Montag, 19. März 2007

Über das Sich-Vergleichen

Laut Jiddu Krishnamurti rühren all unsere Probleme daher, dass wir uns ständig mit anderen oder anderem vergleichen. Indem wir andere für reicher, schöner, klüger, erfolgreicher usw. halten, leben wir in einem Zustand ständiger Unruhe und Unzufriedenheit. Es kann auch der Vergleich der gegenwärtigen Verhältnisse mit irgendeinem Ideal sein, der uns umtreibt.

Das Resultat ist laut Krishnamurti immer das gleiche: Wir verschwenden unsere Energie, plagen uns ab, um uns dem Objekt unseres Vergleichs anzunähern und sind dabei doch nur auf der Flucht vor uns selbst. Ein Zustand innerer Ruhe und Klarheit würde sich dagegen einstellen, sobald wir aufhörten, uns mit anderen zu vergleichen und stattdessen einfach der sind, der wir sind. [J. Krishnamurti, Einbruch in die Freiheit, Frankfurt 1983, S.57f.]

In diesem Gedanken ist eine tiefe Wahrheit - auch wenn ich ihn nicht so absolut setzen würde wie Krishnamurti. Zweifellos vergeuden wir unsere Energie häufig an sinnlose Ziele, unser Tun ist oft nichts als ein "Haschen nach Wind", wie es der biblische Prediger sagt:
Ich sah an alles Tun, das unter der Sonne geschieht, und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind. (Prediger 1,14)
Auch für den Prediger ist, wie wir sehen, gleich alles eitel, und er kommt in seiner schlichten, eingängigen Sprache zu einem ähnlichen Schluss wie Krishnamurti:

Darum merkte ich, dass nichts Besseres darin ist, denn fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein jeglicher Mensch, der da isst und trinkt, und hat guten Mut in seiner Arbeit, das ist eine Gabe Gottes. (Prediger 3,12-13)

Wir sollten allerdings bedenken, dass dies Altersweisheiten sind, greisenhafte Weisheiten. Greise wollen manches nicht mehr sehen, wovon sie in ihrem Leben bereits genug hatten. So wird, wenn man die Unfruchtbarkeit all unseres Strebens absolut setzt, gerade sein entwicklungsfördernder Aspekt übersehen: Es gibt Ziele, die uns weiterbringen, es gibt ein Streben, an dem wir wachsen, innerlich reicher und erfüllter werden.

Die Frage wäre ja nun: Wie können wir ein Ziel als fruchtbar oder unfruchtbar erkennen? Was bringt uns weiter - und was läuft bloss auf Kräfteverschleiss hinaus? Wie können wir uns darin schulen, diese Unterscheidung mit guter Sicherheit zu treffen?

Wesentlich scheint mir die Quelle zu sein, aus der der Entschluss kommt. Woher stammt denn der Vergleich - ist es ein selbstgewählter, oder ein fremdbestimmter? Was dem eigenen Innern entspringt - ich meine das in sich ruhende, kraftvolle, nicht durch Ängste oder Zweifel erschütterte, sondern das souveräne, selbstbestimmte Ich - das bringt uns weiter. Wünsche, Sehnsüchte dagegen, die uns von irgendeinem peripheren Ort unserer Seele erreichen, die uns von aussen eingeflüstert werden, die in schwachen Momenten entstehen oder aus Unsicherheit - solche Wünsche haben die Tendenz, uns aufzureiben.

Es kann nicht darum gehen, alles Wünschen aus unserem Leben zu verbannen - mit ein bisschen Selbsterkenntnis können wir aber die unfruchtbaren Wünsche vermeiden lernen. Nicht um effizienter zu leben, sondern weil wir damit an unserer Autonomie und seelischen Beständigkeit arbeiten.

Aber natürlich haben die Greise auch recht, am tiefsten recht. Wir können vom Prediger etwas anderes lernen: Ungesund an unserem Tun ist oft, dass wir uns so stark an unsere Ziele klammern. So als würde die Welt aus den Angeln geraten, wenn wir diese Ziele nicht erreichen. Aber so ist es nicht. Es würde uns nicht, wie wir vielleicht glauben, auch nur einen Funken unserer Lebensfreude rauben, wenn wir unsere Ziele in einer spielerischen Haltung verfolgten, wenn wir "sie tun, als täten wir sie nicht". Das nimmt uns nur etwas von unserer Hoch-Wüchtigkeit - von dem Grimm, mit dem wir uns oft in unser Tun hineinbeissen.

Damit meine ich nicht, man solle etwa das Leben nicht in seiner ganzen Intensität auskosten. Im Gegenteil: Es ist schade um jede Minute, die nicht intensiv gelebt und gefühlt wird, um jedes Ziel, das nur lau und mit halber Kraft verfolgt wird. Dennoch wäre es ungesund, sich so fest mit den Zielen zu verbinden, dass man sein ganzes Wohl und Wehe von ihnen abhängig macht. Auf dem Grunde der Seele sollte ein lächelndes Auge sein, das sich der Relativität und Begrenztheit all unseres Strebens bewusst ist.

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