens die erste Studie dieser Art.
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Das Ergebnis war ernüchternd: <i>Kein einziger Vertrag</i> war eingehalten worden.[1] Kein Wunder, dass Reagan in den frühen 80er Jahren wenig Hoffnung auf weitere Verhandlungen setzte - lieber liess er das eigene Atomwaffenarsenal modernisieren, und von einem effektiven Schutz seines Volkes mittels einer <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Strategic_Defense_Initiative">Strategic Defense Initiative (SDI)</a> hielt er mehr als von weiteren Verträgen mit den Sowjets, die ihr Papier offenbar nicht wert waren.
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<br />
Ronald Reagan war ein Quereinsteiger, der das Präsidentenamt nicht dank, sondern eher <i>trotz</i> der republikanischen Parteieliten erlangt hatte. Seine Aussagen waren daher oft sperrig, nicht so geschmeidig wie die anderer Politiker, denen das Geschäft des Berufspolitikers den nüchternen, klaren Blick auf die Verhältnisse verstellt hatte. Als Reagan 1983 die Sowjetunion als <i>evil empire</i> bezeichnete, gab es in den Medien der westlichen Welt einen Aufschrei – wie man ihn eher in der kommunistischen Staatspresse erwartet hätte. Seltsamerweise verwendeten die Medien aber wenig Aufwand darauf, der Rede vom <i>evil empire</i> überhaupt einmal nachzugehen – das tatsächlich böse System genauer zu betrachten: die sowjetischen Schreckensherrschaft, die den von ihr unterjochten Völkern Abermillionen Opfer abverlangte, gewaltige Zwangsarbeiterlager betrieb, Dissidenten in psychiatrische Anstalten einwies und mit einem flächendeckenden Spitzelapparat die Bürger ihrer Freiheit beraubte.
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Stattdessen echauffierte man sich darüber, dass Reagan diese Verhältnisse überhaupt <i>angesprochen</i> - und verurteilt hatte. Das war ungehörig; es galt das Motto: "Wer sind wir denn, zu richten?" Man stellte Reagan als gefährlichen religiösen Apokalyptiker dar und verfälschte seinen Begriff des <i>evil empire</i> (etwa: "ein schlimmes, schlechtes System") zum <i>empire of evil</i> ("Reich des Bösen"), damit man ihn besser als "Manichäer" herausarbeiten konnte (heute würde man sagen: "Fundamentalist"), der eine transzendente Dimension des Bösen in die Politik einführen wolle. Friedensforscher und Psychologen warnten davor, dass eine Sprache der Anklage die Kluft zwischen West und Ost weiter vertiefen würde, bis hin zum Risiko eines neuen Weltkrieges. Um dies zu vermeiden, wäre es wichtig, das übergreifend Gemeinsame der Systeme, das Menschliche zu betonen (der Duktus war etwa: "Wollen wir nicht alle nur unser tägliches Brot essen und in Frieden leben?"). Die Politik solle besser die friedliche Annäherung suchen und alle Vorwürfe an die andere Seite vermeiden, die nur zu Aggression und Krieg führen würden. Unsere Akademiker hatten damit (wieder einmal) auf grosser Linie versagt, denn genau das Gegenteil ihrer Empfehlungen erwies sich als der richtige Kurs, um die barbarische sowjetische Zwangsherrschaft zu beseitigen.
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<a name="detente"></a>
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<h2>
Entspannungspolitik – für Breschnew eine Taktik</h2>
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://news.google.com/newspapers?nid=1368&dat=19770212&id=stIVAAAAIBAJ&sjid=1xEEAAAAIBAJ&pg=7084,2325415" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiWoReRKSNHEvIGae0FqrSKQbeAxk4tZWXRr0cGMORbQqUjIdse9ijCgT2N7qNjOT9oK4SWlmKwYVdydaaPHBQBLSi_fzT8oSlIJi5laBPmipfoRhcFbK101aVPukUPRtP5iEAxGLM17_wJ/s320/brandt-breschnew.jpg" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Breschnew beim Schäkern mit Brandt</td></tr>
</tbody></table>
Wir haben uns daran gewöhnt, die Zeit des Kalten Krieges, des "Gleichgewichts des Schreckens", als ein Kräftemessen zweier gleich starker wie auch gleich unvollkommener Supermächte zu sehen. Als Gebot der Zeit sah man die "Entspannung", den "Wandel durch Annäherung" (Willy Brandt). Aber genau diese Entspannungspolitik wurde von den Sowjets nur als ein Mittel zum Zweck gesehen, um einseitige Vorleistungen des Westens zu fordern und damit die eigene Position zu stärken: In einer geheimen Rede vor sozialistischen Parteiführern in Prag bezeichnete Breschnew 1977 diese Entspannungspolitik in bemerkenswerter Offenheit als eine Täuschung, eine <i>List</i> – mit dem wahren Zweck, mehr Einfluss in den "imperialistischen" Ländern zu erlangen.[2]
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Obwohl diese skandalöse Breschnew-Rede durchsickerte und in England und den USA veröffentlicht wurde, hat sie sich bezeichnenderweise nicht – wie etwa die <a href="http://www.1000dokumente.de/?c=dokument_ru&dokument=0014_ent&object=translation&l=de">Chruchtschow-Rede</a> von 1956 – ins kollektive Gedächtnis eingegraben. Man blieb bei den liebgewordenen Theorien vom Vertrauensvorschuss, von den notwendigen einseitigen Vorleistungen, die angeblich der beste Weg zu einer Deeskalation und zum Frieden seien. Fakten, die – wie diese Rede - nicht in dieses Wunschbild passten, wurden herausgefiltert.
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Konzeptuell war die Entspannungspolitik eine simple Fortsetzung der Rooseveltschen Doktrin von der <a href="http://www.nationalreview.com/article/361915/diana-west-responds-conrad-black-letters">Konvergenz der Systeme</a>: Roosevelt betrachtete das stalinistische und das westliche, freiheitliche System als prinzipiell gleichwertig, da beide mit Fehlern behaftet seien. Der Grundgedanke ist simpel: Im Westen gibt es Arbeitslosigkeit, Armut und Arbeitshetze, im Osten staatliche Terrorakte. Im Laufe der Zeit würden sich die Systeme annähern: Der Westen würde sich zum Wohlfahrtsstaat entwickeln, während der Osten etwas weniger terroristisch werde - die Systeme würden schliesslich "konvergieren". Der Ost-West-Konflikt würde sich damit wie von selbst erledigen, ohne Krieg oder Konflikt, und ohne dass man immer so penetrant die Zustände in der Sowjetunion aussprechen und anprangern müsse, wie es manche Konservative täten. Die sowjetischen Verhältnisse anzuprangern, sei Feindbildpflege, in Wahrheit also Kriegshetze, und beschwöre die Gefahr eines Weltkriegs herauf. Besser wäre es demnach, die Millionen Opfer des stalinistischen Terror gentlemanlike unter den Tisch zu kehren, kein grosses Aufheben darum zu machen und stattdessen den kommunistischen Funktionären die Hände im "Friedensprozess" zu reichen.
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Wie kam der Präsident dazu, das westliche Gesellschaftsmodell als prinzipiell gleichwertig mit der bolschewistischen Sklavenhaltergesellschaft zu sehen – beide Systeme hätten vielleicht ein paar Mängel, wären aber eigentlich eine ideale Ergänzung? Wie konnte sich diese ungeheure Verharmlosung einer totalitären sozialistischen Diktatur in unseren Köpfen festsetzen? Wie hätte ein Gulag-Zwangsarbeiter es empfunden, wenn ihm eine solche Rede aus dem Westen zu Ohren gekommen wäre? Und welche dieser Einstellungsmuster haben wir noch heute in unseren Köpfen – und wenden sie bloss auf andere Zwangssysteme an?
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<a name="suendenfall"></a>
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<h2>
Der Sündenfall: Die diplomatische Anerkennung der Sowjetunion (1933)</h2>
Wie schon beschrieben, war für Diana West der eigentliche Sündenfall die diplomatische Anerkennung der Sowjetunion durch die USA im Jahre 1933. Dies war eine der ersten Amtshandlungen von Präsident Franklin Delano Roosevelt, der schon damals von der "Konvergenz der Systeme" träumte. Im Jahre 1919 hatte Präsident Wilson die Anerkennung des Sowjetregimes noch kategorisch abgelehnt - die gleiche Haltung nahmen später seine drei Amtsnachfolger Harding, Coolidge und Hoover ein. Wilson hatte erklärt, ein Regime, das ohne Volkslegitimation die Macht ergriffen habe, das andere Staaten zu unterwandern suche, das in allen Weltteilen Revolutionen anfache und gemäss seinen eigenen Erklärungen nach der Weltherrschaft strebe, dürfe durch eine diplomatischen Anerkennung nicht aufgewertet werden. Man könne keine auf gegenseitigem Vertrauen gründende Beziehungen zu einem Regime aufbauen, dessen erklärte Absicht es sei, gegen die westlichen Institutionen zu konspirieren.[4]
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Die diplomatische Anerkennung der UdSSR durch Roosevelt war also ein Bruch der bisherigen US-Aussenpolitik. Vorausgegangen waren ihr Versprechungen des sowjetischen Aussenministers Litwinow, man werde sich aller Interventionen und aller Propaganda in den USA enthalten, insbesondere keine Organisation gründen, die der Bekämpfung der politischen und sozialen Institutionen der USA gewidmet sei. All dies wurde von der Roosevelt-Administration in naiver Vertrauensseligkeit für bare Münze genommen.
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In Wahrheit verstiessen die Sowjets planmässig gegen jede dieser Erklärungen. Vom ersten Moment an wurde die Roosevelt-Administration mit sowjetischen Agenten unterwandert, wie wir heute u.a. durch das erst 1992 abgeschlossene <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/VENONA-Projekt">Venona</a>-Projekt wissen, in dem eine Vielzahl sowjetischer Telegramme aus Kriegs- und Nachkriegszeit entschlüsselt wurden. Dazu kommen Aussagen ehemaliger Agenten, auch vor Anhörungen, detektivische Recherche veröffentlichter Fakten, insbesondere die in der Jelzin-Ära für eine kurze Zeit öffentlich gemachten russischen Archive nach dem Ende der Sowjetunion.
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<a name="subversion"></a>
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<h2>
Sowjetunion – Zweigstelle Washington</h2>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://www.youtube.com/watch?v=5fDsdfZu3Us" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhUHjpz479XPKaH9T5snvUh1t97JD9JaKo4DreEo4wnV6XbTlX58Jr3oT0uPaWG01AyMwfCnXQEynEapKDxmi7ktDM_j471TpHQ7yZTYNsJ2aFFSgB1kkg5KWBPSVGm4_d2Kb6oHWHY5wOj/s300/Mission-to-moscow-1943.jpg" /></a></div>
Diana West erinnert an die mittlerweile unstrittige Tatsache, dass die Sowjetunion von Beginn an in grossem Stil begann, alle möglichen Einrichtungen in den USA mit Agenten zu unterwandern - davon waren übrigens nicht nur Staats- und Bundesbehörden betroffen, sondern auch kulturelle Einrichtungen. Eine wichtige Rolle zur Rekrutierung neuer Agenten spielte dabei die kommunistische Partei der USA (CPUSA). Wie wir heute, unter anderem dank der Venona-Protokolle [11] wissen, war die CPUSA ein von der Sowjetunion finanziertes Instrument für Propaganda und Unterwanderung.
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Der Wert der Propaganda, der politischen Lüge oder Halbwahrheit, ist einem Zwangssystem natürlich bestens bekannt - so legten sie beispielsweise grossen Wert darauf, die "Traumfabrik Hollywood" mit Parteigängern unter den Filmschaffenden zu unterwandern. Filme wie der mitten im Krieg erschienene <a href="http://en.wikipedia.org/wiki/Mission_to_Moscow">Mission to Moscow</a> (1943) waren in diesem Sinne gründliche Auftragsarbeit, um das Bild von Stalin als gutem "Uncle Joe" in den Köpfen der Amerikaner zu festigen, der sich wie ihr eigener Präsident um sein Volk sorge - nur eben auf seine Weise.
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Als einige der in Hollywood tätigen Sowjet-Agenten 1948 aufflogen und es zu einem Prozess gegen die <a href="http://web.archive.org/web/20071027071815/http://acuf.org/issues/issue94/071022med.asp">Hollywood Ten</a> kam, beriefen sich die Beschuldigten auf das "Fifth Amendment", das Recht auf Aussageverweigerung, der Verfassung, deren Abschaffung ihre Partei anstrebte. Die Hollywood Ten erhielten milde Haftstrafen und werden bis heute von der Linken als Helden zelebriert.
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<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgSOZtkahMjuky3hDEXlmgHGdXigLLz4Iz2K5Eq3zVVCOWdUnXNF4aSCT8w_4Ai5xnTWQDkhOJ8TTiXw_RNrmibvF4WK6aROu7mvawcQ-zRBoJZEDcbrrO2-J2vFhZK3_Tob6LR2O_swU3b/s1600/evil-german.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgSOZtkahMjuky3hDEXlmgHGdXigLLz4Iz2K5Eq3zVVCOWdUnXNF4aSCT8w_4Ai5xnTWQDkhOJ8TTiXw_RNrmibvF4WK6aROu7mvawcQ-zRBoJZEDcbrrO2-J2vFhZK3_Tob6LR2O_swU3b/s200/evil-german.jpg" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Der Österreicher Christoph Waltz <br />
macht die deutsche Bestie</td></tr>
</tbody></table>
Aus jener Ära stammt übrigens auch die Dämonisierung der Deutschen: Der Deutsche als kalter, dumpfer, zu allen Verbrechen fähiger Brutalo (mit der Variante des schlauen, teuflisch-schlauen Monsters) ist ein Klischee, das noch bis heute in allen Hollywoodfilmen perpetuiert wird. Ähnlich dämonisierende Filme über die Russen sucht man vergeblich – der sowjetische Totalitarismus war in Hollywood praktisch nie auf dem Radar.
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Ein ebenso verzerrtes Bild von der Realität liefern die Filme über den Widerstand. Widerstandsbewegungen aus allen Ländern wurden Thema von Hollywoodfilmen - mit zwei Ausnahmen: Deutschland (erst 2007 gab es mit <i>Valkyrie</i> einen Film über den deutschen Widerstand) – und Polen! Den Widerstand in Deutschland zu beleuchten, hätte das sowjetische Propagandabild von den Deutschen als wilden Hunnen, die geschlossen hinter ihrer verbrecherischen Führung stehen, gestört. Genauere Blicke auf Polen verbat sich das Sowjetregime ebenfalls, da sonst hässliche Details aus ihrer Besatzungszeit ans Licht gekommen wären. Hollywood gehorchte.
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Auch heute werden mit Unterhaltungsfilmen oft leicht zu durchschauende <a href="https://web.archive.org/web/20140805134141/http://www.identitaere-generation.info/das-smarties-dogma-1/">politische Botschaften</a> transportiert - deren "volkserzieherischer" Anspruch unangenehm aufstösst:
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<blockquote>
Jeder von uns kennt das. Man sieht sich irgendeine Historien-Verfilmung aus dem Mittelalter an. Alles fängt ganz normal an. Die Helden des Films werden vorgestellt, raufen sich zusammen und begeben sich auf ihr Abenteuer. Dann, aus irgendwelchen an den Haaren herbeigezogenen Gründen, tauchen auf einmal irgendein Schwarzer, ein Araber oder Chinese und irgendeine weibliche Kampfmaschine auf. Allen anfänglichen Vorurteilen der weißen, männlichen Aktivisten zum Trotz werden sie zum eingeschworenen Team, dessen Zusammenhalt und Treue sich gegen alle Hindernisse durchsetzt. Gerade ihre „bunte Vielfalt“ erweist sich als Stärke und besiegt die dumpf-homogenen Horden der Feinde, deren Rüstungen im besten Fall sogar unverkennbare Ähnlichkeiten zu Wehrmachts-Uniformen aufweisen.</blockquote>
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<a name="mc-carthy"></a>
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<h2>
Die Verleumdungskampagne gegen McCarthy</h2>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="http://www.amazon.com/Blacklisted-History-Senator-McCarthy-Americas/dp/1400081068#" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjvgwgB3MTCf60QnsG2gH0jxbS-X2AjRCnMAIbVa4-7sB_I6JTJ_NpHZRemuXwDqgyR-fYfTWZJ_MA4Ae7uq58LkVxUlzgQ50jJyGkU0pKA9UHQ4FaM8z-SLpxjQVos06tuqR914SOuem_w/s320/mccarthy.jpg" /></a></div>
Wichtiger noch als die Propaganda war natürlich die politische Aktivität der kommunistischen Wühlmäuse. In der sogenannten "McCarthy-Ära", die heute als schwarzes Kapitel der US-Geschichte, als moderne Hexenjagd auf Kommunisten verunglimpft wird, versuchte man, diesen Agentensumpf trockenzulegen - ein schwieriges Unterfangen in einem System, das den Freiheitsrechten verpflichtet ist. Die meisten Fälle seiner angeblich "irrationalen, wahnwitzigen Kommunistenhetze" erwiesen sich - wieder dank den Venona-Protokollen, als <a href="http://www.wnd.com/2000/02/4020/">korrekt</a>:
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<blockquote>
Using new information obtained from studies of old Soviet files in Moscow and now the famous Venona Intercepts — FBI recordings of Soviet embassy communications between 1944-48 — the record is showing that McCarthy was essentially right. He had many weaknesses, but almost every case he charged has now been proven correct. Whether it was stealing atomic secrets or influencing U.S. foreign policy, communist victories in the 1940s were fed by an incredibly vast spy and influence network.</blockquote>
Wie so oft, erweist sich ein weit verbreitetes, ins kollektive Bewusstsein eingefressenes Urteil - als <i>Vor</i>urteil. Der Journalist <a href="http://en.wikipedia.org/wiki/M._Stanton_Evans">M. Stanton Evans</a> widmete sein Buch <i>Blacklisted By History</i> der Rehabilitation des zu Unrecht in den Schmutz getretenen Senators Joseph McCarty. [12]
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<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Harry_Hopkins" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEj_j4Gze0-Dy6hlQafvMJ-E3bAsfKybE6dAViJAmyARPleDaD0Ra6X8rsOFpSQXfs7c9blcvelbxzZ7_B0O2abVCznOfblUPG9KIXRt0j0vdBwypXathyphenhyphen42nT96ry1nQ0ecSdcOibMf4TKo/s320/hopkins.jpg" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Harry Hopkins,<br />
Roosevelts engster Berater</td></tr>
</tbody></table>
Schwere Schatten des Verdachts legen sich auf eine zentrale Figur der US-Politik in der Roosevelt-Ära: den Präsidentenberater Harry Hopkins. Wenn er wirklich - so eine These von Diana West - für die Sowjetunion arbeitete, dann war er die Spinne in dem dichten Agentennetz, das alle Behörden der Roosevelt-Administration durchdrang. Harry Hopkins genoss das uneingeschränkte Vertrauen Roosevelts und stand ihm von 1933 bis 1945 zur Seite – also während seiner gesamten Amtszeit. So vertrauenswürdig erschien er Roosevelt, dass Hopkins auch schon mal eigenständig mit Churchill und Stalin tagte, einen grossen Teil von Roosevelts Korrespondenz übernahm, und für einige Jahre sogar im Weissen Haus lebte – wo er sich im Lincoln Bedroom einrichtete (ein gespenstisches Realsymbol: ein Agent Moskaus "besetzt" das Amerika Lincolns). Es gibt eine eindrucksvolle Masse von Indizien, dass dieser Mann ein direkter Agent Moskaus war, der den Präsidenten in vielen Punkten nach Moskaus Interessen zu beeinflussen wusste. Hopkins war laut KGB-Agent Iskhak Akhmerov während des Krieges "der wichtigste Agent der Sowjetunion in den USA."[5] Dies wird zusätzlich durch die Forschungen des Historikers Eduard Mark gestützt, der in akribischer Analyse der Venona-Protokolle zu dem Schluss kam, dass Harry Hopkins wohl die Person gewesen sein musste, die dort "Quelle 19" genannt wurde.
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<br />
In aller Deutlichkeit sagte das im Rückblick bereits George C. Marshall, im Krieg als Stabs- und Armeechef ebenfalls enger Vertrauter des Präsidenten, zu seinem Biographen Forrest Pogue: "Die Aufgabe von Hopkins war es, gegenüber dem Präsidenten die russischen Interessen zu vertreten. Meine Aufgabe war es, die amerikanischen Interessen zu vertreten."[6] Eine wahrhaft verräterische Aussage!
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<br />
Einige zentrale Entscheidungen der Roosevelt-Administration spielten der Sowjetunion direkt in die Hände, ohne dass sich für die USA und ihre Verbündeten ein Nutzen ergeben hätte. Ob fremdgesteuert oder nicht: die USA waren in der Nazi- und vor allem in der Kriegszeit in wichtigen Fragen faktisch zu Aussenposten der sowjetischen Interessenpolitik geworden!
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<a name="lend-lease"></a>
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<h2>
Lend-Lease: Die USA schenken der Roten Armee Kriegsgüter und Fahrzeuge</h2>
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="http//www.conservapedia.com/Lend-Lease_Act" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiYu-_dPPlushAcVNyv5BBuqRZLfJLZUfxN-01zr0cSt9b0HhVAXGqKZ45RlACQm7-tos6PA_N3v08DEItwQ42yTxnK3eXMZfggpac-BCVjRD1-l4ohGrLtpGpAdDzXvqtgiWgplChcBqL1/s320/300px-Studebaker.jpg" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">2<span style="color: #191e3f; font-family: 'Helvetica Neue', Helvetica, Roboto, Arial, sans-serif; font-size: 12px; text-align: start;">½-Tonner von Studebaker, wichtiges Hilfsmittel<br />der Sowjets zur Besetzung Osteuropas</span></td></tr>
</tbody></table>
Eine wichtige, von Hopkins eingefädelte Massnahme, war beispielsweise das <a href="http://www.conservapedia.com/Lend-Lease_Act">Leih-Pachtgesetz (Lend-Lease act)</a>, das am 10. Februar 1941 vom US-Kongress verabschiedet wurde. Ohne selbst aktiv in den Krieg einzutreten, gab dieses Gesetz dem Präsidenten Sondervollmacht, nach eigenem Ermessen und ohne jegliche Kontrollinstanzen Kriegsausrüstung in grossen Mengen an "beliebige verbündete Parteien" zu senden. Obwohl vordergründig auch das Commonwealth, China und viele andere Staaten einbezogen waren, ging es Roosevelt / Hopkins vor allem um Russland. Allerdings hütete man sich zu Beginn noch, dies deutlich auszusprechen, da ein Grossteil der Amerikaner entsetzt bei dem Gedanken gewesen wäre, dass ihre Steuerdollars zur Ausrüstung der Roten Armee verwendet würden.
<br />
Auf der Pazifikroute, die im Hafen Wladiwostock im Norden der Sowjetunion endete, lieferten die Amerikaner in den folgenden Jahren über eine halbe Million Jeeps und Lastwagen, dazu Eisbrecher (die vom Regime für die Erschliessung neuer Gulag-Strafinseln im arktischen Meer verwendet wurden), Tausende von Jagdflugzeugen, Bombern und Panzern, 1000 Dampflokomotiven, 581 Kriegsschiffe mit Minensuchern, Landungsfahrzeuge, U-Boot-Jäger, Fregatten, Torpedoboote – bis hin zu 13 Millionen Paar Winterstiefeln. Die USA trugen also dazu bei, ein totalitäres System aufzurüsten, das dem Nazisystem an Grausamkeit in nichts nachstand.
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Dabei wurden sogar die eigenen militärischen Interessen sträflich vernachlässigt. General McArthur beschreibt, dass der Krieg um die Philippinen, in den die USA ab dem 7.12.1941 hineingezogen wurden, auch mangels Nachschub verlorenging: Die noch erhaltenen Flugzeugträger von Pearl Harbour hätten verwendet werden können, um Flugzeuge in die Philippinen zu bringen, wo sie bitter benötigt wurden.
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<br />
Selbstverständlich kam auch vom russischen "Verbündeten" keinerlei Unterstützung im gesamten Pazifikkrieg (warum kommt uns das eigentlich so selbstverständlich vor?).
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Das Lend-Lease-Programm hatte für den Präsidenten absoluten Vorrang – so dass selbst der Nachschub für die eigenen Truppen im Pazifikkrieg vernachlässigt wurde: dringende Nachschubanfragen von Generälen blieben unbeantwortet oder wurden negativ beschieden. Präsident Roosevelt sagte es klar und deutlich: "Lieber würde ich Australien, Neuseeland oder irgendetwas anderes aufgeben als dass die russische Front einbricht."[7] Offenbar nicht nur Australien und Neuseeland, sondern sogar die eigenen Truppen im Pazifik: Allein auf dem brutalen <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Todesmarsch_von_Bataan">Todesmarsch von Bataan</a> starben beinahe 50'000 Soldaten, rund ein Viertel davon waren Amerikaner.
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<br />
Die Russen waren freilich hoch erfreut über die Waffen- und Materiallieferungen, die ihnen dann bei der Annexion Osteuropas gute Dienste leisteten. Chruchtschow gab dies noch 1970 in einem Interview mit dem Life-Magazin zu Protokoll: "Stellen Sie sich vor, wie wir ohne die halbe Million Lastwagen und Jeeps von Stalingrad bis Berlin hätten kommen können!"[8] Wie ist es zu erklären, dass ein souveräner Staat sein militärisches Eigeninteresse preisgab, seine eigenen Soldaten dem Tod im Schlachtfeld überliess, nur damit ein sogenannter "Verbündeter" sein Regime um jeden Preis erhalten – und noch ausdehnen - konnte? Wieso wurde ein menschenverachtender totalitärer Staat mit Kriegsgerät ausgerüstet – Kriegsgerät, das dringend in Gefechten der eigenen Truppen benötigt wurde?
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<br />
War es wirklich unerlässlich, die Sowjetunion zum Verbündeten zu erklären, wie es die USA am 11. Juni 1941 taten? Das war die beissende Frage, die sich Alexander Solschenizyn immer wieder gestellt hatte und die er in seiner berühmten <a href="http://www.orthodoxytoday.org/articles7/SolzhenitsynWarning.php">Washingtoner Rede</a> von 1975 so formulierte: <br />
<blockquote>
1933 und 1941 haben Ihre Führer und die gesamte westliche Welt einen gewissenlosen Handel mit dem Totalitarismus geschlossen.[9]</blockquote>
Auch seine ein Jahr später eschienene <a href="http://www.zeit.de/1976/16/warnung-an-den-westen">Warnung an den Westen</a>, die dieses Thema des Verrats an den westlichen Werten wieder aufnimmt, ist von ungebrochener Aktualität.
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<a name="d-day"></a>
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<h2>
Stalin drängt zur "Zweiten Front im Westen"</h2>
Seit 1942 insistierte die Sowjetunion immer nachdrücklicher darauf, dass die USA in Europa in den Krieg eintreten sollte. Militärisch sinnvoll wäre es gewesen – und dafür sprachen sich sowohl Churchill als auch Eisenhower aus – die Truppen im bereits besetzten Italien zu verstärken und von dort nach Nordosten und Nordwesten in den adriatischen und osteuropäischen Raum vorzudringen. Stalin aber – und "zufällig" (?) in Washington Harry Hopkins – beharrte darauf, die USA sollten eine neue "Zweite Front" im Westen Europas eröffnen. Die USA folgten auch hier Stalins Willen, zogen ihre Truppen - übrigens auch zur Überraschung der deutschen Wehrmacht - nach und nach aus Italien zurück und bereiteten die Invasion in der Normandie vor. So hatte Stalin in Osteuropa freie Hand. Dass der Eiserne Vorhang später mitten durch Europa ging, ist auch der militärischen Entscheidung der USA zur "Zweiten Front" zu verdanken. Gewollt oder ungewollt haben sie auch mit dieser Operation die Interessen der Sowjetunion bedient.
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<a name="pearl-harbor"></a>
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<h2>
"Operation Snow" - wie Sowjetagenten Pearl Harbor provozierten</h2>
Die Beziehung zwischen Russland und Japan war lange konfliktbehaftet. Um sich vor den japanischen Gebietsinteressen in der Mongolei und in Sibirien zu schützen, war fast ein Viertel der Kräfte der Roten Armee am Ostrand ihres Reichs gebunden – Kräfte, die Stalin zur Okkupation der Gebiete Osteuropas benötigte. Um sie freizumachen, fädelte er den japanischen Angriff auf Pearl Harbor ein, um Japan in einen Krieg mit den USA zu ziehen. Die wichtigste Figur in dieser sogenannten "Operation Snow" war der Sowjetagent Harry Dexter White, ein hoher Finanzbeamter, der seinen Einfluss im Weissen Haus nutzen konnte, um die Spannungen zwischen den USA und Japan zu verschärfen. Roosevelt, der ursprünglich schon zu Kompromissen mit Japan in der Frage des Ölembargos bereit war, das er über Japan verhängt hatte, änderte nun - nachweislich unter Einfluss Whites - seinen Kurs und verlangte von Japan einen vollständigen Rückzug aus der Mandschurei, die zur neutralen Zone erklärt werden sollte, sowie den Verkauf von drei Vierteln seiner Marine- und Heeresproduktion an die USA. Diese für Japan unannehmbaren Forderungen bewegten die Japaner - die ebenfalls von Sowjetagenten wie Richard Sorge "beraten" wurden - zum Angriff auf die Pazifikflotte, zu Pearl Harbour und zum Krieg gegen die Philippinen.[10]
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Bis zu diesem Punkt ist die Geschichte von Pearl Harbor längst Allgemeingut (wenn sie auch manche überraschen mag). Die berühmte Rede Roosevelts am folgenden Tag (<a href="https://www.youtube.com/watch?v=ufoUtoQLGQY">A day that will live in infamy</a>) war geeignet, die von Natur aus eher isolationistisch eingestellten Amerikaner umzustimmen und zu einem Kriegseintritt zu bewegen. Das macht die Wichtigkeit dieses Ereignisses im Zweiten Weltkrieg aus.
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<iframe width="560" height="315" src="https://www.youtube.com/embed/ufoUtoQLGQY" frameborder="0" allow="autoplay; encrypted-media" allowfullscreen></iframe>
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Es gibt viele Ungereimtheiten rund um diesen Angriff, was Anlass zu vielen Mythen gibt - "inoffiziellen Versionen", die die Vorgänge verständlich machen sollen. Manches legt jedenfalls den dramatischen Schluss nahe, dass die US-Regierung schon vor dem 7. Dezember 1941 wusste - oder wenigstens hätte wissen können - dass die Japaner diesen Angriff planten. Da es ein Hauptzweck von Agenten ist, Informationen zurückzuhalten, wenn dies den Absichten der fremden Macht dient, da weiter Sowjetagenten bis in die höchsten Ränge der Regierung vertreten waren und da es tatsächlich im Interesse der Sowjetunion war, dass Japans Armee in einem Krieg mit den USA gebunden wird, ist der naheliegendste Verdacht, dass hier bolschewistische Agenten ihre Hände im Spiel hatten. Inwieweit auch dieser Verdacht durch die Venona-Protokolle oder andere Quellen erhärtet wird, konnte ich Diana Wests Buch leider nicht entnehmen. Eine interessante Frage ist es allemal.
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<a name="widerstand"></a>
<h2>
Waffenstillstandsangebote aus dem deutschen Widerstand wurden ignoriert</h2>
Es lag im Interesse der Sowjetunion, den Krieg möglichst lange auszudehnen: Während die USA und England sich im Kampf mit Deutschland zermürbten, konnte die Sowjetunion als lachender Dritter vom Osten her die Macht in Europa übernehmen. Um dieses Ziel zu erreichen, mussten auf jeden Fall Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Deutschland und den Alliierten unterbunden werden. Zu diesem Zweck wurden die Agenten tätig - z.B. Franz L. Neumann, ein KGB-Agent im Washingtoner OSS. In einem <i>top secret</i> eingestuften Bericht analysierte er den deutschen Widerstand gegen das Naziregime. Sein Schreiben kam zu dem Schluss, dass es ausser dem kommunistischen Widerstand keine ernstzunehmende Widerstandsgruppe in Deutschland gebe. Die Verschwörer um Stauffenberg bewertete er beispielsweise als <i>nichts weiter als eine Gruppe bankrotter Generäle, nationalistischer Intellektueller und ergebener Staatsdiener</i>.[13] Nicht anders erging es den Kooperationsangeboten von General Ludwig Beck, Carl Friedrich Goerdeler, Ulrich von Hassel, Johannes Popitz, Kurt von Hammerstein, Erwin von Witzleben, Admiral Canaris, General Friedrich Olbricht, Eduard Wagner... Alles "Nationalisten", mit denen eine Zusammenarbeit nicht in Frage kommt.
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Neben solchen "Analysen", die von Verhandlungen mit nichtkommunistischen Widerstandsgruppen abrieten, arbeitete ein anderer Teil der Agenten daran, Anfragen oder Friedensangebote solcher Gruppen zu verschleppen - sie schlicht verschwinden zu lassen. Beispielhaft ist hier der Versuch des Admirals Canaris zu nennen, der unter Lebensgefahr telefonischen Kontakt mit <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/George_Howard_Earle">George Howard Earle</a> in Istanbul aufnahm, um den USA Zusammenarbeit im Kampf gegen das Naziregime anzubieten. Earle war als Botschafter in Österreich und Bulgarien tätig gewesen, später dann Beauftragter für Balkanfragen in Istanbul. Earle versprach, Canaris' Anfragen an das Weisse Haus weiterzuleiten. Er sendete das Angebot im Dezember 1942 vertrauensvoll an seine Kontaktperson im Weissen Haus ... <i>Harry Hopkins</i>! Danach verliert sich jede Spur. Weder ist bekannt, ob der Präsident je von diesem Angebot erfuhr, noch findet sich dieses Schreiben in der Korrespondenz von Hopkins. Diana West stellte zu ihrer Überraschung fest, dass im Hopkins-Nachlass, der in der Georgetowner Universitätsbibliothek verwahrt wird, ausgerechnet der "Folder 6" fehlte, der die Korrespondenz von Hopkins mit Earle aus dieser Zeit hätte enthalten müssen. Im Register gab es den lapidaren Vermerk: "Frühere Korrespondenz von und mit George Earle wurde Herrn Hopkins am 22. November zu seinem eigenen Gebrauch gesendet." [14]
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Im März 1943 fragte Canaris bei Earle nach, was aus seinem Angebot geworden sei. Earle bedauerte, keine neuen Informationen zu haben.
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Noch kurz vor Kriegsende wurde Canaris bekanntlich enttarnt und als "Volksverräter" gehängt.
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<a name="hitler-stalin-pakt"></a>
<h2>
Die USA verschweigen die Aufteilung Polens durch Ribbentrop und Molotow</h2>
Die gängige Geschichtsauffassung war lange Zeit, dass Hitler sich mit dem <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsch-sowjetischer_Nichtangriffspakt">deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt</a> vom 24. August 1939 für seinen "Überfall" auf Polen den Rücken freihalten wollte. Mittlerweile ist dieses einfache Bild, das noch bei den Nürnberger Prozessen als die ganze Wahrheit gehandelt wurde, längst revidiert.
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Schon am 12. August 1939, kurz nach Aufnahme der deutsch-sowjetischen Gespräche, signalisierte Molotow den Deutschen, dass man sowjetischerseits insbesondere an einer Vereinbarung über das "polnische Problem" interessiert sei. Ab dem 15. August verhandelt Ribbentrop dann in Moskau, wobei die russische Seite sich schliesslich zu dem für sie entscheidenden Punkt vorarbeitet. Neben den allgemeinen, für die Öffentlichkeit bestimmten Friedenserklärungen und zweifelhaften "gemeinsamen Garantieerklärungen für die baltischen Staaten" legen die Sowjets Ribbentrop das berühmte "geheime Zusatzprotokoll" vor, das unter anderem die folgenden Punkte enthält:
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<blockquote>
1. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung in den zu den baltischen Staaten (Finnland, Estland, Lettland, Litauen) gehörenden Gebieten bildet die nördliche Grenze Litauens zugleich die Grenze der Interessensphären Deutschlands und der UdSSR. Hierbei wird das Interesse Litauens am Wilnaer Gebiet beiderseits anerkannt.
<br />
2. Für den Fall einer territorial-politischen Umgestaltung der zum polnischen Staate gehörenden Gebiete werden die Interessensphären Deutschlands und der UdSSR ungefähr durch die Linie der Flüsse Narew, Weichsel und San abgegrenzt. Die Frage, ob die beiderseitigen Interessen die Erhaltung eines unabhängigen polnischen Staates erwünscht erscheinen lassen und wie dieser Staat abzugrenzen wären, kann endgültig erst im Laufe der weiteren politischen Entwicklung geklärt werden. ...
</blockquote>
Ribbentrop, dem dieser Text am 23. August gegen 22 Uhr unterbreitet wurde, fühlte sich nicht ermächtigt, einen Vorschlag von dieser Tragweite allein zu entscheiden und bat um einen kurzen Aufschub der Verhandlungen. Nachdem er sich telefonisch bei Hitler versichert hatte, gab er am 24. August kurz nach Mitternacht seine Zustimmung. Das Zusatzprotokoll war der Freifahrtschein für die Aufteilung Polens unter Deutschland und der Sowjetunion.
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Schon am nächsten Tag hatte der deutsche Diplomat Hans Herwarth von Bittenfeld das geheime Zusatzprotokoll ans Weisse Haus weitergeleitet. In stiller Übereinstimmung mit Stalins Willen hielt die amerikanische Regierung dieses Zusatzprotokoll geheim. Weder das eigene Volk noch die polnische Regierung, die sicher ein brennendes Interesse daran gehabt hätte, informierte man über diese Vereinbarung. Noch in den Nürnbergen Prozessen - in denen man sowjetische Schlächter über nationalsozialistische Schlächter richten liess - war das Zusatzprotokoll tabu. Es galt die Devise Stalins, <i>unter allen Umständen jede öffentliche Diskussion über die Beziehung von Nazis und Sowjets in den Jahren 1939 bis 1941 zu unterbinden, ebenso wie die Existenz oder gar den Inhalt des sogenannten Zusatzprotokolls</i> [15] Eine beschämende <i>Verschwörung des Schweigens</i>, eine Komplizenschaft mit dem Sowjetregime, die erst im Jahre 1946 gebrochen wurde, als ein unbenannter US-Soldat eine Kopie des Protokolls an einen interessierten Richter des Nürnberger Tribunals weiterleitete. Kurz danach wurde der volle Wortlaut des Protokolls im <i>St. Louis Post Dispatch</i> vom 22.5.1946 veröffentlicht.
<br />
<br />
Die Bedeutung des Protokolls liegt darin, dass sich die Sowjetunion und Deutschland die Verantwortung für den Überfall auf Polen teilten. Denselben räuberischen Angriffskrieg, der in Nürnberg vor Gericht stand, hätte man auch der Sowjetunion vorwerfen müssen, die makabrerweise einen Teil der Richter in diesem Prozess stellte. Es ist diese Form der <i>ideologischen Kollaboration</i> (<a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Wladimir_Konstantinowitsch_Bukowski">Wladimir Bukowski</a>), die die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen vom Anfang bis zum Ende begleitete.
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<a name="katyn"></a>
<h2>Katyn - USA schieben sowjetische Massenmorde den Nazis unter</h2>
<table cellpadding="0" cellspacing="0" class="tr-caption-container" style="float: right; margin-left: 1em; text-align: right;"><tbody>
<tr><td style="text-align: center;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiDMWMDvpt8XcW068zy2t2xSz0lnbUxbAdUJy8HEKemTzdRYKiGlwrFIklMaNT7sejlh0r4UyRWXZlKU25mk3CLm68JPkvbwJL_qvCfzQbnhO2fe-I_NJPF4-Yj8OTAdW8j99knI9FCP6_W/s1600/katyn.jpg" imageanchor="1" style="clear: right; margin-bottom: 1em; margin-left: auto; margin-right: auto;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiDMWMDvpt8XcW068zy2t2xSz0lnbUxbAdUJy8HEKemTzdRYKiGlwrFIklMaNT7sejlh0r4UyRWXZlKU25mk3CLm68JPkvbwJL_qvCfzQbnhO2fe-I_NJPF4-Yj8OTAdW8j99knI9FCP6_W/s320/katyn.jpg" /></a></td></tr>
<tr><td class="tr-caption" style="text-align: center;">Das Katyn-Massaker an der polnischen Oberschicht<br/>Von USA und UdSSR zur Propaganda gegen Deutschland verwendet</td></tr>
</tbody></table>
Im Frühjahr 1943 entdeckten deutsche Truppen im russischen Wäldchen Katyn nahe Smolensk ein Massengrab von Tausenden ermordeter polnischer Offiziere (es waren 22'000 Opfer) - sie waren teilweise erschossen, teilweise mit Bajonetten erstochen, teilweise erstickt worden. "Nazipropaganda", donnerte Stalin, nachdem die Deutschen diese Erkenntnisse der Weltöffentlichkeit mitgeteilt hatten. Deutsche Faschisten hätten diese Morde begangen, teilte er Roosevelt mit, und er verurteilte die polnische Exilregierung in London dafür, dass sie das Internationale Rote Kreuz zu einer Untersuchung des Vorfalls aufgerufen hätte. Das Rote Kreuz, typisch Schweiz, willigte ein zu untersuchen, falls die drei involvierten Parteien - Deutschland, Polen und Russland - zu einer solchen Untersuchung bereit seien. Russland lehnte natürlich ab.
<br />
<br />
Und der Westen? Churchill rapportierte Stalin, er habe mit den Exilpolen geredet und sie um eine fruchtbare Zusammenarbeit mit der UdSSR gebeten, "aber sie beharrten auf ihren beleidigenden Vorwürfen gegenüber der Sowjetunion, womit sie widerliche Nazipropaganda mittragen." Auch Roosevelt stimmte in den Chor ein und äusserte, die Polen hätten mit ihrer Forderung nach einer Untersuchungskommission einen "dummen Fehler" gemacht. [16] Noch bis nach dem Ende des Krieges unterdrückte die US-Regierung Berichte, die die sowjetische Schuld am Massaker von Katyn belegten.
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<br />
Der Botschafter George Howard Earle, der nach eigenen Nachforschungen vor Ort (er sammelte Zeugnisse und Fotos, Berichete von weissrussischen Quellen, Untersuchungsergebnisse des bulgarischen Roten Kreuzes) im Jahre 1944 die Schuld der Sowjets als klar erwiesen betrachtete, wurde von Roosevelt persönlich belehrt: Was er da an Material habe, "George, ist komplett deutsche Propaganda, ein deutscher Plot. Ich bin absolut überzeugt, dass die Russen nichts dergleichen getan haben".[17] Interessant ist auch, dass Earle von einem befreundeten Journalisten, Joe Levy von der <i>New York Times</i>, gewarnt wurde: "George, Du weisst nicht, was hier los ist. Harry Hopkins hat die volle Kontrolle über den Präsidenten, und das ganze Klima hier ist <i>pink</i> [ = pro-sowjetisch ]." Er warnte ihn, seinen Katyn-Bericht zu veröffentlichen, da das seine Karriere beenden würde. Noch am 24. April 1945 erteilt Roosevelt Earle das schriftliche Verbot, seinen Bericht zu veröffentlichen:
<br />
<blockquote>
Ich wünsche es nicht nur nicht [dass Earle seinen Bericht veröffentlicht], sondern <i>ich verbiete Dir hiermit explizit, irgendeine Information über einen unserer Alliierten zu veröffentlichen, die Du erlangt hast, während Du im Amt oder im Dienst der United States Navy warst.</i></blockquote>
Was für eine unappetitliche Kollaboration mit einem totalitären Regime! Man ist sogar bereit, die Bevölkerung und die Öffentlichkeit zu belügen, um der guten Beziehungen mit einer Verbrecherbande willen. Eine solche moralische Kompromittierung bleibt nicht ohne Folgen.
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<a name="kollektiv"></a>
<h2>
Die Deutschen als Nazikollektiv</h2>
Wie beschrieben, war eine Propaganda ganz im Sinne der Sowjets, die das deutsche Volk als Ganzes als das schlechthin Böse hinstellte: Ein bis in den Tod verschworenes, homogenes, fanatisches Kollektiv – bereit, noch die mörderischsten Befehle auszuführen, die ihre verbrecherische Naziführung ihnen befiehlt. Jeder Deutsche ist in dieser Sicht ein Nazi, jeder tote Deutsche ist ein Nazi weniger. Ich hatte oben schon beschrieben, dass aus diesem Grunde keine Kooperation mit deutschen Widerstandsgruppen gesucht wurde, obwohl es solche bis in die höchsten Ränge des Staatsapparates gab, und dass heimliche Friedens- und Kooperationsangebote solcher Gruppen stets kategorisch abgelehnt wurden. Ein Umsturz und ein Verhandeln mit diesen Widerstandskräften hätte zu einem zu schnellen Kriegsende führen können. Die Option bestand, den Krieg bereits 1943 zu beenden. Ein Kriegsende 1943 hätte vielen Millionen Menschen das Leben gerettet - nicht nur Soldaten, sondern auch den zivilen Kriegsopfern und den Opfern des Holocaust von 1943-45. Ebenso wäre verhindert worden, dass Osteuropa jahrzehntelang unter die Herrschaft der Sowjetbolschewisten geriet.
<br />
<br/>
Irritierend ist dabei: Es war genau dieses kollektivistische Bild der Deutschen, das den Nazis als Ideal vorschwebte. Die NS-Propaganda legte, vor allem während des Krieges, alles daran, das Volk zu einer Einheit zusammenzuschweissen, Unterschiede zu nivellieren, und jeden einzelnen Deutschen als Kampfeinheit zu mobilisieren, der bereit ist, buchstäblich alles für sein Volk zu geben. Statt den Nebel dieser Propaganda zu durchbrechen, förderten die USA diesen Kollektivismus noch. Sehr erfreut griffen die Nazis die amerikanischen Aktivitäten für ihre Propaganda auf.
<br />
<br />
Nehmen wir die Forderung nach "bedingungsloser Kapitulation" (<i>unconditional surrender</i>). Roosevelt behauptete später fälschlich, diese Formulierung wäre ihm 1943 auf der <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Casablanca-Konferenz">Casablanca-Konferenz</a> (14.-26.1.43) der Alliierten spontan in den Sinn gekommen[18]. In Wahrheit war die Rede am 24.1., in der er die bedingungslose Kapitulation der Deutschen als Kriegsziel aufstellte, gemäss Robert Sherwood "sorgfältig im voraus vorbereitet" - tatsächlich hatte er genau dies bereits am 7.1. in Washington in einem Meeting mit seinem Generalstab behandelt.
<br />
<br />
Der erste, der die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation aussprach, war übrigens nicht Roosevelt, sondern – Harry Hopkins: Am 23.1., dem Vortag von Stalins Rede, erklärte er dem Grosswesir von Marokko, der Krieg werde "fortgesetzt, bis Deutschland, Italien und Japan in die bedingungslose Kapitulation einwilligen" [19]. Friede könne nur durch die vollständige Vernichtung der deutschen und japanischen Kriegsmacht erreicht werden.[20] Zwar schränkte Roosevelt in seinem öffentlichen Bericht über Casablanca vom <a href="http://www.ibiblio.org/pha/policy/1943/430212a.html">12.2.1943</a> ein, dass ein totaler Krieg "nicht gegen die einfachen Leute, sondern allein gegen ihre verbrecherischen Regierungen" gerichtet sei - dennoch weckte die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation bei den Deutschen die Erinnerung an das Ende des Ersten Weltkriegs mit dem Diktat von Versailles, in dem die damaligen Sieger mit phantastischen Forderungen ihr Volk fast in den Ruin getrieben hatten.
<br />
<br />
Auch sprachen die Bombenangriffe auf das Reich eine andere Sprache, die oft nicht gegen militärische Ziele gerichtet waren, sondern in den Städten ein Maximum an Zerstörung, Tod und Schrecken verbreiteten. So wurde gerade durch die Forderung nach bedingungsloser Kapitulation der Widerstand der Deutschen gegen die Alliierten nur umso verbissener und hartnäckiger. Goebbels hatte leichtes Spiel, als er - gerade eine Woche später - in seiner <a href="https://www.youtube.com/watch?v=dhAbZZ3liUI">Sportpalastrede</a> das Wort vom "totalen Krieg" aufnahm. Auch General Albert Wedemeyer bestätigt diese Wirkung in seinen Erinnerungen an den Krieg [21]:
<br />
<blockquote>
Durch die Forderung nach <i>bedingungsloser Kapitulation</i> haben wir uns in Casablanca die Aussicht auf einen echten Sieg genommen.</blockquote>
<blockquote>
Natürlich hat unsere Forderung nach bedingungsloser Kapitulation den Widerstandswillen des Gegners verstärkt - und zwang auch Hitlers schärfste Gegner zu einer Fortsetzung des Kampfes, um ihr Land zu retten.</blockquote>
Damit ist klar ausgesprochen, dass auch die von den Alliierten in die Welt gesetzten Formeln vom totalen Krieg und von der bedingungslosen Kapitulation vor allem eines bewirkten: Die Verlängerung dieses Krieges – ganz wie es im Interesse der Sowjets lag.
<br />
<a name="ausblick"></a><br />
<h2>
Ausblick</h2>
Bei allem - teilweise berechtigten - Unmut über die Politik der USA, besonders ihre Aussenpolitik, muss immer diese Vorgeschichte des Verrats bedacht werden: dass auch die amerikanische Nation heute eine <i>deformierte Nation</i> ist, Opfer eines jahrzehntelangen Deformationsprozesses aus Unterwanderung und Fremdpropaganda. Auch wenn diese Operationen sicher die <i>classe politique</i> am stärksten verändert haben, so bleibt so etwas nicht ohne Einfluss auf die Volksseele als Ganzes. Das Buch von Diana West zeigt deutlich, dass die USA unter dem selben, sich zunehmend verschärfenden Widerspruch zwischen Volk und Regierung leiden wie die Völker Europas. Überall auf der Welt streben die Regierungen danach, sich ihres lästigen Volks zu entledigen, indem sie sich - im wörtlichen Sinne durch Migration - ein neues schaffen, indem sie die Freiheiten ihrer Untertanen einhegen und ihre Überwachung optimieren, indem sie die Steuerlast erhöhen, um sich politische Handlungsfreiheit zu verschaffen, und indem sie internationale, nicht demokratisch bestimmte Gremien mit Kompetenzen ausstatten, die sie ihren eigenen Staaten wegnehmen. Der Internationalismus oder Globalismus, der sich hierin ausdrückt, kann durchaus als Fortsetzung der marxistischen Idee in einem neuen Kontext verstanden werden.
<br />
Aber es gibt Hoffnung: So wie immer mehr Europäer an Stelle der EU nach einem freien Europa souveräner Nationen rufen, so gibt es auch in den USA eine wachsende Bewegung von Menschen, die die Rückkehr zu ihrer eigentlich amerikanischen Wesensart fordern.
<br />
<br />
[1] Diana West, American Betrayal, St. Martin's Press, New York 2013, S. 198. <br />
[1'] Definition für Verschwörung bei Wikipedia <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Verschw%C3%B6rung">http://de.wikipedia.org/wiki/Verschw%C3%B6rung</a><br />
[2] Diana West, a.a.O. S. 226. Die Rede gelangte an den Britischen Geheimdienst und wurde am 11.2.1977 im Boston Globe veröffentlicht. <br />
[3] Das Buch (siehe Fussnote 1) erschien Ende Mai 2013. <br />
[4] Woodrow Wilson, zitiert bei Hoover, Herbert / George H. Nash [Hg.] Freedom Betrayed : GHerbert Hoover's secret history of the Second World War, Stanford 2011, S.24 <br />
[5] Diana West, a.a.O., S. 142 <br />
[6] Diana West, a.a.O., S. 138 <br />
[7] Diana West, a.a.O., S. 46 <br />
[8] Diana West, a.a.O., S. 43 <br />
[9] 1933 erkannten die USA die Sowjetunion diplomatisch an. 1941 schlossen sie ein Militärbündnis. <br />
[10] John Koster, Perl Harbour 2.0, TIME vom 7.12.2012. <a href="http://nation.time.com/2012/12/07/pearl-harbor-2-0/">http://nation.time.com/2012/12/07/pearl-harbor-2-0/</a> <br />
[11] Harvey Klehr, John Earl Haynes and Kyrill Anderson, <i>The Secret World of American Communism</i>, Yale University Press 1996<br />
Klehr, Haynes, <i>Venona: Decoding Soviet Espionage in America</i> Yale University Press 1999<br />
Klehr, Haynes, <i>In Denial: Historians, Communism and Espionage</i>, 2003, Encounter Books.<br />
[12] M. Stanton Evans, <i>Blacklisted by History - The Untold Story of Senator Joe McCarthy and His Fight Against America's Enemies</i>, Three Rivers Press, 2009.<br />
[13] Diana West, a.a.O., S. 287.<br />
[14] Diana West, a.a.O., S. 285.<br />
[15] Diana West, a.a.O., S. 55<br />
[16] Diana West, a.a.O., S. 204<br />
[17] Diana West, a.a.O., S. 212<br />
[18] Diana West, a.a.O., S. 289, zitiert aus Sherwood, Robert: <i>Roosevelt and Hopkins - an Intimate History</i>, Enigma Books 2008, 2:693.<br />
[19] Diana West, a.a.O., S. 290.<br />
[20] C. Peter Chen, <i>The Casablanca Conference</i>, http://ww2db.com/battle_spec.php?battle_id=65<br />
[21] Diana West, a.a.O., S.291, zitiert aus Wedemeyer, Albert: <i>Wedemeyer reports!</i>, New York 1958, S.95-96.<br />
<br />Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-7458300818566020422014-08-11T10:25:00.000+01:002015-01-02T16:15:49.662+01:00Einfacher Testmodul für eine JavaScript-FunktionVor kurzem stellte ich mir die Aufgabe, die Implementierung der folgenden Funktion aus einer grösseren (von anderen verfassten) JavaScript-Datei zu vereinfachen. Dabei wollte ich beim Refaktorisieren das Verhalten der Funktion in verschiedenen Kontextzuständen mittels Tests festhalten.
<p/><p/>
Was sind - rein formal, nicht applikatorisch - die wesentlichen Charakteristika dieser Funktion?
<pre class="sh_javascript">function btn_vb_refresh() {
var lSubpanel, lFcode = "", lDivId = "", lSubmit, lPages;
if (!clientErrorCheck()) {
return;
}
if (!check_page())
return;
lSubpanel = getText("subpanel");
clearError();
lSubmit = false;
if (byId('input_vb_filter')) {
setText('vb_cur_filter',getText('input_vb_filter'));
}
if (getText("panel") == 'dlpview') {
if (!lSubpanel) {
lSubpanel = 'sum';
}
lFcode = 'main__ajax_dlpview_refresh';
lDivId = "vorbest_" + lSubpanel;
lPages = 0;
if (byId("vb_total_pages")) {
lPages = parseInt(getText("vb_total_pages"), 10);
}
if (lPages === 0) {
lSubmit = true;
}
} else {
if (!lSubpanel) {
lSubpanel = 'vku';
}
if (lSubpanel == 'vk') {
lFcode = 'main__ajax_vk_refresh';
lDivId = "vorbest_vk";
}
if (lSubpanel == 'vku') {
lFcode = 'main__ajax_vku_refresh';
lDivId = "vorbest_vku";
}
if (lSubpanel == 'dlp') {
lFcode = 'main__ajax_dlp_refresh';
lDivId = "vorbest_dlp";
}
}
if (!lSubmit) {
if (lDivId && byId(lDivId)) {
lSubmit = false;
} else {
lSubmit = true;
}
}
if (!lSubmit) {
setCssForDatatableWidth();
call_ajax(lFcode, '#' + lDivId);
} else {
genericSubmit('main__vb_refresh');
}
return; // sic!
}
</pre>
Wir können folgende formalen Eigenschaften dieser Funktion festhalten:
<ul>
<li>Die Funktion hat keine eigenen Aufrufparameter
<li>Sie verwendet nicht das <tt>this</tt>-Objekt
<li>Sie ruft andere Funktionen auf, die aber alle direkt global deklariert sind (keine Methoden eines Objekts)
<li>Die aufgerufenen Funktionen haben entweder gar keinen, einen oder zwei <i>stringförmige</i> Parameter
<li>Der Rückgabewert der aufgerufenen Funktionen wird entweder ignoriert oder auf Initialwert verglichen, oder wie ein String behandelt.
</ul>
Diese Eigenschaften habe ich als Voraussetzungen an die zu testende Funktion angenommen, da ich in der konkreten Situation nicht mehr brauche. Später lassen sich bei Bedarf weitere Features dazubauen.
<p/><p/>
Wenn wir die Funktion nun auch inhaltlich genauer anschauen, so geht es offenbar um folgendes:
<ul>
<li>Die aufgerufenen Funktionen entstammen, bis auf die Funktion <tt>call_ajax</tt>, meiner minimalistischen JavaScript-Bibliothek <a href="http://ruediger-plantiko.net/minlib/">minlib.js</a>.
<li>Die Funktion entscheidet anhand gewisser Kontextinformationen, ob ein Ajax-Request <tt>call_ajax</tt> oder ein <tt>genericSubmit</tt> ausgeführt werden soll.
<li>Im Ajax-Fall ermittelt die Funktion die beiden Aufrufparameter <tt>lFcode</tt> und <tt>'#' + lDivId</tt>
</ul>
Um diese Funktion isoliert durch Unit-Tests abzusichern, könnte man folgendes machen:
<ul>
<li>Die aufgerufenen Funktionen müssen mitsamt der beim Aufruf übergebenen Parameter protokolliert werden, um die richtige Abfolge der Aufrufe verifizieren zu können.
<li>Die aufgerufenen Funktionen werden im globalen Kontext als Mocks definiert und können Werte zurückgeben, die den Verlauf der Funktion beeinflussen.
<li>Die einzelnen Testfälle können dann verifizieren, dass die Funktion, abhängig von den jeweiligen Testdaten, entweder die Funktion <tt>call_ajax</tt> mit den erwarteten Parametern, oder die Funktion <tt>genericSubmit</tt> mit dem angegebenen fixen Parameter <tt>main_vb_refresh</tt> aufruft.
</ul>
Ziel wäre, die Funktion für die Dauer des Umbaus in einer eigenen lokalen Datei zusammen mit Testdaten abzulegen und bei jeder Änderung durch Ausführung dieser Datei die Testsuite durchlaufen zu lassen, die das erwartete Verhalten sicherstellt.
<p/><p/>
Jeder einzelne Testfall stellt einen <i>Ausführungspfad</i>, d.h. eine bestimmte Kombination von Entscheidungen beim Durchlaufen des Codes dar. Nehmen wir folgenden Beispiel-Testfall:
<ol>
<li>Die Funktion <tt>clientErrorCheck()</tt> liefert <tt>true</tt> zurück, was wohl bedeutet, dass die Daten keine Eingabefehler enthalten. Die Ausführung wird dann fortgesetzt.
<li>Auch die Funktion <tt>check_page()</tt> liefert <tt>true</tt> zurück, was entsprechend wohl bedeutet: die Daten "der angezeigten Seite" sind konsistent. Die Ausführung wird fortgesetzt.
<li>Das Feld <tt>subpanel</tt> möge den leeren String als Wert enthalten, <tt>getText('subpanel')</tt> liefert dann <tt>''</tt> zurück, was als Wert der lokalen Variablen <tt>lSubpanel</tt> gespeichert wird.
<li>Das Feld <tt>panel</tt> enthalte den Wert <tt>'dlpview'</tt>, so dass die Ausführung in den <tt>if</tt>-Zweig der entsprechenden Abfrage läuft.
<li>Es existiere kein Feld mit der ID <tt>'vb_total_pages'</tt>. Im Effekt wird die lokale Variable <tt>lPages</tt> auf 0 und somit <tt>lSubmit</tt> auf <tt>true</tt> gesetzt.
<li>Die Funktion entscheidet sich aufgrund dieser Vorgeschichte am Schluss, <tt>genericSubmit('main__vb_refresh')</tt> aufzurufen.
</ol>
Dieser lange Prosatext liesse sich als Testfall in Form eines JavaScript-Hashs wie folgt definieren:
<pre class="sh_javascript">{ name:"dlpview: Submit if no pages",
fixture:{
clientErrorCheck:true,
check_page:true,
getText:{
subpanel:'',
panel:'dlpview'
},
byId:{
vb_total_pages:null,
}
},
expected_history:[
{ fname: 'genericSubmit', args: [ 'main__vb_refresh' ] }
],
expected_rval:undefined
// hier bedeutungslos, da die Funktion keine Rückgabewerte hat
}
</pre>
Das zu schreibende Testmodul müsste als Interpreter für ein solches Testdatenformat fungieren:
<ol>
<li>Für jeden Testfall, der in Form eines Objekts in obigem Format vorliegt, werden die Daten des Members <tt>fixture</tt> benutzt, um die Mockfunktionen geeignet vorzubelegen. Hierzu sind leider globale Variablen unvermeidlich, die Mockfunktionen müssen dem globalen Objekt <tt>global</tt> als Members hinzugefügt werden.
<li>Nun wird die Testfunktion aufgerufen. Bei jedem Funktionsaufruf innerhalb dieses Testaufrufs werden die Rückgabedaten gemäss <tt>fixture</tt> bedient, und der aktuelle Aufruf mitsamt seinen Argumenten fortgeschrieben.
<li>Nach dem Aufruf wird geprüft, ob die Geschichte sämtlicher Funktionsaufrufe, die die zu testende Funktion getätigt hat, den Array <tt>expected_history</tt> als echte geordnete Teilmenge enthält. <tt>expected_history</tt> muss also nicht die aktuelle Historie sämtlicher Funktionsaufrufe aufführen - das wäre zuviel Schreibarbeit, besser ist die Reduktion aufs Wesentliche. Vielmehr muss aus der aktuellen Historie der Funktionsaufrufe ableitbar sein, dass die Aufrufe der <tt>expected_history</tt> in der dort angegebenen Reihenfolge und mit den dort angegebenen Argumenten ausgeführt wurden.
<li>Es wird geprüft, ob die Funktion den erwarteten Rückgabewert <tt>expected_rval</tt> hat.
<li>Für jeden Testfall wird in einer Ergebniszeile mit dem Code <tt>ok</tt> oder <tt>not ok</tt> notiert, ob er bestanden wurde. Genauer gesagt, soll das Output dem einfachen <a href="http://testanything.org/">Test Anything Protocol</a> folgen.
</ol>
Unter Verwendung einer Hilfsfunktion <tt>extend()</tt>, die alle Eigenschaften eines Hashs in einen zweiten Hash übernimmt:
<pre class="sh_javascript"> function extend(destination, source) {
for (var property in source) {
if (typeof source[property] === "object" &&
source[property] !== null && destination[property]) {
extend(destination[property], source[property]);
} else {
destination[property] = source[property];
}
}
return destination;
}</pre>
lässt sich der Definitionsschritt für das Mocking wie folgt ausführen:
<pre class="sh_javascript">
// Overall Setup: Define all functions in a global namespace
var fnames = {};
test.cases.forEach(function(testCase){
extend( fnames,Object.keys(testCase.fixture))
});
Object.keys(fnames).forEach( function(fname) {
global[fname] = function() {
return mock({ fname:fname, args:arguments });
}
});
</pre>
Die Funktion <tt>mock()</tt> ist also eine allgemeine Umleitungsfunktion für alle Funktionsaufrufe, die in den Fixtures deklariert sind. Sie protokolliert den aktuellen Aufruf (Funktionsname und Argumente), und ermittelt dann den Rückgabewert aus der Fixture. Hierbei begnüge ich mich aktuell auf den Fall eines Aufrufs mit höchstens einem Argument (bei Bedarf lässt sich das auf beliebig viele Argumente erweitern):
<pre class="sh_javascript"> function mock(func) {
var fval,rval;
if ((fval = _mock[func.fname])) {
if (func.args.length === 0)
rval = fval;
else if (func.args.length == 1)
rval = fval[func.args[0]];
}
call_history.push(new FunctionCall(func.fname,func.args,rval));
return rval;
} </pre>
Nach diesen Vorbereitungen kann die eigentliche Testschleife laufen. Sie sollte nun keine Überraschungen mehr enthalten:
<pre class="sh_javascript">// Now process each individual test case
test.cases.forEach( function(testCase, testCaseIndex) {
var msg = "";
try {
setup(testCase.fixture);
rval = test.func();
assert_call_history(testCase.expected_history);
assert_equals(testCase.expected_rval,rval);
} catch (e) { msg = e; }
console.log(
result_line( testCase.name, testCaseIndex+1, msg)
);
function result_line( name, index, msg) {
var result = msg ? "NOT OK" : "OK"
result += " " + index + " - " + name;
if (msg) result += ": " + msg;
return result;
}
});
</pre>
Wer sich für das vollständige JavaScript interessiert, notiert als <a href="http://nodejs.org/">node.js</a>-Modul, kann es sich auf meinem <a href="http://pastebin.com/2LJD5hYX">pastebin</a> ansehen.
<p/><p/>
Die verschiedenen Ausführungspfade sind mit den folgenden dreizehn Testfällen abgedeckt, die ich während der Bearbeitung der Funktion immer mitlaufen lasse:
<pre class="sh_sourceCode">1..13
ok 1 - stop if client error check fails
ok 2 - stop if check_page fails
ok 3 - dlpview: Submit if no pages
ok 4 - dlpview: input_vb_filter will be transferred to vb_cur_filter if present
ok 5 - dlpview: No submit if there are pages
ok 6 - dlpview: Use 'sum' as default subpanel
ok 7 - Not dlpview, subpanel vk: Submit if the div doesn't exist
ok 8 - Not dlpview, subpanel vku: Submit if the div doesn't exist
ok 9 - Not dlpview, no subpanel: Use 'vku' as default
ok 10 - Not dlpview, subpanel dlp: Submit if the div doesn't exist
ok 11 - Not dlpview, subpanel vk: Ajax call if the div exists
ok 12 - Not dlpview, subpanel vku: Ajax call if the div exists
ok 13 - Not dlpview, subpanel dlp: Ajax call if the div exists
</pre>
Am Ende hatte die Funktion die folgende Form.
<pre class="sh_javascript">function btn_vb_refresh() {
if (!clientErrorCheck() || !check_page()) return;
var panel = getText("panel");
var subpanel = getText("subpanel") || getDefaultSubpanel();
clearError();
// Inhalt des Eingabefilterfelds in ein benanntes Feld transportieren
setText('vb_cur_filter',getText('input_vb_filter'));
// Server-Request aktualisiert entweder nur Tabelle oder ganze Seite
if (actualizeTableOnly( )) {
doActualizeTable( )
} else {
genericSubmit('main__vb_refresh');
}
function actualizeTableOnly() {
// Nur wenn Tabelle blätterbar und der Tabellen-Container existiert
return (0 < parseInt(getText("vb_total_pages"), 10)) &&
byId(tableContainerId());
}
function doActualizeTable() {
// Tabelleninhalt per Ajax-Call aktualisieren
setCssForDatatableWidth();
var view = (panel == 'dlpview' ? 'dlpview' : subpanel);
var fcode = 'main__ajax_'+view+'_refresh';
call_ajax(fcode, '#' + tableContainerId());
}
function tableContainerId( ) {
return "vorbest_" + subpanel;
}
function getDefaultSubpanel() {
return (panel == "dlpview" ? 'sum' : 'vku');
}
}</pre>
Die Verkleinerung der Zeilenzahl - neu sind es 48 statt vorher 77 Zeilen - stand nicht im Vordergrund. Eher ging es darum, die Frage "Was tut diese Funktion" klarer hervortreten zu lassen, und zwar durch den Code selbst, weniger durch Kommentare.
<p/><p/>
Um das <i>Was mache ich</i> vom <i>Wie mache ich's</i> besser zu trennen, sind kleine lokale (innere) Funktionen in JavaScript eine gute Idee: Im Hauptcode der Funktion steht der Name der inneren Funktion, der sagt, <i>was gemacht wird</i>. Die Implementierung, weiter hinten im Code, zeigt dann, <i>wie</i> es gemacht wird. So wird man beim Lesen des Hauptcodes nicht abgelenkt durch die vielen kleinen konkreten Implementierungsentscheidungen, mit denen die einzelnen Teilaufgaben gelöst wurden - nur bei Bedarf kann man in die Implementierung der lokalen Funktion hineinverzweigen.
<p/><p/>Oft zeigt sich dann, dass eine Reihe dieser kleinen lokalen Funktionen verallgemeinerungswürdig sind, d.h. aus der Funktion herausgezogen werden können, da sie auch an anderen Stellen aufrufbar sind. Ein Kandidat hierfür ist in diesem Fall die Funktion <tt>getDefaultSubpanel()</tt>Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-65027340918892260512014-07-26T19:35:00.001+01:002022-11-06T16:11:11.053+01:00Gewollte HerrschaftEine verbreitete Geschichte über unsere Geschichte liest sich so:
<blockquote>Jahrtausendelang lebte die grosse Masse der Menschen fremdbestimmt, fremdbeherrscht – bis schliesslich im 18. Jahrhundert einige aufgeklärte Erlöser wie Herr Jean-Jacques Rousseau die Bühne der Weltgeschichte betraten und uns alles erklärten – und die dann folgende glorreiche Revolution alles veränderte.
<p/><p/>
Vorher ächzten die Menschen unter der Knute von Ausbeutern: dumpf und unbewusst vegetierten sie dahin, fristeten ein Leben, das bis zum frühen Tod nur aus Mühe, Arbeit und Krankheit bestand. Gewaltsam hielt man sie von aller Bildung fern, mit der sie Einsicht in ihren unnatürlichen Zustand und die ihnen eingeborenen Rechte erlangen könnten. Die Ausbeuter aber – die Grundherren, der Adel, der Klerus – liessen es sich gut gehen und prassten.
<p/><p/>
Mit schönen, aber durch und durch verlogenen Worten von Gott, jenseitiger Glückseligkeit und Strafe machten sie die Massen glauben, Gehorsam zu ihnen sei eine göttlich verordnete Pflicht. Dabei schlugen sie sich ihre fetten Wänste mit den geraubten Gütern voll, die sie gierig den geschundenen Menschen entrissen hatten. Dann aber kam die grosse, ruhmreiche Französische Revolution, und es hatte mit dieser Ausbeuterei ein Ende. Die Menschen knüpften ihre schmarotzende Oberschicht an den Laternen ihrer Hauptstadt auf, und es begann eine glückliche, gute, friedliche Zeit, ohne Herrschaft und Unterdrückung.
</blockquote>
Einige Geschichtenerzähler hören an dieser Stelle auf. Andere, denen mittlerweile aber sowieso keiner mehr zuhört, fanden die Sache mit dem Aufknüpfen so interessant, dass sie das Spiel gerne noch einmal wiederholt sehen wollten: Dazu erzählten sie die Geschichte so weiter, dass jener erste Umsturz nur ein Anfang war, der den Auftakt zur Bildung einer neuen, noch widerlicheren und noch fetteren Schicht von Ausbeutern bildete, derer sich die Massen nun in einem neuen Umsturz zu entledigen hätten.
<p/><p/>
Das ist eine heute häufig verbreitete Geschichte, die zeigen soll, <i>wie wir's zuletzt so herrlich weit gebracht</i> haben (<a href="http://gutenberg.spiegel.de/buch/3664/4">Wagner</a> im Faust). Wir Zuhörer sollen uns die Ansicht zueigen machen, dass es einen fundamentalen Bruch zwischen der Welt vor und seit der Aufklärung gibt, dass von nun an der Sinn aller weiteren Geschichte darin bestehe, uns von schlechthin <i>allen</i> Fesseln zu befreien, die uns noch an "versteinerte" (also hergebrachte, altbewährte) Verhältnisse ketteten. Jede soziale Norm und jedes Tabu müsse kritisch hinterfragt werden. Nur wenn die Selbstbestimmung global und permanent durchgesetzt sei, hätten wir endlich jene herrschaftsfreie, friedvolle, grundgute Welt erreicht, die schon den Akteuren der Französischen Revolution als Zukunftsbild prophetisch erschienen sei (die sie selbst jedoch "noch nicht ganz" hätten verwirklichen können).
<p/><p/>
Indem ich es so holzschnittartig reduziere, sollte jedem dämmern, dass es sich hier um eine moralisierende Geschichtskonstruktion handelt. Es geht bei diesem Märchen offenbar nicht darum, wie es wirklich war, sondern um die Rechtfertigung einer bestimmten Denkweise - es ist nicht Geschichte, sondern ein erzieherisches Lehrstück. Nur um eine "Moral von der Geschicht'" zu transportieren, werden die Bande der historischen Kontinuität gekappt, die uns mit unseren Vorfahren verknüpfen. Religion ist gemäss diesem Lehrstück nichts weiter als Herrschaftsideologie - wir können sie also hinter uns lassen. Ebenso sollen wir Bande der nationalen und familiären Solidarität verwerfen, weil sie nur noch verbliebene, rückständige Hemmnisse individueller Freiheit darstellten. Traditionen - weg damit! Autorität, Herrschaft und Gewalt - seien böse und, wenn wirklich notwendig, dann zumindest immer fragwürdig, jedenfalls wenn sie nicht benutzt werden, um das beschriebene Ideal der individuellen Selbstbestimmung zu erreichen.
<p/><p/>
In bäuerlichen Ländern, in denen die Herrschaft nicht durch die offizielle Regierung, sondern lokal durch Familienverbände, Sippen und die sogenannten "local influentials" ausgeübt wird, kann man heute noch beobachten, wie Herrschaft in einer urtümlichen Agrargesellschaft funktioniert. Es stimmt: Der Stammesfürst <i>hat</i> Privilegien und übt Herrschaft aus. Aber es ist eine grobe Vereinfachung zu glauben, dass sich der Stammesfürst <i>alles</i> erlauben könnte oder dass er seine Herrschaft mit einem Gespinst von Lügen aufrechterhält. In Wahrheit <i>wollen</i> die Menschen diese Form der Herrschaft, sie haben sich den Stammesfürsten ernannt, damit er gewisse Dinge regeln kann, die im gemeinsamen Interesse aller dort lebenden Sippen liegen.
<p/><p/>
Herrschaft existiert also nicht um ihrer selbst willen, sie wurde nicht von bösen Menschen erfunden, die es besser haben wollen als ihre Mitmenschen, sondern Herrschaft ist ein Amt, erfüllt eine gesellschaftliche Funktion. Wenn der Herrscher in seinen Pflichten säumig wird, wird er kurzerhand zum Teufel gejagt. So war es schon zur Zeit der alten Inder und Perser, deren Herrscher <i>ein</i> entscheidendes Amt hatten: die gemeinsam genutzte Bewässerungs-Infrastruktur aufrechtzuerhalten – und die weg vom Fenster waren, wenn sie in dieser Aufgabe fehlten. Im wesentlichen ist es so bis in unsere Zeit geblieben: Herrschaft legitimiert sich dadurch, dass gesamtgesellschaftlich als notwendig angesehene Einrichtungen betrieben werden.
<p/><p/>
Erst heute, mit der Aufkunft totaler staatlicher Herrschaft, kann Herrschaft sich so weit verselbständigen, dass die Abschaffung dysfunktionaler Eliten unmöglich wird. George Orwell hat diese Perpetuierung der Herrschaft in seiner Dystopie "1984" gezeichnet, und sie ist durchaus realistisch, wie das Beispiel Nordkoreas zeigt: In Nordkorea wird es vermutlich auf lange Sicht keinen Regimewechsel von innen mehr geben, nur der Tod des Führers bedeutet einen kurzen Moment der Instabilität.
<p/><p/>
Für geschichtliche Zeiten gilt aber zusammenfassend: Die Menschen, die keine Herrschaft innehatten, waren keineswegs bloss die armen Opfer einer "illegitimen" Herrscherkaste, sondern sie <i>bejahten</i> die Herrschaft und trugen sie mit.
<p/><p/>
Auch für die Religion gilt - zumindest in Europa: "Zum Klatschen gehören zwei Hände"! Ohne Zustimmung der Bevölkerung hätte kein Papst und kein Priester etwas zu melden gehabt. Während die Religion durch die am Anfang dargestellte Geschichtskonstruktion zu einem Lügenmärchen degradiert wird, das nur der Sicherung der Herrschaft diene, ist es realistischerweise so, dass der Mensch ein metaphysisches Bedürfnis <i>hat</i> - und dass er die Gesellschaft, in der er lebt, dem übernatürlichen Ziel seines Lebens verpflichtet sehen möchte: er stützt und fördert aktiv eine der Pflege des Spirituellen dienende Gemeinde. Religion hätte in der europäischen Geschichte keinen Bestand gehabt, wenn sie nicht selbst einen wesentlichen Teil des Menschen darstellte. Unter Zwang allein wäre das Christentum nicht zur herrschenden Religion geworden, wären nicht die vielen Denkmäler des Christentums entstanden, die Kathedralen und Klöster, unter Zwang hätten die Menschen nicht ihr Leben für den Glauben gegeben. All dies geschah nur aus Hingabe an das Christentum, das sie selbst als für sie richtig, als wahre Heilslehre ansahen.
<p/><p/>
Demgegenüber steht die Behauptung mancher Aufklärer, die Kirche hätte die Menschen gezwungen, ihre religiösen Lehren nachzusprechen, und kein Mensch, der vor dem 18. Jahrhundert lebte, hätte ehrlich und ernsthaft diese Kirchendogmen geglaubt. Unbestritten ist natürlich, dass "Häretiker" verfolgt wurden. Das ändert aber nichts daran, dass die Kirche sich des Rückhalts in der Bevölkerung sicher sein konnte. Es ist unrealistisch zu glauben, man könnte ein ganzes Volk mit Gewalt zum Nachbeten von religiösen Bekenntnissen zwingen. Es muss etwas widerhallen in den Menschen, die Lehre muss auf einen Resonanzboden treffen, etwas in ihnen ansprechen.
<p/><p/>
Sobald man aber zugesteht, dass Politik und Religion vor der Aufklärung auf der Zustimmung der Völker basierten, ja diese Zustimmung zur Voraussetzung hatten, stellt die Revolution nicht mehr den fundamentalen Bruch dar. Es gab vor ihr Herrschaft und Glaube, Völker und Familien, Gesetz und Recht - und es gibt sie danach. Die Geschichte taugt nicht mehr als Schwarzweissfolie, um das Fortschrittsdenken zu legitimieren.
<p/><p/>
Unbestritten <i>hat</i> die Revolution etwas geändert: Die erblichen Privilegien für Herrschaft wurden beseitigt, stattdessen kehrte man zum antiken System gewählter Volksvertreter zurück; der staatliche Schutz von Eigentum und Freiheit und die daraus resultierende soziale Mobilität ermöglichten in Folge ein beachtliches wirtschaftliches Wachstum. <p/><p/>
Das ist aber nicht der Unterschied von Tag und Nacht, als der er uns oft präsentiert wird, sondern eine verbesserte rechtliche Stellung des Einzelnen und seines Eigentums. Es schiebt sich keine Kluft zwischen uns und unsere Vorfahren, sondern sie sind uns im Denken nahe, und es ist hilfreich, diese Nähe zu suchen.Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-70885245642755513972014-07-03T21:53:00.000+01:002020-07-14T16:17:37.388+01:00Marxistische HolzwegeEs gilt als unfair, einen toten Gegner zu bekämpfen - aber wenigstens sollte man ihn ordentlich beerdigen! Sonst sind unangenehme Folgen für die noch Lebenden zu erwarten. Daher folgt hier einmal Punkt für Punkt eine klare Zurückweisung der grundlegenden marxistischen Denkmuster, die immer noch als unbewiesene Annahmen und scheinbare Selbstverständlichkeiten im Diskurs herumschwirren. Wir sprechen nach wie vor von "Ausbeutung", "Verelendung", "Klassenkampf", oft ohne uns bewusst zu sein, dass all diese Begriffe Versatzstücke aus einem Theoriegebäude sind, das als Ganzes längst erledigt ist.
<p/><p/>
<div style="padding-left:2em;">
<a href="#arbeitswert">Die "Arbeitswerttheorie" ist metaphysich</a><br/>
<a href="#ausbeutung">Die Ausbeutung</a><br/>
<a href="#verelendung">Verelendung</a><br/>
<a href="#klassenkampf">Klassen und ihre Kämpfe</a><br/>
<a href="#bewegungsgesetze">Die "Bewegungsgesetze der Geschichte"</a></br/>
<a href="#teleologie">Teleologie - vom Endpunkt der Geschichte</a><br/>
<a href="#materialismus">Materialismus - Basis und Überbau</a><br/>
<a href="#progressismus">Progressismus</a><br/>
<a href="#dialektik">Schöner herrschen mit Dialektik - aus Schwarz Weiß machen</a><br/>
<a href="#revolution">Revolution und "Völkerabfälle"</a><br/>
</div>
<p/><p/>
<a name="arbeitswert"></a>
<h2>Die "Arbeitswerttheorie" ist metaphysisch</h2>
<p/><p/>
Marx stützt sich auf die im Kern schon bei <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/David_Ricardo">David Ricardo</a>, <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Adam_Smith">Adam Smith</a> und <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/William_Petty">William Petty</a> zu findende Theorie wonach ein sogenannter <i>Wert</i> einer Ware existiere, der durch die zu seiner Produktion nötige Arbeit zu bestimmen sei. Dieser <i>Wert</i> müsse streng unterschieden werden von seinem tatsächlichen <i>Handelspreis</i>, also dem Geldbetrag, womit das Produkt seinen Besitzer wechselt. Letzterer, der Handelspreis, sei nur ein durch Angebot und Nachfrage verzerrtes Schwanken um seinen wahren Wert. Der wahre Wert bestimme sich vielmehr dadurch, wieviel Arbeitszeit die Proletarier (das sind Menschen, die mangels Besitz von Produktionsmitteln ihre Haut auf dem Arbeitsmarkt feilbieten müssen) in die Herstellung des Produkts investieren mußten. Diese Ricardosche Arbeitswerttheorie kam Marx sehr entgegen, weil durch sie der Proletarier als das eigentliche Wert schaffende Subjekt ins Zentrum der Betrachtungen gestellt wird.
<p/><p/>
Nun kann man sehr viel Zeit in die Herstellung eines Produktes investieren, das schliesslich keiner haben will. Obwohl der Wert eines solchen Produkts nach dieser Theorie also hoch ist, wäre der Preis mangels Nachfrage faktisch gleich Null.[0] Da dies dann auch für Marx eine etwas zu starke Abweichung von der Realität ist, lehrt er den "Doppelcharakter der Ware", die einerseits <i>Tauschwert hat</i> (den Arbeitswert), andererseits aber <i>Gebrauchswert ist</i>, indem Menschen die Ware für nützlich befinden. Durch die Einschränkung der Theorie auf Gebrauchswerte hat man die arge Diskrepanz mit den mühevoll hergestellten, aber nicht nachgefragten Produkten schon mal wegdefiniert.
<p/><p/>
Weiter gibt es faule und fleissige Proletarier. Die Zeit zur Herstellung des Produktes variiert also individuell. Um dennoch am "wahren Wert" festzuhalten, muß man einen <i>Durchschnittswert</i> über alle proletarischen Arbeitszeiten bilden. Ausserdem gibt es Industrie- und Manufakturbetriebe, dieselbe Ware kann also mit unterschiedlicher Produktivität hergestellt werden. Um dennoch am "wahren Wert" festzuhalten, muß auch ein Durchschnittswert über alle aktuell vorhandenen Produktionsstandorte mit ihren je unterschiedlichen technologischen Voraussetzungen gebildet werden. Marx bestimmt schliesslich den Wert einer Ware als "die zu ihrer Herstellung gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit".
<p/><p/>
Der Frage, wie denn nun konkret diese Werte zu berechnen sind, hat seither die marxistischen Schriftgelehrten beschäftigt, ohne dass sie zu einem greifbaren Ergebnis gekommen wären. Der Grund ist einfach: <i>Diese mystischen "Werte" gibt es überhaupt nicht.</i> Sie sind metaphysische Grössen, die von Marx nur aus ideologischen Gründen eingeführt wurden - damit er seine Lehre vom Mehrwert und der Ausbeutung über diesem Fundament wölben konnte. <p/><p/>
In der Realität hat eine Ware einen <i>Preis</i>, der im Austausch der Marktteilnehmer ausgehandelt wird - und damit hat es sich. Zwar sprechen wir manchmal vom <i>Wert</i> einer Ware im Unterschied zu ihrem Preis, zum Beispiel in der Kostenrechnung und Buchhaltung, aber dann ist nichts anderes als ein geschätzter Preis gemeint. In diesem Sinne - als eine Schätzung des Preises mit einer maximal zulässigen Toleranz - kennt auch der Gesetzgeber den Wertbegriff. Der Preis ist also das klare Prius, die reale Grösse, während der Wert nur ein Versuch ist, einen geschätzten Preis zu ermitteln – unter Verzicht auf die Kauftransaktion, die den realen Preis allein bestimmen würde.
<p/><p/>
Anders gesagt: Um gesellschaftliche ökonomische Vorgänge zu verstehen, genügt der Begriff des <i>Preises</i> von Waren, ein diesem vorausgehender Wertbegriff ist nicht notwendig: alle ökonomischen Prozesse lassen sich auch auf Basis des Preises allein verstehen, ohne den zusätzlichen Begriff des Wertes. Der Begriff des Wertes kann daher nach dem <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Ockhams_Rasiermesser">Ockhamschen Sparsamkeitsprinzip</a> weggelassen werden.
<p/><p/>
Nun habe ich nichts gegen metaphysische Reflexionen, sondern halte sie im Gegenteil sogar für sehr wichtig - dort wo sie am Platze sind. Es ist aber peinlich für einen materialistischen Philosophen, der uns im Übrigen das metaphysische Denken beharrlich austreiben möchte, seine eigenen Theorien auf einen metaphysischen Begriff zu gründen — einen Begriff, der selbst überhaupt keine reale Grundlage hat, sondern von dem er nur <i>erwartet</i>, es müßte doch eine solche Grundlage geben. Die Goethesche Maxime des Forschens: "Man suche nichts hinter den Phänomenen! Die Phänomene selbst sind die Lehre"[6], wird hier gleich zu Beginn beherzt über Bord geworfen. Dass die Marktwirtschaft durch die realen Handelstransaktionen ihrer Teilnehmer bereits ausreichend bestimmt ist, ist in den Augen Marxens zu banal, zu unpolitisch, zu ahistorisch, zu vordergründig. Das Nutzeninteresse des einzelnen als Antrieb zum Handel erscheint dem Marxisten als gesellschaftlich blind: es sei allenfalls Werkzeug für eine dahinterliegende gesamtgesellschaftliche Gesetzmässigkeit, die der politische Ökonom zu entschlüsseln habe. So spricht der Metaphysiker: "Die Phänomene können nicht alles sein - es muß doch etwas dahinterstecken!"
<p/><p/>
<a name="ausbeutung"></a>
<h2>Die Ausbeutung</h2>
<p/><p/>
Nachdem es durch die Arbeitswerttheorie so schön "geklärt" ist, dass der Proletarier derjenige ist, der im Kapitalismus die Werte schafft, können wir uns seinem Gegenspieler zuwenden, dem Kapitalisten. Da der Kapitalist keine Werte schafft, ist er im Marxismus von vorneherein als Schmarotzer anzusehen (und um <i>dieses</i> Ergebnis zu produzieren, wurde die Theorie schliesslich entwickelt). Der Begriff des <i>Mehrwerts</i> schafft die theoretische Grundlage für dieses Ergebnis. Mit der Formel, der Wert eines Produkts sei <i>c + m + v</i> sagt Marx, dass der Warenwert neben einem Wertanteil für die aufgewendeten Produktionsmittel (Rohstoffe, Werkzeuge, Maschinen, Gebäude), dem sogenannten konstanten Kapital (c), und der Arbeitskraft des Proletariers, dem variablen Kapital (v), noch einen weiteren Anteil enthält, den Mehrwert (m) oder Profit, den sich der Kapitalist aneignet, wobei er im Eigeninteresse nach der Maximierung der sogenannten Profitrate strebt, dem Verhältnis des Mehrwerts <i>m</i> zu seinen Aufwänden <i>c+v</i>.
<p/><p/>
Dieser Vorgang der Aneignung von Mehrwert wird als <i>Ausbeutung</i> bezeichnet. Ausbeutung wird als etwas an sich Überflüssiges und als das eigentliche Grundübel der kapitalistischen Produktionsweise dargestellt: Sobald die Gesellschaft eine Reproduktionsweise der <i>bewussten gesellschaftlichen Kontrolle der Produktion und Verteilung</i> entwickelt habe, könnte man <i>m = 0</i> setzen, und die vom Mehrwert <i>m > 0</i> schmarotzende Schicht der Kapitalisten würde automatisch wegfallen.
<p/><p/>
Marxisten hüten sich dabei, von einem <i>Unrecht</i> zu sprechen, die Kapitalisten also mit moralischen Kategorien anzuprangern. Sie wissen nämlich, dass Kategorien wie Recht und Unrecht nach ihrer Theorie keine objektive Grundlage haben. Dennoch <i>ist</i> der Ausbeutungsbegriff natürlich wertend, und diese Wirkung ist beabsichtigt, sie ist die Antriebskraft der kommunistischen Bewegung. Erst Arbeiter, die sich um einen Teil ihres Lohnes geprellt fühlen, die sich also als Opfer eines Betrugs oder Diebstahls sehen, eines <i>objektiven Unrechts</i>, und somit vor einer höheren, überzeitlichen Instanz als Ankläger auftreten, können die Antriebskraft für einen Umsturz entfalten.
<p/><p/>
Die Anklage selbst ist natürlich haltlos, denn erstens fusst der Mehrwertbegriff auf der falschen Arbeitswerttheorie (siehe oben), und zweitens ist der Anspruch des Arbeiters ja durch den Lohn für seine Arbeit abgegolten, den er sich mit dem nach Arbeitskräften suchenden Kapitalisten erhandelt hat. Die fertige Ware gehört dem Unternehmer, der sie produzieren liess, und er kann damit machen, was er will. Er wird selbstverständlich versuchen, sie zu einem guten Preis auf dem Markt abzusetzen - wenn der für das Produkt ausgehandelte Preis unter den für den Weiterbetrieb und die Weiterentwicklung notwendigen eigenen Aufwänden liegt, wird sein Unternehmen pleitegehen.
<p/><p/>
<a name="verelendung"></a>
<h2>Die Verelendung</h2>
<p/><p/>
Das Wort Kapitalismus an sich enthält nach mittlerweile über 150 Jahren kommunistischer Agitation eine negative Wertung, obwohl ja nur der freie, d.h. nicht staatlich reglementierte Handel der Bürger gemeint ist, eine Wirtschaft frei von staatlichen Eingriffen, staatlicher Lenkung, von Klassen- und Standesgrenzen des Handels. Ich bevorzuge daher den Begriff der (freien) Marktwirtschaft.
<p/><p/>
Die Theorie, dass Marktwirtschaft gesetzmässig eine zunehmende Verelendung der Proletarier nach sich ziehe, wäre eine weitere marxistische Peinlichkeit, da sie im offensichtlichen Widerspruch zu dem steht, was sich in den letzten 150 Jahren entfaltet hat. Heutige Marxisten verorten die Verelendungstheorie daher nicht bei Marx selbst, sondern bei irgendwelchen seiner Schüler, die den Meister falsch ausgelegt hätten ("Vulgärmarxisten"), oder als Strohmann bei seinen Gegnern wie dem "Revisionisten" <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Eduard_Bernstein">Eduard Bernstein</a> — und versichern, diese Ansicht gehe auf keinen Fall auf den grossen Denker und Philosophen Karl Marx zurück.
<p/><p/>
Dem steht allerdings entgegen, dass die Verelendungstheorie im Hauptwerk <i>Das Kapital</i> eindeutig formuliert wird:
<p/><p/>
<blockquote>Die Akkumulation von Reichtum auf dem einen Pol ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Degradation auf dem Gegenpol, d. h. auf Seite der Klasse, die ihr eigenes Produkt als Kapital produziert.[3]</blockquote>
<p/><p/>
Mittlerweile ist die Denkfigur von der "Verelendung der Massen in der sich zuspitzenden Krise zwischen Kapital und Arbeit" längst Allgemeingut geworden. Die Zeitungen repetieren im Endlosmodus, die <a href="https://www.google.ch/search?q=die+schere+zwischen+arm+und+reich&tbm=nws">Schere zwischen Arm und Reich</a> würde immer weiter aufgehen, und es ist gängiger Konsens, dass man daher "den kapitalistischen Tiger bändigen" müsse, um ihn sozialverträglich zu machen. Nüchtern gesehen, scheinen viele darunter die Ermächtigung zu verstehen, Mitbürger mit überdurchschnittlichem Einkommen oder Vermögen im Interesse der Allgemeinheit zu enteignen und ihren Besitz in die Obhut wohlmeinender Staatsbeamter zu geben.
<p/><p/>
Aber die Verelendungstheorie ist nicht nur widerlegt, sondern die Geschichte hat auch ihr <i>gerades Gegenteil</i> gezeigt: Je weniger der Markt staatlich reguliert wurde, umso mehr stiegen Einkommen und Wohlstand, umso mehr Menschen wurde ein immer angenehmeres Leben beschert.
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<a name="klassenkampf"></a>
<h2>Die Klassen und ihre Kämpfe</h2>
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Die begriffliche Unterscheidung der Menschen in Besitzer von Produktionsmitteln (Kapitalisten) und Lohnabhängige (Proletarier), die vom Verkauf ihrer Arbeitskraft leben (müssen), ist zwar möglich, hat aber wenig Aussagekraft für die Beurteilung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse:
Der Besitzer einer Würstchenbude ist nach diesen Begriffen ein Kapitalist (er ist Privateigentümer von Produktionsmitteln), während der Spitzenmanager eines grossen Konzerns, den er selbst nicht besitzt, nach dieser Definition zu den "Lohnsklaven" gehört.
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Grundstein der marxistischen Geschichts"wissenschaft" ist die Aufteilung aller jemals existenten Gesellschaftsformen (ausser der fiktiven "Urgesellschaft") in zwei um die Vorherrschaft kämpfende Klassen:
<blockquote>Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.[4]</blockquote>
Diese Konstruktion eines existentiellen, die ganze Gesellschaft tendenziell auseinanderreissenden Interessen-Antagonismus zweier konkurrierender gesellschaftlicher "Klassen" ist ein typisches Beispiel für eine simplifizierende Schreibtischidee: Das komplizierte Zusammenspiel von Kräften, die für den Erhalt einer Gesellschaft nötig sind, wird auf einen Gegensatz von nur zwei "Klassen" reduziert, die man obendrein durch ein einziges ökonomisches Attribut sehr bequem definieren kann und deren Auseinandersetzungen den Schlüssel zur Erklärung der Geschichte liefern - fertig ist die schicke Theorie.
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Dabei soll nicht die Selbstverständlichkeit bestritten werden, dass es <i>Interessenverbände</i> gibt - von Angestellten, von bestimmten Berufsgruppen, von Unternehmern - die für ihre Mitglieder Lobbyarbeit betreiben.
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Solange es sich aber nur um Lobby-Arbeit, also ein Austarieren von Interessen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen, nicht aber um einen existentiellen Kampf zwischen zwei Klassen handelt, verliert auch die Prognose ihre Grundlage, dass dieser (konstruierte) Antagonismus sich zuspitzen und die Gesellschaft im Ergebnis fortgesetzter Klassenkämpfe endlich dazu bringen werde, die freiheitlich-marktwirtschaftliche Ordnung als ein zu eng empfundenes Kleid abzustreifen und durch eine neue Form zu ersetzen: die sozialistische Produktionsweise.
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<a name="bewegungsgesetze"></a>
<h2>Bewegungsgesetze der Geschichte</h2>
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Marx und Engels bezeichneten ihre Geschichts- und Gesellschaftsbetrachtungen als <i>wissenschaftlichen Sozialismus</i>. Die Berufung auf Wissenschaftlichkeit bedeutete in einer Zeit des Positivismus den Anspruch auf besondere Autorität: Was "die Wissenschaft festgestellt hat", galt als zu akzeptierende Wahrheit – weit jenseits des persönlichen Meinens oder des Streits zwischen verschiedenen Denkschulen. Die marxistische "Wissenschaft" beanspruchte nicht weniger als: die Bewegungsgesetze der Gesellschaft in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft enthüllt zu haben. Ein solcher Anspruch ist von einer grössenwahnsinnigen Anmassung, ja er ist geradezu lächerlich. Eine in ihre legitimen Grenzen verwiesene Wissenschaft hat einen klaren Gegenstandsbereich und macht keine Totalaussagen über Mensch, Gesellschaft, Geschichte.
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<a href="https://www.youtube.com/watch?v=B7reIMSpBNA">Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs' noch Esel auf</a> - dieser schlichte Slogan fasst den Glauben an die "Bewegungsgesetze der Geschichte" zusammen. Unaufhaltsam führt uns der dialektische Prozess des Klassenkampfes zum Ziel der Geschichte: hin zu einer edlen, gerechten Welt, frei von jeglicher Diskriminierung, durch und durch offen und tolerant, solidarisch, bis ins Mark friedlich – und von Herzen gut. Bis heute sehen sich selbst Menschen, die mit Marxismus gar nichts am Hut haben, im Dienst dieser naiven Vision.
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Dabei war sich Marx durchaus der Begrenztheit von Wissenschaft bewusst und war ein entschiedener Gegner des Positivismus. Nur lagen die Begrenzungen der Wissenschaft für ihn nicht etwa im allgemeinen Zeitgeist, nicht in zeitlichen oder kulturellen Denkvoraussetzungen, denen jede Wissenschaft als Teil der Gesellschaft verhaftet ist, sondern im <i>Klassenstandpunkt</i>: Eine zweckfreie, ergebnisoffene, nur an der Erforschung der Wirklichkeit interessierte Wissenschaft gibt es für Marx nicht - eine solche existiere nur in der Einbildung des Subjekts. Wissenschaft sei immer <i>Wissenschaft für</i> eine Klasse, im Dienste einer Klasse. Im Gegensatz zur "bürgerlichen" Wissenschaft, die von den Kathedern der Universitäten gelehrt werde, stünde sein wissenschaftlicher Sozialismus im Dienste der Arbeiterklasse.
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Das bedeutet in heutiger Sprache: Seine "Wissenschaft" hat eine <i>Agenda</i>. Der Verstand steht nicht mehr im Dienste der Erkenntnis dessen, was ist, sondern wird nur benutzt, um bestimmte Interessen und politische Ziele argumentativ zu untermauern. Das ist das Ende der wissenschaftlichen Forschung – es ist keine Forschung mehr, sondern Ideologie. Zur Wissenschaft gehört nämlich - wenigstens als Zielvorstellung - das Bemühen um eine <i>wirklichkeitsgemässe Erkenntnis</i>.
<a name="teleologie"></a>
<h2>Teleologie - vom Endpunkt der Geschichte</h2>
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Weit verbreitet ist heute Rousseaus Schreibtischkonstruktion eines paradiesischen, "unverdorbenen" Naturzustandes vor dem Anfang unserer Zivilisation — einer Gesellschaft, in der die berühmten <i>edlen Wilden</i> lebten, frei von Herrschafts- und Besitzansprüchen:
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<blockquote>Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen "Dies gehört mir" und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wieviel Elend und Schrecken wäre dem Menschengeschlecht erspart geblieben, wenn jemand die Pfähle ausgerissen und seinen Mitmenschen zugerufen hätte: "Hütet euch, dem Betrüger Glauben zu schenken; ihr seid verloren, wenn ihr vergesst, dass zwar die Früchte allen, aber die Erde niemandem gehört." [14]</blockquote>
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Das sind kräftige Worte, die ohne Frage Eindruck machen. Aber die Annahme einer solchen harmonisch-friedlichen Urgesellschaft ist historisch durch keine Fakten begründet. Die Sätze machen nur deshalb so viel Eindruck, weil sie eine archetypische religiöse Denkfigur ins rein Irdische ziehen - das Bild vom Paradiesesgarten und vom Sündenfall. Rousseaus Pseudohistorie vom edlen Wilden hat nur insoweit Kraft, als sie an diesen religiösen Archetypus anknüpft, von ihm entlehnt ist.
<p/><p/>Marx teilt die Rousseausche Auffassung - am Anfang der Zivilisation stand die klassenlose "Urgesellschaft" als ein <i>Alpha</i> - und ergänzt sie um einen Zielpunkt der Geschichte, die klassenlose kommunistische Gesellschaft, als das <i>Omega</i> der menschlichen Entwicklung. Dass solche realitätsfremden Projektionen, denen der Kitsch aus allen Poren trieft, jemals zu einer relevanten Grösse im politischen Diskurs werden konnten, hat mit der Verdrängung des religiösen Denkens zu tun. In <i>verlassenen Tempeln hausen die Dämonen</i>, sagt eine alte Weisheit. Wir erkennen in diesen Konstrukten die religiösen Topoi der <i>Vertreibung aus dem Paradies</i>, der <i>Erbsünde</i> und der <i>Rückkehr ins Paradies am Ende der Zeiten</i>. Hier wurden Bilder aus dem spirituellen Kontext, in dem allein sie Bedeutung und Tiefe besitzen, herausgerissen und auf das Gebiet der menschlichen Geschichte projiziert.
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In der säkularen, ihres transzendenten Kerns beraubten Pseudoreligion ist dies das armselige Relikt einer Eschatologie (einer Lehre von den "letzten Dingen").
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<a name="materialismus"></a>
<h2>Basis / Überbau und Materialismus</h2>
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Der <i>Materialismus</i> bildet die philosophische Grundlage des Marxismus: Der Glaube, dass nur Stoffen wahre Existenz zukommt, allem anderen, insbesondere dem menschlichen Geist, nur eine scheinbare. Auf die Gesellschaft übertragen, wird nur die Sphäre der materiellen Produktion als real angesehen, als "Basis". Alles darüber Hinausgehende: alle kulturellen, religiösen, geistigen Phänomene sind nur "Überbau", nur Widerspiegelung der jeweiligen materiellen Reproduktionsbedingungen einer Gesellschaft.
<p/><p/>Das schliesst die Existenz absoluter Wahrheiten aus: Absolut ist in dieser Weltsicht allenfalls die Materie, weil ihr als einziger wahre Existenz zukommt. Alles andere ist von relativer Gültigkeit. Wenn Kultur und Religion nur Reflexe der gesellschaftlichen Reproduktionsbedingungen sind, sind all ihre Lehren und Ergebnisse durch eben diese Bedingungen begrenzt. Es gibt keinen objektiven, von der gesellschaftlichen Realität abstrahierten Begriff von Gut und Böse oder von Wahr und Falsch. Der einzelne Mensch wähnt sich nur frei, er ist "in Wahrheit" (hier also doch "in Wahrheit"!) nur das Produkt gesellschaftlicher Verhältnisse und/oder seiner Gehirnchemie.[1]
<p/><p/>
Nun lässt sich weder der Materialismus noch die Ansicht beweisen, unser Handeln, das wir unmittelbar als ein freies erleben, sei in Wirklichkeit gar nicht frei, sondern durch die Materie bestimmt. Die Beweislast liegt bei denen, die so etwas behaupten, da es im Widerspruch zur unmittelbaren Wahrnehmung steht: <i>Unmittelbar</i> erleben wir Geist <i>und</i> Materie als Realitäten, und <i>unmittelbar</i> erleben wir uns selbst als frei. Wie die Dinge stehen, handelt es sich beim Materialismus um eine reine Glaubenssache, die, wenn sie den Anspruch erhebt, mehr als ein Glaube zu sein, Beweise schuldig bleibt.
<p/><p/>
So ist auch der viel gepriesene Satz <i>Das gesellschaftliche Sein bestimmt das Bewusstsein</i> in seiner strengen Form ("bestimmt"), als materialistischer Determinismus, eine reine Glaubenssache. Die abgeschwächte Form aber, das gesellschaftliche Sein <i>modifiziere</i> das Bewusstsein, unser Denken sei somit im allgemeinen der Zeit verhaftet, wäre eine Selbstverständlichkeit, für die der Marxismus keine Originalität beanspruchen kann.
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<a name="progressismus"></a>
<h2>Progressismus</h2>
Unter Progressismus verstehe ich im Politischen die zwanghafte Idee, die Gesellschaft <i>müsse</i> immer weiter "fortschreiten", wobei alles Bestehende immer unter Rechtfertigungsdruck durch den Vergleich mit einem erdachten utopischen Endzustand der Gesellschaft steht. Die totalitären Regimes des 20. Jahrhundert ergriffen unter dem Banner des Fortschritts die Macht: Ihre Parteien verkündeten eine bevorstehende glorreiche, endlich menschenwürdige Zukunft. Im Namen dieser zu erwartenden glorreichen Zukunft mußten vom Volk gewaltige Opfer gebracht werden - das hatten die weisen Führer der Parteien herausgefunden, und es war ihnen wichtig, diese Botschaft dem Volk zu vermitteln. Nur kam man trotz all der Opfer dem angestrebten Gesellschaftszustand nicht näher. Stattdessen bildeten, wo immer sich Progressisten an der Macht befanden, blutige Schreckensherrschaften heraus, die selbst längst für unaufgebbar gehaltene zivilisatorische Mindeststandards über Bord warfen. Das 20. Jahrhundert ist eine grausame experimentelle Bestätigung des Hölderlinschen Satzes "Immerhin hat das den Staat zur Hölle gemacht, dass ihn der Mensch zu seinem Himmel machen wollte."[2]
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Natürlich und unbestritten <i>verändern</i> sich Gesellschaften im Laufe der Zeit. Aber im Unterschied zur blossen Veränderung enthält der Begriff des Fortschritts eine Wertung. Die Kriterien, nach denen diese Wertung vorgenommen wird, sind selbst zeitbedingt, der Veränderung unterworfen und werden denknotwendig aus einer Zielvorstellung abgeleitet. Diese Zielvorstellung ist für politische Kräfte, die sich als progressiv sehen, eine märchenbuchartige, naive Idee vom Endzustand der Gesellschaft. So unscharf diese auch sei - was zuweilen auch zugegeben wird: umso energischer gelte es, auf ihre Verwirklichung hinzuarbeiten.
<p/><p/>
Nur auf Basis dieses Kitschglaubens werden die konkurrienden politischen Kräfte in "fortschrittliche" und "reaktionäre" aufgeteilt, wie es auch heute noch gang und gäbe ist, weil wir es unkritisch verinnerlicht haben. Wenn die Gesellschaft sich nach eherner Gesetzmässigkeit in Richtung auf eine glanzvolle Zukunft weiterbewegt, muß schon der Standpunkt als rückschrittlich und letztlich gefährlich angesehen werden, bewährte und über die Jahrhunderte gewachsene tragende Merkmale der Gesellschaft zu erhalten, statt sie bereitwillig der glanzvollen Zukunftsvision zu opfern. Um die von den "Reaktionären" ausgehende Gefahr zu bannen, dürfen, ja <i>müssen</i> die gefährlichen Meinungen durch erzieherische Massnahmen unterdrückt werden.
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Im Lichte des erwarteten Paradiesesglücks kann grundätzlich alles Bestehende nur als unzulänglich beurteilt werden und ist daher prinzipiell zum Abschuss freigegeben. Sämtliche Mechanismen, Regeln (auch ungeschriebene), Tabus, Zusammenhänge, die in einem historisch gewachsenen, filigranen Zusammenspiel den Istzustand der Gesellschaft konstituieren, dürfen kritisiert, hinterfragt, ausser Kraft gesetzt, abgeschafft werden. Gerechtfertigt ist dies immer durch das höhere Ziel.
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Es ist wichtig festzuhalten, dass der Begriff "fortschrittlich" in sich immer eine Richtung und ein Ziel enthält, woraufhin fortgeschritten wird. Wer dieses Ziel bestreitet und sich dem durch das Ziel definierten Fortschritt entzieht, ist ein gefährlicher Fortschrittsfeind, ja Menschheitsfeind, den es – im Namen der Menschheit! – mit allen Mitteln zu unterdrücken gilt. Die Geschichte zeigt, dass die "Progressiven" seit der Französischen Revolution wirklich <i>alle Mittel</i> anwandten - bis hin zur physischen Vernichtung der Opponenten. Der <a href="http://de.wikipedia.org/wiki/Aufstand_der_Vend%C3%A9e#Anerkennung_als_V.C3.B6lkermord">Völkermord in der Vendée</a> (1793-1796) kann als grausamer Prototyp der Genozide des 20. Jahrhunderts betrachtet werden. Er zeigte schon zu Beginn, zu welchen Exzessen der Wahnglaube führt, einen von Intellektuellen erdachten finalen Idealzustand der Gesellschaft verwirklichen zu können.
<p/><p/>
<a name="dialektik"></a>
<h2>Schöner herrschen mit Dialektik: mit Methode aus Schwarz Weiß machen</h2>
<p/><p/>
Wie das 20. Jahrhundert gezeigt hat, ist der Marxismus vor allem eine ideale Herrschaftsideologie für totalitäre Systeme. Der kostbare Gipfel- und Schlusspunkt der Theorie ist für jeden Herrscher dabei der Kunstgriff der <i>dialektischen Methode</i>, laut Friedrich Engels
<blockquote>unser bestes Arbeitsmittel und unsere schärfste Waffe.[5]</blockquote>
Die dialektische Methode ermöglicht es den Herrschenden, beliebige Entscheidungen zu treffen und diese zugleich ideologisch zu legitimieren. Nirgendwo ist der biblische <i>Geist der Lüge, der die Welt beherrscht</i> (1 Joh. 4,4) klarer erkennbar als in dem intellektuellen Spielchen namens <i>marxistischer Dialektik</i>.
<p/><p/>
Das Grundbedürfnis eines Diktators ist die absolute Handlungsfreiheit. Um seine Macht wirklich zu geniessen, darf er nicht etwa selbst nur als Sklave eines geistigen Systems operieren, sondern muß heute <i>Hü</i> und morgen <i>Hott</i> sagen können, ganz wie es ihm beim Aufstehen gerade beliebt. Das Volk aber soll in all diesen <i>Hü</i>s und <i>Hott</i>s die grenzenlose Weisheit seines Führers bewundern.
<p/><p/>Diesem Bedürfnis des Diktators kommt die marxistische Dialektik wunderbar entgegen. Wenn bei der Revolution die Enteignung aller Bürger gefordert wird, danach aber Lenin und Bucharin das Volk mit der Parole <i>Bereichert euch!</i> zum marktwirtschaftlichen Wettbewerb auffordern, woraufhin Stalin dies alles annulliert und die zwangsweise Enteignung aller Kulaken anordnet, wenn die Deutschen heute zum Freund, morgen zum Feind erklärt werden — so liefert die dialektische Methode für all diese disparaten Kurswechsel und - natürlich nur "scheinbaren" - Widersprüche die "wissenschaftliche" Grundlage.
<p/><p/>
Auch Marx selbst hat die dialektische Methode in diesem Sinne eingesetzt - wie die folgende Passage aus einem Brief an Engels belegt:
<blockquote>Es ist möglich, dass ich mich blamiere. Indes ist dann immer mit einiger Dialektik wieder zu helfen. Ich habe natürlich meine Aufstellungen so gehalten, dass ich im umgekehrten Fall auch recht habe.[7]</blockquote>
<p/><p/>
<a name="revolution"></a>
<h2>Revolution und "Völkerabfälle"</h2>
<p/><p/>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;"><a href="http://www.independent.org/newsroom/article.asp?id=1535" title="The Killing Machine
- Che Guevara, from Communist Firebrand to Capitalist Brand" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><img border="0" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhneXoRlvfl-f4D-HdMJh9mGhYLNv0iMkxlUT4YdiQCD-ZV_AQXM6FIZLHHlL2spl7VDmnls4BVOH7vtnJvo9NsTbYrJ3QqLrTI4s4LhYsaiQ44DpFQykNQj25G5npWiw7oYaO3ERnpxDPb/s200/Ch%C3%A9+comandante+asesino+rojo.png" /></a></div>In dem Versuch, Marx als grossen Denker und Philosophen zu retten, schiebt man ihm so allerhand unter. Gelegentlich hört man etwa, seine Philosophie sei "eigentlich gut und gewaltfrei", mit Revolution habe Marx nichts zu schaffen gehabt. Spätere böse Gewaltherrscher hätten seine an sich guten Ideen nur korrumpiert.
<p/><p/>
Die <i>contradictio in adiecto</i> eines "gewaltfreien Marxismus" verbindet zwei gleich utopische, gleich realitätsferne Konzepte, die zueinander in schärfstem Gegensatz stehen. Marx war stets ein Befürworter von Gewalt und Terror, er sah die Gewalt als <i>Geburtshelfer jeder alten Gesellschaft, die mit der neuen schwanger geht</i>.[8]
<blockquote>Wir haben es von Anfang an für überflüssig gehalten, unsere Ansicht zu verheimlichen. Wir sind rücksichtslos, wir verlangen keine Rücksicht von euch. Wenn die Reihe an uns kommt - wir werden den Terrorismus nicht beschönigen.[9]</blockquote>
Und am Schluss des programmatischen <i>Kommunistischen Manifests</i> heisst es:
<blockquote>Die Kommunisten verschmähen es, ihre Ansichten und Absichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltsamen Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung.[12]</blockquote>
Besonders gefährlich sind auch die Auslassungen von Marx und Engels über ethnische Minderheiten, die sie für vernichtenswerte <i>Völkerabfälle</i> halten. Sie wurden als Handlungsanweisungen ernstgenommen.[16]
<blockquote>Es ist kein Land in Europa, das nicht in irgendeinem Winkel eine oder mehrere Völkerruinen besitzt, Überbleibsel einer früheren Bewohnerschaft, zurückgedrängt und unterjocht von der Nation, welche später Trägerin der geschichtlichen Entwicklung wurde. Diese Reste einer von dem Gang der Geschichte, wie Hegel sagt, unbarmherzig zertretenen Nation, diese Völkerabfälle werden jedesmal und bleiben bis zu ihrer gänzlichen Vertilgung oder Entnationalisierung die fanatischen Träger der Kontrerevolution, wie ihre ganze Existenz überhaupt schon ein Protest gegen eine große geschichtliche Revolution ist.[11]</blockquote>
Wenn man diese Gewaltverherrlichung liest – die sich nicht in vereinzelten Zitaten widerspiegelt, sondern zum Fundament des Marxismus gehört – kann man nicht behaupten, die national- und internationalsozialistischen Systeme des 20. Jahrhunderts hätten Marx nur falsch interpretiert. Nach so vielen gescheiterten Versuchen sollte man vielmehr daran gehen, das System als solches beiseite zu legen, statt es immer wieder zu retten und nach den "guten Teilen" seiner Theorie zu suchen.
<p/><p/>
<p/></p>
Zusammenfassend müssen wir <i>Stanislav Lem</i> zustimmen, der einmal sagte [13]:
<p/></p>
<div class="quote">Die Tragik des 20. Jahrhunderts liegt darin, daß es nicht möglich war, die Theorien von Karl Marx zuerst an Mäusen auszuprobieren.</div>
<p/><p/>
<p/><p/>
<hr/>
<p/><p/>
[0] Strenggenommen hat eine nutzlose Ware, für deren Besitz sich niemand interessiert, überhaupt keinen Preis, da es zu keinem Kaufakt kommt.
<br/>
[1] Der Widerspruch schimmert überall durch, wenn es bei dieser Weltsicht "in Wahrheit" heisst und doch zugleich eine solche Wahrheit, ja die Möglichkeit der objektiven Erkenntnis von Wahrheit, geleugnet wird.
<br/>
[2] Friedrich Hölderlin, <i>Hyperion</i>, <a href="http://books.google.ch/books?id=1BrPkXwLMp4C&pg=PA35&dq=Hyperion+Immerhin+hat+das+den+Staat+zur+H%C3%B6lle+gemacht&hl=de&sa=X&ei=wKGQU5XMEeWr7Aa9jIHwBQ&ved=0CDIQ6AEwAA#v=onepage&q=Hyperion%20Immerhin%20hat%20das%20den%20Staat%20zur%20H%C3%B6lle%20gemacht&f=false">Projekt Gutenberg</a>, S. 35.
<br/>
[3] Karl Marx, <i>Das Kapital</i>, Band 1, MEW 23, S. 674 f.
<br/>
[4] Karl Marx, <i>Manifest der Kommunistischen Partei</i>, Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1975, S.32.
<br/>
[5] Friedrich Engels, <i>Ludwig Feuerbach und der Ausgang der klassischen deutschen Philosophie</i>, MEW 21,275
<br/>
[6] J.W. v. Goethe, <i>Maximen und Reflexionen</i> 575, Sprüche in Prosa 165, dtv Gesamtausgabe 21, 2. Auflage (1968), S.69.
<br/>
[7] Karl Marx, Brief an Engels (1857), MEW 29, S. 161.
<br/>
[8] Karl Marx, <i>Das Kapital</i>, Band I, MEW 23, S. 779.
<br/>
[9] Karl Marx, MEW 6, S. 504. Siehe auch <a href="http://www.freiwilligfrei.info/archives/4576">http://www.freiwilligfrei.info/archives/4576</a><br/>
[11] Friedrich Engels, 1849, MEW 6, S. 172.
<br/>
[12] Karl Marx, Friedrich Engels, <i>Manifest der Kommunistischen Partei</i>, a.a.O. S. 77.
<br/>
[13] Stanislaw Lem, <a href="http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-9225126.html">Jede Entgleisung möglich</a>. Interview in: DER SPIEGEL 44/1995, S. 152b.
<br/>
[14] Jean-Jacques Rousseau, <i>Diskurs über die Ungleichheit</i>. UTB, 2008, S. 173.
<br/>
[15] Stéphane Courtois et al: <i>Le livre noir du communisme - Crimes, terreur, répression</i>. Paris 1997.
<br/>
[16] Der Film <a href="https://www.youtube.com/watch?v=FsGRDZoAcDY">Die Sowjet-Story</a> von Edvīns Šnore dokumentiert nicht nur, was für schauerliche Wirkungen politische Ideologien haben können, sondern auch die innere, ideologische Verwandtschaft und die historischen Verflechtungen von Nationalsozialismus und Bolschewismus. Zur ideologischen Analyse dieser Gemeinsamkeiten siehe auch das Buch <a href="http://www.amazon.de/Liberal-Fascism-American-Mussolini-Politics/dp/0767917189">Liberal Fascism</a> von Jonah Goldberg.Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-55597293374333264842013-12-17T23:52:00.000+01:002016-12-08T09:30:07.617+01:00Eine Kalkulation umkehrenEin <a href="http://help.sap.com/saphelp_46c/helpdata/de/dd/5616cc545a11d1a7020000e829fd11/frameset.htm">Kalkulationsschema</a> ist die sukzessive Anwendung von Konditionen auf einen Grundpreis. In der Regel ist jede dieser Konditionen entweder ein absoluter Betrag, oder sie ergibt sich aus einer vorherigen Zwischensumme durch Anwendung eines Prozentsatzes.
<p/><p/>
Ein Schema kann demnach als Liste von Funktionen notiert werden - in JavaScript stellt beispielsweise diese Liste
<pre class="sh_javascript">var conditions = [
proz( 7 ),
abs(5),
proz_base(10),
abs(3),
proz(13)
]</pre>
ein Kalkulationsschema dar. Jedes einzelne Element der Liste <tt>conditions</tt> ist eine Funktion - ein absoluter oder relativer Zuschlag. Dabei steht <tt>abs()</tt> für absolute Zuschläge:
<pre class="sh_javascript">function abs(q) {
return function(x) {
return x + q
}
}</pre>
<tt>abs()</tt> ist eine Funktion, die Funktionen produziert. Die Funktion <tt>abs(5)</tt> beispielsweise ist die Vorschrift, zu einem gegebenen Wert die Zahl 5 zu addieren.[1]
<p/><p/>Eine Funktion zur Erzeugung <i>prozentualer</i> Konditionen schreibt sich analog
<pre class="sh_javascript">function proz(p) {
return function(x) {
return x*(1+p/100)
}
}</pre>
In der Regel wird eine Kondition in einem Schema auf das vorhergehende Zwischenergebnis angewendet. Es kann jedoch auch Konditionen geben, die eine Funktion des Grundpreises sind, mit dem man ins Kalkulationsschema eingestiegen ist. Wenn wir diesen Grundpreis als zweites Argument <tt>base</tt> an die Funktion übergeben, können wir <i>prozentuale Grundpreiskonditionen</i> wie folgt notieren:
<pre class="sh_javascript">function proz_base(p) {
return function(x,base) {
return x+base*p/100
}
}</pre>
Der Vorgang, ein Kalkulationsschema auf einen Basispreis anzuwenden, ist ein klassisches Beispiel für die funktionale <tt>reduce</tt>-Operation von Arrays:
<pre class="sh_javascript">var result = conditions.reduce(
function(result,cond) {
return cond(result,base)
},
base )</pre>
Beginnend mit <tt>base</tt> als Initialwert, wird durch <tt>reduce()</tt> sukzessive für jedes Element der <tt>conditions</tt>-Liste die hier angegebene anonyme Funktion <tt>function(result,cond)</tt> angewendet, wobei das Argument <tt>result</tt> das jeweils zuletzt berechnete Zwischenergebnis und <tt>cond</tt> das aktuelle Listenelement (die Kondition) enthält.
<p/><p/>
Wie fast alles im Leben eines Kaufmanns, übersteigt auch dies nicht den Horizont der vier Grundrechenarten. Auch nach Anwendung mehrerer Konditionen bleibt der Endpreis letztlich eine lineare Funktion des Einstiegspreises. Es gibt also Konstanten <tt>a</tt> und <tt>b</tt>, die sich aus den Parametern der Konditionsfunktionen berechnen lassen, so dass gilt:
<pre class="sh_sourceCode">result = F(base) = a * base + b</pre>
Offensichtlich lassen sich die Koeffizienten <tt>a</tt> und <tt>b</tt> aus <tt>F</tt> und ihrer Ableitung <tt>F'</tt> schreiben – als
<pre class="sh_sourceCode">a = F'
b = F(0)</pre>
Nun definiert die Ableitung <tt>F'</tt> wieder ein Kalkulationsschema. Es ergibt sich aus dem Kalkulationsschema <tt>F</tt> durch Weglassen aller absoluten Zeilen. Wenn wir dieses das <i>reduzierte Schema</i> nennen und es programmatisch definieren wollen, so müssen wir die Klasse der absoluten Konditionen besonders kennzeichnen, z.B. mit einem Flag <tt>isAbsolute</tt>:
<pre class="sh_javascript">function abs(q) {
var f = function(x) {
return x+q
}
f.isAbsolute = true
return f
}</pre>
Das reduzierte Schema ergibt sich dann aus dem gegebenen Schema durch Anwendung der Filterfunktion:
<pre class="sh_javascript">var reducedSchema = conditions.filter( isRelative );
function isRelative( cond ) {
return ! cond.isAbsolute
}</pre>
Wenn wir diese Funktionen nun noch in einer Funktion <tt>schema()</tt> kapseln, so können wir darin die obige Lösungsformel für die Umkehrung der Kalkulation implementieren:
<pre class="sh_javascript">function schema( ) {
var conditions = convertToArray( arguments );
return {
// "compute" applies the schema to a base price
compute:compute,
// "resolve" finds the base price yielding the specified result
resolve:function(result) {
return ( result - compute(0) ) / reducedSchema().compute(1)
}
}
function compute(base) {
return conditions.reduce( function(result,cond) {
return cond(result,base)
},
base )
}
function reducedSchema() {
return schema.apply( null, conditions.filter( isRelative ) )
}
function isRelative( cond ) {
return ! cond.isAbsolute
}
}
// Auxiliary function to convert an array-like object into a real Array instance
function convertToArray( arraylikeThing ) {
return Array.prototype.slice.apply( arraylikeThing )
}
</pre>
Hier ist die Funktion <tt>resolve</tt> also die Umkehrung von <tt>compute</tt>, die interessanterweise selbst durch zwei Aufrufe von <tt>compute</tt>, also durch zwei Vorwärtsanwendungen eines Schemas, definiert werden kann.[2]
<pre class="sh_javascript">resolve:function(result) {
return ( result - compute(0) ) / reducedSchema().compute(1)
}</pre>
Für ein Schema, das nun definiert wird, indem seine Konditionen der Reihe nach als Argumente übergeben werden,
<pre class="sh_javascript">// Test
var s = schema(
proz( 7 ),
abs(5),
proz_base(10),
abs(3),
proz(13)
)</pre>
lässt sich dann verifizieren, dass <tt>resolve</tt> wirklich die Umkehrfunktion von <tt>compute</tt> ist. Beispielsweise liefert
<pre class="sh_javascript">s.resolve( s.compute( 20 ) )</pre>
wieder 20 zurück - den Grundpreis, mit dem man gestartet ist.
<p/><p/>
Das vollständige Code-Beispiel zum Ausführen oder Modifizieren habe ich <a href="http://ideone.com/GGZIbM">hier in JavaScript</a> – und im Vergleich <a href="http://ideone.com/TpEc8O">hier in Haskell</a> notiert.
<p/><p/>
Ein kleiner Unterschied in der Implementierung ist noch, dass die Haskell-Version auch Konditionen erlaubt, die auf beliebige Zwischensummen statt nur auf dem Grundpreis oder dem zuletzt errechneten Preis operieren.
<p/><p/>
Das beschriebene Verfahren funktioniert auch in solchen allgemeinen Fällen, wie ich <a href="https://docs.google.com/uc?export=download&id=0B-C44vw27ypxaUJyQzZyTi1JSlE">hier ausführlich</a> begründet habe.
<p/><p/>
Kalkulationsschemata enthalten im echten Leben natürlich noch einige weitere Komplikationen. So kann es <i>gestaffelte Konditionen</i> geben: Rabatte oder Zuschläge, die abhängig vom Bezugspreis verschieden hoch ausfallen. In diesen Fällen lässt sich das Verfahren retten, indem man für jede Entscheidung ein eigenes Kalkulationsschema bildet, jedes einzelne zurückrechnet und dann prüft, für welchen Zweig die Vorbedingung der Kondition erfüllt ist.[3]
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[1] Dies ist ein Beispiel für die Implementierung von <a href="http://www.dustindiaz.com/javascript-curry/">Currying</a> in JavaScript. Der Rückgabewert von <tt>abs()</tt> ist nicht nur eine Referenz auf die blosse Funktion <tt>function(x){ return q+x }</tt>, sondern eine <i>Closure</i>, die nicht nur die Funktion selbst, sondern auch die lokalen Variablen und Aufrufparameter zum Zeitpunkt des Verlassens der umgebenden Funktion aufbewahrt (hier: den Wert von <tt>q</tt>).
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[2] Interessant ist, dass die Ausdrücke <tt>compute(0)</tt> und <tt>reducedSchema().compute(1)</tt> gar nicht vom aktuellen Aufrufparameter abhängen. Wenn man für dasselbe Schema häufig <tt>resolve()</tt> aufrufen muss, lässt sich die Effizienz der Funktion verbessern, indem man diese beiden Werte als Closure-Parameter puffert. Sie lassen sich auch für den Direktweg, also für die <tt>compute()</tt>-Funktion nutzen.
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[3] Dieses Problem hat man aber nur mit Konditionen, die <i>preisabhängige</i> Bedingungen oder Staffeln enthalten. Die weitaus häufigeren <i>mengenabhängigen</i> Staffeln machen dagegen keine Probleme, da die Menge ja einen unabhängigen Parameter darstellt (man kann die Menge "gegeben, aber fest" lassen, d.h. das Schema in der jeweils gegebenen Menge vor- und zurückrechnen).Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-4227398781212679872013-12-04T23:22:00.003+01:002023-03-22T07:29:23.613+01:00Sind kirchliche Sendschreiben der richtige Ort für wirtschaftspolitische Diskussionen?Im päpstlichen Sendschreiben <a href="http://www.vatican.va/holy_father/francesco/apost_exhortations/documents/papa-francesco_esortazione-ap_20131124_evangelii-gaudium_ge.html">Evangelii Gaudium</a> finden wir das in diesem Kontext überraschende Statement
<blockquote>Diese Wirtschaft tötet.</blockquote>
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Der Satz "Wirtschaft tötet" ist ein Nonsense-Satz, ein Satz ohne innere Bedeutung. Was ist denn Wirtschaft? Wirtschaft ist alles, was Menschen unter Einsatz ihrer Fähigkeiten produzieren und mit anderen Menschen in Austausch bringen. Was soll es bedeuten, wenn man diese Tätigkeit als tödlich bezeichnet? Man könnte ebensogut sagen: Atmen tötet. Mensch zu sein, ist tödlich. Das Leben ist tödlich.
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Um seine These zu verdeutlichen, stellt der Papst einen armen Menschen, der frierend auf der Strasse lebt und Dinge aus dem Müll wühlt, der Nachricht über den gestiegenen Börsenkurs eines Unternehmens gegenüber – so als gebe es hier einen Zusammenhang. Es wird suggeriert, der Reiche wäre nur dadurch, dass er reich ist, an der Armut des anderen schuld.
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Und was ist mit der Spezialisierung auf "<i>diese</i> Wirtschaft"? Wird der Satz dann geniessbarer? Den Beweis, dass des einen Reichtum des anderen Armut ist, wird dennoch niemand erbringen können. Tatsache ist das Gegenteil: Der auf materieller Ebene Erfolgreiche, der am sogenannten <i>wealth of nations</i> arbeitet, der materielle Werte produziert, die anderen etwas wert sind, bringt die Gesellschaft (auf materieller Ebene) weiter voran. Alle anderen zehren nur von diesen Produkten, drängen sich mit immer neuen, angeblich für alle unverzichtbar notwendigen Staatsaufgaben auf und verteilen nur den geschaffenen Reichtum.
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Mit der Autorität des Papstes werden wir dagegen im <i>Evangelii Gaudium</i> wie folgt belehrt:
<blockquote>In diesem Zusammenhang verteidigen einige noch die „Überlauf“-Theorien (trickle-down Theorie), die davon ausgehen, dass jedes vom freien Markt begünstigte Wirtschaftswachstum von sich aus eine größere Gleichheit und soziale Einbindung in der Welt hervorzurufen vermag. Diese Ansicht, die nie von den Fakten bestätigt wurde, drückt ein undifferenziertes, naives Vertrauen auf die Güte derer aus, die die wirtschaftliche Macht in Händen halten, wie auch auf die sakralisierten Mechanismen des herrschenden Wirtschaftssystems.</blockquote>
Inwiefern ist die Kirche eigentlich das für Wirtschaftsfragen kompetente soziale System?
Muss man es <i>glauben</i>, wenn in einem solchen Schreiben eine bestimmte Theorie für unhaltbar oder unbewiesen erklärt wird? Oder wäre dies nicht eher ein Thema, das der Diskussion im sozialen System "Wirtschaftswissenschaften" richtig aufgehoben ist und nur dort wirklich <i>kompetent</i> diskutiert werden kann? <p/><p/>
In diesem Fall erklärt der Papst eine auf Minimierung ihres eigenen Einflusses, auf Minimierung staatlicher Interventionen ausgelegte Wirtschaftspolitik für unannehmbar (das nämlich ist <i>trickle-down</i>). Da die Alternative nicht ausdrücklich genannt ist, stärkt das päpstliche Diktum die übliche Gegenthese: den Keynesianismus, die staatliche Geldschöpfung und Regulierung zur vermeintlichen "Lösung" sozialer Probleme.
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Das päpstliche Sendschreiben stürzt diejenigen Gläubigen in ein tiefes Dilemma, denen arme Menschen zwar genauso leid tun wie den Keynesianern, die aber aufgrund nicht weniger ehrlichen Bemühens zur Ansicht kommen, dass staatlich organisierte Nächstenliebe eben keine ist, sondern nur eine Versuchung darstellt, sich an wirklich moralischen Aufgaben vorbeizustehlen und sich mit irdischen Götzen zu trösten. Anders gesagt: Der Papst spricht Dinge mit seiner <i>spirituellen</i> Autorität aus, die Menschen einen - verhängnisvollen - Kurs in <i>ökonomischen</i> Dingen suggerieren.
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<i>Arme wird es immer geben</i>, sagt Jesus (Mt 26.11). Es ist eine grosse <i>Versuchung</i>, mich gegenüber der Armut, die mir konkret begegnet, blind zu machen, indem ich sie zu einem "strukturellen Problem" erkläre, dem mit politischen Mitteln zu begegnen sei. Eine sehr angenehme Lösung, dieses "Diese Wirtschaft tötet"! Man findet eine bequeme Zuflucht in der selbstgerechten Anklagepose. Diese Wirtschaft, diese Gesellschaft wird zur Ursache des Problems erklärt: Sie ist von Grund auf schlecht und muss reformiert oder gar revolutionär umgestaltet werden, bis das Problem mit der Armut aus der Welt geschafft ist.
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Wie wird sie verbessert? Indem Vater Staat alles richtet. Der Arme, der mir begegnet, ist aber eigentlich ein Aufruf des Schicksals zur freiwillig erbrachten, <i>wirklichen</i> Nächstenliebe. Armut ist ein Thema, das in die Zuständigkeit unseres eigenen moralischen Kerns fällt. Es ist nur eine wohlfeile Schein-Antwort, Armut zu einem strukturellen Problem zu erklären und den Armen ans Sozialamt zu verweisen – wo er dann Geld bekommt, das anderen mit staatlichem Zwang abgenommen wird.
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Der Heilige Vater spricht von den "sakralisierten Mechanismen des herrschenden Wirtschaftssystems". Ja, weltliche Ersatzreligionen sind eine Gefahr, zweifellos - und verstoßen direkt gegen das erste Gebot Gottes. In einer gottlosen Gesellschaft herrscht der Drang nach einer Ersatzbefriedigung des religiösen Bedürfnisses: es muß etwas Profanes, Irdisches sakralisiert werden. Die staatliche Aufgabe, das Eigentumsrecht in unserer Gesellschaft zu schützen, hat aber eine eher nüchterne Ausstrahlung, sie scheint mir nicht zu einem Kult erhoben zu werden. Für viele ist hingegen der Vater Staat das goldene Kalb. Nicht das höchste Wesen wird mehr angebetet, sondern die regierenden Organisationen werden zum Heilsbringer erklärt, zum Spender der beseligenden Werte Gerechtigkeit, Frieden, Wohlstand und Gleichheit. Nach herrschender Ansicht wird der Staat uns all diese Gaben bescheren - vorausgesetzt nur die kleine Geste, dass wir bereit sind, <i>vor ihm niederzufallen, ihn anzubeten</i> und ihm Opfer zu bringen (vgl. Mt. 4,9).
Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0tag:blogger.com,1999:blog-7017123333978978050.post-86087787103194480982013-08-14T16:02:00.001+01:002017-02-09T16:03:53.171+01:00Ist Grundeinkommen ein Menschenrecht?Hier meine Kommentare zu einer Diskussionsrunde, die im April letzten Jahres im Schweizer Fernsehen - <a href="http://grundeinkommen.tv/?p=1157">Arena vom 27.4.2012</a> - ausgestrahlt wurde.
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Köppel und Strahm hatten in der Diskussion einen schweren Stand, haben aber meiner Ansicht nach in der Sache recht.
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Es ist erstaunlich, dass ihre Positionen nicht etwa den Mainstream der Gesellschaft bilden, an dessen Rand ein paar Utopisten herumwerkeln, sondern dass sie selbst längst an den Rand gedrängt sind und es von vielen Menschen als selbstverständlicher, "vom Staat" zu erfüllender Anspruch angesehen wird, jeden Menschen mit 2'500 CHF/Monat auszustatten ("vom Staat" heisst im Klartext: von Finanzbeamten, die dieses Geld entweder anderen Menschen zwangs-enteignen oder durch Geldentwertung herstellen). Eine Gesellschaft, deren Mehrheit diesen Anspruch völlig in Ordnung und selbstverständlich findet, <i>muss</i> über kurz oder lang vor den Baum fahren.
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Die Argumente der Befürworter überzeugen mich nicht. Wenn Daniel Straub sagt, BGE wäre kein Sozialismus, weil <i>dann</i> ja erst die Eigeninitiative und Freiheit beginne, repetiert er nur die Slogans der Marxisten: Erst im Kommunismus könne "jeder nach seinen Fähigkeiten," aufblühen, wenn "jedem nach seinen Bedürfnissen" gegeben werde. In jedem Lehrbuch über Sozialismus aus der DDR findet man solche Sprüche (die aus Marx/Engels' Kommunistischem Manifest [1848] entnommen sind): Dass erst nach der Vergesellschaftung der Produktionsmittel und nach Herstellung der sozialen Gerechtigkeit die Freiheit zu blühen beginne usw. Natürlich ist dort nie die individuelle Freiheit gemeint, sondern die Freiheit des "neuen", "kollektiv denkenden Menschen", des aus der Retorte der Linken gezüchteten Menschen.
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Auch wenden die Kontrahenten immer ein, Köppel solle sich nicht so anstellen: die 2'500 CHF reichten sowieso hinten und vorne nicht. Als wenn das Problem wäre, dass da irgendwelche spiessigen Rechten boshaft ihren Geldbeutel zukneifen, statt anderen ihr bisschen Spass zu gönnen! So argumentieren Gewerkschafter.- Aber gut: wenn das so miserabel wenig ist, diese 2'500 CHF: dann könnte man die Sache ja auch gleich lassen! Das Geld schon schlechtzureden, das andere einem erarbeiten sollen, noch bevor man sich den Gratisanspruch darauf erworben ("erkämpft") hat, verheisst nichts Gutes. Hier sind die "Gehaltsrunden" und Diskussionen zur Erhöhung der Geldgeschenke bereits für die Zukunft angelegt: Diskussionen, in denen wieder das Blendspiel "Böse, harte, Verstandes[un]menschen, die nur in Zahlen denken, gegen die elementaren Forderungen der Menschlichkeit und Nächstenliebe, der sozialen Verantwortung" inszeniert wird. Ich kann jeden Unternehmer verstehen, der sich einem solchen Milieu entzieht und in ein Land wie die USA auswandert, in dem die wert-schaffende Tätigkeit des aus eigener Initiative schaffenden Menschen als Basis des gesellschaftlichen Wohlstands (noch) ohne Diskusion anerkannt wird.
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Zu der Klage des Initianten, das konservative Menschenbild würde von der <i>Faulheit</i> des Menschen ausgehen (und nicht z.B. von seiner Begeisterungsfähigkeit, seiner Freude an der Arbeit usw.): wir leben schon jetzt in Gesellschaften mit einer Staatsquote von knapp 50%. Freie Marktwirtschaft kann man das nicht mehr nennen. Wird diese Umverteilung - bei dem man noch die edelsten sozialen Motive im Munde führt - noch weiter vorangetrieben, werden allerdings immer mehr Menschen resignieren: die "Faulheit", die der Liberale in der real bestehenden Wirtschaftsordnung beobachtet und bemängelt, mag man für eine menschliche Wesens-Eigenschaft halten oder nicht, man mag ihr einen hohen Stellenwert einräumen oder nicht – auf jeden Fall aber wird sie hochgezüchtet in Verhältnissen, in denen ein Zuviel an staatlicher Fürsorge die Eigenverantwortung verdrängt.
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Das Grundproblem der BGE-Forderung ist m.E., dass Sozialität "von unten" kommt, eine freiwillige Tat der Menschen ist und nicht durch ein - noch so gut ausgeklügeltes - staatliches Zwangs-Abgabensystem ersetzt werden kann. Caritas ist ein freiwilliger Akt: Caritas an den Staat zu delegieren kann nur funktionieren, wenn sich alle dem gemeinsamen Ganzen verpflichtet fühlen, in dessen Rahmen man sich diese Caritas leistet.
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Hier ist auch ein <a href="http://www.youtube.com/watch?v=N8xASteofao">Interview mit Köppel</a> am Rande des Kongresses, in dem er seine Positionen kurz und bündig erläutert. Der locker-flockig-infantile "Alles Easy"-Ton der Interviewerin ist im übrigen eine gute Überleitung zu dem lesenwerten Buch <a href="http://www.amazon.com/exec/obidos/tg/detail/-/0312340486/ref=pd_sl_aw_open-1_book_38624854_6">The Death of the Grown-Up</a> von Diana West.Rüdiger Plantikohttp://www.blogger.com/profile/02393666282077884370noreply@blogger.com0